Ethik und Technikbewertung
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- Agnes Michel
- vor 7 Jahren
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1 Ethik und Technikbewertung 7. Vorlesung ( ): Ethische Grundlagen Christoph Hubig
2 Gliederung 1 Moral und Ethik zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten 2 Ethik 3 Einige Typen der Ethik 4 Bezugsbereiche der Ethik 4.1 Pflichtethik und/oder Nutzenethik 5 Das Beispiel Nachhaltigkeit (sustainability) 5.1 Nachhaltigkeit Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 2
3 1 Moral und Ethik zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten Moral: Vorfindliche, anerkannte Lebensregeln (mos Sitte) Ethik: Vorfindliche Haltungen in der Lebenswelt (ethos Sitte) Ethik: Wissenschaft von der Rechtfertigung solcher Regeln oder von Entscheidungsgründen Moral: Inbegriff gerechtfertigter Regeln (moralische Gesetze, Prinzipien) mit Anspruch auf allgemeine Anerkennung (angelsächsischer Sprachgebrauch, auch im Deutschen am weitesten verbreitet) (Kant, Habermas) Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 3
4 2 Ethik Die Aufgabe der Ethik ist - Rechtfertigung der Werte - Rechtfertigung des Abwägens bei Wertkonflikten Das Problem der Ethik ist der ethische Pluralismus: In unterschiedlichen Kulturen bestehen unterschiedliche Vorstellungen vom Menschen, vom Handeln, von Natur, von Gesellschaft, von Kultur selbst sowie von den diese fundierenden Werten. René Descartes: Wir haben kein ethisches Haus mehr! Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 4
5 3 Einige Typen der Ethik Pflichtenethik: Oberstes Prinzip, dem das Handeln verpflichtet ist, ist der Erhalt der Freiheit als Autonomie (Kant) der Erhalt der Schöpfung (Jonas)... Nutzenethik: Oberstes Ziel, auf das das Handeln ausgerichtet ist, ist die (allgemeine) Wohlfahrt als individuelles Handlungsziel (z.b. Singer) als Ziel, das aus der Beachtung von Handlungsregeln resultiert (z.b. Brandt) Vertragsethiken: Oberstes Prinzip, dem sich das Handeln unterwirft, ist die Befolgung qua Anerkennung vertraglich festgesetzter Regeln (Rawls) Evolutionäre Ethik: Oberstes Ziel, auf das das Handeln ausgerichtet ist, ist das Überleben in der Evolution (Mohr) Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 5
6 4 Bezugsbereiche der Ethik Deontologisch (aus Pflicht) Teleologisch (telos = Ziel) (qua Folgen-/Zielbewertung) Handlungen Regeln Handlungen Regeln Existentialismus Sartre Kant Aristoteles Präferenzutilitarismus Singer Regelutilitarismus Smart Brandt Prof. Dr. Christoph Hubig Institut für Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 6
7 4.1 Pflichtethik und/oder Nutzenethik Rechtfertigung: Im Blick auf sittliche Gebote (deontologisch Im Blick auf die Folgen (konsequentialistisch Instanz: Person als Träger von Autonomie oder autonome Heiligkeit der Natur Person als Träger von Bewusstsein und Interessen Vorgehen: formales Ausschlussverfahren (Selbstwiderspruch vermeiden) inhaltlich abwägend, Chancen-Risiko-Abgleich Voraussetzungen: Beispiele: Anerkennung der Würde Embryonen-Schutz, Erhaltung der Arten Optionen klar, Interessen klar, Folgen abschätzbar Bodensanierung, TÜV-Standards Prof. Dr. Christoph Hubig Institut für Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 7
8 5 Das Beispiel Nachhaltigkeit (sustainability) Disziplinäre Orientierung: ökologisch (1) starke ökonomisch (2) schwache naturwissenschaftl.- kybernetisch (3) sozialwissenschaftlich (4) Erhalt der Grundforderung: Regenerierungsfähigkeit Substitutionsfähigkeit Assimilationsfähigkeit sozialer Strukturen Verantwortlich für: Naturgüter Wohlfahrt/ Nutzen System/Evolution Freiheit, Gerechtigkeit Strategie: Suffizienz Effizienz Konsistenz Demokratie/ Reversibilität Ethik: Naturethik als Pflichtethik Utilitarismus Nutzenethik Evolutionäre Ethik Vertragsethik Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 8
9 5.1 Nachhaltigkeit Vorzüge: Optionen der Natur und der Menschen werden erhalten Optimum an Wohlfahrt bleibt erhalten (Grenznutzenprinzip) Erhalt des Systems / Grenzkriterien für Ökobilanzierung Erhalt der Vermächtnisse Nachteile: Was sind Naturgüter? (Schädlinge, Mangelpflanzen, endliche Ressourcen...) Wer erstellt Gesamtnutzenbilanz? Nichtlinearität ökologischer Prozesse Disneyland- Definition Kulturelle und sittliche Neutralität Kultureller Relativismus Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 9
10 6 Das Beispiel Langzeitverantwortung (1) Problem: Mangelnde Disponibilität der Zukunft (Wirkwelt Merkwelt Asymmetrie) Gesteigerte Machbarkeit in der Gegenwart (Domestizierbarkeit der Natur) Neue Fernethik (Hans Jonas) neuer Typ von Verantwortung prospektive Verantwortung (Rollenverantwortung) aber: prospektive Verantwortung vs. retrospektive Verantwortung (Folgenverantwortung) retrospektive Verantwortung in der Zukunft Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 10
11 Diskussionslage 6 Das Beispiel Langzeitverantwortung (2) 1 Reduktionsstrategien (Jonas): Instanz, Gegenstand und Prinzip der Verantwortung fallen zusammen; Schöpfung als Instanz fordert Naturerhalt unter dem Prinzip der Fürsorge Heuristik der Furcht Problem: Religiös-metaphysische Begründung, Unterlassungsrisiken 2 Immunisierungsstrategien (evolutionäre Ethik): Gegenwartsegoismus ist Evolutionsprinzip Fernverantwortung bedeutet moralische Überforderung Problem: Rechtfertigung des Evolutionsmodells 3 Extrapolationstrategien (Gethmann u. a.): Langzeitverantwortung bedeutet Fortschreibung der Gegenwartsverantwortung Kooperationsgemeinschaft aller Generationen Problem: kulturelle Bedingtheit der Extrapolationsbasis Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 11
12 6 Das Beispiel Langzeitverantwortung (3) Modifizierungsstrategien klassischer Ansätze: a) deontologisch: Erweiterung der Pflichten auf mögliche Personen Problem: Inklusions- und Eingrenzungsprobleme b) utilitaristisch: c) Vertragstheorien: Nutzensummenutilitarismus Durchschnittsutilitarismus Berücksichtigung impliziter Präferenzen in der Zukunft Diskontierung von Nutzenerwartungen Negativer Utilitarismus Intergenerationelle Gerechtigkeit Erhöhung der Individuenzahl? Verminderung und Ausschluss bestimmter Individuengruppen? Dogmatismus? Dezisionismus? Besserstellung zukünftiger Generationen ungerecht? Gültigkeit von Güterkatalogen? Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 12
13 6 Das Beispiel Langzeitverantwortung (4) Ergänzung der klassischen Ansätze durch Praxisnormen ( Konvergenz und Komplementarität) Abstufung der Verbindlichkeit von Pflichten durch Verantwortungsdelegation (z. B. an Institutionen) (Gethmann) Zumutbarkeit berücksichtigen (Habermas) Entfaltungsbedingungen für Freiheit und Gerechtigkeit entwickeln (Apel) Demokratieprinzip als pragmatisches Regulativ verfolgen (Spaemann) Motivationale Hintergründe etablierter Werte berücksichtigen (Birnbacher) Prof. Dr. Ch. Hubig Institut f. Philosophie FG Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur 13
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