Kooperative Bedarfsermittlung
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- Frieda Holtzer
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Kooperative Bedarfsermittlung Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs gemeinsam mit Menschen mit Beeinträchtigungen im Bereich Wohnen J. Hugenschmidt, C. Lalla, A. Parodi, K. Holzapfel, J. Gebert
2 Gliederung Vorstellung Wer sind wir und das Projekt? Kooperative Prozessgestaltung (KPG) Das Angebot Kooperative Bedarfsermittlung Kooperative Bedarfsermittlung konkret Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? (Fallbeispiel) Merkmale in Bezug auf Soziale Diagnostik Fragen/Diskussion 2 Lebenshilfe Lörrach e.v
3 Vorstellung Wer sind wir und das Projekt? Team der Kooperativen Bedarfsermittlung (Lebenshilfe Lörrach e.v.) Jakin Gebert, Wissenschaftlicher Assistent (FHNW, CH); ehemaliger Teamleiter Projekt gefördert von Aktion Mensch ( ) Schulung und Begleitung durch FHNW CH Entwicklung eines neuen Angebotes Bestehende Unterstützungsangebote verbessern, Selbstbestimmung und Kooperation gewährleisten und verbessern 3 Lebenshilfe Lörrach e.v
4 Kooperative Prozessgestaltung (KPG) Ein Konzept für professionelles Handeln Soziale Arbeit: «Gutes Leben» für alle: eigene Bedürfnisse/Wünsche & gesellschaftliche Integration / Teilhabe Barrieren/ Einschränkungen von Autonomie Assistenz Begleitung Unterstützung «professionelles Handeln» / fachlich fundiertes Handeln: aktuelles Fachwissen nutzen Veränderungen bei Menschen kann man nicht «herstellen» «gemeinsam Handeln»: Fachkraft und Klientin «wissen was man tut» und nachdenken darüber 4 Lebenshilfe Lörrach e.v
5 Konzept KPG: Prozesse gestalten Prozessstruktur: Rahmen für Denken und Handeln für die Entwicklungsplanung (z.b. 1 Jahr) für Handlungen im Alltag Analytische Phase & Handlungsphase Gestaltung von Kooperation: mit Klient/innen auf der Fachebene Merkmale: Offenheit: verschiedenste Methoden keine Rezepte nur ein Modell keine Vorschriften aber Standards! 5 Lebenshilfe Lörrach e.v
6 Das Angebot Kooperative Bedarfsermittlung Zielgruppe: - Menschen mit Beeinträchtigungen, die eine Veränderung ihrer Wohnsituation wünschen - Unzufriedenheit mit aktueller Lebens-/Wohnsituation - Komplexe Probleme/unklare Hilfebedarfe Dauer: ca. 4-6 Monate Umfassende Abklärung und Bedarfsermittlung Gesamter Prozess in Kooperation mit Nutzer/-in (Einbezug bei allen Prozessschritten) Ergebnisoffenes Vorgehen Abschlussbericht mit differenzierter Empfehlung in Bezug auf Hilfebedarf und Wohnsituation (trägerneutral) 6 Lebenshilfe Lörrach e.v
7 Kooperative Bedarfsermittlung basiert auf KPG Obligatorisch Optional Situationserfassung Analyse Diagnose Ziele Intervention Evaluation Info/Anfrage Erstgespräch Aktenstudium Silhouette Perspektivenanalyse HMBW Fragebogen Theoriegeleitetes Fallverstehen Arbeitshypothese Bericht Mappe Abschlussgespräch Abschlussg. Bezugsp. Evaluation Fachebene Lebensweltorientierte Einzelaktivität Netzwerkkarte Hilfeplangespräch Genogramm Zeitstrahl Infos aus der WfbM Kurzzeitwohnen Hospitation So möchte ich wohnen! Fallthematik Verlaufsdokumentation 7 Lebenshilfe Lörrach e.v
8 Kooperative Bedarfsermittlung konkret Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? (Fallbeispiel) Maria Lembo, 20 Jahre alt Lernbehinderung an der Grenze zur geistigen Behinderung emotionaler Entwicklungsrückstand aufgeschlossen und kontaktfreudig hat eine große Familie lebt zusammen mit der Mutter Eltern sind geschieden; kaum Kontakt zum Vater ist auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig (geringer Umfang) 8 Lebenshilfe Lörrach e.v
9 Fallbeispiel Situationserfassung Erstgespräch Kontaktaufnahme durch die Mutter Die Mutter wünscht sich, dass ihre Tochter bald auszieht und selbständiger wird Maria Lembo möchte unter keinen Umständen ausziehen, zeigt jedoch Bereitschaft zur Zusammenarbeit Lebensweltorientierte Einzelaktivität: Eis essen Aktenstudium: Unterlagen Jugendamt Zeitstrahl Genogramm 9 Lebenshilfe Lörrach e.v
10 Zeitstrahl 10 Lebenshilfe Lörrach e.v
11 Genogramm 11 Lebenshilfe Lörrach e.v
12 Situationserfassung Merkmale des Vorgehens Umfassende Erfassung der gesamten Lebenssituation Raum für Beziehungsaufbau Gemeinsame Aktivität nach Interesse Nutzer/-in Methoden werden gemeinsam mit Nutzer/-in durchgeführt Blickwinkel Nutzer/-in wird erfasst 12 Lebenshilfe Lörrach e.v
13 Fallbeispiel Analyse Wöchentliche Treffen über einen Zeitraum von vier Monaten Netzwerkkarte Silhouette Zeitstrahl So möchte ich wohnen! Perspektivenanalyse HMBW-Fragebogen (in leichter Sprache) Auswertung der Instrumente mittels feststellender Hypothesen Bildung einer Fallthematik Worum geht es? 13 Lebenshilfe Lörrach e.v
14 Silhouette 14 Lebenshilfe Lörrach e.v
15 Perspektivenanalyse 15 Lebenshilfe Lörrach e.v
16 Genogramm mit Bewertungen 16 Lebenshilfe Lörrach e.v
17 Netzwerkkarte 17 Lebenshilfe Lörrach e.v
18 So möchte ich wohnen! 18 Lebenshilfe Lörrach e.v
19 So möchte ich wohnen! 19 Lebenshilfe Lörrach e.v
20 Beobachtungen Hohe Emotionalität Ständiges Kreisen um Trennung der Eltern Sehr offen und kommunikativ 20 Lebenshilfe Lörrach e.v
21 Fallthematik Maria Lembo ist - eine 20- jährige Frau mit einer Lernbehinderung an der Grenze zur geistigen Behinderung und einem emotionalen Entwicklungsrückstand - mit schwieriger Familiengeschichte (Gewalt, Frauenhaus, Jugendamt), die die Trennung ihrer Eltern als besonders einschneidendes Erlebnis ansieht, das sie auch aktuell immer noch sehr beschäftigt und belastet, - mit einer engen, aber teilweise auch schwierigen Beziehung zur Mutter, einem negativen bzw. unklaren Verhältnis zum Vater, die ein sehr kleines Beziehungsnetz außerhalb der (Groß-)Familie benennt, - viele praktische Tätigkeiten nur mit Hilfe ihrer Mutter erledigen kann, - nicht gerne alleine ist und den Eindruck vermittelt, sich wenig mit sich selbst und ihren Themen auseinandersetzen zu wollen und - die keine konkrete Vorstellung von ihrer Zukunft hat und im Gegensatz zum Anliegen der Mutter keinen Wunsch hat, von zuhause auszuziehen. 21 Lebenshilfe Lörrach e.v
22 Analyse Merkmale des Vorgehens Sichtweise Nutzer/-in wird umfassend eingeholt Unterschiedlichste Aspekte werden erfragt: Stärken, Interessen, Ressourcen, Ziele sowie Ängste und Hilfebedarfe Einbezug verschiedener Sichtweisen (Familie, Arbeitsbereich, sonstige Bezugspersonen) Einbezug der Nutzer/-in bei allen Methoden Bündeln der wichtigsten Informationen zu einer Fallthematik Fallthematik wird mit Nutzer/-in besprochen 22 Lebenshilfe Lörrach e.v
23 Fallbeispiel Diagnose Erklärungsbedürftige Aspekte aus der Analyse: Schwierige Familiengeschichte, die sie noch sehr beschäftigt und belastet Enge, aber teilweise auch schwierige Beziehung zur Mutter Kleines Beziehungsnetz außerhalb der Familie Viele praktische Tätigkeiten mit Hilfe ihrer Mutter Ist nicht gerne alleine, vermittelt den Eindruck, sich wenig mit den eigenen Themen auseinandersetzen zu wollen Kein Wunsch nach Auszug 23 Lebenshilfe Lörrach e.v
24 Fallbeispiel Diagnose Erklärungen durch Beizug verschiedener Theorien: systemökologische Entwicklungstheorie nach Bronfenbrenner Tochterrolle in vielen Lebensbereichen sehr ausgeprägt Wenig Entwicklungsmöglichkeit. Alle Tätigkeiten im Wohnen gemeinsam mit ihrer Mutter Keine Entwicklung von Zukunftsperspektiven außerhalb der Familie und Tochterrolle Trauma-Theorien Trennungsprozess der Eltern war eine traumatische Erfahrung Verarbeitung konnte noch nicht stattfinden Dauerhafte Beschäftigung mit Trennung Kann sich schwer auf Neues einlassen. Resilienz/Risikofaktoren Kognitive Entwicklungstheorie nach Piaget 24 Lebenshilfe Lörrach e.v
25 Handlungsleitende Arbeitshypothese Wenn - Maria Lembo die Trennung ihrer Eltern aufarbeitet, - die Bedingungen zum Erwerb von Schutzfaktoren verbessert werden, - sie die Gelegenheit bekommt, sich in verschiedenen Lebensbereichen ohne die Begleitung der Mutter zu bewegen und dadurch ihre Tochterrolle weniger dominant ist, dann. - kann sie sich aktiv mit sich und ihrer Umwelt auseinandersetzen, entwickelt das altersentsprechende Bedürfnis nach mehr Autonomie und es können Lern- und Entwicklungsprozesse stattfinden, - kann sie sich auf neue Themen einlassen, für sich eine eigene Zukunftsperspektive entwickeln und selbständiger werden und - wird die Widerstandfähigkeit von Frau Lembo gegenüber kritischen Lebenssituationen erhöht. 25 Lebenshilfe Lörrach e.v
26 Diagnose Merkmale des Vorgehens Suche nach theoretischen Erklärungen Beizug von unterschiedlichen Theorien/Erklärungsansätzen Diagnose/Arbeitshypothese wird mit Nutzer/-in besprochen Abgleich der Erklärungen mit Sichtweise Nutzer/in Austausch zur Diagnose und Prozess des gemeinsamen Verstehens kann bereits zu Veränderungen führen 26 Lebenshilfe Lörrach e.v
27 Fallbeispiel Empfehlungsplanung Erarbeiten von Empfehlungen auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Diagnose Einbezug von Fachwissen und Alltagswissen, Interessen von Maria Lembo Kreatives Fantasieren, Best-Case/Worst-Case Szenarien 27 Lebenshilfe Lörrach e.v
28 Empfehlung (Bericht) Wohnsituation zunächst nicht verändern Überforderung Professionelle Begleitung in aktueller Wohnsituation Feste/r Ansprechpartner/in außerhalb der Familie Unterstützung bei Ablösung/Verselbständigung Mehr Übernahme von Verantwortung im Alltag Beratung der Mutter bei Ablösung Erarbeiten einer neuen Wohnperspektive Therapeutische Aufarbeitung der Trennung 28 Lebenshilfe Lörrach e.v
29 Fallbeispiel Evaluation Evaluation mit Maria Lembo Evaluation auf der Fachebene im Team Nach 6 Monaten: Evaluationsfragebogen 29 Lebenshilfe Lörrach e.v
30 Maria Lembo Aktuelle Situation Maria Lembo nimmt Beratungsangebot zur Bearbeitung der Trennung der Eltern wahr Ansprechpartner außerhalb der Familie sind vorhanden (Mutter ist weniger stark involviert) Wohnbegleitung Gesetzliche Betreuung Beratungsangebot Einführung Haushaltsplan: Maria Lembo übernimmt Aufgaben Bereiche werden erschlossen, bei denen Mutter außen vor ist Kann sich mit Auszug auseinandersetzen und entwickelt eigene Wohnperspektiven 30 Lebenshilfe Lörrach e.v
31 Merkmale in Bezug auf Soziale Diagnostik Diagnostik besteht nicht nur aus dem Schritt Diagnose, sondern aus der gesamten Bedarfsermittlung Gemeinsames Fallverstehen Nutzer/-in wird einbezogen und seine/ihre Sichtweise abgebildet Fachliche Erklärungen werden besprochen Neue Erkenntnisse durch theoretische Erklärungen Verwendung von auf Nutzer/-in angepasste Instrumente und Hilfsmittel Kooperative Diagnostik ermöglicht den Aufbau eines Arbeitsbündnisses und führt zu Veränderungen Soziale Diagnostik als Verbindung von Sichtweise Nutzer/-in und fachlichen/theoretischen Erklärungen 31 Lebenshilfe Lörrach e.v
32 Fragen/Diskussion?! 32 Lebenshilfe Lörrach e.v
33 Für Fragen und Anregungen: ; 07621/ Literatur: Hochuli Freund, Ursula/Stotz, Walter (2015). Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit. Ein methodenintegratives Lehrbuch. 3. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 33 Lebenshilfe Lörrach e.v
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