Subjektiv-öffentliches Recht auf Verfahrensdurchführung
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- Ute Müller
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1 VG München, Urteil v M 12 K Titel: Subjektiv-öffentliches Recht auf Verfahrensdurchführung Normenketten: Dublin II-VO Art. 19 Abs. 3 VwVfG 48, 51 AsylG 34a Leitsätze: 1 Nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO kommt eine Abschiebung an den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach 34a AsylG auch dann nicht in Betracht, wenn sich dieser entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf beruft und sich zur Übernahme des Klägers bereit zeigt. (redaktioneller Leitsatz) 2 Das sich aus Art. 3 Abs. 1 S. 1 Dublin II-VO ergebende subjektiv-öffentliche Recht auf die Durchführung eines Asylverfahrens und die Prüfung des Asylbegehrens in einem der Mitgliedstaaten wird vereitelt, wenn nach Ablauf der Überstellungsfrist keine Überstellung in den ursprünglich für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat mehr erfolgt, die nunmehr zuständige Behörde aber weiterhin von der Unzulässigkeit des Asylantrags nach 27a AsylG ausgeht. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte: Staatsangehöriger, Zuständigkeit, Fristablauf, Dublin-Bescheid, Überstellungsfrist, Zweitantrag Tenor I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom... Mai 2014 aufzuheben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Der Kläger begehrt die Aufhebung des Bescheids vom... Mai 2014, mit dem die Überstellung des Klägers nach Ungarn im Rahmen des so genannten Dublin-Verfahrens angeordnet wurde. Der am... geborene Kläger ist eigenen Angaben zufolge Staatsangehöriger von Mali. Er reiste - wieder nach eigenen Angaben - am 28. Juli 2013 ins Bundesgebiet ein (Bl. 26 der Behördenakte) und stellte am 12. August 2013 einen Asylantrag (Bl. 3 der Behördenakte). Bei der Anhörung gab der Kläger an, er sei über Marokko, die Türkei (1 Woche), Griechenland (2 Jahre und 2 Monate), Mazedonien (1 Monat), Serbien (1Monat), Ungarn (1 Monat) und Österreich nach Deutschland gereist (Bl. 44 der Behördenakte). Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Ungarn (HU1...; Bl. 31 der Behördenakte).
2 Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 27. Dezember 2013 (Bl. 31 der Behördenakte) hat Ungarn am 7. Januar 2014 der Übernahme des Klägers zugestimmt. Darin ist ausgeführt, dass der Kläger in Ungarn am 29. Juni 2013 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 35 der Behördenakte). Mit Bescheid vom... Mai 2014 lehnte das Bundesamt der Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2; Bl. 63 der Behördenakte). Der Bescheid wurde mit Schreiben vom 28. Mai 2014 zugestellt (Bl. 68 der Behördenakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages für die Bearbeitung gem. Art. 16 Abs. 1 Buchstb.c Dublin II VO zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 3 Dublin II VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Am... Juni 2014 hat der Prozessbevollmächtigte seine Bevollmächtigung gegenüber dem Bundesamt angezeigt und Akteneinsicht beantragt (Bl. 75 der Behördenakte). Mit Schreiben vom 24. Juni 2014 wurde dem Prozessbevollmächtigten ein Ausdruck der elektronischen Akte übersandt (Bl. 78 der Behördenakte). Am... September 2015 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid vom... Mai 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag den Bescheid der Beklagten vom... Mai 2015 aufzuheben. Die Klage wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Abschiebung des Klägers sei nicht vollzogen worden. Am... Juli 2014 habe der Prozessbevollmächtigte die Aufhebung des Bescheides vom... Mai 2014 beantragt. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 1. September 2014 bestätigt, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei, eine Aufhebung des Bescheides sei bisher nicht erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte habe unter Fristsetzung nochmals an den Aufhebungsantrag hingewiesen. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Die Beklagte stellte, keinen Antrag und äußerte sich auch nicht zur Sache. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die Verwaltungsstreitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten mit Schreiben vom... Oktober 2015 (Klägerbevollmächtigter) und 24. Juni 2015 (Beklagte) auf eine solche verzichtet haben, 101 Abs. 2 VwGO. Die Klage ist im Hinblick auf den von der Klägerseite mit Schriftsätzen vom... Juli 2014 und... November 2014 gestellten und ohne Reaktion der Beklagten gebliebenen Antrag als Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage gem. 75 VwGO zulässig. Insbesondere ist auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des 75 Satz 2 VwGO gegeben. Der Klägerbevollmächtigte hat am... Juli 2014 und... November 2014, mithin vor 17 bzw. 13 Monaten, einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gestellt (Anlage 1 zur Klage), über den bis heute nicht entschieden ist. Das Bundesamt hat sich zum Vorliegen eines Grundes für die verzögerte Bearbeitung und Entscheidung auch im Klageverfahren nicht geäußert. Auch wenn gerichtsbekannt ist, dass das Bundesamt durch die stark erhöhten Asylbewerberzahlen überlastet ist, reicht dies nicht aus, um einen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung anzunehmen. Es handelt sich nicht um eine kurzfristig erhöhte Geschäftsbelastung, sondern um eine permanente Überlastung der Behörde. In einem solchen Fall ist es Aufgabe des
3 zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichenden Ersatz zu sorgen und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. VG Dresden, U.v A 2 K 3657/14 - juris; VG Düsseldorf, U.v K 992/14.A - juris; VG Braunschweig, U.v A 618/13 - juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde wie hier keine Perspektive für eine Entscheidung aufzeigt, so dass auf zunächst unbestimmte Zeit offenbleibt, wann überhaupt über den gestellten Antrag entscheiden wird. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat nach 51 Abs. 5 i. V. m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne) einen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom... Mai 2014 aufzuheben. Dieser Bescheid ist im nach 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtswidrig. Sein Fortbestand verletzt den Kläger in eigenen Rechten, das Ermessen der Beklagten im Rahmen der Entscheidung über das Wiederaufgreifen ist auf Null reduziert. 1. Vorliegend ist die Verordnung (EU) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II VO) nach Art. 29 Abs. 2 anwendbar. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist) gilt die Dublin III VO erst für Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Das Wiederaufnahmegesuch der Beklagten wurde vorliegend am 27. Dezember 2013 und damit vor dem 1. Januar 2014 gestellt (Bl. 31 der Behördenakte; vgl. BayVGH, B.v ZB juris Rn. 8). Gem. Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. 2. Diese sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO, die nach den Feststellungen der Beklagten (Bl. 67 der Behördenakte) am 9. Juli 2014 abgelaufen sein soll, ist verstrichen. 3. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II VO). Ein Tatbestand, der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Beklagten vorgetragen, noch ist ein solcher ersichtlich. Der Asylantrag des Klägers ist damit nicht mehr nach 27a AsylG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach 34a AsylG nicht mehr in Betracht. Dass Ungarn sich entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme des Klägers bereit ist, wurde weder mitgeteilt noch kann hiervon grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v a ZB juris Rn. 4). Denn eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, kann nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt wird. Der angefochtene Bescheid ist damit rechtswidrig (geworden). 4. Der streitgegenständliche Bescheid des BAMF kann nach inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung auch nicht in eine ablehnende Entscheidung nach 71a AsylG umgedeutet werden, wie dies teilweise von der Beklagten in anderen Dublin-Verfahren nach Ablauf der sechsmonatigen
4 Überstellungsfrist vertreten wurde (vgl. z. B. BayVGH, B.v ZB juris Rn. 17; B.v a ZB juris Rn. 8 ff.). 5. Das Gericht folgt auch nicht der teilweise vertretenen Auffassung, nach Eintritt der Überstellungsfrist würde sich ein BAMF-Bescheid, mit dem ein Asylantrag wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats für unzulässig erklärt und die Abschiebung in diesen Mitgliedstaat angeordnet wurde, nach 43 Abs. 2 VwVfG durch Zeitablauf erledigen (so: BayVGH, B.v ZB juris Rn. 2; VG Potsdam, U.v K 1344/14.A - juris). Es erscheint theoretisch nicht ausgeschlossen, dass trotz Ablaufs der Überstellungsfrist - mit Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaats - auf der Grundlage des angefochtenen Bescheids noch eine Überstellung nach Ungarn stattfinden könnte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v C-394/12 - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich Asylbewerber nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-Verordnungen gewähren ihnen keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihr Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft wird, den sie für zuständig halten. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem nur insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung der Asylgewährung verpflichtet sein muss. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz der Asylbewerber, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit der Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedsstaat. Die Dublin-Verordnungen enthalten auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten untereinander. Die Annahme des gleichsam automatischen Eintritts der Unwirksamkeit nach 43 Abs. 2 VwVfG bereits mit Ablauf der Überstellungsfrist erscheint hiermit nicht vereinbar. 6. Der Kläger hat aus 51 Abs. 5 i. V. m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, diese zu verpflichten, den Bescheid vom... Mai 2014 aufzuheben. a) Zunächst ist festzustellen, dass in der neueren obergerichtliche Rechtsprechung mittlerweile hinreichend geklärt ist, dass statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach 27a AsylG die Anfechtungsklage ist (vgl. z. B. BayVGH, B.v ZB juris m. w. N.; OVG NRW, B.v A 221/15.A - juris m. w. N.; vgl. auch VGH BW, U.v A 11 S 121/15 - juris Rn. 35 ff., 43). Ein darüber hinaus gehender Verpflichtungsantrag, nach dem das Gericht das Asylbegehren materiell am Maßstab von Art. 16a GG, 3 AsylG, 4 AsylG und /oder 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG zu prüfen hätte, wäre hingegen in der vorliegenden prozessualen Situation nicht statthaft und daher unzulässig. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v C juris) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach 32, 33 AsylG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung ( 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG) und Amtsermittlungsgrundsatz ( 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ausgestattet sei. Die Regelungen des
5 Asylgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum Durchentscheiden angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden (vgl. BayVGH, B.v a ZB juris Rn. 6). b) Zwar kann ein Asylbewerber einer Rücküberstellung im Dublin-Verfahren grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (grundlegend: EuGH, U.v C-411/10 - juris). Die Regelungen der Dublin -Verordnungen richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVG SH, B.v LA 15/15). Eine subjektive Rechtsstellung des Klägers ergibt sich hier aber aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO. Der Kläger hat ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung eines Asylverfahrens und die Prüfung seines Asylbegehrens in einem der Mitgliedstaaten. Dieser Anspruch wird vereitelt, wenn eine Überstellung in den ursprünglich für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat nicht erfolgte und nach Ablauf der Überstellungsfrist auch nach allen vorliegenden Erkenntnissen nicht mehr erfolgen kann, die nunmehr zuständige Behörde aber weiterhin von der Unzulässigkeit des Asylantrags nach 27a AsylG ausgeht. Für die Rechtsverletzung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der Fristablauf nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im Bundesgebiet begründet. Denn durch den Fristablauf und die tatsächlich fehlende Überstellung wird das Verfahren in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags wieder auf. Im Anschluss daran muss die Beklagte prüfen, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt (vgl. VG Würzburg, U.v W 3 K juris). Wenn also wegen Ablaufs der Überstellungsfrist allein die Zuständigkeit der Beklagten (sei es für ein klassisches Erstverfahren, sei es für einen Zweitantrag nach 71a AsylG) bleibt, muss der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden können (so auch: VG Regensburg, U. v RO 9 K juris Rn. 20). c) Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger nach 51 Abs. 5 i. V. m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG von der Beklagten fordern, sein Asylverfahren wiederaufzugreifen und den bestandskräftigen Bescheid vom... Mai 2014 aufzuheben. Auch wenn es sich insoweit grundsätzlich um eine Ermessensentscheidung der Beklagten handelt, ist das Ermessen der Beklagten insoweit auf Null reduziert: Wie bereits dargelegt, liegt dem europäischen Zuständigkeitssystem zugrunde, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden, konkret inzwischen von der Beklagten. Der Fortbestand der anderslautenden Entscheidung der Beklagten verletzt den Kläger - wie dargelegt - in eigenen Rechten. Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und ggf. ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Raum für eine andere Entscheidung der Beklagten als die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids bleibt vor diesem Hintergrund nicht. Im Übrigen bleibt anzumerken, dass nach Kenntnis des Gerichts die Beklagte in vergleichbaren Fallkonstellationen durchaus eine Aufhebung entsprechender Bescheide vornimmt und somit sogar eine entsprechende ermessensbindende Verwaltungspraxis vorliegend dürfte. Dass dies im vorliegenden Verfahren nicht entsprechend erfolgte, dürfte - mangels anderer bekannt gewordener Gründe - wohl allein in einer Überlastung des BAMF begründet liegen. Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben ( 83 b AsylG).
6 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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