Vortrag anlässlich des 277. PTB Seminars, Berlin, 11. März 2014
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- Pamela Maria Bretz
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1 Vortrag anlässlich des 277. PTB Seminars, Berlin, 11. März 2014 Bernd Pesch Kalibrierzentrum der Bundeswehr / QM, Messverfahren und ihre Unsicherheit Nebenberuflich tätig für Pesch Consult, Zülpich
2 So gut das GUM (JCGM 100:2008) auch die Bestimmung einer allgemein anerkannten und vergleichbaren Messunsicherheit erläutert, so schwierig erscheint oft der Einstieg. Nach den Begriffsklärungen steigt das GUM nach gerade einmal sechs Zeilen(!) in die Modellierung ein. Unklar bleibt, wie man zu einer solchen Modellierung kommt und wie sie gestaltet sein sollte. Wir erläutern einen möglichen Weg bis zu diesem Punkt. 2
3 I Historische Einführung II Aufgabenstellung (Längenmessung) III Messgröße (Länge einer Fassade) IV Prozessgleichung V Modellgleichung VI Fazit (Überblick über die Ergebnisse) VII Weitere Nutzung der Ergebnisse (Winkel) 3
4 Vor einiger Zeit lief im ZDF die Serie Historische Superbauten. Die erste Folge behandelte den Bau des neuen Kölner Doms, dessen Grundsteinlegung auf den 15. August 1248 zurückgeht. Hierbei wurde immer wieder auf die Genauigkeit der Messungen hingewiesen. Angeblich konnte man mit einem Seil auf den Millimeter genau messen. Diese Aussage war Ausgangspunkt der nachfolgenden Evaluierung. 4
5 Auf Grund diverser Überlieferungen ist die Verwendung der 13-Knoten-Schnur als Längenmessmittel am Bau bewiesen. Mit Hilfe der Schnur konnte man addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren (mit Rest), Längen messen und teilen, rechte Winkel konstruieren, gleichseitige Dreiecke bilden, Dachschrägen festlegen, Sechsecke konstruieren, Bogen schlagen und Kreise ziehen, Spitzbogenfenster konstruieren und vieles mehr. 5
6 (Im Rahmen der Evaluierung) war eine Länge entsprechend der Westfassade des Doms zu ermitteln. Die zu messende Länge würde geschätzt über 200 Fuß betragen. Es war offensichtlich, dass ein mehrfaches Anlegen der Schnur eventuell mit Rest notwendig sein würde. Diese Aufgabe wurde in mehreren Seminaren behandelt. 6
7 Eine interpretationsfreie Definition der Messgröße ist zwingende Voraussetzung für die Ermittlung der Messunsicherheit. Hierzu gehört auch ein Referenzmaß (Bezugsnormal), welches keiner Diskussion unterliegt. In die Definition sind zudem die Rahmenbedingungen der Messung mit einzubringen. Wegen dem konkreten Bezug auf eine vormetrische Einheit erfolgt die Betrachtung ausnahmsweise mal nicht in SI- Einheiten, sondern in Fuß. 7
8 Das Referenzmaß lag in der Einheit Fuß vor und wurde bei der Evaluierung durch Kerben in einem Stück Holz realisiert. Real wurden als Referenz feste Markierungen genutzt, die beispielsweise an Grundsteinen angebracht waren. Damals wie heute musste das Maß von der Referenz auf die Schnur übertragen werden, indem die Schnur in entsprechendem Abstand geknotet wurde. 8
9 Lokales Normal Fuß des Kardinals Bezugsnormal Grundstein Gebrauchsnormal Schnur Anwendung Maße am Bau 9
10 Aus der Beschreibung des Messprozesses muss eindeutig und vollständig erkennbar sein, wie ein Messergebnis ermittelt wird. Beispiel: Die leicht gespannte 13-Knoten-Schnur wird entlang einer vorgegebenen Strecke angelegt. Der Endpunkt der abgetragenen Strecke ist zu markieren. Das Abtragen einer Strecke, wird so oft wiederholt, bis dass lediglich eine Restlänge zu ermitteln ist. Die Anzahl ganzer Abschnitte der Restlänge wird abgezählt. Der Teilabschnitt des letzten genutzten Abschnitts wird durch Teilung (Faltungen) möglichst genau ermittelt. usw
11 Die Prozessgleichung ist die Umsetzung des Messprozesses in eine mathematische Gleichung. Messaufgabe Definition der Messgröße Die Prozessgleichung wird nicht im JCGM 100:2008 erwähnt; ist aber nach unserer Meinung ein zwingender Schritt auf dem Weg zur Modellgleichung. Messprozess nach DIN EN ISO 10012:2004: Satz von Tätigkeiten zur Ermittlung eines Größenwertes Beschreibung des Messprozess Prozessgleichung Eingangsgrößen zuordnen Ab hier ist das GUM anwendbar. Modellgleichung 11
12 Im Rahmen der Messung wurde die Länge der Schnur 18 mal genutzt. Zudem blieb ein Rest von weiteren acht Abschnitten und einem Anteil von 3 / 8 Abschnitten. Zu dieser Messung muss eine angepasste Prozessgleichung entwickelt werden, da verschiedene Einflüsse den Teillängen und Handlungsabläufen zugeordnet werden müssen: l Gesamt = 18 l Schnur + 8 l Abschnitt l Teilabschnitt Hier ist die Korrelation schwerpunktmäßig zu berücksichtigen: 18 Anlegungen derselben Schnur! 12
13 Diese Fischgräten -Darstellung der Ursache-Wirkung-Zusammenhänge ist mittlerweile weit verbreitet. Darstellung nach Ishikawa Kaoru Erstellt mit XMind ( 13
14 Eine Alternative zum strukturierten Erfassen von mehr Informationen zu den Eingangsgrößen. Erstellt mit XMind ( 14
15 Die Prozessgleichung ist um alle relevanten Eingangsgrößen zu ergänzen, wie diese im Brain Storming gefunden und in der Messunsicherheitsanalyse diskutiert wurden. In der Praxis empfiehlt es sich, die Modellgleichung parallel zur Messunsicherheitsanalyse zu entwickeln und neue Erkenntnisse sofort einzubringen. Die Modellgleichung ist ein lebendes Gebilde und kann bei vorliegen neuer Kenntnisse ständig angepasst werden. 15
16 Wir empfehlen auch wenn dies im GUM nicht so beschrieben ist die Verwendung folgender Symbole: Δ für bekannte Differenzen und Korrekturen δ als Platzhalter für die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion von Einflussgrößen mit einem Nennwert von Null Die δ-terme stellen eine Ergänzung zum GUM dar. Sie sind in der Praxis fast unverzichtbar und wurden beispielsweise im EA Guide EA-4/02 (später DAkkS-DKD-3-E1 und E2) vorgestellt. δ steht im Gegensatz zu Δ für eine numerisch unbekannte Differenz zum Erwartungswert. 16
17 Verschiedene Unsicherheitseinflüsse Korrekturen mit Unsicherheit Zusammenfassung der Teillängen Nennmaß eines Abschnitts l Gesamt = l Abschnitt + Alt + δ Alt + Gerade 12 + δ Gerade + δ Feucht + δ Sp + δ Rück +1 δ Ende + 19 δ Anlege Hier liegen jeweils Korrelationen vor Neuanlegung einer Schnurlänge Bestimmung der Restlänge 17
18 Bilanz (I) Maßgeblichen Einfluss haben die materialabhängigen Einflüsse der Dehnung und der Alterung beim Zuziehen der Knoten. Das Ergebnis liegt mit U 0,95 = 0,23 % deutlich über der ursprünglichen Behauptung. Längen l 216,000 Fuß 0,0000 Fuß - 0,000 0,000 Abschnitte 8,000 Fuß 0,0001 Fuß - 0,000 0,000 Rest 0,375 Fuß 0,0000 Fuß - 0,000 0,000 Feuchte / Dehnung δfeucht 0,0156 Fuß R 0,577 18,698 9,0E % Spannung δsp 0,0038 Fuß R 0,577 18,698 9,0E+99 3 % Rückführung/Knoten δrück 0,0095 Fuß N 1,000 18,698 5,0E % Endpunkt δende 0,0313 Fuß R 0,577 1,000 9,0E+99 0 % Alterung, Systematik ΔAlt, δalt -0,3740 Fuß 0,0030 Fuß N 1,000 18,698 9,0E+99 5 % Startpunkt, Anlegung δanlege 0,0037 Fuß D 0,408 1,000 9,0E+99 0 % Geradheit ΔGerade, δgerade 0,024 Fuß 0,0038 Fuß N 0,577 18,698 9,0E+99 3 % Erw. Messunsicherheit, k =2, Beschreibung Symbol Schätzgröße MU Einfluss WDF, Gew. Sensitivität Freiheitsgrad Messunsicherheitsbeitrag 0,169 Fuß 0,041 Fuß 0,177 Fuß 0,018 Fuß 0,057 Fuß 0,002 Fuß 0,041 Fuß Summe 224,025 Fuß Freiheitsgrad 2,3E+02 0,23 % 100 % 0,52 Fuß 18
19 Bilanz (II) Das Ergebnis der klassischen Modellierung wird durch eine Monte Carlo Simulation bestätigt. 19
20 Mit den Informationen der zuvor durchgeführten Evaluierung wird die Darstellung des rechten Winkels behandelt. Schwerpunkte: Nichtlineare Modellgleichung Korrelierte Eingangsgrößen Bestimmung der Messunsicherheit mit Hilfe der Monte Carlo Simulation 20
21 Die Konstruktion wird unter Ausnutzung der Winkelbeziehung nach Pythagoras durchgeführt: a 2 + b 2 = c 2 Da eine Aussage zur Unsicherheit der Winkeldarstellung gefordert wird, ist ein anderer Ansatz zur Beschreibung der Messgröße notwendig. Diesen Ansatz liefert der Kosinus-Satz: c 2 = a 2 + b 2 2ab cos γ 21
22 Der Kosinus-Satz erfüllt die Bedingungen korrekte Darstellung des Messprozesses nach folgender Umstellung: γ = arccos a2 + b 2 c 2 2 a b 22
23 Als Modellgleichung kann die Prozessgleichung direkt genutzt werden: γ = arccos a 2 + b 2 c 2 2 a b Eingangsgrößen sind die unsicherheitsbehafteten Seiten (Teillängen) a *, b * und c * mit 3, 4 und 5 Abschnitten derselben Schnur. Folglich sind die Messunsicherheitseinflüsse stark korreliert. Die Modellgleichung erfüllt die Linearitätsforderung an eine Modellgleichung nach dem GUM Framework nicht und muss anders bearbeitet werden. 23
24 Die Monte Carlo Simulation ist nicht nur ein sinnvolles Mittel, um das unlineare Problem zu lösen; sie zeigt auch, dass durch die fast starke Korrelation der drei Längen sehr kleine Unsicherheiten erzielbar sind: U 0,95 = 0,034 Grad (!). 24
25 I II III IV V VI VII Interpretationsfreie Definition der Messgröße Klare Prozessbeschreibung Rahmenbedingungen definieren Prozessgleichung nutzen Brainstorming zum Sammeln der Eingangsgrößen Notation mit Δ und δ Dokumentation auch unrelevanter Eingangsgrößen VIII Mind Mapper zur Visualisierung IX Korrelationen nutzen, wo immer möglich Die Folien zu diesem Vortrag und die Darstellung der weiteren Berechnung werden im Downloadbereich von zur Verfügung gestellt. 25
26 Bernd Pesch Ihr Ansprechpartner für... InHouse Seminare Messunsicherheitsbilanzen als Auftragsarbeiten Evaluierung von Messverfahren und Messplätzen Messunsicherheit ISBN Messen, Kalibrieren, Prüfen ISBN Bestimmung der Messunsicherheit nach GUM ISBN
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