der Tarifverträge Ursachen und Wirkungen
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- Hedwig Rosenberg
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1 2. Schrumpfende Bindungswirkung der Tarifverträge Ursachen und Wirkungen Die Zahl der Arbeitnehmer, die unter einen Tarifvertrag fallen, geht seit Jahren kontinuierlich zurück. In der Wissenschaft gibt es eine breite Diskussion über Ursachen und Auswirkungen dieser Entwicklung. Diese Diskussion über die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen ist richtig und wichtig. Uns interessiert hier etwas anderes: Was bedeutet diese Entwicklung eigentlich für den Betriebsrat oder Personalrat? Muss man als Interessenvertreter abwarten, was auf einen zukommt, oder kann man auch etwas tun? Eine Ursache für die abgeschwächte Bindungswirkung der Tarifverträge ist sicherlich die hohe Arbeitslosigkeit der vergangenen Jahre und die daraus resultierende geringere Gegenwehr der Arbeitnehmer bei Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Oftmals ist es den Tarifvertragsparteien aber auch nicht mehr gelungen, Anforderungen zu regeln, die sich aus neuen Industrie- und Dienstleistungsbereichen ergaben. Beispielhaft kann man hier die Bereiche Softwareentwicklung oder auch Call Center nennen, die sich aus anderen, überwiegend tarifgebundenen Branchen entwickelt haben. Bei der Entwicklung solcher Branchen fällt es bei Tarifverhandlungen häufig sowohl der Arbeitgeberseite als auch der Gewerkschaftsseite schwer, mit den besonderen Anforderungen der neuen Bereiche umzugehen. Die Bindungswirkung von Tarifverträgen ist insbesondere in den neuen Bundesländern niedriger. Viele Unternehmen sind dort nicht Mitglied der Arbeitgeberverbände und in manchen Branchen ist es zu regelrechten Austrittsbewegungen gekommen. Zugleich sind die Arbeitnehmer noch relativ unerfahren in der Organisation von Gegenwehr, was durch die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern noch verschärft wird.
2 13. Betriebsvereinbarung Idealerweise wird ein Lohn- und Gehaltssystem im Rahmen einer Betriebsvereinbarung definiert Rechtsnatur Die Betriebsvereinbarung ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Wirkung Wichtigstes Charakteristikum der Betriebsvereinbarung ist deren Wirkungsweise. Diese beschränkt sich nämlich nicht nur wie bei»normalen«verträgen auf die Vertragsparteien, sondern sie entfaltet gemäß 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG zugleich eine zwingende Bindungswirkung für alle Arbeitnehmer des Betriebes. Daher erfasst die Bezeichnung»Gesetz des Betriebes«das Wesen einer Betriebsvereinbarung recht zutreffend. Die Besonderheit der Betriebsvereinbarung liegt darin, dass sie neben dem sog.»schuldrechtlichen Teil«zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in deren Eigenschaft als Vertragsparteien, zugleich einen»normativen Teil«beinhaltet, der auch die Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend an die Regelungen der Betriebsvereinbarung bindet, obgleich diese an der Vereinbarung nicht unmittelbar beteiligt waren. Merke: Die Regelungen einer Betriebsvereinbarung gelten gem. 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend für die Arbeitnehmer.
3 Verpflichtung zur Durchführung 157 Betriebsvereinbarung schuldrechtlicher Teil normativer Teil Wirkung zwischen AG und BR verbindliche Wirkung für alle AN Unmittelbare Wirkung Der Inhalt von Betriebsvereinbarungen wirkt unmittelbar für und gegen die Arbeitnehmer und den Arbeitgeber. Die Betriebsvereinbarung nimmt aufgrund ihrer normativen Wirkung direkten Einfluss auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Dies gilt auch dann, wenn der jeweilige Arbeitnehmer überhaupt keine Kenntnis von der Vereinbarung hat oder diese sogar explizit ablehnt Zwingende Wirkung Weiterhin sind die Regelungen zwingend. Das bedeutet im Einzelnen, dass die getroffenen Regelungen nicht ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates abgeändert werden dürfen. Ebenso ist die Abweichung durch individualvertragliche Regelungen unzulässig, sofern sich diese denn zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken. Lediglich bessere, für den Arbeitnehmer günstigere Bedingungen können einzelvertraglich geregelt werden (Günstigkeitsprinzip; siehe Ziffer ) Verpflichtung zur Durchführung Ist eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden, so ergibt sich aus dem schuldrechtlichen Teil, das der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung durchzuführen und der Betriebsrat einen Anspruch auf Durchführung und Einhaltung der Betriebsvereinbarung hat.
4 158 Betriebsvereinbarung Um diesen Anspruch zu gewährleisten, steht den Betriebsparteien ein allgemeiner Unterlassungsanspruch gegen betriebsvereinbarungswidriges Verhalten seitens des jeweiligen Vertragspartners zu. Der Betriebsrat kann aber auch arbeitsgerichtlich durchsetzen, dass der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung durchführt und bestimmte Handlungen vornimmt. Dies ist jederzeit möglich und erfordert keinen groben Verstoß im Sinne des 23 Abs. 3 BetrVG Form der Betriebsvereinbarung Die Betriebsvereinbarung muss gem. 77 Abs. 2 BetrVG schriftlich geschlossen werden. Eine mündlich geschlossene Betriebsvereinbarung ist gem. 125 Satz 1 BGB nichtig. Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn beide Organe der Betriebsverfassung (Arbeitgeber und Betriebsrat) durch ihre bevollmächtigten Vertreter (beim Betriebsrat also der Vorsitzende) auf derselben Urkunde ihre Unterschrift leisten. Betriebsvereinbarungen, die von einer Einigungsstelle erstellt werden, müssen nur vom Vorsitzenden der Einigungsstelle unterzeichnet sein; Arbeitgeber und Betriebsrat müssen nicht noch zusätzlich unterschreiben. Auf der Seite des Betriebsrats muss der Abschluss, d. h. die Unterzeichnung der Vereinbarung, durch einen Beschluss des Gremiums legitimiert werden. Damit die Betriebsvereinbarung das erforderliche Schriftformerfordernis besitzt, müssen die einzelnen Seiten»untrennbar«miteinander verbunden sein. Dies kann durch Ösen oder Heften geschehen. Die Schriftform nach 126 BGB ist, wenn keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Betriebsvereinbarung besteht, aber auch dann erfüllt, wenn sich die Verbindung aus der Vereinbarung selbst heraus ergibt. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom XII ZR 234/95) liegt Schriftform vor, wenn sich die körperliche Verbindung der Seiten aus fortlaufenden Seitenzahlen, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung und inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt. Hilfreich ist dabei, wenn auf jeder Seite der Betriebsvereinbarung der Titel der Betriebsvereinbarung nebst Abschlussdatum und die Seitenzahlen in der Form»Seite x von y«angegeben werden. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich aber auch dann, wenn die Seiten verbunden werden.
5 Ende der Betriebsvereinbarungen 159 Daneben ist zu empfehlen, jede Seite der Vereinbarung vor der Unterschrift durch jede Vertragspartei mit einem Handzeichen oder einer Paraphe kenntlich zu machen. Dies verhindert den versehentlichen Austausch von Seiten, was in der Praxis durchaus vorkommt. Jede Vertragspartei sollte ein eigenes Original der Vereinbarung erhalten. Der Betriebsrat sollte sich hiervon dann ein Kopierexemplar erstellen, mit der er»arbeiten«kann. Es empfiehlt sich, das Original in einem gesonderten Ordner zu verwahren Ende der Betriebsvereinbarungen Eine Betriebsvereinbarung endet mit Ablauf des Zeitpunktes, bis zu dem sie abgeschlossen wurde (Zeitbefristung). Sie kann aber auch in Folge der Erreichung eines bestimmten Zweckes beendet sein, wenn deren Gegenstand eben dieses darstellte (Zweckbefristung). Natürlich können Betriebsvereinbarungen aber auch unbefristet geschlossen werden, sodass deren Ende lediglich im Wege einer Kündigung i. S. d. des 77 Abs. 5 BetrVG herbeigeführt werden kann. Die einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt grundsätzlich drei Monate. Schließlich kann eine Betriebsvereinbarung auch durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst werden bzw. durch einen schriftlichen Aufhebungsvertrag beendet werden Teilkündigung Besondere Beachtung ist der Frage zu schenken, ob selbständige Teilkomplexe einer Betriebsvereinbarung separat gekündigt werden können, ohne dass die übrigen Teile unwirksam werden. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom AZR 826/06) ist dies grundsätzlich möglich. Selbständige Regelungskomplexe in einer Betriebsvereinbarung sind danach im Zweifel teilkündigungsfähig. Soll ausschließlich die vollumfängliche Kündigung gestattet sein, müssen die Betriebspartner dies deutlich zum Ausdruck bringen. Regelungsempfehlung»Die Teilkündigung der Betriebsvereinbarung ist ausgeschlossen.«
6 160 Betriebsvereinbarung Nachwirkung Erzwingbare Mitbestimmung Betriebsvereinbarungen können gemäß 77 Abs. 5 BetrVG mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, soweit nichts Anderweitiges bestimmt wurde. Erfolgt die Kündigung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, so verliert jene nach Ablauf dieser drei Monate ihre Wirkung. Auf die erzwingbare Betriebsvereinbarung dagegen trifft dieses jedoch nicht zu, da 77 Abs. 6 BetrVG bestimmt, dass deren Regelungen solange Bestand haben, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass als andere Abmachungen im Sinne des 77 Abs. 6 BetrVG nicht nur Tarifverträge oder neue Betriebsvereinbarungen, sondern auch einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gelten. Das gilt selbst dann, wenn diese für den Arbeitnehmer ungünstig sind. Die (Fort-)Wirkung der Betriebsvereinbarung kann also auf diesem Wege endgültig beendet werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Betriebsvereinbarung nach deren Kündigung zwar weiterhin unmittelbar auf die Arbeitnehmer und den Arbeitgeber wirkt, deren zwingende Wirkung jedoch aufgehoben ist. Beispiel: In einer Betriebsvereinbarung wurde gem. 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ein bestimmter Prämiensatz für Akkordarbeit vereinbart. Nachdem der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung gekündigt hat, vereinbart er mit dem Arbeitnehmer X einen niedrigeren Prämiensatz. Ergebnis: Die Abmachung zwischen Arbeitgeber und X hat die Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung aufgehoben. Für alle anderen Arbeitnehmer wirkt die Betriebsvereinbarung mangels anderer Absprachen jedoch fort Freiwillige Betriebsvereinbarungen Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Regelungen der erzwingbaren Mitbestimmung und einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ist, dass der Regelungsinhalt bei der erzwingbaren Mitbestimmung durch sog. Einigungsstellen durchgesetzt werden kann, sofern zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Uneinigkeiten über diesen entstehen. Können sich die Parteien nämlich nicht über den Inhalt eines solchen Vertrages einigen, so wird die Einigungsstelle durch ihren Spruch eine Betriebsvereinbarung aufstellen, die dann verbindlich für beide Seiten gilt. Darüber hinaus entfalten er-
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