Fachliche Grundlagen des Literaturunterrichts
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- Dörte Kruse
- vor 6 Jahren
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1 Fachliche Grundlagen des Literaturunterrichts Epik I: Geschehen, Gerüst, Handlung Seminar im SoSe 2009
2 Epik I: Geschehen, Geschichte, Handlung Definition von Erzählung: Abfolge von Zeichen, die eine Abfolge von Ereignissen repräsentieren. Ein Zustand A wird durch Handlung(en) einer (oder mehrerer) Figur(en) zu Zustand B verändert. Narrative (erzählende) Texte bestehen i.d.r. aus Funktionen (Handlungselementen) und Aktanten (Handlungsträgern).
3 Fragen an erzählerische Texte Katalog nach Jeßing Fragen zu Erzähler und Erzählvorgang: Perspektive, Erzählfigur(en), Erzählgestus, Textmontage Fragen zur inneren Organisation der erzählten Geschichte: Einleitung, Themen, Motive, Figurenkonstellation u. -charakterisierung Fragen zur Gestaltung von Raum und Zeit: Figuren, Interieur, Architektur, Landschaft, Chronologie (Anachronie), Erzähltempus Fragen zu Stil und erzählerischer Gattung: hochartifiziell (erhaben) oder dialektal, soziolektal, Besonderheiten, Zuordnung
4 Fragen zu Erzähler und Erzählvorgang zunächst bleibt unklar, wer spricht (personale Erzählsituation) > dann auktorialer Erzähler (allwissend, wertend), spricht Leser direkt an Grammatisches ich (Dellas) ist zum man verschoben Verben rutschen ins Präteritum (»Morgen war Weihnachten«) > Episches Präteritum als Fiktionalitätssignal Am Ende moralische Wertung des Geschehens durch Erzähler
5 Fragen zur inneren Organisation - Handlungsebene (histoire): - Della und Jim (Aktanten) konzentriert, die sich mit ihren Handlungen aufeinander beziehen. - Die Handlung verläuft komplementär (symmetrisch): - Austausch der wichtigsten Güter beide Geschenke nutzlos - asymmetrische discours-ebene der histoire - Wir verfolgen Dellas Handlungen Schritt für Schritt, während die komplementären Handlungen Jims ausgespart bleiben und von diesem erst retrospektiv, in einem einzigen Satz, berichtet werden. - Asymmetrischer Blickwinkel (personal an Della orientiert) - stärkere Identifikation mit der weiblichen Figur
6 Fragen zur Gestaltung von Raum und Zeit Zeitstruktur: wenige Stunden, unbek. Jahres chronologisch ohne Umstellungen Zwischenräume unauffällig gerafft Zentral: Heimkehr Jims u. folgende Szene hoher Dialoganteil (direkte Personenrede) zeitdeckend erzählt szenischer Charakter Stilbildend f. Genre Kurzgeschichte: kleiner, alltägl. Wirklichkeitsausschnitt wird präsentiert Ausschnitt wird zum Gegenstand der Reflexion
7 Fragen zu Stil und erzählerischer Gattung Geschichte für Zeitungen (Zeitschriften) für kleinbürgerliches Publikum (kennt Alltagssorgen Jims/Dellas) Autor in Position erzählerischer, reflexiver, moralischer Überlegenheit kommentiert selbstreflexiv sein Schreiben Deutung durch intertextuelle Bezüge: markiert als Weihnachtsgeschichte humoristische Bezüge: Saba Kurzgeschichten haben klares Handlungsschema realistische und überraschende Detailbeschreibung viel Raum für Dialog zw. Figuren: Leseidentifikation
8 Ob das eine Geschichte ist? Wiederholung ZUR STADT PARIS In Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß zur Stadt Paris. Ob das eine Geschichte ist? Peter Bichsel Abfolge von Zeichen keine Handlung keine Figuren keine Geschichte Definition von Erzählung: Abfolge von Zeichen, die eine Abfolge von Ereignissen repräsentieren. Ein Zustand A wird durch Handlung(en) einer (oder mehrerer) Figur(en) zu Zustand B verändert. Narrative (erzählende) Texte bestehen i.d.r. aus Funktionen (Handlungselementen) und Aktanten (Handlungsträgern).
9 Ob das eine Geschichte ist? Wiederholung SEHNSUCHT In Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß zur Stadt Paris. Ob das eine Geschichte ist? Peter Bichsel Abfolge von Zeichen Motiv (Überschrift) keine Handlung keine Figuren immer noch keine Geschichte Definition von Erzählung: Abfolge von Zeichen, die eine Abfolge von Ereignissen repräsentieren. Ein Zustand A wird durch Handlung(en) einer (oder mehrerer) Figur(en) zu Zustand B verändert. Narrative (erzählende) Texte bestehen i.d.r. aus Funktionen (Handlungselementen) und Aktanten (Handlungsträgern).
10 Ob das endlich eine Geschichte ist? Jaköble, ein Hirtenbub aus dem Emmental, läuft aus Abenteuerlust und Fernweh (Sehnsucht!) davon bis in die große Stadt Paris. Dort arbeitet er sieben Jahre lang als Ladenbursche im Kaufhaus Au bonheur des dames und verliebt sich unsterblich in seine Kollegin Marianne (und sie sich in ihn). Die aber hat ihr Vater schon dem unsympathischen Monsieur Rastignac versprochen. Da fassen sich unsere beiden, aus lauter Liebe und Sehnsucht (!!), ein Herz und machen sich heimlich davon... In Langnau im Emmental haben sie geheiratet und von Jakobs Erspartem ein kleines Lädchen gekauft. Marianne aber, so glücklich sie mit dem Jakob, ihren sechs Buben und der kleinen Heidi geworden ist, konnte die Lichter ihrer Heimatstadt nie vergessen (!!!). und als sie nach zwölf Jahren in der Nachbarstadt Seldwyla ein größeres Geschäft eröffneten, da bestellte sie beim Malermeister Bichsel ein prächtiges Ladenschild in Blau, Weiß und Rot, auf dem stand geschrieben: Zur Stadt Paris. Was meinen Sie: Ob da nun endlich eine Geschichte ist? nach Jochen Vogt
11 Erzählsituation (auktoriale Erzählsituation) 1. Die auktoriale Erzählsituation: Der Erzähler steht über dem Erzählgeschehen und überschaut alles, was geschehen ist und geschehen wird. Er weiß mehr als die von ihm erzählte Figur (Erzähler > Erzählfigur). Er sieht in ihr Inneres, weiß, was sie denkt und fühlt, und kennt ihre Absichten.
12 Erzählsituation (auktoriale Erzählsituation) Mord am Kaffeetisch Wieder einmal hatten sie sich gestritten. Robert war es recht, denn anders konnte er es nicht tun. Und er wollte es tun. Aber er musste wütend auf sie sein, sie hassen. Und so wird er es auch tun. Dann war Christiane gekommen. Sie wollte nur mal eben herein schauen, sagte sie, in Wirklichkeit wollte sie wissen, was bei Melanie und Robert eigentlich los war. Robert gelang es, den Streit zu vertuschen; er spielte den besorgten Ehemann. Christiane merkte nichts, er war eben, schlicht gesagt ein großer Heuchler. Aber nun wurde Melanie mit ihrer krankhaften Eifersucht misstrauisch. Es reichte. Robert beschloss, es zu tun. Er goss Kaffee ein. Heimlich ließ er das Gift in die Tasse fallen. Sie merkte, dass etwas in der Tasse war, er tat aber so vollendet harmlos, dass sie den Kaffee trank. Nach zwei Minuten war sie tot. Na also, dachte Robert und trug sie in ihr Bett. Erzähler weiß, dass Robert»ein großer Heuchler«, Melanie durch»krankhafte Eifersucht«bestimmt ist. Er durchschaut den Vorwand Christianes und weiß, was sie»in Wirklichkeit«will. Er weiß um Roberts Mordabsichten, überschaut alles Geschehen, weiß, was in Zukunft geschehen wird (allwissend).
13 Erzählsituation (personale Erzählsituation) 2. Die personale Erzählsituation: Der Erzähler steht mitten im Erzählgeschehen; er weiß so viel und so wenig wie die von ihm erzählte Figur, - teilweise deshalb, weil er sie in der Ich-Erzählung selbst ist (Erzähler = Erzählfigur). Er kennt sie und erzählt aus ihrer begrenzten personalen Sicht und von ihrem Standpunkt aus.
14 Erzählsituation (personale Erzählsituation) Fürsorgliche Kaffeemischung Wieder einmal hatten sie sich gestritten. Leider. Eigentlich hatte sie ja nur eine halbe Stunde lang hysterisch geschrien, und Robert war besorgt darum bemüht gewesen, sie zu beruhigen. Es war wieder einmal schlimm für ihn gewesen. Da war auch noch Christine gekommen. Sie sollte nicht wissen, wie es um Melanie stand. So hatte er versucht, ihren Streit zu vertuschen. Nur hatte sie das aufs Neue wütend gemacht. Wenn er sie jetzt nicht zur Ruhe brachte, konnte er sie morgen wieder in die Klinik bringen! Er musste etwas tun, so schwer es ihm fiel. Er goss den Kaffee ein. Heimlich ließ er ein Schlafmittel in die Tasse fallen. Sie merkte wahrscheinlich, dass etwas in der Tasse war, war aber so erregt, dass sie den Kaffee einfach in sich hineinschüttete. nach zwei Minuten war sie eingeschlafen. Robert atmete erleichtert auf und trug sie behutsam in ihr Bett. Erzähler ist nicht allwissend, aber sieht ins Innere Roberts: dass er wirklich»besorgt«war, dass es»schlimm«für ihn war, dass sein Tun ihm»schwer«fiel. Er kennt Roberts Gedanken, erzählt ganz aus seiner Sicht, beschreibt seine Einstellung.
15 Erzählsituation (neutrale Erzählsituation) 3. Die neutrale Erzählsituation: Der Erzähler steht dem Erzählgeschehen gegenüber; er weiß weniger als die von ihm erzählte Figur (Erzähler < Erzählfigur). Er kann nur wie ein neutraler Beobachter gleichsam von außen beschreiben, was er als Erzählgeschehen und von der von ihm erzählten Figur bzw. in Bezug auf sie sieht, hört, wahrnimmt.
16 Erzählsituation (neutrale Erzählsituation) Kaffeetrinken»Weshalb sollte Christiane denn nicht wissen, das wir uns gestritten haben? Was steckt dahinter?«sie zerrte an ihrer Halskette.»Von mir aus kann jeder wissen, wie es um uns steht. Aber du willst es vertuschen. Was soll das? Allmählich hab ich deine ewige Heuchelei ja, gib mir noch einen Kaffee!«Melanie sprach lauter:»allmählich hab ich das satt, das kannst du mir glauben, und... Was war da in der Tasse?«Robert schaute verwundert:»was soll in der Tasse sein, Melanie? Nichts. Was hast du nur?... und das eine sag ich dir, Rob«, sie stürzte den Kaffee herunter,»und das ist es, was ich habe: Ich halt es so nicht länger aus! Aber was mich fast umbringt, macht dir ja nichts. Ich will aber... Was ist das? Mir ist schwindelig... Ich bin plötzlich so... Was war... Ich...«Sie schwankte und fiel dann im Sessel zurück. Robert nahm sie auf und trug sie in ihr Bett. Erzähler referiert die Gespräche, die er hört, und berichtet die Handlungen, die er wahrnimmt. Er weiß aber nicht, was sie bedeuten (sieht nicht ins Innere der Figuren). Er berichtet wie ein unparteiischer neutraler Augenzeuge allein, was er sieht, hört, wahrnimmt. Szene lässt sich ohne Änderung dramatisch darstellen.
17 Erzählsituation im Überblick 1. Die auktoriale Erzählsituation 2. Die personale Erzählsituation 3. Die neutrale Erzählsituation
18 Hausaufgaben Schiller, Friedrich: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. (Steht ab morgen auf meiner Homepage!) durchlesen evtl. anhand d. Fragenkatalogs durcharbeiten
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