Nils-Holger Schmidt, Meike Schmehl, Florian Thies, Lutz M. Kolbe, Jutta Geldermann
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1 Nils-Holger Schmidt, Meike Schmehl, Florian Thies, Lutz M. Kolbe, Jutta Geldermann Ökobilanzierung in der IT Distributionsformen der Musikindustrie im Vergleich Eine bewährte Methode zur Darstellung von Umwelteinflüssen durch Produkte und Dienstleistungen ist das Instrument der Ökobilanzierung. Sie hilft Entscheidungsträgern bei der Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, der Unterstützung von politischen Entscheidungsprozessen und der Argumentationsunterstützung im Marketing. Das hier vorgestellte Beispiel illustriert das Vorgehen der Ökobilanzierung anhand von zwei Distributionsformen der Musikindustrie. Dabei wird gezeigt, dass die Distribution eines Musik- Albums über das Internet einen ökologischen Vorteil aufweist, der jedoch aufgrund des hohen Energieverbrauchs von Rechenzentren gering ausfällt. Kurztitel: Ökobilanzierung in der IT Stichwörter: Green IT, Nachhaltigkeit, Ökobilanzierung, Online-Distribution, Musikindustrie, CO 2 -Emission Inhaltsübersicht 1. Ökobilanzierung und Informationstechnik 2. Grundlagen der Ökobilanzierung 3. Zwei Distributionsformen der Musikindustrie im ökobilanziellen Vergleich 3.1 Zielsetzung 3.2 Untersuchungsrahmen: CD-Album 3.3 Sachbilanz: CD-Album 3.4 Untersuchungsrahmen: MP3-Album 3.5 Sachbilanz: MP3-Album 4. Wirkungsabschätzung und Auswertung 5. Handlungsempfehlungen und Ausblick 6. Literatur 1. Ökobilanzierung und Informationstechnik Im Rahmen einer zunehmenden Ökologieorientierung der Gesellschaft beeinflussen ökologische Aspekte von Produkten oder Dienstleistungen vermehrt die Kaufentscheidung von Kunden. Aus Unternehmenssicht sind umweltschonende Technologien und Prozesse jedoch nicht nur für das Marketing interessant. Vielfach bieten sie Ansätze Leistungen effizienter und kostengünstiger am Markt anbieten zu können. Dennoch fehlt den Unternehmen in der Regel ein tiefergehendes ökologisches Verständnis ihrer eigenen Produkte und Dienstleistungen. Eine bewährte Methode zur Darstellung von Umwelteinflüssen durch Produkte und Dienstleistungen bietet das Instrument der Ökobilanzierung. In jüngster Zeit hat sich diese Methode im Gebiet der Informationstechnik (IT) etabliert (Tab. 1). IT-Lösungen besitzen gegenüber traditionellen Lösungen häufig einen ökologischen Vorteil. In: Gómez, Jorge Marx; Strahringer, S. & Teuteberg, Frank (Hrsg.) (2010): Green Computing & Sustainability. HMD Heft 274, dpunkt.verlag, Heidelberg, pp
2 Untersuchtes Produkt Mobilfunknetz UMTS Netbooks Fast Ethernet und WLAN E-Paper PC und Thin Client Arbeitsplatzgeräten Master-Slave- Steckdosenleiste Virtueller Anrufbeantworter Quelle Frischknecht, R.; Faist Emmenegger, M.: Ökobilanz Mobilfunknetz UMTS deckt Optimierungspotenzial auf. ETH Zürich, Grießhammer, R.; Quack, D.; Brommer, E.; Lüders, B.: PROSA-Kurzstudie: Tragbare Klein-Computer (Netbooks) - Umweltzeichen für klimarelevante Produkte und Dienstleistungen. Öko-Institut e. V., Freiburg, Hottenroth, H.: Vergleich der signifikanten potenziellen Umweltbelastungen von Netzwerkinfrastrukturen - Eine Gegenüberstellung von Fast Ethernet und WLAN für die Anwendung im Local Area Networking. Öko-Institut e. V., Freiburg, Kamburow, C.: E-Paper - Erste Abschätzungen der Umweltauswirkungen - Eine ökobilanzielle Betrachtung am Beispiel des Nachrichtenmedium Zeitung. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, Knermann, C.; Hiebel, M.; Pflaum, H.; Rettweiler, M.; Schröder, A.: Ökologischer Vergleich der Klimarelevanz von PC und Thin Client Arbeitsplatzgeräten. Fraunhofer Institut, Oberhausen, Prakash, S.; Brommer, E.; Gießhammer, R.; Lüders, B.: PROSA Master-Slave- Steckdosenleiste - Kriterien für das Umweltzeichen für klimarelevante Produkte und Dienstleistungen. Öko-Institut e. V., Freiburg, Quack, D.; Gießhammer, R.: PROSA T-NetBox: Produkt-Nachhaltigkeits-Analyse eines virtuellen Anrufbeantworters. Öko-Institut e. V., Freiburg, Online-Rechnung Quack, D.; Möller, M.: Ökobilanzielle Analyse von Rechnung Online im Vergleich zu Rechnung per Brief. Öko-Institut e. V., Freiburg, Tab. 1: Auswahl durchgeführter Ökobilanzen im Bereich der Informationstechnik Ziel dieses Artikels ist es, das Vorgehen der Ökobilanzierung am Beispiel der Distribution eines Musikalbums per MP3 und traditioneller CD zu veranschaulichen. Damit sollen Praktiker die Möglichkeiten und Grenzen dieses Instruments kennenlernen und ein Beitrag zur Forschung im Bereich der Green IT erfolgen. 2. Grundlagen der Ökobilanzierung Die Ökobilanzierung ist für Entscheidungsträger eine bewährte Methode, um Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen zu analysieren. Sie dient damit insbesondere der Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, der Unterstützung von politischen Entscheidungsprozessen und der Argumentationsunterstützung in Marketing und Vertrieb [DIN 2009]. 2
3 Untersuchungsrahmen einer Ökobilanz Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens Aufstellen einer Sachbilanz Ermittlung der Wirkungsabschätzung 4. Auswertung Ziele der Ökobilanzierung: Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen Unterstützung politischer Entscheidungsprozesse Marketing und Vertrieb Sonstige Abb. 1: Vorgehen der Ökobilanzierung (in Anlehnung an [DIN 2009]] Seit 1997 wird die Vorgehensweise der Ökobilanzierung in der Normreihe DIN EN ISO publiziert. Mit der Neuauflage der Normreihe im Jahr 2006 erfolgten eine komplette Überarbeitung und eine Aufteilung in zwei statt vier Normen [DIN 2009]. Die Ökobilanzierung wird in vier Phasen durchgeführt (Abb. 1): In Phase 1 werden das Ziel und der Untersuchungsrahmen einer Ökobilanz definiert. Dadurch wird insbesondere die Tiefe und Breite einer Ökobilanz bestimmt. Da die Erarbeitung einer Ökobilanz einem iterativen Prozess unterliegt, kann es dazu kommen, dass der anfänglich definierten Untersuchungsrahmen weiter ergänzt wird. In Phase 2 wird die Sachbilanz aufgestellt. Sie beinhaltet Input- und Outputflüsse auf Grundlage der Leistungsmerkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung. Bei Inputflüssen handelt es sich beispielsweise um energetische Ressourcen, die der Umwelt entnommen wurden. Emissionen in die Luft sind ein Beispiel für Outputflüsse. In Phase 3 erfolgt die Wirkungsabschätzung der potentiellen Umweltauswirkungen der Inputund Outputflüsse. In Phase 4 werden abschließend die Ergebnisse der Wirkungsabschätzung ausgewertet und beurteilt [DIN 2009]. Hieraus lassen sich Handlungsempfehlungen in Bezug auf das untersuchte Produkt oder die Dienstleistung ableiten. Das Aufstellen einer Ökobilanz kann durch entsprechende Software unterstützt werden, beispielsweise durch das Programm Umberto vom Institut für Umweltinformatik Hamburg und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Diese Software setzt auf Petri- Netze zur Abbildung des Stoffstromsystems, welches mit Hilfe von Transitionen (zur Darstel- 3
4 lung von Umwandlungsprozessen), Stellen (zur Darstellung von Lagern, Inputs und Outputs) und Verbindungen (zur Darstellung von Stoffflüssen) modelliert wird [Schmidt & Häuslein 1997]. 3. Zwei Distributionsformen der Musikindustrie im ökobilanziellen Vergleich Auf dem deutschen Musikmarkt wurden 2008 insgesamt 149 Millionen Musik-Alben verkauft. Davon wurden 2,6 % als sogenannte Bundles online heruntergeladen und 97,4% als traditionelle CD vertrieben. Während der Vertrieb von CDs seit 2003 stagniert, wuchs die Anzahl der online verkauften Alben im Vergleich zu 2007 um 50% [Bundesverband Musikindustrie e. V. 2009]. MP3- und CD-Alben bedienen einen ähnlichen Kundenbedarf nach Musik. Trotz der im Detail unterschiedlichen Vor- und Nachteile werden beide Distributionsformen im Rahmen dieser Studie bezüglich ihres Nutzens als vergleichbar betrachtet und sind somit für eine Ökobilanzierung geeignet Zielsetzung Das Potential der Ökobilanzierung soll anhand eines Vergleichs von zwei Distributionsformen der Musikindustrie, MP3-Album per Internet gegenüber traditionellem CD-Album, illustriert werden. Zur Vereinfachung wird hierbei nur auf das umweltschädliche Treibhausgas Kohlendioxid (CO 2 ) eingegangen. Andere Treibhausgase und Schadstoffe werden nicht betrachtet. Unter der Distribution in der Musikindustrie werden hier die Prozesse von der Herstellung des Tonmediums, sofern dies erforderlich ist, bis hin zum Endkunden verstanden. Die zu analysierende funktionelle Einheit der zu vergleichenden Distributionsformen umfasst ein Musik- Album mit einer durchschnittlichen Gesamtspiellänge von rund 54 Min. und durchschnittlich 14 Liedern pro Album. Für ein MP3-Album mit einer angenommen MP3-Kodierungsrate von 320 Kbit/s beträgt das Datenvolumen somit ca. 127 MB. Für beide Distributionsformen wird festgelegt, dass ein vervielfältigungs- und distributionsreifes Musik-Album, inklusive Musikaufnahme, Cover, Booklet und Inlay vorliegt. Es wird angenommen, dass sowohl das Abspielen der CD als auch die Wiedergabe der MP3-Dateien mittels Laptop erfolgt und hierfür nahezu der gleiche Energiebedarf benötigt wird. Die Nutzungsphase ist somit aus ökobilanzieller Sicht für beide Distributionsformen identisch und wird im Vergleich nicht weiter berücksichtigt. Die Entsorgungsphase wird nicht näher betrachtet. 4
5 3.2. Untersuchungsrahmen: CD-Album Die ersten Prozessschritte für das CD-Album umfasst die Herstellung der einzelnen Bestandteile des CD-Musik-Albums (CD, CD-Hülle, Cover/Booklet und Inlay). Anschließend wird das Album konfektioniert, ggf. beim Hersteller zwischengelagert und an die Händler ausgeliefert. Es wird angenommen, dass ein CD-Album beim Händler direkt in den Verkaufsbereich gelangt und durchschnittlich nach zwei Wochen von einem Kunden erworben wird. Abb. zeigt den Untersuchungsrahmen für den Distributionsprozess eines Musik-Albums als CD. Untersuchungsrahmen Beauftragung eines CD-Herstellers mit der Replikation und Auslieferung des Albums CD replizieren Cover / Booklet & Inlay drucken CD-Hülle herstellen Inputströme (Rohstoffe, ) CD bedrucken Outputströme (CO 2 ) CD prüfen Konfektionierung Bereitstellung der CD im Handel der Kunde fährt zum Händler und kauft CD ggf. Lagerung und anschließend Auslieferung der CDs an Händler der Kunde besitzt das Musik-Album als CD Abb. 2: Untersuchungsrahmen der CD-Distribution 3.3. Sachbilanz: CD-Album In dieser Sachbilanz werden die CO 2 Stoffströme der einzelnen Prozessschritte fokussiert. Die Daten der CD-Distribution beruhen auf Aussagen verschiedener CD-Hersteller, Musiklabels und CD-Fachhändler, die im Rahmen dieser Studien interviewt wurden, sowie auf der Datenbank ecoinvent v2.1. Eine CD besteht im Wesentlichen aus 15 g Polykarbonat. Gemäß den Emissionsfaktoren nach [Hischier 2007-II] ergibt sich für eine CD eine CO 2 -Emission von 90 g. Eine CD-Hülle wird aus 68 g Polystyrol gefertigt. Damit sind Emissionen von 184,3 g CO 2 verbunden [Hischier 5
6 2007-II]. Das Booklet sowie das Inlay bestehen aus ca. 13 g hochwertigem holzfreiem Papier, das eine CO 2 -Emission von 23,5 g verursacht [Hischier 2007-III]. Insgesamt können den Materialen eines CD-Albums damit 297,8 g CO 2 zugewiesen werden. Der Stromverbrauch für die Herstellung, die interne Logistik und Lagerhaltung für ein Musik- CD-Album beträgt nach Expertenschätzung etwa 0,12 kwh. Dies entspricht gemäß dem Strommix Deutschland 2007 etwa 74,9 g CO 2 [Umweltbundesamt 2009]. Das CD-Album wird vom Hersteller direkt zu den Händlern im In- und Ausland ausgeliefert. Die Auslieferung erfolgt vorwiegend mittels kleiner LKW (3,5 t bis 7,5 t). Die durchschnittliche Auslieferungsdistanz beträgt nach Expertenangaben ca. 500 km. Ein LKW der Euro- Norm 5 verursacht 604,6 g CO 2 pro Tonnenkilometer [Spielmann et al. 2007]. Ein Tonnenkilometer entspricht dabei dem Transport einer Tonne über die Distanz von einem km. Ein CD- Album wiegt durchschnittlich 98,8 g. Der direkte Transport einer CD vom Hersteller zum Händler verursacht damit 29,9 g CO 2. Ein Quadratmeter beheizte Fläche im Non-Food-Bereich des Einzelhandels verbraucht pro Jahr durchschnittlich 464 kwh Energie [Schlomann et al. 2004]. Um in einem Geschäft die Produkte den Kunden zugänglich zu machen, besteht ein wesentlicher Teil der Verkaufsfläche zusätzlich aus Gängen, dem Kassenbereich und weiteren Nebenflächen. Aus diesem Grund wird der Energieverbrauch mit dem Faktor 1,5 multipliziert. Damit werden 696 kwh pro Quadratmeter angesetzt. Schätzungen bei CD-Fachhändlern ergaben, dass ca. 320 CDs pro m²-verkaufsfläche angeboten werden. Bezogen auf zwei Wochen und auf die Anzahl der CDs pro m² ergibt sich der Energieverbrauch von 0,084 kwh für die Bereitstellung einer CD. Dies entspricht gemäß dem Strommix Deutschland für 2007 ca. 52,42 g CO 2. Ein durchschnittlicher Einkaufsweg des Konsumenten beträgt pro Strecke 6,4 km [Verron et al. 2005]. Für diese Studie wird angenommen, dass der Kunde die Gesamtstrecke von 12,8 km mit einem PKW zurückgelegt. Ein Einkauf wird in der Regel nicht nur wegen eines Musik-Albums getätigt. Auf Grund fehlender statistischer Daten wird angenommen, dass ein Kunde durchschnittlich sechs Artikel pro Einkauf erwirbt, die vereinfacht gleichermaßen an der CO 2 -Emission des Transportwegs beteiligt sind. Es wird ein Emissionsfaktor von 191 g CO 2 /km für einen PKW mit einem Mix aus Diesel und Benzin Motor zugrunde gelegt [Spielmann et al. 2007]. Damit verursacht der Transport einer CD vom Händler zum Kunden insgesamt 407,5 g CO 2. 6
7 3.4. Untersuchungsrahmen: MP3-Album Der Distributionsweg eines MP3-Albums gliedert sich in die Bereitstellung auf dem Server im Rechenzentrum sowie die Datenübertragung (Download) mittels Internet- Breitbandanschluss. Während der Übertragung eines Musik-Albums (127 MB) vom Server der Download-Plattform zum Endgerät des Kunden durchlaufen die Daten mehrere Router und können dabei unterschiedliche Routing-Wege durch das Internet zurücklegen. Es wird angenommen, dass der Kunde in Besitz eines Laptops ist und diesen für den Download des Albums verwendet. Außerdem wird vorausgesetzt, dass der Kunde für den Zugang zum Internet einen multifunktionalen DSL-Router benutzt, der sowohl DSL-Modem, Router/Switch und WLAN-Accesspoint und weitere Funktionalitäten vereint. Für die Distribution von MP3-Alben wurden führende Musiklabels, Betreiber von Musik- Download-Plattformen, Rechenzentren sowie Netzwerkbetreiber befragt Sachbilanz: MP3-Album Die Anbieter stellen MP3-Alben in der Regel mittels Servern und notwendiger Infrastruktur in Rechenzentren bereit. Die Höhe des Stromverbrauchs eines Rechenzentrums kann je nach Hardware, Kühlung, Stromversorgung und baulicher Eigenschaften stark variieren. Schätzungen ergeben, dass die Bereitstellung von 1 MB Daten im Durchschnitt 0,007 kwh Elektrizität verbraucht [Weber et al. 2009]. Daraus ergibt sich für ein MP3-Album mit 127MB ein Stromverbrauch von 0,889 kwh. Dies entspricht gemäß dem Emissionsfaktor von 624 g CO 2 / kwh einer Emission von 554,7 g CO 2. Die durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit über das Internet beträgt für Deutschland 3,59 Mbit/s [Akamai 2009]. Der eigentliche Download eines Albums mit 127 MB dauert somit 4 Min. 43 Sek.. Hinzu kommen nach eigenen Messungen ca. 8 Min., die auf die Prozesse von der Erstellung eines Benutzerkontos über die Auswahl des Zahlungsmittels bis hin zum Start des Downloads entfallen. Die Verbindung zum Server besteht damit für 12 Min. 43 Sek.. Experimente mit 15 Internetnutzern und dem Diagnose-Werkzeuges Traceroute ergaben, dass durchschnittlich neun öffentliche Router bei der Datenübertragung vom Server zum Laptop des Kunden (Client) durchlaufen werden. Internetknoten im Bereich des öffentlichen Internets haben nach Aussagen des German Internet Exchange DE-SIX im Durchschnitt eine Leistungsaufnahme von ca Watt und einen Gesamtdatendurchsatz von 1 Gbit/s. Bei einer Downloadgeschwindigkeit von 3,59 Mbit/s wird jeder Router zu 0,29% belegt. Dies entspricht einer anteiligen Leistungsaufnahme von 14,65 Watt. Über neun Router und den 7
8 Zeitraum von 12 Min. 43 Sek. ergibt sich damit ein Stromverbrauch von 0,028 kwh. Dies entspricht gemäß dem Emissionsfaktor für Deutschland einer Emission von 17,4 g CO 2. Zu den durchlaufenen Internet-Routern ist zusätzlich der DSL-Router im privaten Haushalt zu berücksichtigen. Der Stromverbrauch eines solchen DSL-Routers, der eine Internetverbindung ermöglicht, beträgt für unterschiedliche Geräte im Betrieb durchschnittlich 6,45 Watt [Stiftung Warentest 2009a]. Die Benutzung über 12 Min. 43 Sek. verbraucht 0,0013 kwh und hat CO 2 -Emissionen in Höhe von 0,9 g zur Folge. Der Stromverbrauch eines Laptops, der zum Download eines Albums eingesetzt wird, basiert auf Messungen sieben getesteter Laptops von 15,6 bis 16 Zoll. Durchschnittlich liegt der Stromverbrauch bei 37,5 Watt im Betrieb [Stiftung Warentest 2009b]. Tests an 25 unterschiedlichen Laptops ergaben, dass für das Hoch- und Runterfahren im Durchschnitt 129 Sek. benötigt werden. Inklusive der Zeit für das Herunterladen des MP3-Albums wird der Laptop somit 14 Min. 52 Sek. genutzt Der Stromverbrauch durch den Laptop liegt damit bei 0,0093 kwh verbunden mit CO 2 -Emissionen in Höhe von 5,8 g. Anhand des analysierten Szenarios mit den Werten aus der Praxis und den getroffenen Annahmen hat der Download eines MP3-Albums einen Energieverbrauch von 0,928 kwh und verursacht 578,8 g CO 2 -Emissionen. 4. Wirkungsabschätzung und Auswertung Für eine vollständige Wirkungsabschätzung ist die Berücksichtigung aller Treibhausgase, wie Kohlenstoffdioxid, Methan, Distickstoffmonoxid, Fluorkohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid notwendig. Zur Vereinfachung wird hier nur auf CO 2 eingegangen, das als klimaschädliches Treibhausgas maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich gemacht wird. In Summe ergeben sich für die Distribution eines CD-Albums CO 2 -Emissionen von 862,5 g. Die Distribution eines MP3-Albums verursacht 578,8 g CO 2. Abbildung 3 stellt die CO 2 - Quellen der beiden Distributionsformen kumuliert dar, sodass ersichtlich wird, welche Prozesse bzw. Komponenten relativ hohe CO 2 -Emissionen zur Folge haben. 8
9 862,5 Transport vom Händler zum Kunden (PKW) Bereitstellung einer CD im Handel (2 Wochen) Transport vom Hersteller zum Händler Herstellungsprozess Materialien Cover und Inlay 407,5 52,4 29,9 74,9 23,5 578,8 17,4 554,7 5,8 Laptop (Client) DSL-Router 0,9 (privat) Internet-Router (öffentlich) Rechenzentrum (Bereitstellung) Materialien einer CD-Hülle 184,3 Materialien einer CD 90,0 CD-Album MP3-Album [CO 2 -Emissionen in g] Abb. 2: CO 2 -Emissionen der Distributionswege im Vergleich Die Ergebnisse zeigen, dass die Distribution eines CD-Albums über den traditionellen Einzelhandel im Vergleich zur Distribution eines MP3-Albums über das Internet um ca. 33% schädlicher in Bezug auf die Freisetzung von CO 2 ist. Bei der Distribution eines CD-Albums hat der Transport vom Händler zum Kunden mit ca. 47% den höchsten Anteil der gesamten CO 2 -Emission, so dass dieser Prozessschritt ein großes Optimierungspotenzial aufweist. Wenn der Kunde nicht mit dem PKW, sondern mit dem Fahrrad fährt, ist diese Variante klimafreundlicher als die Distribution eines MP3-Albums per Internet. Bei der Bereitstellung eines MP3-Albums über das Internet entfallen 96% der CO 2 - Emissionen auf das Rechenzentrum, welches somit das größte Optimierungspotenzial aufweist. Initiativen im Rahmen von Green IT, wie z.b. Server-Virtualisierung und - Konsolidierung, setzen an diesem Punkt an. Der ökologische Vorteil einer Distribution per Internet ist insbesondere von der Datenmenge abhängig. Die Beanspruchung und damit auch die CO 2 -Emissionen eines Rechenzentrums steigen mit zunehmendem Datenvolumen. Demgegenüber sind die CO 2 -Emissionen der physischen Auslieferung von der Datenmenge unabhängig. Bestimmungsfaktoren sind hierbei insbesondere Gewicht, Volumen und Entfernung. 9
10 Werden die größten Optimierungspotenziale beider Distributionsformen betrachtet, der Transport vom Händler zum Kunden bzw. das Rechenzentrum, stellt sich die Frage, ob eine alternative Distributionsform diese Schwächen umgehen kann. Eine Lösung wäre eine Kombination aus Online- und Offlinedistribution, bei der die CD über das Internet bestellt und per Paketdienst zugestellt wird. In diesem Fall entstünden deutlich geringere Emissionen für den Datentransfer (ca. 22 g CO 2 ) und die Auslieferung (47,2 g CO 2 ). Diese mittlere Variante wäre mit 471,8 g CO 2 aus ökologischer Sicht die effizienteste. Die Schwierigkeiten der Ökobilanzierung sind speziell in der Erhebung und Qualität der notwendigen Daten begründet. Aufgrund individueller Gegebenheiten können die Ergebnisse einer Ökobilanz für gleiche Produkte oder Dienstleistungen zwischen verschiedenen Anbietern stark variieren. Die Ergebnisse der Ökobilanzierung können daher nicht pauschal verallgemeinert werden, sie geben aber wichtige Hinweise. Eine weitere Herausforderung stellt die hohe Anzahl der durchlaufenden Wertschöpfungsstufen dar, insbesondere bei der Distribution per Internet. Zusätzlich ist die Datenlage für den Energieverbrauch von Rechenzentren unzureichend. Genauere Messungen im Rechenzentrum sind notwendig, um möglichst nicht auf Schätzungen zurückgreifen zu müssen. 5. Handlungsempfehlungen und Ausblick Das vorangegangene Beispiel verdeutlicht die Bedeutung der Ökobilanzierung als wirkungsvolles Instrument zur strukturierten Analyse der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Die Ergebnisse geben Hinweise auf Optimierungspotentiale. Dadurch können auch im IT-Bereich Innovations- und Verbesserungspotentiale aufgedeckt werden, die letztendlich zu Umsatzsteigerung oder Kosteneinsparungen führen. Im Rahmen eines ökologieorientierten Marketings bieten die Ergebnisse zusätzliche Argumente und Möglichkeiten der Differenzierung. Eine Ökobilanzierung sollte kontinuierlich erfolgen, um Entwicklungen im Zeitverlauf aufzuzeigen und interne Zielvorgaben aufzustellen. Dabei gilt es die Ansprüche an eine Ökobilanz nach Vollständigkeit sowie Praktikabilität und Verständlichkeit im Ausgleich zu halten. Hierfür ist es notwendig interne Vorgaben zur Aufstellung von Ökobilanzen gemeinsam zu entwickeln und anzuwenden. Softwareanwendungen, wie z.b. Umberto und die Standards der ISO können diesen Prozess unterstützen. Gerade IT-Leistungen besitzen gegenüber konventionellen Lösungen häufig einen ökologischen Vorteil. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit und Green IT stellt die Ökobilanzierung eine geeignete und praktisch erprobte Methodik für Praktiker und Forscher dar, deren Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. 10
11 6. Literatur [Akamai 2009] Akamai Technologies, Inc.: Report - The State of the Internet, Volume 2, Number 2, Zugriff am [Bundesverband Musikindustrie e. V. 2009] Bundesverband Musikindustrie e. V.: Musikindustrie in Zahlen 2008, pdf; Zugriff am [DIN 2009] Deutsches Institut für Normung e.v. (DIN): DIN EN ISO Umweltmanagement Ökobilanz Grundätze und Rahmenbedingungen. Beuth-Verlag, Berlin, [Hischier 2007] Hischier, R.: Life Cycle Inventories of Packaging and Graphical Papers, Ecoinvent Report 11 (Part II, Part III). Swiss Centre for Life Cycle Inventories, EMPA, St. Gallen, [Schlomann et al. 2004] Schlomann, B.; Gruber, E.; Eichhammer, W.; Kling, N.; Diekmann, J.; Ziesling, H.-J.; Rieke, H.; Wittke, F.; et al.: Energieverbrauch der privaten Haushalte und des Sektors Gewerbe, Handel, Dienstleistung - Abschlussbericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Fraunhofer-Institut, Karlsruhe, [Schmidt & Häuslein 1997] Schmidt, M.; Häuslein, A.: Ökobilanzierung mit Computerunterstützung: Produktbilanzen und betriebliche Bilanzen mit dem Programm Umberto. Springer- Verlag, Berlin, [Spielmann et al. 2007] Spielmann, M.; Bauer, C.; Dones, R.: Transport Services, Ecoinvent Report 14, Data v2.0. Paul Scherer Institut, Villingen-Uster, [Stiftung Warentest 2009a] Stiftung Warentest: PC-Heimvernetzung, Heimvernetzung/ / / ; Zugriff am [Stiftung Warentest 2009b] Stiftung Warentest: Net- und Notebooks Gute Noten jetzt auch für die Kleinen. Stiftung Warentest 11 (2009), Berlin, [Umweltbundesamt 2009] Umweltbundesamt: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid- Emissionen des deutschen Strommix : Stand April 2009, Zugriff am
12 [Verron et al. 2005] Verron, H.; Huckestein, B.; Penn-Bressel, G.; Röthke, P.; Bölke, M.; Hülsmann, W.: Determinanten der Verkehrsentstehung. Umweltbundesamt, Dessau, [Weber et al. 2009] Weber, C. L.; Koomey, J. G.; Matthews, H. S.: The Energy and Climate Change Impacts of Different Music Delivery Methods. Final report to Microsoft Corporation and Intel Corporation. Zugriff am
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