PERSPEKTIVEN EINER TRANSRAPIDSTRECKE WARSCHAU-BERLIN-PRAG-WIEN- BUDAPEST
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- Beate Franke
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1 Universität Leipzig Institut für Geographie Seminar Verkehrsgeographie Dipl.-Geogr. J. Klühspies SS PERSPEKTIVEN EINER TRANSRAPIDSTRECKE WARSCHAU-BERLIN-PRAG-WIEN- BUDAPEST Christian Quinque 4.FS Dipl.-Geographie/ Chemie/ Osteuropawissenschaften Matr.-Nr Karl-Liebknecht-Straße Leipzig
2 PERSPEKTIVEN EINER TRANSRAPIDSTRECKE WARSCHAU- BERLIN-PRAG-WIEN-BUDAPEST Seit dem Beitritt der ostmitteleuropäischen Länder zur Europäischen Union im Jahre 2004 haben Fragen der verkehrstechnischen Erschließung und Vernetzung dieser Räume sowie der Verbesserung der bestehenden Transportsysteme erheblich an Aktualität und Bedeutung gewonnen. Gute und schnelle Erreichbarkeit insbesondere der Metropolregionen Ostmitteleuropas, deren Anbindung an die Hauptwirtschaftsräume der alten Mitgliedsstaaten und die generelle Gewährleistung von Mobilität gelten als besonders bedeutsam für die Integration der beigetretenen Länder, die gesamteuropäische Homogenisierung der Lebensbedingungen und damit für eine solide und im globalen Wettbewerb potente europäische Staatengemeinschaft. Als Mittel zur Realisierung dieser Ziele wird unter anderem der Transrapid genannt. Von 1997 bis 2000 ist diesbezüglich eine Machbarkeitsstudie von Transrapid International in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union erstellt worden, welche den 950 km langen Verkehrskorridor Berlin-Prag-Wien-Budapest als chancenreichste Magistrale durch Ostmitteleuropa nennt. Daneben wurden auch die Strecken Berlin-Warschau-Moskau und Berlin-Krakau- Kiew geprüft. Laut dieser Studie beliefen sich die reinen Baukosten der Strecke Berlin- Budapest auf voraussichtlich 15 Mrd., die Verbindung Berlin-Warschau käme auf rund 10 Mrd. plus insgesamt Mio., die an jährlichen Instandhaltungskosten anfielen. Transrapid International geht von einer jährlichen Frequentierung durch 10 Mio. Fahrgäste zwischen Berlin und Budapest aus und veranschlagt einen Kilometerfahrpreis von 18 Cent. Angedacht sind täglich drei Normalzüge sowie ein Expreßzug 1. Die Befürwortung dieses Projektes begründen die Autoren der Studie mit drei Punkten: Erstens durch die innovative neuen Bahntechnik, die für eine verbesserte europäischen Wettbewerbsstellung im Vergleich mit China sorgen könne, zweitens mit dem grenzüberschreitenden Charakter des Projektes, das neue Planungsvorgehen implizieren könne und drittens mit dem Nachholbedarf der ostmitteleuropäischen Länder im Bereich der Verkehrsinfrastruktur 2. Es ist indes fraglich, inwieweit den optimistischen Einschätzungen der Chancen für die eigene Technik von Transrapid International tatsächlich objektive Untersuchungen zugrunde liegen oder diese nicht von einer gewissen, natürlich nachvollziehbaren Parteinahme und dem Hintergedanken der Promotion des eigenen Produktes beeinflußt sein könnten. Immerhin ist doch auffallend, daß die in Deutschland angedachte Transrapidstrecke zwischen Berlin und Hamburg nach eingehenden Prüfungen wieder aufgegeben werden mußte, weil die zuerst errechneten Fahrgastprognosen und damit die Gewinnmöglichkeiten viel zu optimistisch waren. Es ist illusionär, daß durch das Angebot einer alternativen Verkehrsverbindung ganze Verkehrsströme umgelenkt oder gar neu induziert werden könnten. Um es am Beispiel zu verdeutlichen: das tägliche Gesamtverkehrsaufkommen (!) zwischen Berlin und Hamburg beträgt heute 20% der allein für den Transrapid prognostizierten Frequentierung 3. Darüber hinaus hätten sich die errechneten Investitionskosten um ein erhebliches gesteigert, was bei der Erstrealisierung einer im großen Maßstab bisher nicht praktisch umgesetzten Technologie nicht verwundert. 1 Vgl. Kretzschmar, Rolf (2001): Die Strecke Berlin-Prag-Wien-Bratislava-Budapest. In EuroRapid Lösung für die Verkehrsprobleme Zentraleuropas, S , hier S. 36f. 2 Ebd., S Vgl. Reinhold, Tom (2000): Gibt es sinnvolle Referenzstrecken für den Transrapid? In Internationales Verkehrswesen 7+8/2000, S , hier S. 312f. 1
3 In Konsequenz dessen ist die Rentabilität eines Mammutprojektes wie der geplanten Transeuropastecke stark anzuzweifeln. Wenn bereits eine relativ kurze Verbindung wie der geplante deutsche Transrapid derartige Unwägbarkeiten in der Prognostizierbarkeit aufgezeigt hat, ist doch für ein internationales Großprojekt quasi automatisch mit Verteuerungen, Planungsschwierigkeiten und sich herausstellenden Fehlannahmen zu rechnen. Der Nachholbedarf der ostmitteleuropäischen Länder liegt weit eher in einer allgemeinen umfassenden Infrastrukturnachrüstung in den Bereichen der landesweiten Straßen- und Schienennetze als in der Notwendigkeit der Errichtung einer Vorzeige-Hochgeschwindigkeitsstrecke auf Kosten der Verkehrsinfrastruktur peripherer Räume. What counts are not single links, bur whole transportation chains, all the way from origin to destination, and thus the level of integration among heterogeneous transportation networks. 4 Über ein Projekt wie den Transrapid kann ggf. nachgedacht werden, wenn eine optimale Vernetzung mit den verschiedenen Verkehrsträgern gewährleistet werden kann. Momentan scheint das noch nicht der Fall zu sein. Genauso dürfte der grenzüberschreitende Charakter des Unternehmens eher Probleme aufwerfen als förderlich sein, wenn es um die gemeinsame Projektkoordination geht. Immerhin wären sechs Länder beteiligt, deren Planungsvorstellungen, Genehmigungsverfahren etc. zunächst auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden müßten. Ebenso zweifelhaft erscheint das durch die Innovation zu implizierende regionale Entwicklungspotential. Abgesehen davon, daß es kaum sinnvoll ist, gemäß der Tradition des Kalten Krieges mit einem anderen Land in Wettbewerb treten zu wollen, indem man dessen technischen Standard zu kopieren sucht der im Falle Chinas ja letztlich europagemacht ist und daß die Ausgangsbedingungen und Durchsetzungsverfahren für den Transrapid in China gänzlich andere als in Europa waren und hierzulande nie Anwendung finden könnten, ist es eine Mär, daß durch eine hypertrophierte Verkehrsinfrastruktur periphere Regionen ihren Status als solche verlieren könnten. Eine in Raumplanung 116 im Oktober 2004 veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluß, daß die Auswirkungen von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur auf die Wirtschaftsentwicklung der Regionen im Vergleich zu den Effekten sozioökonomischer und technischer Makrotrends wie Globalisierung, zunehmenden Wettbewerbs zwischen Regionen, Alterung der Bevölkerung und Änderungen in Erwerbstätigkeit und Produktivität gering zu sein [scheinen]. Selbst starke Verbesserungen der regionalen Erreichbarkeit schlagen sich nur in geringen Steigerungen der regionalen Wirtschaftsaktivität nieder. 5 In zentralen Regionen wiederum sei die Erreichbarkeit mit Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen kaum noch zu steigern. Selbst wenn es zum Bau einer Transrapidstrecke käme, ist davon auszugehen, daß nur wenige relativ begrenzte Regionen davon profitieren könnten, nämlich diejenigen, welche in relativer Nähe der Haltepunkte des Zuges gelegen sind. Da von vornherein angedacht ist, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und möglichst hoher Betriebsgeschwindigkeiten bzw. kurzer Fahrzeiten nur wenige Bahnhöfe in großen Städten einzurichten, würden periphere Räume praktisch keinen Profit haben. Die potentiellen Gewinne aus dem Betrieb des Transrapid würden weniger zum Ausgleich wirtschaftlicher Disparitäten führen als vielmehr in den Händen der Betreiberfirma konzentriert werden. Über das Aussehen eines solchen Betreibers herrschen ohnehin bisher nur diffuse Vorstellungen, insbesondere was transeuropäische Strecken wie die betrachtete betrifft. Einerseits kann keinem Einzelunternehmen der Alleinbetrieb eines derart großen und kapital- 4 Bertolini, Luca (1998): The Transrapid a Tool for European Integration? In Tietze, Wolfgang [Hrsg.]: Transrapidverkehr in Europa, S.29-34, hier S Schürmann, Carsten; Spiekermann, Klaus; Wegener, Michael (2004): Transeuropäische Verkehrsnetze und regionale Entwicklung. Prognose von Erreichbarkeit, Wirtschaftskraft und räumlichen Disparitäten. In Raum- Planung Nr. 116, 10/2004, hier S
4 intensiven Unternehmens aufgebürdet werden, wie es z.b. in Deutschland mit der Deutschen Bahn angedacht war. Andererseits dürfte es aber genauso schwierig sein, private Großinvestoren zu finden, die noch dazu in Anbetracht der heutigen gespannten Wirtschaftslage in Europa bereit wären, ihr Kapital in ein solch risikobeladenes Großprojekt zu investieren. Ebensowenig ist davon auszugehen, daß durch einen Transrapid langfristig eine Großzahl an Arbeitsplätzen entstehen kann. Dieses Potential wird lediglich die Bauphase umfassen und vielleicht kurzfristig für ein Erstarken der Baubranche bzw. entsprechender Zulieferer und Technikproduzenten sorgen, jedoch nach Beendigung der Bauarbeiten wieder verebben. Langfristig gesehen benötigt die nahezu vollautomatische Betriebsweise des Transrapid kaum Arbeitskräfte. In o.g. Machbarkeitsstudie wird von einer Rekrutierung des Passagieraufkommens zwischen Berlin und Budapest von ⅓ aus dem Flugverkehr ausgegangen, genauso wie für das prognostizierte Fahrgastpotential vorausgesetzt wird, daß bedeutende Anteile des bisherigen Eisenbahn- und Automobilverkehrs umgelenkt werden können. Notwendigerweise muß aber hinterfragt werden, ob diese Einschätzung überhaupt realistisch ist. Der wesentliche Vorteil des Transrapid liegt in seiner Geschwindigkeit, die fast die Dimension des Flugverkehrs erreicht. Preislich läge ein Transrapidticket für die Gesamtstrecke unter Voraussetzung der Beibehaltung der vorkalkulierten Fahrkosten das bedeutet v.a. bei Gewährleistung des prognostizierten Passagieraufkommens und Einhaltung der Investitionssumme um 70% über denen eines Eisenbahntickets und etwa im Mittelfeld des Streubereiches der möglichen PKW-Fahrtkosten. Die zum Zeitpunkt der Studie veranschlagten Kosten für einen Flug haben sich durch die dynamische Entwicklung des intraeuropäischen Flugmarktes längst überholt und dürften heute im günstigsten Fall weit unter den Transrapidkosten liegen. Außerdem muß davon ausgegangen werden, daß Konkurrenzanbieter durchaus mit entsprechenden Angeboten auf den Transrapid reagieren könnten, denn im Grunde richtet sich die Kernfrage hinter dieser Problematik auf die Bereitschaft, bereits getätigte oder geplante Investitionen in andere Verkehrskonzepte zugunsten des Transrapid aufzugeben, welche sehr wahrscheinlich gering sein wird. Unter Berücksichtigung dessen wird der Transrapid vielleicht eine Ergänzung zum überregionalen Verkehrsmittelangebot sein, jedoch kaum eine allem überlegene Alternative. Er wird sich vielmehr in Konkurrenz mit anderen Anbietern behaupten müssen. Schließlich kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werde, daß der Zeitfaktor allein bestimmend ist. Gewiß trifft dies nur einen Teil des Fahrgastpotentials, für einen anderen Teil spielen jedoch die Fahrtkosten eine größere Rolle. Letztlich sind auch die von Transrapidbefürwortern propagierten Vorteile des Schwebezuges kritisch zu hinterfragen. Verglichen wurden ICE und Transrapid stets auf der Grundlage gleicher Betriebsbedingungen, die aber in der Praxis so nicht gegeben wären. Betrachtet man dagegen beispielsweise Lautstärkepegel und Energieverbrauch, so liegen diese bei der tatsächlichen Einsatzgeschwindigkeit des Transrapid höher als beim ICE. Befürworter des Transrapid tun diese Gegenüberstellung jedoch als nicht zulässig ab. Die Sauberkeit, d.h. das Fehlen von Abgasemissionen ist als Argument in Bezug auf beide Verkehrsmittel nicht anwendbar, da elektrischer Strom keinesfalls eine primäre Energiequelle ist. Der geringe Flächenbedarf des Transrapid bezieht sich auf die versiegelte Fläche bei aufgeständertem Fahrweg, wird jedoch durch die damit verbundene Zerstörung der Landschaftsästhetik deutlich relativiert. Andere für den Transrapid sprechende Aspekte können genausogut auf den ICE bezogen werden, wie etwa gute Stadtverträglichkeit oder Erschließungsmöglichkeiten dichtbesiedelter Räume. Das Fazit dieser Betrachtungen muß demnach lauten, daß in Ostmitteleuropa für die Errichtung eines komplett neuen Verkehrsträgersystems in Gestalt des Transrapid derzeit keine zwingende Notwendigkeit besteht. Bisher durchgeführte Studien deuten eher darauf hin, daß 3
5 ein wirtschaftlicher Betrieb einer solchen Strecke anzuzweifeln ist. Positive Effekte auf Sozialgefüge und die ökonomische Situation der betroffenen Gebiete sind kaum zu erwarten, genausowenig die signifikante Minderung regionaler Disparitäten. Für Ostmitteleuropa sollte in der kommenden Zeit die Handlungspriorität vielmehr auf der allgemeinen Verbesserung der Infrastrukturanlagen nicht allein den Verkehr betreffend und der Lösung außerhalb des Verkehrs liegender nationaler und regionaler Probleme liegen. Wenn alle diese Gebiete westlichen Standard erreicht haben werden, kann dann vielleicht weiter und mit größerer Rechtfertigung über den Aufbau eines transeuropäischen Prestigeprojektes wie den Transrapid nachgedacht werden. 4
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