Projektdokumentation Weggesperrt. Geschichte künstlerisch gestalten. 15. bis 17. September 2015
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- Gottlob Bieber
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1 Projektdokumentation 2015 Weggesperrt 1 Geschichte künstlerisch gestalten 15. bis 17. September 2015 Was heißt politische Haft? Welche Menschen und warum kamen zu DDR-Zeiten ins Zuchthaus Cottbus? Wie gestaltete sich der Alltag hinter Gittern? Was gab den Gefangenen Halt, Trost und Hoffnung? Welche Folgen hatte die Hafterfahrung für die Betroffenen? Mit diesen und ähnlichen Fragen befassten sich drei Tage lang insgesamt 47 Schüler zweier Cottbus Schulen, des Max-Steenbeck-Gymnasiums und des Niedersorbischen Gymnasiums. Das Kunstprojekt Weggesperrt, dessen bereits vierter Durchlauf in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus stattfand, verknüpft die historische Aufarbeitung der Geschehnisse vor Ort mit der Möglichkeit, das Erfahrene in kreativer Tätigkeit zu verarbeiten. Die Zehntklässler führten im ersten Schritt Gespräch mit den ehemaligen politischen Häftlingen und erkundeten das Gelände des einstigen Gefängnisses, um sich später bei der Bearbeitung themenbezogener und praktischer Aufgaben mit Texten, Objekten und Dokumenten über ihre Eindrücke und Erkenntnisse auszutauschen. Unter der Begleitung sachkundiger Workshopleiter drückten die Jugendlichen schließlich an den beiden darauffolgenden Tagen das Erlebte und Erfühlte mittels verschiedenster Kunstformen aus und präsentierten ihre Ergebnisse.
2 I. Projektausschreibung 2 Weggesperrt Geschichte künstlerisch gestalten fachübergreifender mehrtägiger Workshop in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus Abweichung, Verfolgung, Verrat, Trennung, Haft, Isolation, Verzweiflung, Tod, Widerstand, Freundschaft, Solidarität, Liebe, Hoffnung, Freiheit Das sind Themen, die jeden berühren. Aber für diejenigen, die zu Unrecht ins Gefängnis kamen, haben sie eine besondere Bedeutung. Das Zuchthaus Cottbus war neben Bautzen das zweitgrößte Gefängnis der DDR und für Tausende politische Gefangene die letzte Station vor dem Freikauf in den Westen. Zwischen und Menschen haben insgesamt zu den DDR-Zeiten hier in dem Gefängnis gesessen. Zwischen 70 bis 80 Prozent sind hierher wegen Verurteilung aus politischen Gründen gekommen, vor allem waren hier Republikflüchtlinge, Ausreisewillige und Mitglieder kirchlicher Friedensgruppen eingesperrt. Die Haftbedingungen waren in Cottbus besonders berüchtigt. Für 600 Häftlinge vorgesehen, wurden zeitweise bis zum Menschen in diesem Gefängnis zusammengepfercht. Und das Strafvollzugspersonal scheute manchmal nicht, Gewalt und Folter gegenüber den Häftlingen anzuwenden. Im Projekt lernt ihr ehemalige politische Häftlinge kennen, sprecht mit ihnen am historischen Ort und reflektiert ihre Schicksale auf künstlerischer Ebene in Szenischen Darstellungen, Bildern, Texten, Medienprodukten und anderen Arbeiten. Eure Werke werden anschließend in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ausgestellt. Baustein 1: Das Zuchthaus Cottbus und Zeitzeugen im Gespräch Ihr informiert euch während des Besuches der Dauerausstellung und in einer Führung durch die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus über deren Geschichte, erfahrt Wissenswertes zum Haftalltag und besichtigt ehemalige Haftzellen. In einem Gespräch mit ehemaligen politischen Häftlingen lernt ihr deren Schicksale kennen und könnt eure Fragen an sie richten. Mithilfe von Dokumenten, Objekten und in historischen Räumlichkeiten bearbeitet Ihr selbständig Aufgaben und erfasst die Funktion des Strafvollzugs sowie die Haftbedingungen. Baustein 2: Einzelschicksale in künstlerischer Darstellung Viele politische Häftlinge haben ihre Gedanken, Gefühle, Erfahrungen während der Haft in Bildern, Texten, Liedern, Features oder Plastiken verarbeitet. Ihr werdet Einzelschicksale auch mit Hilfe von verschiedenen Dokumenten, Bildern und Aussagen näher erforschen und erste eigene künstlerische Entwürfe anfertigen, in denen ihr Gefühle wie Wut, Verzweiflung, Angst, aber auch Freude, Hoffnung und Visionen zum Ausdruck bringen sollt. Dabei werden euch professionelle Künstler sowie ehemalige Häftlinge unterstützen. Hier könnt ihr zwischen folgenden Ausdrucksmöglichkeiten wählen: Bildende Kunst (Farbe und Linie als Emotionsausdruck, Modellieren menschlicher Körpersprache, Zeichnungen, Sprühkreationen auch großflächig) Szenische Darstellung (Rollenspiel Verhör, Knastalltag, Standbilder, Wiedergeben von Gedanken und Empfindungen durch Bewegung, Gestik, Mimik) Erzählen und Literatur (Lyrik, Prosatexte, Einsatz literarischer Gestaltungselemente) Medien (Ton und Bild in einer Collage oder Hörspiel, Kunstfotografie, Experimentieren mit Licht und Schatten) Baustein 3: Abschluss und Präsentation der Arbeiten Ihr beendet eure künstlerischen Darstellungen und präsentiert eure Ergebnisse in der Gedenkstätte.
3 II. Ankommen und der erste Projekttag: Das Zuchthaus Cottbus und die Zeitzeugen im Gespräch 3 Die Schüler lernten zunächst bei der Führung durch die ehemaligen politischen Gefangenen die Geschichte des Ortes kennen. Durch persönliche Gespräche mit den Zeitzeugen und die praktische Gruppenarbeit an verschiedenen Stationen sowie in der Dauerausstellung Karierte Wolken konnten die Teilnehmer mehr über die Haftbedingungen in Erfahrung bringen und den Alltag hinter Gittern nachempfinden. Die Auseinandersetzung mit den historischen Räumen, der Lage in den Zellen, den Zeitzeugenberichten, Dokumenten und Objekten vertieften die Jugendlichen nicht nur ihr Wissen über die politische Haft, sondern dachten auch über ihr eigenes Verhalten in konkreten Situationen im Strafvollzug nach. Die Klassen werden zu Beginn des Projektes von der Koordinatorin Hana Hlásková vor dem Gefängnis begrüßt. Die Schüler führen ein Zeitzeugengespräch mit dem ehemaligen politischen Häftling Gino Kuhn. Der ehemalige politische Häftling Joachim Heise führt eine Gruppe von Jugendlichen durch die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus. Die Zeitzeugen Siegmar Faust, Gino Kuhn und Joachim Heise berichten von ihren Erfahrungen im ehemaligen Zuchthaus Cottbus.
4 4 In Kleingruppen erarbeiten die Schüler an verschiedenen Stationen die Thematik Menschenrechtsverletzungen in DDR und politische Haft im Zuchthaus Cottbus. Mithilfe von Biographien in der Dauerausstellung nähern sich die Jugendlichen dem Thema an. Im Musterzellentrakt befassen sich die Schüler mit dem Alltag in den sog. Verwahrräumen. Die Erkenntnisse aus den einzelnen Stationen werden veranschaulicht und präsentiert. In Diskussion und durch kreative Aufgaben können die Teilnehmer verschiedene Situationen im Haftalltag besser nachvollziehen.
5 III. Künstlerische Gestaltung in den Workshops am zweiten Tag 5 Die Projektteilnehmer teilten sich nun nach ihren Interessen auf sieben verschiedene Workshops ein. In den Gruppen waren immer Schüler aus beiden Schulen vertreten. Sie fanden jedoch schnell zueinander und arbeiteten bald wie ein Team zusammen. Unter Anleitung von Fachleuten konnten sie ihre Eindrücke vom ersten Tag reflektieren und mit der jeweiligen Kunstform experimentieren. Ob Lyrik, Fotografie, Skulpturen, Zeichnungen, Tonaufnahmen, Graffiti oder Tanz jede Ausdrucksform bot den Jugendlichen die Möglichkeit, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Die Workshopgruppe Fotografie macht sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Staatsfeind und hält dies fotografisch fest. Die Workshopgruppe Audio wagt ein Experiment, lässt sich in eine Arrestzelle einsperren und nimmt ihre Eindrücke dabei auf. In der Workshopgruppe Literarisches Schreiben 1 versuchen sich Teilnehmer in einen Häftling hineinzuversetzen und schreiben Gedichte.
6 6 In der Workshopgruppe Plastisches und bildnerisches Gestalten werden Eindrücke aus dem Haftalltag in Farben und Formen verarbeitet. Die Workshopgruppe Literarisches Schreiben 2 holt sich weitere Anregungen in der Dauerausstellung und nutzt die Biographien als Ausgangslage für ihre autobiographischen Texte. Die Workshopgruppe Graffiti probiert verschiedene Techniken, um die (Lein)wände zum Sprechen zu bringen. Die Gruppe Choreografie kreiert bewegte Bilder in der 50er Jahre Zelle aber auch draußen im Hof.
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8 IV. Letzte Arbeiten und Abschlusspräsentation 8 Am Ende stellten die Teilnehmer der verschiedenen Workshops nicht nur ihre Produkte fertig, sondern mussten sich auch gemeinsam überlegen, wie und wo sie als Gruppe ihre Ergebnisse den anderen vorstellen möchten. Das kreative Schaffen eroberte für zwei Stunden im Rahmen einer großartigen Präsentation die Gedenkstätte und ließ alle Beteiligten staunen. Anschließend erfolgte noch eine Reflexion und Auswertung des Projektes. Präsentation Künstler hinter Gittern Wer ist Manfred Kraft?. Verwirrt und keiner Schuld bewusst, bewältigte er den Gang zwischen unsicheren Arbeitskollegen hindurch bis zur Betriebsleitung. Sie Kommen jetzt mit uns zur Klärung eines Sachverhaltes. Präsentation Weglaufen und Wegsperrten
9 9 Präsentation Seelen der Gefangenen Präsentation Eingeengt und befreit Lesen in verteilten Rollen. Präsentation Nacherleben Erfahren - Verdichten Präsentation Knast im Ohr Die Kunstfotografen fragten sich, wer ein Staatsfeind ist? Präsentation Sprechende (Lein)Wände
10 V. Workshopgruppen, ihre Mitglieder Choreografie mit Golde Grunske Teilnehmer: Karla, Gini-Marie, Adele Audio mit Erik Schiesko Teilnehmer: Martin, Matthes, Jetta, Jens, Elias, Carl, Laurie, Enas Fotografie mit Alex Janetzko Teilnehmer: Jan-Felix, Robert, Tim, Susi, Sophie, Lena, Vivi, Olivia Graffiti mit Martin Jainz Teilnehmer: Fabian, Marc, David, Celine, Gina, Vanessa, Luca
11 11 Bildnerisches und plastisches Gestalten mit Gino Kuhn Teilnehmer: Tim, Max, Kenneth, Tim, Moritz, Cajetan, Michelle, Isabell Literarisches Schreiben mit Ines Göbel Teilnehmer: Lisa-Marie, Nikolas, Tom, Tobias, Mylene, Pauline Literarisches Schreiben mit Siegmar Faust Teilnehmer: Clemens, Hans-Martin, Lennart, Paula, Julia, Elisa die ehemaligen politischen Häftlinge Joachim Heise, Siegmar Faust und Gino Kuhn und die Projektleiterin Hana Hlásková
12 VI.... und ihre Kunstwerke 12 Hörspiel Eingesperrt Der Druck steigt... Gelausche, Lügen und Intrigen kann man nur mit Geduld besiegen. Ich bau mir neue Grenzen, mache meine Abwehr stark, zerstöre meine Ängste und wurde endlich hart. Es gibt nur ein Ziel, sich selbst und seine Würde nicht zu verlieren. Hörspiel Frei(e) Zeit... Sie fragten außerdem, ob ich jemanden habe der auf sie aufpassen könnte. Ich stotterte nur den Namen meiner Mutter. Ohne ein Wort zu sagen verließen alle Männer das Zimmer und ließen mich sitzen. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Einerseits eine Leere, andererseits kamen mir fast tausend Wörter in den Sinn, wie Jugendamt, meine Mama, Westen, Gefängnis. Mir kamen die Tränen. Video der Choreografie
13 VII. Ausstellung in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus 13 Aus den vielen kreativen Kunstwerken entstand eine beeindruckende Ausstellung. Sie ist im 1. Obergeschoss der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus platziert und zeigt, inwiefern sich die heutigen Jugendlichen dem Thema Politische Haft nähern und die Erfahrungen der zu Unrecht Eingesperrten nachvollziehen können. Wir laden unsere Besucher ein, die Ergebnisse der Workshops zu betrachten. Auch werden wir uns über die Rückmeldungen der ehemaligen politischen Häftlinge dieses Gefängnisses sehr freuen.
14 14 VIII. Feedback der Teilnehmer Die wichtigsten Einsichten kamen hundertprozentig aus den Geschichten der Zeitzeugen. Die persönlichen Informationen gaben mir einen wirklich echten Einblick. Eigentlich hat mir kaum etwas nicht gefallen. Ich fand es nur etwa schade, dass man viele der Stationen nicht bearbeiten konnte und auch nur relativ wenig Zeit für die Gespräche mit den Zeitzeugen hatte. Noch ein Tag mehr wäre für das Projekt ideal. Man konnte dem Ablauf des Projektes sehr gut folgen. [ ] Das wichtigste ist, dass ich jetzt ein bisschen nachvollziehen kann, wie sich die Menschen früher in der DDR gefühlt haben. Ich hoffe, dass dieses Projekt den Cottbuser Schulen noch lange erhalten bleibt und weiterhin Jugendliche über das Leben in der DDR und in den Zuchthäusern aufklärt. Außerdem hoffe ich, dass wir in dem Kunstunterricht unserer Schule auch ein paar Dinge aus den Workshops ausprobieren könnten. Ich wünsche mir, dass dieses Projekt noch einige Zeit erhalten bleibt. Es ist eine wirklich schöne und vor allem interessante Sache. Außerdem sollte die Teilnahme der Zeitzeugen unbedingt behalten werden. Ich habe sehr viel Neues über das Zuchthaus Cottbus und die damalige Zeit erfahren. Neben den zahlreichen wichtigen Informationen, nehme ich aus diesem Projekt auch die Erkenntnis mit, dass Kunst einen wirklich dabei helfen kann, Gedanken und Gefühle zusammenzufassen und auszudrücken.
15 Projektablauf: 1) ) ) IX. Auf einen Blick Weggesperrt Geschichte künstlerisch gestalten Vorbereitung: - Vorgespräche mit den verantwortlichen Lehrern - Treffen der Workshopleiter, Klärung der Inhalte/Techniken, Beschreibungen der Workshopgruppen und Einschreibung der Schülerinnen und Schüler - Materialanschaffung, Raumplanung, Ablaufplan der Workshoptage Durchführung des Workshops, Präsentation und Nachbereitung: - Zusammenkommen, inhaltliche Einführung, Zeitzeugengespräche, Arbeitsaufträge zur politischen Haft im Zuchthaus Cottbus - Arbeit in den Kunstgruppen mit den Workshopleitern (Reflexion des Erlebten, Ideensuche, Auswahl der Themen, Techniken, Zusammenstellen des Materials, praktische Umsetzung und Erstellen Produkte) - Vorbereitung und Durchführung der Präsentation, Pressebesuch - Auswertung der Workshops, Feedback der Schüler Zusammenstellen der Ausstellung der Kunstwerke, Vorführung: - Konzeption, Auswahl der Kunstwerke, Entwurf der Ausstellungsplakate - Eröffnung der Ausstellung 15 Teilnehmer: Kooperationspartner: 23 Schüler des Max-Steenbeck-Gymnasiums und 24 Schüler des Niedersorbischen Gymnasiums mit den Lehrerinnen Frau Schübeck und Frau Seidel - Kulturwerkstatt des Glad-House mit Ines Göbel - Die TANZwerkstatt mit Golde Grunske - Kunstfotograf Alex Janetzko - Filmemacher Erik Schiesko - Graffiti-Künstler Martin Jainz - die ehemaligen politischen Häftlinge des Zuchthauses Cottbus Joachim Heise, Siegmar Faust und Gino Kuhn Veranstaltungsort: Gesamtvolumen: 5.900,00 Projektträger: Menschenrechtszentrum Cottbus e.v./ Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus Menschenrechtszentrum Cottbus e.v./ Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus (Projektverantwortliche: Hana Hlásková, Bildungsreferentin) Bautzener Straße 140, Cottbus Tel.: +49 (0) Fax: +49 (0) Mail: bildung@menschenrechtszentrum-cottbus.de Das erfolgreiche Projekt fand bereits zum vierten Mal statt und wurde diesmal durch die Stiftung Lausitzer Braunkohle, den lokalen Aktionsplan der Stadt Cottbus im Programm Demokratie Leben sowie den gemeinnützigen Verein Gegen Vergessen Für Demokratie e.v. gefördert.
I. II. I. II. III. IV. I. II. III. I. II. III. IV. I. II. III. IV. V. I. II. III. IV. V. VI. I. II. I. II. III. I. II. I. II. I. II. I. II. III. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
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