Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Migrationsrecht
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- Michaela Grosser
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1 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Migrationsrecht zum Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (COM(2016)0466 C8-0324/ /0223(COD)) Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (Stand: ) Stellungnahme Nr.: 26/2017 Berlin, im März 2017 Mitglieder des Ausschusses Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, Berlin Tel.: Fax: Büro Brüssel Rue Joseph II Brüssel, Belgien Tel.: Fax: bruessel@eu.anwaltverein.de Transparenz-Registernummer: Rechtsanwältin Gisela Seidler, München (Vorsitzende und Berichterstatterin) - Rechtsanwalt Helmut Bäcker, Frankfurt/Main - Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Breidenbach, Halle/Saale - Rechtsanwalt Dr. Marco Bruns, Frankfurt/Main (stellvertretender Vorsitzender ) - Rechtsanwältin Maria Kalin, Passau - Rechtsanwalt Tim W. Kliebe, Frankfurt/Main - Rechtsanwältin Kerstin Müller, Köln - Rechtsanwalt Berthold Münch, Heidelberg - Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, Ulm (Berichterstatter) - Rechtsanwältin Eva Reichert, Köln - Rechtsanwalt Rolf Stahmann, Berlin - Rechtsanwältin Eva Steffen, Köln Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - Rechtsanwältin Bettina Bachmann, Berlin
2 - 2 - Verteiler Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesministerium des Innern Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Innenausschuss des Deutschen Bundestages Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag Arbeitsgruppen Inneres der im Bundestag vertretenen Parteien Arbeitsgruppen Recht und Verbraucherschutz der im Bundestag vertretenen Parteien Arbeitsgruppen Menschenrechte und humanitäre Hilfe der im Bundestag vertretenen Parteien UNHCR Deutschland Katholisches Büro in Berlin Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland Diakonisches Werk der EKD Deutscher Caritasverband Deutsches Rotes Kreuz AWO Bundesverband e.v. Flüchtlingsrat Berlin Jesuitenflüchtlingsdienst Deutschland Deutsches Institut für Menschenrechte Bundesrechtsanwaltskammer Deutscher Richterbund Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgruppe für Flüchtlinge e. V. Der Paritätische Deutscher Gewerkschaftsbund (Bundesvorstand) Neue Richtervereinigung (NRV) Vorstand des DAV Vorsitzende der DAV-Gesetzgebungsausschüsse Landesverbände des DAV Ausschuss Ausländer- und Asylrecht Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht NVwZ ZAR Asylmagazin ANA Informationsbrief Ausländerrecht
3 - 3 - Verteiler Europa Europäische Kommission o Generaldirektion Migration und Inneres Europäisches Parlament o Ausschuss Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres o Ausschuss Auswärtige Angelegenheiten o Haushaltsausschuss Rat der Europäischen Union Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU Justizreferenten der Landesvertretungen Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE)
4 - 4 - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Änderungsvorschläge der Berichterstatterin Taja Fajon im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments zum Verordnungsvorschlag COM(2016)0466 der Europäischen Kommission über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen. Folgende Anmerkungen sind dennoch veranlasst: a) Der DAV begrüßt ausdrücklich den Änderungsantrag 29 zum Erwägungsgrund 44. Das darin genannte Vorhaben, die Daueraufenthaltsrichtlinie 2003/109/EG dahingehend zu ändern, dass der Zeitraum von fünf Jahren für Berechtigte internationalen Schutzes jedes Mal neu zu laufen beginnen sollte, wenn diese unberechtigt in einem anderen Mitgliedstaat angetroffen werden, ist unverhältnismäßig. Dies würde sogar dann gelten, wenn der Zeitraum eines erlaubten Aufenthaltes nach Schengener Durchführungsübereinkommen um wenige Tage überschritten wird. Es sollte im Gegenteil ein Anreiz für den Verbleib im schutzgewährenden Mitgliedstaat dadurch geboten werden, dass für Schutzberechtigte die Frist für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts-EU auf einen kürzeren Zeitraum von maximal drei Jahren reduziert wird. Dadurch könnte Härten begegnet werden, die sich daraus ergeben, dass Schutzberechtigte den schutzgewährenden Aufenthaltsstaat nicht selbst wählen können und familiäre und humanitäre Belange weitgehend außer Betracht bleiben.
5 - 5 - b) Der DAV begrüßt den Änderungsantrag Nr. 88 zu Artikel 34 Abs. 2. Es besteht kein Grund, bei Sozialleistungen eine Unterscheidung zwischen Flüchtlingen nach der Genfer Konvention und subsidiär Schutzberechtigten zu machen und den Zugang auf Kernleistungen zu beschränken. Eine dahingehende Ungleichbehandlung verstößt nicht nur gegen den in Art. 13 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta verankerten Gleichbehandlungsanspruch, sondern stellt gleichsam einen Verstoß gegen Art. 8 i. V. m. Art. 14 EMRK dar. Der Anspruch auf Sozialhilfe ist ein vermögenswertes Recht i. S. d. Art. 11. Zusatzprotokoll EMRK. 1 Die Garantien der Zusatzprotokolle zählen zu den in Art. 14 EMRK geschützten Konventionsrechten. 2 Die Gleichbehandlung beider Gruppen könnte zudem Sekundärmigration entgegenwirken. c) Hinsichtlich der Regelung in Artikel 8 Absatz 2 zur Prüfung der Verfolgungsgründe bevorzugt der DAV den Vorschlag der Kommission einer zweistufigen Prüfung gegenüber dem Änderungsantrag 49. Grund dafür ist die Gefahr einer anderenfalls nur oberflächlichen Prüfung der Verfolgungsgründe und die Tatsache, dass sich die Verfügbarkeit internen Schutzes innerhalb kurzer Zeit ändern kann. Wird in einem ersten Schritt bereits festgestellt, dass die Anerkennungskriterien im Übrigen erfüllt wären, muss dieser Umstand bei späteren Veränderungen nicht mehr geprüft werden (Beispiele: Beginn einer Hungersnot in dem als sicher geltenden Landesteil; persönliche Veränderungen wie Krankheit, Geburt von Kindern etc.). Zudem sollte das Konzept des Internen Schutzes weiterhin nicht verpflichtend sein. d) Der DAV begrüßt den Vorschlag der Kommission in Artikel 25, nahen Verwandten, die vor der Flucht aus dem Herkunftsstaat innerhalb der Familie lebten, den Familiennachzug zu ermöglichen. Es handelt sich dabei in der Regel um verwaiste Kinder, die nach dem Tod ihrer Eltern in den Haushalt von Verwandten aufgenommen wurden und nicht adoptiert werden können, weil das Heimatrecht keine Volladoption vorsieht. Diese Kinder bleiben allein zurück oder reisen illegal zu ihrer Familie nach, weil ihnen der Nachzug versagt wird. 1 EGMR, Urt. v , App. No /90 (Gaygusuz v. Österreich); Urt. v , App. No /98 (Poirrez v. Frankreich), Urt. v , App. No /98 (Poirrez v. Frankreich). 2 Dirk Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 108.
6 - 6 - Die folgenden weiteren Änderungen sollten in dem Bericht des Europäischen Parlaments noch veranlasst werden: Artikel 1: Den Mitgliedstaaten sollte nach nationalem Recht weiterhin die Möglichkeit eingeräumt werden, Familienangehörigen unabhängig von einer eigenen konkreten Verfolgungssituation den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz zu gewähren, um einen einheitlichen Status innerhalb der Familie herzustellen. Dies folgt nicht nur aus der Überlegung, dass alle Mitglieder einer Familie nach Möglichkeit die gleichen Rechte und das gleiche Personalstatut haben sollten, sondern auch aus der Erfahrung, dass Familienangehörige einer verfolgten Person sich häufig in einer latenten Gefahrensituation befinden. Es sollte ihnen daher nicht zugemutet werden, mit den Behörden des Heimatstaates wegen der Neuausstellung eines Passes oder der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in Kontakt treten zu müssen. Artikel 5 Absatz 3: Diese Vorschrift sollte vollständig gestrichen werden. Insbesondere der Ausschluss vom subsidiären Schutz wegen selbstgeschaffener Nachfluchtgründe kann der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entsprechen, da Personen damit der Schutz versagt werden würde, die in den Mitgliedstaaten erlaubte und von der Rechtsordnung nicht missbilligte Handlungen ausführen (z.b. Religionswechsel, Geburt eines nichtehelichen Kindes, politische Aktivitäten etc.). Da es in den meisten Mitgliedstaaten keinen nationalen Abschiebungsschutz gibt, würden diese Menschen dann entweder tatsächlich abgeschoben oder müssten sich unmittelbar auf die EMRK berufen, um ihre Abschiebung zu verhindern. Sie könnten dann jedoch nicht die in der Qualifikationsverordnung garantierte Rechte genießen.
7 - 7 - Artikel 14 Absatz 1: Der Vorschlag der Kommission geht von einer zwingenden Aberkennung des internationalen Schutzes aus, z.b. wenn sich die Umstände im Verfolgerstaat geändert haben. Aufgrund der mit der Prüfung verbundenen erheblichen Schwierigkeiten sollte die Widerrufsprüfung nicht zwingend sein und in eine Kann-Vorschrift umgewandelt werden. Generell befürwortet der DAV den Ansatz des Parlaments, Sekundärmigration nicht mit repressiven Maßnahmen entgegenzutreten, sondern mit Mitteln der Integration und Inklusion. Schutzberechtigte werden nur dann in dem Mitgliedstaat bleiben, der ihnen Schutz gewährt hat, wenn sie realistische Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt haben. Hierzu gehören jedoch nicht nur Integrationsmaßnahmen. Bedingung für eine Aufnahme von Schutzberechtigten ist es, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten endlich von flüchtlingsfeindlicher Rhetorik Abstand nehmen, Übergriffe gegen Flüchtlinge verurteilen und justiziell verfolgen und so einen tatsächlichen Schutz in ihren Ländern bieten. Anderenfalls hat das Gemeinsame Europäische Asylsystem keine Chance der Verwirklichung.
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