Trainer/innen-C-Breitensport Ausbildung des Niedersächsischen Ju-Jutsu Verbandes e.v.

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1 Trainer/innen-C-Breitensport Ausbildung des Niedersächsischen Ju-Jutsu Verbandes e.v. Lasse Ristig Koautoren: Dr. Roland Kabuß Frank Hoerschgen Patrick Neumann 11. Mai 2011

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3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Danksagungen Einleitung Ju-Jutsu Das Ju-Jutsu System Das Prüfungsprogramm Systemkritik Geschichte des Ju-Jutsu Kampfsport in der Gesellschaft Verbände und Bünde Philosophien und Religionen Kampfkünste in der Welt Selbstverteidigung Wettkampf und Selbstverteidigung Einsatzbezogene Selbstverteidigung (ESV) System und Kämpfer Die Selbstverteidigungssituation Allgemeine Prinzipien für das Kämpfen Strategie, Taktik und Kämpferprofil Selbstbehauptung Gebote für die Selbstverteidigung Psychische Aspekte Taktiken für die Selbstverteidigung Der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen Technikgruppen Was ist eine Technik? Biomechanik Bewegungsformen

4 Inhaltsverzeichnis 3.4 Falltechniken Schlag- und Tritttechniken Hebel Würfe Waffen Boden (Haltegriffe) Abwehrtechniken Sonstiges (Eigensicherung, Gleichgewicht,... ) Sportmotorische Grundfertigkeiten Lernen und Lehren Was ist Lernen? Sich-Bewegen lernen Der Lernprozess Vermittlungsmethoden Lernen in der Gruppe Leistungsmotivation Kleine Spiele Die Rolle des Trainers Unterrichtsplanung Spezielle Gruppen Trainingslehre Sportliche Leistungsfähigkeit Trainingsprinzipien Krafttraining (KT) Ausdauertraining (AT) Schnelligkeitstraining (ST) Beweglichkeitstraining Gymnastikformen Einige Übungen Anatomie und Physiologie Orientierung am menschlichen Körper Aktiver Bewegungsapparat Passiver Bewegungsapparat Herz-Kreislauf-System

5 Inhaltsverzeichnis 6.5 Nervensystem Wahrnehmung Gefährdete Punkte Ernährung Doping Neues aus der Wissenschaft Notwehr / Recht / Versicherungen Notwehr und Nothilfe Aufsichts- und Sorgfaltspflicht Versicherungen Organisation Öffentlichkeitsarbeit (Publik Relations, PR) und Werbung Planung von Veranstaltungen Der Lehrgang Schlusswort 8-17 Literaturverzeichnis

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7 Inhaltsverzeichnis Vorwort Dieses Skript soll einen Überblick über Zusammenhänge geben, die für das tägliche Vermitteln und längere Planen von Vermittlungsvorgängen im Ju-Jutsu eine Rolle spielen. Es ist nicht nur geeignet für angehende oder aktive Trainerinnen oder Trainer 1 im Ju-Jutsu, sondern in vielen Fragen für alle, die sich mit dem Vermitteln von Kampfkünsten auseinandersetzen. Warum ein ganzes Skript zur Trainer-C-Breitensport-Ausbildung? Zuerst spielt die Darbietung von Informationen ein große Rolle bei der Akzeptanz dieser Informationen. So ist ein Buch oder eine schriftlich ansprechende Darstellung für viele recht glaubwürdig. Gleichzeitig ist es für mich selbst ein tolles Gefühl, ein solches Werk zu erschaffen. Und in diesem Zuge sammelten sich die Kapitel zuerst als öffentlich zugängliche Internetseiten. Mit der Zeit wuchs diese Ansammlung und ich befand es für lohnend, diese Seiten in ein angemessenes Format zu bringen, welches ich meine, hiermit gefunden zu haben. Mittlerweile wird es in gedruckter Form an den aktuellen Ausbildungsjahrgang verteilt. Aber keine Angst, ich werde immer darauf bestehen, dass es weiterhin kostenlos als Download zur Verfügung steht. Denn: Wissen ist ein Gut, was sich vermehrt, wenn man es teilt. Wie sollte man dieses Skript lesen? Ich versuche, mit diesem Skript drei unterschiedliche Lesetypen gleichzeitig anzusprechen. Dieses Skript stellt eine gute Nachtlektüre dar (lineares Lesen). Aber auch als Nachschlagewerk (konsultierendes Lesen) und als Begleitwerk zur Übungsleiterausbildung (informierendes Lesen) soll es dienen. Zu diesen Zwecken wird das Stichwortverzeichnis noch erweitert werden. In zunehmender Weise sind «Fragen zur Selbstkontrolle» und Arbeitsblätter eingebaut. Sie dienen der Lernhilfe, denn nur zu lesen hilft wenig, wenn das Gelesene nicht selbsttätig zum schon Bekannten in Bezug gesetzt wird. 1 Im Folgenden wird aus Lesbarkeitsgründen auf die weibliche Form verzichtet. 0-7

8 Inhaltsverzeichnis Es ist sicherlich auch nötig, das Skript beiseitezulegen und sich selbst Gedanken zu machen, um dann mit neuen Argumenten wieder einzusteigen. Auch ist es förderlich, Ideen mit ins Training zu nehmen und zu testen. Hierdurch ergeben sich viele neue Fragen und auch weitere neue Ideen. Wir werden uns im Ju-Jutsu nur so weiterentwickeln können. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, viele Anregungen zu bekommen in Übereinstimmung oder Widerspruch zu den hier dargestellten Ideen. 0-8

9 Danksagungen Danksagungen Ein besondere Dank gebührt meinem Meister und Unterstützer Martin Höft, meinen Dozenten Albert Gereke und Prof. Andreas H. Trebels des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Hannover. Martin Höft und Manfred Steiner, meine Meister in Hannover, haben mich an viele für mich neue Ideen herangeführt und mir eine neue Welt im Kämpfen damit eröffnet. Albert Gereke gab mir die Möglichkeit, als Hilfskraft am Institut für Sportwissenschaft der Universität Hannover meine Vorstellung vom Kämpfen in entsprechenden Angeboten mit einzubringen. Andreas Trebels veränderte grundlegend meine Auffassung vom Sich-Bewegen und vom Vermitteln. Ich danke allen Dozentinnen und Dozenten für viele Anregungen und kritische Bemerkungen, insbesondere Inge Bach. Meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen insbesondere Claudia Weber, Axel Strugalla sowie Dr. Cord Stahlmann danke ich für viele angeregte Diskussionen, genauso wie Frank Ebert, Ralf Beckmann, Ulf Ahlbrecht, Till Müglich, Eike Hohmann und Hartmut Trepte. Ich danke all den Gruppen, die unter meinen Ideen leiden durften. Meiner Familie und meiner Freundin danke ich für die große Unterstützung im Hintergrund, nicht nur während dieser Arbeit. Nicht zuletzt danke ich meinen Koautoren Frank Hoerschgen, Dr. Roland Kabuß und Patrick Neumann. Lasse Ristig 0-9

10 Inhaltsverzeichnis Einleitung Ziel der Ausbildung ist es, angehende Trainer zu qualifizieren, verantwortungsvoll, integrativ, Interesse weckend und selbstständig eine Gruppe zu leiten und an das Ju-Jutsu heranzuführen. Hierzu reicht es nicht, fachliche Probleme erkennen und lösen zu können. Viel mehr hängt mit dem Ju-Jutsu zusammen, von unserer Geschichte bis zur Gesundheit, von der Gruppe bis zu neuen Erkenntnissen der Bewegungswissenschaften. Der/die Übungsleiter/in ist das erste und wichtigste Aushängeschild des Ju-Jutsu. Neugierige finden in ihm/ihr den ersten Zugang zum Ju-Jutsu. Sicherlich könnte versucht werden, alle möglichen Situationen und Fragen des alltäglichen Trainings vorwegzunehmen, um den Lehrpersonen Kochrezepte 2 zur Bewältigung ihres Auftrages an die Hand zu geben, es würde aber scheitern! Situationen ändern sich und es gibt unüberschaubar viele, genau wie Techniken und Ausführungen. All diese Situationen sind auch noch von der Lehrperson und nicht zuletzt von den Teilnehmenden abhängig. Rezepte müssen bei dieser Vielfalt versagen! Ju-Jutsu ist kein statisches, sich nicht veränderndes System, sondern unterliegt Strömungen, entwickelt sich und wird an geänderte gesellschaftliche Bedingungen angepasst. Rezepte können sich nur an der aktuellen Situation orientieren, sind aber blind für Veränderungen. Aber was bleibt dann? Es bleibt zu versuchen, die angehenden Übungsleiterinnen und Übungsleiter selbstständiger zu machen, ihnen Konzepte an die Hand zu geben, Situationen im Training und gesellschaftliche Bedingungen sowie Strömungen im Ju-Jutsu zu analysieren und selbstständig begründet zu handeln. In den Kampfkünsten werden Schüler, Lehrmeister und Meister unterschieden 3. Während die Schülerin oder der Schüler nur nachmacht, imitiert die Lehrmeisterin oder der Lehrmeister das Unterrichten der Meisterin oder des Meisters. Erst diese gehen neue und eigene Wege. Ziel dieser Ausbildung ist es, angehende Übungsleiterinnen und Übungsleiter bei ihren vielleicht ersten Schritte auf dem Weg vom Lehrmeister zum Meister zu begleiten. 2 Übrigens stammt der Ausdruck «Kochrezept» keinesfalls von Anleitungen zum Kochen, sondern ist durch einen Herrn KOCH geprägt worden, der Übungsreihen für das Turnen entwickelte. 3 Shu Ha Ri (jap.) stellt das Prinzip der Budo-Ausbildung dar. Shu bezeichnet die Phase des Gehorsams gegenüber der Tradition und somit auch der Techniken. Ha meint die Befreiung vom System, Ri die Phase der Freiheit von der Tradition [Lin98, Seite 561]. Deshi bezeichnet Schüler, die Techniken in dem System gemäß der Tradition lernen [Lin98, Seite 139]. Sensei bezeichnet einen Lehrer, der keine Schüler in Techniken unterweist, sondern ihnen auf den Weg hilft (Stufe des Lehrmeisters, der die Techniken lehrt, aber selbst noch nach seinem Weg sucht.) [Lin98, Seite 526]. 0-10

11 Einleitung Anmerkung Die Namen von Personen werde ich in KAPITÄLCHEN und spezielle Fachausdrücke, insbesondere aus Kampfkünsten, kursiv schreiben. Wörtliche Zitate werde ich zur deutlichen Kennzeichnung serifenfrei abfassen. 0-11

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13 1 Ju-Jutsu Inhalte des Kapitels 1.1 Das Ju-Jutsu System Das Prüfungsprogramm Systemkritik Geschichte des Ju-Jutsu Kampfsport in der Gesellschaft Verbände und Bünde Philosophien und Religionen Kampfkünste in der Welt

14 KAPITEL 1. JU-JUTSU Fragt man jemanden danach, was Ju-Jutsu sei, so erhält man häufig folgende Anwort: Ju-Jutsu ist eine Kampfsportart. Fragt man weiter, was dazugehöre, so wird geantwortet: Techniken, Prüfungsprogramm, Wettkampf. Jedoch unterscheiden sich die Techniken des Ju-Jutsu nicht wesentlich von denen des Jiu- Jitsu und anderen japanischen Kampfkünsten. Prüfungsprogramm und Wettkampf werden nicht von allen aktiv betrieben, können also nicht die entscheidenen Unterschiede zum Jiu-Jitsu sein. Auch wurde der Ju-Jutsu-Wettkampf recht spät (1987) eingeführt. Ju-Jutsu ist ein modernes deutsches Kampfsystem (siehe 1.4.3) zur Selbstverteidigung (siehe 2), das als Ersatz für veraltete Ideen des Jiu-Jitsu 1969 gegründet worden ist. Ju-Jutsu unterscheidet sich bewusst vom Jiu-Jitsu und anderen Systemen, weil diese den geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr genügten! Ju-Jutsu ist eine moderne Systematisierung des Kämpfens, die mehr als Techniken und Prüfungsprogramm enthält. Ju-Jutsu kann und sollte beinhalten: Techniken (siehe 3) Methoden (siehe 4) Strategie und Taktik (siehe 2.6) Kondition und Koordination (siehe 5), auch Gesunderhaltung (siehe 6) psychische (siehe 2.9) und soziale Fähigkeiten, also Tradition, Etikette (siehe 1.1.3) und Lernen in der Gruppe (siehe 4.5) Die gesellschaftliche Situation, Erkenntnisse in Medizin, Motorik, Trainingslehre und Lehre haben sich seit 1969 weiterentwickelt, zum Teil sogar stark geändert und tun es weiterhin. Somit muss auch das Ju-Jutsu sich in allen oben genannten Punkten weiterentwickeln, Altes und Neues hinterfragen, verwerfen oder aufnehmen. Denn dieses Hinterfragen ist Teil unserer Tradition, ist der Grund des Entstehens des Ju-Jutsu. Wir sind also verpflichtet, im Sinne unserer Tradition die Ideen von 1969 fortzuführen und ein System der Selbstverteidigung zu betreiben, das angepasst ist und sich weiterhin anpassen wird an die aktuellen Erkenntnisse und die gesellschaftliche Situation. Die Übungsleiterausbildung und dieses Skript soll einen Beitrag dazu leisten, genauer zu verstehen, was Ju-Jutsu sein kann. «Sein kann», weil es primär davon abhängt wie 1-2

15 wir, die Aktiven, es betreiben und insbesondere wie und was wir Lehrende vermitteln und vorleben. Der Begriff Ju-Jutsu Häufig wird «Ju-Jutsu» mit sanfter Kunst übersetzt, diese Übersetzung ist irreführend. Ju- Jutsu ist keine Sexualpraktik! Eine sinngemäße Übersetzung ist der wörtlichen vorzuziehen. Sinngemäß bedeutet «Ju» sanft im Sinne von geschmeidig und «Jutsu» Technik oder Kunstgriff. Übersetzungen wie z. B. «Siegen durch Nachgeben» sind nicht zutreffend. Ist Ju-Jutsu «nur» Selbstverteidigung? Betrachtet man seine eigene Entwicklung und fragt die Aktiven in Ju-Jutsu-Vereinen, warum sie Ju-Jutsu betreiben, so bekommt man keineswegs eine einheitliche Antwort: Selbstverteidigung, Wettkampf, Geselligkeit, Spaß am Bewegen, Fitness, Körpererfahrung, Interesse am Kampfsport, Freude am Lehren,... Bei vielen Ju-Jutsuka, die sich länger mit Kampfkunst beschäftigen, lässt sich beobachten, dass statt Selbstprotektion Selbstperfektion in den Vordergrund rückt. Ju-Jutsu wird also aus vielfältigen Gründen betrieben, die wir im Lehren berücksichtigen müssen, ohne den Selbstverteidigungsaspekt zu vernachlässigen 1. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Ist Ju-Jutsu eine fernöstliche Kampfkunst? 2. Was sollte Ju-Jutsu außer Techniken dem Lernenden bieten? 3. Warum muss sich Ju-Jutsu weiterhin ändern, woran muss sich Ju-Jutsu anpassen? Weiterführende Fragen 1. Nimm Stellung zu dem Ausspruch: «Ju-Jutsu ist das Beste aus Karate, Judo und Aikido»! 2. Ist Ju-Jutsu ein Kampfsport? 1 Siehe

16 KAPITEL 1. JU-JUTSU Systematisierung des Kämpfens 1.1 Das Ju-Jutsu System Ju-Jutsu besteht nicht nur aus vielen einzelnen Techniken, deren Zusammenspiel und Einsatz die erwünschte Wirkung bringen. Ju-Jutsu ist eine umfassende Systematisierung des Kämpfens 2. Es stellt Mittel zum Vorbereiten auf das Kämpfen und Mittel für das Kämpfen zur Verfügung. Hierzu gehören Techniken, Trainingsmethoden, Strategien und Taktiken Kurz alles, was für das Kämpfen oder Vorbereiten auf das Kämpfen gebraucht wird. Die Systematisierung bedingt die Zusammenfassung einzelner Techniken zu verschiedenen Gruppen. Dieses fördert das Verständnis von Bewegungen und verbessert ihre Trainierbarkeit Die Technikgruppen Die Technikgruppen sind in Anlehnung an die Prüfungsfächer des Ju-Jutsu Prüfungsprogrammes gewählt. Prüfungsfächer wie z. B. Gegen- und Weiterführungstechniken sind keine eigenständigen Technikgruppen, sondern stellen lediglich eine spezielle Verwendung von Techniken obiger Gruppen dar, die z. B. als Handlungskomplex 4 thematisiert werden. 1. Bewegungsformen (Ausweichen, Drehungen, Distanzen und Winkel kontrollieren,... ) 2. Falltechniken Falltechniken dienen dazu, sowohl das Fallen heil zu überstehen als auch den Bodenkampf vorzubereiten. 3. Abwehrtechniken Abwehrtechniken dienen dazu Schläge abzuwehren (Blocktechniken, Handfegen). 4. Atemitechniken Alle Schlag-, Tritt- und Stoßtechniken werden unter Atemitechniken zusammengefasst. 5. Hebeltechniken Unter Hebeltechniken werden diejenigen Techniken zusammengefasst, die Gelenke über die natürliche Bewegungsrichtung hinaus beanspruchen und den Gegner durch Schmerz unter Kontrolle bringen oder das Gelenk zerstören. 2 Als Kämpfen bezeichne ich eine primär körperliche Auseinandersetzung, deren Ergebnis schicksalhaft ist, also das Leben beeinflusst. Spielen oder spielerisches Kämpfen hat keinen Einfluss auf mein weiteres Leben. 3 Leider häufig vernachlässigt. 4 Siehe

17 1.1. Das Ju-Jutsu System 6. Wurftechniken Wurftechniken bringen den Gegner durch Zug oder Druck aus dem Gleichgewicht und dann zu Boden. 7. Techniken mit Waffen (insbesondere Stock und Messer) 8. Bodentechniken insbesondere Haltegriffe, zu denen gleichzeitig Würger, Hebel,... hinzukommen können 9. Sonstiges (Nervendrücke, Würger, Grifflösen,... ) Grundsätze des Ju-Jutsu Folgende Grundsätze zum Kämpfen oder Vorbereiten auf das Kämpfen geben eine erste Orientierung darüber, was und wie im Ju-Jutsu gelernt und gelehrt werden soll. Die Grundsätze gelten technikübergreifend. Die Wirkungsprinzipien von Techniken sind in den Absätzen zu den jeweiligen Technikgruppen aufgeführt. 1. Wirkung und Ökonomie Wirkung Elemente des Ju-Jutsu sollen Wirkung erzielen, durch: Kontrolle der Positionen erzielen oder direkte Kontrolle des Gegners durch Halten, Schmerzen oder Zerstören. Die Wirkung soll mit möglichst wenig Aufwand erreicht werden. Eine Voraussetzung ist der konsequente Einsatz des ganzen Körpers in Einheit mit dem Geist. 2. Eigensicherung ohne sich selbst Elemente des Ju-Jutsu dürfen mich im Kämpfen und Üben nicht mehr gefährden unnötig zu gefährden als unabwendbar nötig. Die Sicherung beim Kämpfen wird durch Schmerz, Winkel, Deckung, Immobilisation oder Distanz bewirkt. Kurz: durch Kontrolle des Gegners die eigene Unversehrtheit sicherstellen. Angemessene Trainingsmethoden, respektvoller Umgang mit Partnern und bewusste Technikauswahl stellen meine Unversehrtheit und die meines Partners beim Üben sicher. 3. Situatives Handeln angepasst an die Einzelne Techniken müssen sich in die Verteidigungshandlung einpassen lassen. Situation Vielseitiger Einsatz einer Technik, Gegentechniken und Weiterführungstechniken, Kombinationen von Techniken werden z. B. durch den Handlungskomplex systematisiert. Hierzu siehe Abschnitt Lehre, Prüfungsordnung und Training gehen von der Selbstverteidigung aus. 5. Einsatz des Ju-Jutsu zur Verteidigung nur zur Verteidigung 1-5

18 KAPITEL 1. JU-JUTSU Ju-Jutsu soll nicht als Mittel des Angriffs missbraucht werden, sondern nur zur eigenen Verteidigung oder der Verteidigung anderer 5. Hierzu gehört der verhältnismäßige Einsatz der Mittel. Ju-Jutsu bietet die Möglichkeit, harte und weiche Techniken oder an die Situation angepasste Technikausführungen anzuwenden. 6. Do - Der Weg ist das Ziel Wie weit man auch gegangen ist, man hat niemals ausgelernt. Dieses gilt sowohl für den Aktiven, als auch für das Ju-Jutsu, das sich stets weiter verbessert. Die aufgeführten Grundsätze gehen zurück auf das Ju-Jutsu 1x1 von ??? Was sind die Budo-Prinzipien? Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welches sind die Grundsätze des Ju-Jutsu? 2. Vergleiche die entstehenden Lücken in der Eigensicherung beim Karate- und Boxfauststoß! 3. Wie spiegelt sich der Grundsatz «Ju-Jutsu als Verteidigung» im Prüfungsprogramm wider? Weiterführende Fragen 1. Stelle an einigen Beispielen dar, worin sich das Ju-Jutsu von 1969 bis heute weiterentwickelt hat! 2. Stelle dar, wie die Fähigkeit zu situativem Handeln gefördert werden kann! 3. Was meint «konsequenter Einsatz von Geist»? 5 Siehe Siehe [EM87, 6f.] 1-6

19 1.1. Das Ju-Jutsu System Kultureller Hintergrund des Ju-Jutsu Die japanischen Kampfkünste sind Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Lehrende und Lernende begegnen sich auch im Üben mit den in Japan üblichen Umgangsformen. Händeschütteln ist in Japan unüblich. Statt dessen verlangt die Etikette eine Verbeugung. Diese ist bei Rangniederen länger und tiefer. Die Verbeugung wird mit geradem Rücken ausgeführt. Keine Gefühlsäußerungen Gefühle zu zeigen ist ebenso unüblich. Die Japaner versuchen Emotionsäußerungen zu verbergen. Insbesondere negative Emotionen werden, wenn nötig, durch ein Lächeln überspielt. Schuld statt Statt der westlichen Schuldkultur haben die Japaner eine Schamkultur. Verhalten, Scham das der eigenen Gruppe Schande bringen kann, wiegt schwerer als Unrecht, das niemand merkt. Auf Kritik reagieren Japaner recht empfindlich, da der Kritisierte sein Gesicht verliert. Deshalb wird sie besonders verpackt. Diese Umgangsformen gehen auf die vorherrschenden Religionen Buddhismus 7 und Shintoismus 8 zurück. Beide Religionen, und in zunehmenden Maße auch andere, stehen nicht im Widerspruch zueinander. Viele Japaner führen religiöse Rituale bekennen sich zu mehreren Religion. Rituale, die wohl auf den Konfuzianismus 9 zurückgehen, spielen eine große Rolle im japanischen Leben. Rituale beim Betreten eines Tempels oder Schreins sowie die Teezeremonie sind hierfür Zeugen. Die Japanische Teezeremonie dient der inneren Einkehr und hat einen meditativen Charakter, wie sicherlich viele Rituale. Kein Körperkontakt Keine Kritik Die Rituale im Ju-Jutsu sind also gesellschaftlich und nicht innerhalb der Kampfkünste Rituale im Ju- begründet. Sie stellen gleichwohl einen Zugang zu einer anderen Lebensweise dar. Dieses äußert sich in vielen Punkten: Das Verbeugung beim Betreten eines Dojo ist vergleichbar mit dem Betreten eines Schreins oder eines Teehauses, bei dem auch ein Stück Außenwelt draußen bleibt. Das Verbeugen bei Partnerwechseln ist Teil der sehr großen Höflichkeit und auch vergleichbar mit dem häufigen Versichern der Aufmerksamkeit bei Unterhaltungen. Die strenge Hierarchie findet sich ebenso in der japanischen Gesellschaft wieder. So werden Personen mit ihrem Titel angeredet, der Lehrer z. B. mit «Sensei». 7 Siehe Abschnitt Siehe Abschnitt Siehe Abschnitt Jutsu entsprechen denen der Gesellschaft 1-7

20 KAPITEL 1. JU-JUTSU Um das Gesicht zu wahren, ist Kritik am Meister (z. B. durch Nachfragen 10 ) nicht angebracht. Nachmachen ist nicht Nacherleben Rituale und Benimmregeln haben wir im westlichen Kulturkreis ebenso, sodass sich die Frage stellt, warum wir die Lebensweise einer anderen Kultur imitieren sollten? Die Imitation, also das äußere Nachvollziehen, ist abzulehnen, stellt es doch lediglich ein Schauspiel dar. Erst die Mimesis, also das Hineinversetzen und Miterleben, kann einen anderen Zugang zum Ju-Jutsu, zu anderen und zum eigenen Leib eröffnen 11. Dieses könnte im Ju-Jutsu z. B. Folgendes sein: Faszination Fremden des Ehrliche Anerkennung von und durch andere, meditative Elemente und Harmonie in Bewegung und Denken. Die Fremdheit kann eine Faszination und auch eine Perspektive für Individuen darstellen, die in der Freiheit der westlichen Zivilisation orientierungslos geworden sind. Insbesondere Gewaltpräventionsprojekte mit gewalttätigen Jugendlichen machen sich diese Fremdheit zu nutze. Natürlich gibt es auch Nachteile bei der Übernahme von Ritualen: Die strengen Regeln lassen die wahre Einstellung von Personen gut verschleiern. Die strenge Hierarchie und Obrigkeitsgläubigkeit können eine Entwicklung durch Fragen und Probieren verhindern. Vom Kern der Sache ausgehend, sind Rituale zum geordneten Zusammenleben sinnvoll, seien sie japanischer oder westlicher Natur. Wichtig ist, dass im Training eine Atmosphäre entsteht, die allen ein Üben ermöglicht und die Gemeinschaft fördert 12. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Warum ist es ungüstig für die Entwicklung des Ju-Jutsu, nicht alles ständig kritisch zu hinterfragen? 2. Warum können Rituale im Training wichtig sein? Ist die Wichtigkeit abhängig von speziellen Gruppen? 10 Nachfragen ist eine Kritik an der Darstellung durch den Meister. 11 Siehe auch: [zl87, Seite 33] 12 Siehe Abschnitt

21 1.1. Das Ju-Jutsu System Etikette und Rituale im Ju-Jutsu Die Rituale im Ju-Jutsu gehen auf die Benimmregeln der japanischen Gesellschaft zurück. Wie in Japan regeln sie das Zusammenleben im Ju-Jutsu über Verhaltensgebote und hierarchische Strukturen. Verbeugung: Die Tiefe der Verbeugung ist über die Hierarchie (manchmal die Situation) geregelt. Der Untergebene verbeugt sich tiefer. Einher mit dem Verbeugen geht die Atmung: ausatmen, innehalten, einatmen. Das Verbeugen ist Ausdruck von Respekt, Gruß oder Dankbarkeit. Vor dem Betreten des Trainingsraumes (Dojo) verbeugt sich der Trainierende im Stand als Ausdruck des Respekts vor dem Trainingsraum, den Trainierenden und den Regeln des gemeinsamen Trainings. Das Training beginnt mit der gemeinsamen Verbeugung im Sitzen oder im Knien der Trainierenden und des Lehrenden. Gruß und Respekt sind Ausdruck dieses Verbeugens. Wird mit einem Partner trainiert, so drückt das Verbeugen den gegenseitigen Respekt aus. Tätigkeiten, die mit einer Verbeugung begonnen wurden, werden auch mit einer Verbeugung beendet, die Dankbarkeit ausdrückt und evtl. auch der Entschuldigung für begangene Fehler dient. Das Verbeugen des Lernenden bestätigt auch die Aufmerksamkeit, die er dem Lehrenden entgegenbringt. Phasen der Einkehr: Zu Beginn und am Ende des Trainings stehen kurze Phasen der Meditation. Weder soll der alltägliche Ärger mit ins Training genommen werden, noch soll Negatives mit herausgenommen werden. Die Meditationsphase kann auch zum Reflektieren des Trainings genutzt werden. Aufstellungen: Die klassischen Aufstellungen sind streng hierachisch und spiegeln japanische gesellschaftliche Verhältnisse wieder. Der Meister steht seinen Schülern gegenüber. Die Orientierung und Aufmerksamkeit geht zum Meister. Deutlich unterscheidet sich der Kreis, der zu Diskussionen und Gesprächen einläd, von der hierarchischen Aufstellung. Ju-Jutsu-Gi Die Bekleidung im Ju-Jutsu??? Bildreihe 1-9

22 KAPITEL 1. JU-JUTSU Geistige Einflüsse auf das Ju-Jutsu??? Zen??? Konzentration auf den Augenblick 1-10

23 1.1. Das Ju-Jutsu System Japanische Begriffe Budo Überbegriff für die japanischen Kriegskünste Bushido Der Weg des Kriegers Dan Stufe Deshi Schüler Do Der Weg Dojo Trainingsraum, Ort des Weges Goshin Selbstverteidigung ichi ni san shi go roku shichi hachi kyu ju 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Ju Sanft im Sinne von Nachgeben Ju-Jutsu-Gi Trainingsbekleidung für das Ju-Jutsu, abgeleitet von Keikogi, dem Oberbegriff für die Trainingskleidung in den japanischen Kampfkünsten. Jutsu Technik, Kunstgriff Kata Genau festgelegte Übungsform Kohai Ein jüngerer, unerfahrenerer Schüler Kumite Übung des Kampfes mit dem Partner (Sparring) Kyu Rang, Schülergrad, Klasse Mokusô Meditation (Mit geschlossenen Augen) Randori Partnerübungsformen, frei und locker! Randori Kumite freies lockeres Kämpfen Rei Gruß Sempai Ein erfahrenerer, älterer Schüler Sensei In Europa Bezeichnung für alle Meister. In Asien Bezeichnung für jemanden, der mehr als nur Techniken lehrt. Ein Sensei lehrt den Weg. 1-11

24 KAPITEL 1. JU-JUTSU Sensei ni rei Gruß zum Lehrer! Tatami Matten, ursprünglich mit Reisstroh gefüllt. Tori der Angreifer Uke der Verteidiger Ushi-Deshi Meisterschüler, persönlicher Schüler des Meisters, der privat unterrichtet wird. Waza Techniken (z. B. Nage waza sind Wurftechniken) Yame Aufhören, unterbrechen 1-12

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26 KAPITEL 1. JU-JUTSU 1.2 Das Prüfungsprogramm Für viele Ju-Jutsuka sind Prüfungen der zentrale Bestandteil des Ju-Jutsu. Prüfungen sind Teil des Lernprozesses und sollen den Fortschritt im Lernen dokumentieren. Folgende Gründe sprechen aus Sicht des Übungsleiters und des Schüler für eine Gürtelprüfung: Die Vorbereitung und Prüfung selbst sind eine motivierende Herausforderung für Schüler und Trainer. Die Vorbereitung setzt Schwerpunkte im Trainingsplan auf bestimmte Bereiche (Fokussierung / Vertiefung). Eine bestandene Prüfung gibt Lernenden und Lehrenden Bestätigung und lässt Fortschritte erkennen (Lohn der Mühe für Trainer und Schüler), trägt somit auch zu Motivation bei. Die Vorbereitung sorgt für eine Intensivierung des Trainings. Prüfungen können das Training abwechslungsreicher durch eine technische Vielfalt machen. Prüfungen lassen einen Vergleich mit anderen zu und steigern das Ansehen. Prüfungen sind Teil der Tradition. Prüfungen wecken das Interesse für mehr. Bestandene Prüfungen sind nicht zuletzt formale Bedingung für Wettkämpfe, Trainerausbildung und Prüferlizenz. Prüfungen dienen auch der Leistungskontrolle, jedoch sollten Schüler ohne gute Erfolgsaussicht nicht zu Prüfungen zugelassen werden. technische Prüfungen Geprüft wird im Ju-Jutsu insbesondere das technische Können. Weder Wettkampf noch Selbstverteidigung werden überprüft. Jedoch sind im Prüfungsprogramm Heranführungen an Wettkampf (sowohl Duo als auch Fighting) und Selbstverteidigung enthalten Aufbau des Prüfungsprogramms Das Prüfungsprogramm wird aus der Sicht des zu Prüfenden wahrgenommen. Die Systematik des Prüfungsprogramms erschließt sich aus dieser Sicht nicht, denn die Prüfungen liegen mindestens ein Halbjahr auseinander und der Schüler hat immer nur eine Graduierung im Blick. Für uns als Lehrende ist die Systematik wichtig, um einen Lehrplan für unsere Aktiven zu entwickeln. Hierzu betrachten wir, wie die Aktiven auf das Kämpfen in unterschiedlichen Distanzen und schließlich Distanz übergreifend über verschiedene Graduierungen hinweg vorbereitet werden sollen. Die aktuellen Anforderungen an den Prüfling im jeweiligen Prüfungsfach der Graduierung werden bei unserer Betrachtung 1-14

27 1.2. Das Prüfungsprogramm verständlich, sodass wir unsere Aktiven und uns selbst optimal auf die Prüfungen und schließlich auch auf das Kämpfen vorbereiten können. Das Prüfungsprogramm wurde seit 1969 immer wieder geändert, um es an sich wandelnde gesellschaftliche Bedingungen anzupassen und die Struktur gemäß neuer Erkenntnisse zu gestalten. Bestand das Prüfungsprogramm 1969 im Wesentlichen noch aus einer Ansammlung von einzelnen Techniken, die aus dem Judo, Karate und Aikido genommen wurden, so beinhaltet das Prüfungsprogramm ab 2000 mittlerweile auch Trainingsformen, die systematisch von offenen zu geschlossenen Bewegungen 13 leiten. Das Prüfungsprogramm baut sowohl Fähigkeiten als auch Fertigkeiten systematisch auf und liefert immer wieder Anlässe, Fähigkeiten weiter zu trainieren. Weiterhin führt es zum Wettkampf. Trotzdem ist das Prüfungsprogramm kein Ausbildungsprogramm. Die Reihenfolge, in der die Techniken im Prüfungsprogramm vorkommen, ist zum Teil traditionell begründet und nicht ausschließlich funktional. An einem Beispiel möchte ich nun die Struktur verdeutlichen Systematischer Aufbau von Fertigkeiten Anhand der Atemitechniken und den zugehörigen Abwehrtechniken möchte ich die Systematik im Prüfungsprogramm exemplarisch aufzeigen. Gelbgurt 1. Im Gelbgurt sind sowohl die Passivblöcke als auch das Schlagen mit offenen Händen gefordert. 13 Siehe Siehe a) Das Schlagen mit offenen Händen und die Passivblöcke sind beides geschlossene Bewegungen, die sich langsam und stressfrei üben lassen. b) Beide Techniken ermöglichen und fordern höchste Wiederholungszahlen, die sich nur dann erreichen lassen, wenn sie nicht einzeln in Handlungsketten eingebaut sind, sondern als reine Abwehr bei Mehrfachangriffen dienen oder in phillippinischen Drillformen 14 geübt werden. c) Die Passivblöcke sind eine gute Grundlage für alle Abwehraktionen. Sie ermöglichen es, den natürlichen Schutzreflex aufzugreifen und ungünstige Reaktionen (Abwenden und weitläufiges Abwehren mit den Armen) abzubauen.??? Bild mit ungünstigen Reflexbewegungen d) Mit dem Training der Schlagtechniken soll auch das Distanzgefühl trainiert werden. 1-15

28 KAPITEL 1. JU-JUTSU e) Dank der offenen Hände kann verletzungsfreier trainiert werden als mit geschlossenen Fäusten. f) Schlag- und Abwehrtechniken lassen sich mit einem Partner gleichzeitig üben; Übungsformen, bei denen in die Luft geschlagen und abgewehrt wird, sind weniger sinnvoll. Auch lassen sich spielerische Formen entwickeln, die zusätzliche Motivation aufbauen. 2. Beide Techniken führen zu der freien Anwendung «Schlagen mit offenen Händen». Beide Partner sollen sich gleichberechtigt schlagen und die Schläge abwehren. a) Gefordert ist kein wildes Händepatschen! b) Gefordert sind Angriffstechniken, die die Fausttechniken vorbereiten. c) Gefordert ist insbesondere eine ruhige umsichtige Abwehr, keine Panikreaktionen, denn nur diese Übersicht ermöglicht es später, gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. d) Die Abwehr steht bei diesem Prüfungspunkt im Vordergrund; die Angriffe sollen dem Partner einen Bewegungsanlass geben. Orangegurt 1. Im Orangegurt werden Fausttechniken abgefragt. a) Die Bewegungsabläufe werden weiter verfeinert und sollen zielgenauer werden (siehe Komplexaufgabe). 2. Die Abwehr mit Passivblöcken wird nun zu Aktivblöcken ausgebaut. a) Achtung: die Blöcke aus dem Karate sind zu groß, um Mehrfachangriffe abzuwehren, außerdem reißen sie riesige Lücken in die Deckung (Die Karateblöcke können bei Angriffen aus einer anderen, weiteren Distanz funktionieren). b) Die Aktivblöcke sind deshalb klein, kurz und werden sofort wieder in die Deckung zurückgezogen. 3. Die Faustschläge sollen nun an einem eher passiven Partner angewendet werden (Komplexaufgabe). a) Hier sollen Zielgenauigkeit und Kombinationen von Fausttechniken geschult werden. Dieses ist auch ein Grund dafür, dass im Gelbgurt die Abwehr verstärkt geübt werden sollte. b) Langsame Angriffe von dem ansonsten passiven Partner sind geeignet, um gleichzeitig die Aktivblöcke im Anwendungesbezug zu zeigen. Diese «Angriffe» sind nur der Bewegungsanlass für den Prüfling. 1-16

29 1.2. Das Prüfungsprogramm Grüngurt 1. Im Grüngurt werden nun alle Techniken in freier Anwendung geübt. Blaugurt 1. Beim Blaugurt werden die Fußtechniken mit den Fausttechniken in der Komplexaufgabe vereint. a) Bei der Kombination von Faust- und Fußtechniken ist darauf zu achten, dass die Distanz für die jeweilige Technik passend gewählt wird. b) Faust- und Fußtechniken sollen fließend miteinander verbunden werden, denn sie können an dieser Stelle ohne große Partnereinwirkung präsentiert werden. Braungurt 1. Faust- und Fußtechniken sollen schließlich im Braungurt frei angewendet werden. Im Überblick ist zu erkennen, dass geschlossene Bewegungen (Techniken) zu offenen Bewegungen (freie Anwendungsform) erweitert werden. Ebenso werden sukzessive diese offenen Bewegungen mit zusätzlichen Techniken erweitert. Es werden nicht zuerst viele Techniken gelernt, die dann viel später angewendet werden sollen, sondern die wenigen Techniken werden schon angewendet (siehe insbesondere Gelb- und Grüngurt). Hierdurch lassen sich auch Attribute trainieren und Panik abbauen. Somit lernen schon Anfänger, sich wirkungsvoll zu verteidigen 15. Durch die freien Anwendungsformen soll verhindert werden, dass nur gegen einfache direkte Angriffe 16 geübt wird und somit «falsche», nicht anwendbare Techniken und Kombinationen geübt werden. Das Prüfungsprogramm hat sich somit zu einem Teil auch zu einem Lehrplan weiterentwickelt. Es hat einen ähnlichen Aufbau wie eine methodische Übungsreihe 17, die Themen werden zunehmend schwerer, komplexer und zum Teil risikoreicher. Dieses war nötig, da viele Lehrende nur die Techniken aus dem Prüfungsprogramm gelehrt hatten, ohne die Grundsätze des Ju-Jutsu 18 zu berücksichtigen, insbesondere Individualität, Vielseitigkeit, Situativität und Selbstverteidigungsbezug Systematischer Aufbau von Fähigkeiten Nicht nur Fertigkeiten werden systematisch aufgebaut sondern auch technikübergreifende Fähigkeiten. Hierzu gehören z. B.: 15 Siehe Siehe Siehe Siehe

30 KAPITEL 1. JU-JUTSU Kontrolle über Kraftrichtungen und Stabilität Reaktionsfähigkeit und Antizipation Einschätzen von Distanzen Fragen zur Selbstkontrolle Nenne Beispiele, wie die Anforderungen mit steigender Graduierung ebenfalls steigen! Welche weiteren sportmotorischen Fähigkeiten sind verstärkt gefordert? Warum ist die Verbindung vom «Dreierkontakt» zur Stockabwehr gestrichelt dargestellt? Stelle anhand der Prüfungspunkte zum Bodenkampf dar, wie von geschlossenen zu offenen Bewegungen gelehrt wird! Stelle dar, wie das situative Werfen vorbereitet wird! Weiterführende Fragen Haltegriffe und Befreiungen aus Haltegriffen werden in zwei unterschiedlichen Graduierungen abgefragt. Warum ist dieses nicht günstig? Nutze den Begriff «Spielen»! Prüfungen Kein Stand-Ju-Jutsu Der Gürtel ist eine Anerkennung der Leistungen des Schülers durch Trainer und Prüfer. Die Graduierung drückt aus, dass der Schüler nicht nur weitere Techniken erlernt hat, sondern diese weiter verfeinert hat und dass er seit der letzten Prüfung Fortschritte im Beherrschen der Gesamtsituation gemacht hat. Der Übungsleiter trainiert seine Schüler nicht ausschließlich aber auch für Prüfungen und muss deshalb wissen, worauf es bei einer Prüfung ankommt. Das Wichtigste in einer Prüfung ist der Gesamteindruck. Der Geprüfte sollte souverän, routiniert und dynamisch auftreten. Die Wirksamkeit der Techniken, die durch die Anwendung von Prinzipien entsteht, steht für die Beurteilung im Vordergrund. Es reicht nicht, wenn nur das figurale Bewegungsbild stimmt. An der Bewegung erkennt man, ob jemand die Prinzipien in den Techniken herausstellen kann und sie so zum Leben bringt. "Stand-Ju-Jutsu" funktioniert nicht! Wichtig ist es mir zu betonen, dass eine Prüfung immer auch etwas Show ist. Bevor jedoch die Show verbessert wird, sollten die technischen Aspekte ebenso wie allgemeine Attribute verbessert werden. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: die Ausrich- 1-18

31 1.2. Das Prüfungsprogramm tung zu den Prüfenden, damit diese eine Technik optimal sehen können, ist nur für die Prüfung wichtig, während die Ausrichtung zum Gegner kampfentscheidend ist. Entgegen häufiger Meinung bedeutet das Erreichen des 1. Dan noch keinesfalls die Meisterschaft. Die Bedeutung des Wortes «Dan», nämlich Stufe, legt nahe, dass der 1. Dan eine Stufe von vielen ist. In einigen Systemen ist der 1. Dan die Befähigung die eigentliche Kampfkunst zu erlernen. Die Kyu-Grade sind hierbei lediglich eine Vorbereitung. Viele Kampfkünste verzichten auf die Vergabe des 10. Dan, da er als Vollendung der Kunst angesehen wird, womit der Weg beendet wäre Konkrete allgemeine Hinweise Vorbereitung Der Prüfling muss sicher, selbstbewusst und planvoll die Prüfung angehen. Dieses muss vorbereitet werden: Techniken und Bezeichnungen (Techniken und Prüfungsfächer) müssen bekannt und verstanden sein. Die Prinzipien der Techniken müssen gekannt, verstanden und in der Anwendung erkennbar sein. Der Schwerpunkt eines Prüfungsfaches der jeweiligen Graduierung muss bekannt sein 20. Die Beherrschung von Körperstabilität, Distanz und Winkel sind unverzichtbar für jede Technik und jede Situation 21. Sinnvolle Kombinationen sind solche, die auf mögliches Partnerverhalten reagieren und dem eigenen Bewegungsfluss folgen. Es wird oft so gehandhabt, dass der Prüfling zur Vorbereitung seiner nächsten Prüfung einen Lehrgang bei dem Prüfer besucht oder sogar einige Male zum Training in den Verein des Prüfers geht. Grobe Abweichungen im Verständnis der Techniken sollten jetzt nicht mehr auftreten. Von Vorteil ist diese Vorgehensweise trotzdem; der Prüfling kann sich auf Schwerpunkte des Prüfenden einstellen und man kann Missverständnisse klären. Das gibt dem Prüfling mehr Selbstsicherheit, eine Garantie für das Bestehen der Prüfung kann das jedoch nicht sein. Allgemeines Verhalten während der Prüfung Das Handeln während der Prüfung ist getragen von Respekt gegenüber Partnern, Prüfenden und auch dem Ju-Jutsu-System. 19 Siehe 6 20 Siehe Siehe

32 KAPITEL 1. JU-JUTSU Sicheres und souveränes Auftreten wird erreicht durch fließende, zügige und kontrollierte Bewegungen sowie durch Sicherheit im Prüfungsablauf. Hektisches Bewegen zeugt von Unsicherheit, mangelnder Routine und gefährdet den Partner unnötig. Übersicht und Orientierung im Raum, also zum Partner, auf der Matte und zu den Prüfern zeigen, dass der Prüfling nicht nur einzelne Techniken beherrscht, sondern das Gesamtgeschehen überblickt. Trotzdem ist eine situativ angepasste Bewegung höherwertig als eine einstudierte Show für den Prüfer Konkrete Hinweise zu einzelnen Prüfungsfächern Distanz & Winkel Stabilität wahren & brechen Kontrolle 3-Punkte small-circle Gleichgewicht brechen Wurfrichtung Bewegungsformen losgelöst von Kombinationen und Techniken zu zeigen, ist nicht sinnvoll, denn Bewegungen dienen dazu, Distanzen und Winkel einzustellen, Kraft entwickeln zu können, die eigene Stabilität zu wahren und die Stabilität des Partners zu brechen, also Prinzipien nutzen zu können. Es gibt keine Technik ohne Bewegung! Deshalb gibt es kein Stand-Ju-Jutsu! Hebel sind dynamisch zu zeigen. Zuerst wird der Partner in Bewegung gebracht und das Gleichgewicht gebrochen, bei eigener sicherer Bewegung. Hierdurch wird der Partner kontrolliert. Beim Hebeln am Boden werden Haltegriffe zur Kontrolle genutzt. Der Hebelansatz sollte dynamisch und fließend sein, die Hebelwirkung hingegen muss vorsichtig und kontrolliert erfolgen, um den Partner bei der Prüfung nicht zu verletzen. Auch bei Hebelkombinationen (Hebelflüsse) muss jeder Hebel durch Gleichgewichtbrechen wieder neu vorbereitet werden; dabei bewegen sich ständig beide Partner. Der Gegner wird dabei ständig kontrolliert. Ferner ist darauf zu achten, die richtigen Punkte anzugreifen und durch «smallcircle» die Hebelwirkung schnell zu erreichen. Würfe sind dynamisch zu zeigen. Geworfen wird, um zu zerstören oder den Bodenkampf einzuleiten. Wie bei den Hebeln ist es hier noch wichtiger, den Partner aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem ich ihn in Bewegung bringe, ohne meine eigene Stabilität zu gefährden. Denn wenn ich instabiler bin als mein Partner, besteht die Gefahr, dass ich selbst geworfen werde. Vom Wurfansatz bis zum Ende müssen Zug/Druck an dem Partner ständig aufrechterhalten werden. Geworfen wird durch die Anwendung der Prinzipien 22, nicht durch schiere Kraft. Besonders auf die Wurfrichtung ist zu achten. Würfe sollen durch Atemis oder Bewegungsformen 22 Siehe

33 1.2. Das Prüfungsprogramm vorbereitet werden. Nach einer guten Vorbereitung ergibt sich der Wurf von selbst. Nach einem Wurf muss der Partner am Boden kontrolliert werden. Atemitechniken sind dynamisch zu zeigen. Atemis gibt es über viele verschiedene Distanzen. Deshalb ist darauf zu achten, dass die jeweilige Atemitechnik zu der Distanz passt, in der sie ausgeführt wird. Weiterhin soll die schlagende Extremität nach dem Schlag wieder zurückgezogen werden, um schnell zu sein und weitere eigene Aktionen (Deckung, Mehrfachangriff,...) zu ermöglichen. Bei Schlagkombinationen sollen die Bewegungen fließend sein. D.h. Bewegungen gehen ineinander über und sind die Vorbereitung für die nächste Technik. Für die Kraftübertragung sind Stand und Bewegung wichtig. Die Deckung zur Eigensicherung und als Ausgangspunkt für weitere Aktionen darf nicht vernachlässigt werden. Bodentechniken basieren ebenfalls auf Prinzipien, die zu beachten sind. Beim Übergang von einer Haltetechnik in die nächste ist darauf zu achten, dass die Kontrolle über den Partner nicht verlorengeht. Das eigene Körpergewicht belastet bei Haltegriffen in Oberposition ständig den Körper des Partners, inbesondere bei Übergängen zwischen den Techniken. Es darf keine Lücken durch Belastungspausen geben. Außerdem darf durch Einengen des Bewegungsspielraums dem Partner nicht viele Möglichkeiten für Gegenaktionen gelassen werden. Die meisten Befreiungen funktionieren darüber, dass eine Drehachse geschaffen wird. Kontrolle am Boden Distanz Zurückziehen Fluss Stabilität Gewicht Raum nehmen Drehachse Kombinationen sollen sinnvoll sein. Das bedeutet, dass Distanz und Richtung, in der Distanzen eine Technik ihre Wirkung entfaltet, beachtet werden müssen. Möchte man einen Wurf vorbereiten, so kombiniert man Techniken, deren wirksame Distanzen immer kleiner werden, bis man die Wurfdistanz erreicht hat. Außerdem ist auf fließende Bewegungsfluss Bewegungen zu achten. Die Ausführung jeder Technik bereitet schon die nächste vor. Mögliche Reaktionen des Partners müssen ebenso beachtet werden. Reaktionen des Waffen sollten realitätsnah eingesetzt werden. Dieses bedeutet, dass mit der Waffe zügig angegriffen wird und auch die Distanz passt. Schläge mit dem Griff eines Stocks sind nicht zu akzeptieren. Wie bei allen Angriffen ist ggf. unverzüglich ein weiterer Angriff auszuführen, wenn dem ersten Angriff nur ausgewichen wurde und der Angreifer nicht kontrolliert wird. Es lässt sich hierbei nicht vermeiden, selbst getroffen zu werden. Die Qualität des Treffers muss somit berücksichtigt werden. Besonders beachtet werden sollte auch der strategische Einsatz der eroberten Waffe. Es ist selten sinnvoll, mit einem eroberten Stock in den Nahkampf zu gehen! Partners 1-21

34 KAPITEL 1. JU-JUTSU Angreifer-/Partnerverhalten Auf partnerschonendes Verhalten ist zu achten. Gefährdung durch fehlende Kontrolle oder übermäßigen Krafteinsatz ist zu vermeiden. Sollte der Partner schuldhaft so verletzt werden, dass er die Prüfung nicht beenden kann, müssen die Prüfer den Verursacher von der weiteren Prüfung ausschließen! Der Partner soll so angreifen, dass der Prüfling einen Anlass zur Verteidigung hat, also dynamisch und mit einer angemessenen Intensität. Der Angriff muss möglichst realitätsnah sein, ohne die Aktiven zu gefährden. Nur so kann der Prüfling sein Können zeigen und demonstrieren, dass das Gezeigte funktioniert. Dazu steht der Partner vor dem Angriff außerhalb der Reichweite. Nach Aufforderung des Prüfers sagt der Prüfling den Angriff an und der Partner startet durch Unterschreitung der Distanz den Angriff. Die Distanzänderung ist der Anlass zur Verteidigungshandlung, nicht erst die Technik selbst! Prüfen Prinzipien beachten Im Geiste mitbewegen Die Prüfer müssen die Bewegung und die Wirksamkeit der Techniken beim Prüfling bewerten, obwohl das Außenbild die einzige Information ist, die sie bekommen. Manchmal sieht er nicht einmal die ganze Bewegung, wenn die Prüflinge entscheidende Aktionen verdecken und der Prüfer nicht versucht, sich durch Positionswechsel wie ein Kampfrichter ein genaueres Bild zu machen. Das erfordert eine gute Bewegungsvorstellung des Prüfers und das Verständnis, wie Prinzipien und Techniken funktionieren. Der Prüfer muss sich im Geiste mitbewegen. Erst hierdurch ist es ihm möglich zu beurteilen, ob die jeweilige Technik in der aktuellen Situation überhaupt funktioniert hat. Dadurch sind auch individuelle Variationen nachvollziehbar. Der Prüfling aber sollte sich primär auf den Partner konzentrieren und weniger auf die ideale Position zu den Prüfern. Das Ju-Jutsu bietet verschiedenste Techniken, um in Kampfsituationen sinnvolle auswählen zu können. Die Situation, der eigene Körper mit seinen Fähigkeiten und der Gegner bestimmen die Auswahl. Nicht jede Technik ist gegen jeden Gegner geeignet. Insbesondere die Körpermaße und Kraft spielen hier eine große Rolle. Ein Prüfling, der einen viel zu schweren Partner ausheben möchte, handelt nicht gemäß der Ideen des Ju-Jutsu. Es ist die Aufgabe des Prüfers dieses innerhalb einer Ju-Jutsu-Prüfung zu berücksichtigen. Der Prüfling soll die Techniken in der Feinform präsentieren. Mit kleineren Störungen muss er zurecht kommen 23. Sollte die Leistung eines Prüflings nicht den Anforderungen entsprechen, so ist dieses dem Prüfling verständlich zu machen. Der Prüfling soll die Entscheidung nachvollziehen 23 Siehe

35 1.2. Das Prüfungsprogramm können und es sollte ihm klar sein, was er in der nächsten Zeit üben muss. Im Idealfall sollte schon bei den vorbereitenden Lehrgängen von einer Prüfung abgeraten werden, wenn Probleme abzusehen sind Nachbereitung von Prüfungen Eine Prüfung ob bestanden oder auch nicht liefert wichtige Hilfe für die Weiterentwicklung des Geprüften. Neben der Rückmeldung der Prüfenden ist auch eine Videoaufnahme der Prüfung ein sinnvolles Hilfsmittel. Der Prüfende sollte nach der Prüfung an den Prüflingen negative und positive Kritik üben. So können sie sich verbessern und ihr Ju-Jutsu weiter entwickeln. Die Rückmeldung sollte wie die Bewegungskorrektur 24 aussehen. Wenige Punkte ansprechen, aber die wichtigsten. Dabei ergibt sich folgende Schwierigkeit: hat der Prüfling bestanden, sieht er oft keinen Anlass für Verbesserungen, hat er doch offensichtlich «alles» richtig gemacht. Ist der Prüfling jedoch durchgefallen, ist es noch schwerer für Rückmeldungen. Der Prüfling ist traurig, wütend oder deprimiert und oft gar nicht aufnahmefähig für Kritik. In diesem Fall ist es gut, dass Prüflinge oft von ihren Trainern begleitet werden. Diese sind meist weniger emotional beteiligt und können positive und negative Kritik notieren und ihre Schüler in den nächsten Wochen beim Training damit konfrontieren oder das Training entsprechend ändern. Am Ende sollte jeder Prüfling etwas Positives mitnehmen. 24 Siehe

36

37 1.3. Systemkritik 1.3 Systemkritik Häufig werden Systeme miteinander verglichen. Solche Vergleiche sind ungeeignet, denn nicht Systeme kämpfen gegeneinander sondern Kämpfer, also Personen mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten stehen sich gegenüber 25. Im Vergleich von Systemen ist also nicht die Frage entscheidend, welches System das bessere wäre, sondern was das jeweilige System dem jeweiligen Kämpfenden mit individuellen Fähigkeiten und individueller Konstitution geben kann, und was der Kämpfer daraus macht. Bleiben die Bedenken, dass Kritik am Ju-Jutsu innerhalb der Ausbildung zum Trainer- C für Ju-Jutsu fehl am Platze sei. Aber wer, wenn nicht unsere Lehrenden, sollen sich Gedanken über das Fortkommen unseres Systems machen. Sich als «Do»-Sportart und als optimales System zur Selbstverteidigung zu bezeichnen, sollte uns verpflichten, unser System ständig zu aktualisieren. Ein guter Ansatz zu einer Systemkritik findet sich im Kapitel «Systematisierte Akte der Verzweiflung» in "Bruce Lees Jeet Kune Do" 26. Nicht Systeme sondern Menschen kämpfen Verpflichtung zur Entwicklung «Die lange Geschichte der Kampfkünste zeigt, dass der Instinkt zu folgen und nachzuahmen den meisten Kampfkünstlern, Lehrern und Schülern anhaftet. Teilweise hängt das mit der menschlichen Neigung und Anlage zusammen, teilweise mit den gesetzten Traditionen, die hinter den mannigfachen Mustern der Stile zu finden sind. So ist es eine Seltenheit, einen ideenreichen, originellen Lehrmeister zu finden. Der Ruf nach einem Wegweisenden ist Überall zu hören.» Auch im Ju-Jutsu ist das Imitieren des Meisters geboten, Techniken werden von ihm erbeten. Selten finden sich welche, die den Mut haben, Neues zu probieren und Altes zu hinterfragen. Vermittlungsmethoden, die die Kreativität und Selbstständigkeit der Trainierenden fördern, sind ebenso selten zu finden wie eine Öffnung des Unterrichts. «Jeder Mensch ist Anhänger eines Stils, von dem er meint, es sei der wahre und schließe alle anderen Stile aus. Diese Stile werden zu starren Einrichtungen mit ihren Erklärungen des Weges.» Viel schlimmer als die vielen Menschen, die meinen, ihre Sportart sei das einzig Wahre, sind Lehrende, die ihren Lernenden den Blick zur Seite verbieten und Neues ablehnen oder gar aktiv verhindern. Hier wird der Stil zu einer starren Einrichtung, die eine Weiterentwicklung des Ju-Jutsu und der Aktiven verhindert. 25 Siehe Abschnitt Siehe [Lee93]. 1-25

38 KAPITEL 1. JU-JUTSU «Anstatt sofort auf das Wesentliche der Dinge zuzugehen, werden verschlungene Formen (systematisierte Akte der Verzweiflung) und künstliche Techniken in ritualisierender Form geübt, um so den tatsächlichen Kampf zu simulieren. Also tun die Ausführenden etwas, was außerhalb eines Kampfes liegt, anstatt im Kampf zu sein.» Insbesondere die noch viel verbreiteten Handlungsketten und die Schwierigkeit, mit Mehrfachangriffen umzugehen, zeigen, dass wir noch weit vom Kampf entfernt sind. Anzumerken ist, dass die Forderung nach einem anderen Angreiferverhalten schon 1927 von JOSEPH DIWISCHEK gefordert wird. Er verlangt nach einem abgewehrten Angriff sofort einen weiteren oder weiteren Widerstand. 27 «Schlimmer noch, übernatürliche geistige Kraft und "geistiges Dies" und "geistiges Das" tragen dazu bei, dass die Übenden sich mehr und mehr in Mysterien und Abstraktionen verlieren.... Und wenn man genau hinschaut, dann ist nichts als eine blinde Ergebenheit vor einer systematischen Übungsroutine oder Kunststücken, die nirgendwo hinführt.» Diese zeigt sich im Überbetonen von Techniken. Techniken werden zu einem Selbstzweck. Werden sie nach «Budo-Prinzipien» ausgeführt und geübt, so sollen sie selbst gegen körperlich überlegene Gegner funktionieren. Die Existenz von Gewichtsklassen bei Wettkämpfen zeigt deutlich den Unterschied zwischen Mysterium Technik und leiblicher Erfahrung. «Tragen die von ihm gewählten Muster dazu bei, eine Wand zwischen ihm und dem Gegner zu errichten, welche eine absolute und gänzlich neue Beziehung verhindern? Anstatt der Gegebenheit direkt ins Auge zu sehen, kleben Stilisten sehr oft an Formen (Theorien) und binden sich mehr und mehr daran. Zuletzt verfangen sie sich dann in einer unlösbaren Schlinge. Vorgegebene Muster sind nicht anpassungsfähig, sind nicht beweglich. Sie bieten nur einen besseren Käfig an. Die Wahrheit steht außerhalb jeglicher vorgegebener Muster. Formen sind nichts anderes als nutzlose Wiederholungen, die eine bequeme und schöne Ausflucht bieten, wenn es darum geht, mit einem tatsächlichen Gegner Selbsterfahrung zu sammeln.» 27 Siehe [Diw27, Seite 8]: «..., der Angreifer muß, wenn der eine Angriff abgeschlagen oder unschädlich gemacht ist, sofort einen unvermuteten anderen Angriff bewerkstelligen oder dem Partner Widerstand zu leisten versuchen.» 1-26

39 1.3. Systemkritik Wenn die Technik überbetont wird, fehlt eine situative und individuelle Anpassung. Die Techniken werden wirkungslos. Ist es nicht bedauerlich, eine wirksame Variante nur dadurch zu verwerfen, dass sie nicht richtig 28, nicht «sauber» ist? «Frei und ganzheitlich kann nur der handeln, der sich außerhalb eines einengenden Systems befindet.» Ju-Jutsu sollte ein System sein, das nicht einengt und das Individuum in seiner freien und ganzheitlichen Entwicklung unterstützt. Die Kritikpunkte beziehen sich weniger auf das Ju-Jutsu als auf uns, die wir Ju-Jutsu trainieren. Aber wie FRANK HOERSCHGEN einmal herausstellte, ist Ju-Jutsu das «geleb- te Ju-Jutsu» das, was wir aus dem bisherigen machen. Wir sollten unser Ju-Jutsu nicht so einfach beschränken lassen, um das Individuum bestmöglich in seiner Entwicklung unterstützen zu können. Jedoch einige der Kritikpunkte an uns Ju-Jutsuka finden ihren Ursprung im System und seiner Entstehung: Die Entstehung des Ju-Jutsu bedingt eine Technikorientierung insbesondere mit Bezug auf Judo, Karate und Aikido. Ju-Jutsu ist nicht wirklich aus diesen Kampfkünsten entstanden, vielmehr lag es am Hintergrund der Personen, die mit dem Entwickeln des Ju-Jutsu beauftragt wurden. 29 Aber Techniken sind nicht alles, z. B. fehlen noch Konzepte für Strategie und Taktik! 30 Die Beschränkung auf die «klassischen» Künste führt dazu, dass das Individuum durch das System eingeschränkt werden kann. Die Techniken zu nutzen, heißt noch nicht zwangsläufig, sich den Anwendungsgebieten dieser Techniken in dem jeweiligen System bewusst zu sein. Diese Anwendungsgebiete müssen nicht zwangsläufig im Ju-Jutsu existieren. Judowürfe sind optimiert gegen Leute die Judo machen, nicht gegen Boxer! Auch sollte das deutsche Recht, die Gesellschaft und die Kultur berücksichtigt werden. Die Prinzipien des Ju-Jutsu 31 sind zwar zutreffend, aber so allgemein, dass sie für das Training wesentlich weiter ausdifferenziert werden müssen. Strategie und Taktik werden zugunsten von Techniken stark vernachlässigt. Gelebtes Ju-Jutsu Hintergründe der Entwickler Hintergründe der Techniken 28 «Richtig» bedeutet passend in einem System. 29 Siehe Abschnitt Siehe Abschnitt Siehe Unterabschnitt

40 KAPITEL 1. JU-JUTSU Wie werden Techniken weitergegeben? Der «geistige» Hintergrund, also das Ju-Jutsu-Ethos, zwingt zur Achtung des Lehrenden, welche zu einem blinden Folgen fehlgedeutet wird. Sicherlich ist diese Fehldeutung nicht einseitig auf Seiten der Lehrenden oder Lernenden. Die Weitergabe von Techniken geschieht im Wesentlichen mündlich und figural, hierdurch werden immer mehr Hintergründe zu diesen Techniken verloren gehen. Auch Informationen in Büchern beruhen vielfach auf mündlichen Überlieferungen. Die ursprüngliche funktionale Betrachtung ist einer figuralen Betrachtung gewichen. Nehmen wir die Kritik als Anlass, konstruktiv mit dem Ju-Jutsu umzugehen und es weiter zu entwickeln. Ju-Jutsu ist nicht das, was in einem Buch steht, sondern das, was wir alle daraus machen! Fragen zur Selbstkontrolle Was zeichnet einen ideenreichen Meister aus? Weiterführende Fragen Stelle die Rolle der Strategie dar, wenn ein Boxer und ein Ringer im Kampf aufeinandertreffen! Gib Beispiele für vorgegebene Muster, die sinnvollerweise aufgegeben werden sollten! 1-28

41 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu 1.4 Geschichte des Ju-Jutsu To better understand the martial arts you must understand the history. To better understand the history you must understand the culture. To better understand the culture you must understand the philosophy and philosophers, what they were trying to express to the people of that time period. DAN INOSANTO 32 Die Geschichte der Kampfkünste mit und ohne Waffen, die aus den Kriegskünsten entstanden waren, lässt sich bis auf die alten Sumerer, Hethiter, Babylonier, Griechen und Ägypter bis 2800 v. Chr. zurückverfolgen. Ab 708 v. Chr. gab es bei den Olympischen Spielen der Antike eine Form des Ringkampfes, ab 688 v. Chr. Boxen und schließlich ab 648 v. Chr. «Pankration» 33. Aufzeichnungen belegen, dass dieser Sport systematisch trainiert wurde. Schattenboxen, Sandsacktraining aber auch Krafttraining wurden als Vorbereitung betrieben. Pankration Abb. 1.1 Ringen im antiken Griechenland 32 Dieser Ausspruch fand sich in Fotokopien, die DAN INOSANTO im Rahmen von Seminaren an seine Teilnehmer verteilte. 33 Vergl. [Wik05c]. 1-29

42 KAPITEL 1. JU-JUTSU Kampfkunst Europa in Bei den Römern gab es unter den Gladiatoren Kämpfe auf Leben und Tod. Die Gladiatoren wurden in besonderen Schulen ausgebildet. Unter der Leitung erfahrener ehemaliger Kämpfer übten die Gladiatoren an Pfählen, die in die Erde gerammt waren. 34 In Europa gab es schon vor 1450 Wurf- und Hebeltechniken, die beim Fechten gelehrt wurden; auch nach einer Entwaffnung sollte man sich verteidigen können. Ein alter Kupferstich in Hans Talhoffers «Alte Armatur und Ringkunst» (1459 n. Chr.) zeigt einen Armstreckhebel, wie er auch in der neuesten Auflage des Ju- Jutsu 1x1 nicht anders gezeigt wird. Das Aufkommen der Feuerwaffen hat in Europa den Nahkampf verdrängt und vergessen lassen. Abb. 1.2 Talhoffer Vielfach werden mit Kampfkünsten berühmte Meister assoziiert, die ihre Kunst verbreiteten. Jedoch lässt sich feststellen, dass überall, wo sich Kampfkünstler begegnen, ein Austausch stattfindet, sei es freundlich oder kriegerisch, durch die Notwendigkeit, sich auf ein anderes System einzustellen. Um 1650 von China nach Japan Vor 1603 Periode der Anwendung Der Ursprung des Ju-Jutsu Kaum anders war es in Asien. Dort ist die Kampfkunst besonders in China zu hoher Blüte gelangt. Es gibt verschiedene Legenden, die beschreiben, wie eine Urform des Jiu-Jitsu um 1650 nach Japan gekommen ist. In allen Legenden ist das Ursprungsland China. Der Chinese CIN-GEN-IM soll drei Samurai in einer Form des chinesischen Boxens unterrichtet haben. Die drei Samurai verbanden die Techniken mit denen des Yawara und schufen damit das Jiu-Jitsu, bei dem erstmals ausdrücklich das Prinzip des Nachgebens angewendet wurde. Yawara war ein aus dem Sumo entstandenes System mit Festlegetechniken, zu denen später Wurf- und Atemitechniken chinesischen Ursprungs hinzukamen. Das Yawara war ein «Backupsystem» für die Samurai. Ihre Primärsysteme waren die Waffensysteme. Im Yawara wurde kaum geschlagen, denn Schläge haben gegen gepanzerte Gegner weniger Wirkung als Würfe oder Hebel. Das japanische Kampfsystem hat drei verschiedene Stadien der Entwicklung durchgemacht. In einer feudalistischen Periode fortgesetzter Kriege und Bürgerkriege vor der Edo- Ära ( ) waren die betroffenen Bevölkerungsschichten gezwungen, ihre Kampf- 34 Vergl. [Wik05a] 1-30

43 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu 1924 Aikido Morihei Ueshiba ( ) fängt an, Aikido zu unterrichten. Russland Ab 1950 fängt Ueshiba an, Aikido zu verbreiten. China Nordkorea Südkorea 1882 Judo Jigoro Kano ( ) eröffnet eigenes Dojo in Tokyo Ab 1908 Judo als Schulsport Ab 1945 Judo olympisch Tokio Okinawa Abb. 1.3 Japanische Kampfkünste als Basis des Ju-Jutsu systeme nur nach Effektivität auszusuchen. Wer keine harten und wirklich wirksamen Techniken beherrschte, überlebte nicht. Die Vielzahl der bewaffneten und waffenlosen Kampfkünste wurden unter dem Begriff Budo (Kampfkunst oder -fertigkeit) zusammengefasst. Während der Edo-Ära ( ) schottete sich Japan vom Rest der Welt ab. Es gelang, einen 250 Jahre dauernden Frieden zu wahren. Die kämpferische Effektivität trat dafür in den Hintergrund. Geistige wie persönlichkeitsbildende Ziele traten zunehmend Ab 1603 in den Vordergrund. Techniken wurden etwas entschärft, wenn dadurch verletzungsfreier Periode der trainiert werden konnte. Während der Edo-Ära entwickelten sich bis zu 170 verschiedene Abstraktion Stilrichtungen des Jiu-Jitsu. Ab 1868 mit Beginn der Meiji-Ära begann sich Japan, das sich jahrhundertelang von der Welt abgeschlossen hatte, dem Westen zu öffnen. Beeinflusst durch westliches Gedankengut begann man die eigene Tradition zu verleugnen. Durch den Einfluss der Amerika- Ab 1868 ner kam der sportliche wettkampforientierte Charakter in die Kampfkünste. Vor diesem Periode der historischen Hintergrund entstanden die für das Ju-Jutsu wesentlichen Kampfsportarten Verwestlichung Judo, Karate und Aikido. Durch intensive Handelsbeziehungen kamen die waffenlosen fernöstlichen Selbstverteidigungssysteme um 1900 durch Matrosen nach Europa. 1-31

44 KAPITEL 1. JU-JUTSU Die Vorläufer des Ju-Jutsu in moderner Zeit Abb. 1.4 Hans Knorn (1925) und Joseph Diwischek (1927) 1882 Judo 1902 Karate 1924 Aikido Jiu-Jitsu- Schule in Berlin Die Kampfkünste Judo, Karate, Aikido und Jiu-Jitsu werden als Grundlage des Ju-Jutsu gehandelt. Das Judo ging unmittelbar aus dem Jiu-Jitsu hervor entwickelt JIGORO KANO 1882 ein Wettkampfsystem, das er Judo nannte. GICHIN FUNAKOSHI entwickelte 1902 aus dem Okinawate auf Anregung des japanischen Kaisers das Karate. Das Aikido geht zurück auf MORIHEI UESHIBA. Dessen bewegte Vergangenheit wäre allein schon ein Buch wert. Wichtig zu wissen ist, dass MORIHEI UESHIBA selbst im Russlandfeldzug der Japaner mitgekämpft hat. Erst aufgrund dieses Hintergrundes entwickelte er 1924 das Aikido, dessen Training im «Trainingsraum der Hölle» kaum vergleichbar mit dem heutigen Aikidotraining zu sein scheint. Tief beeindruckt von der Demonstration japanischer Kampfkünste im Jahre 1906 anlässlich eines Besuches zweier japanischer Kriegsschiffe in Kiel lud der deutsche KAI- SER WILHELM II. japanische Jiu-Jitsu-Meister nach Deutschland ein. ERICH RAHN, der namhafteste Schüler dieser Meister, gründete noch im gleichen Jahr die erste deutsche Jiu-Jitsu Schule in Berlin folgten weitere in Frankfurt (RHODE), Wiesbaden (SCHMELZEISEN) und anderen deutschen Städten. Die 1932 in Frankfurt erstmalig durchgeführte internationale Judo-Sommerschule zeigte, dass Jiu-Jitsu zwar eine effektive Selbstverteidigung war, Judo aber für die sportliche 1-32

45 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu Betätigung geeigneter war. Bei den Judo-Sommerschulen lernten die Deutschen auch die Graduierungen nach Leistungsstufen kennen. Am gründete man anlässlich der Judo-Sommerschule den Deutschen Judo-Ring. Prüfungsprogramme gab es noch nicht Der Prüfling zeigte ein Randori (Freikampf) und wurde seiner Leistung gemäß vom Meister graduiert. Es gab auch noch keinen Judo-Gi, sondern der Kampfanzug bestand aus Judo-Ring einer kurzen Hose und einer kurzärmeligen Jacke, die mit einem Gürtel freier Wahl zusammengehalten wurde. Das Graduierungsverfahren wurde auch nach dem Krieg bis zur 1952 DDK Gründung des Deutschen-Dan-Kollegiums (DDK) 1952 und den von ihm herausgegebenen Prüfungsrichtlinien beibehalten. Durch den ein Jahr später gegründeten Deutschen- Judo-Bund (DJB) war Judo endlich selbstständig und nicht mehr dem Deutschen-Athletik- Bund zugeordnet. Den technischen Aufbau leisteten immer noch die Japaner. Um 1956 spaltete sich Judo immer mehr in den populären Wettkampf, das eigentliche Judo, und die Selbstverteidigung mit Jiu-Jitsu. Judo warb zwar immer noch mit der 1956 Selbstverteidigung, in den Kyuprüfungen war die Selbstverteidigung aber ab Mitte der Abspaltung 50er Jahre nur noch Nebenfach und verlor so allmählich aber stetig an Bedeutung. Jiu-Jitsu Entstehung des Ju-Jutsu und Entwicklung bis heute Die Entstehung des Ju-Jutsu ist begründet in einer geänderten gesellschaftlichen Situation. Während bisher die inneren Auseinandersetzungen eher harmlos waren, verschärften sich Unruhen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Ermordung von M. L. King am 4. April 1968, der Vietnamkrieg (1965 bis 1975) und die Studentenunruhen, aus deren Umfeld sich die RAF formierte, belegen diesen Wandel. Gegen die eigene Bevölkerung waren Mittel des Krieges ungeeignet. Ebenso schwand die Obrigkeitshörigkeit Auftrag So kam es, dass 1966 das DDK vom Innenministerium beauftragt wurde, ein Prüfungsprogramm für die Selbstverteidigung auszuarbeiten. Die Kommission des DDK unter der Entwicklung SV-System Führung von FRANZ-JOSEF GRESCH und WERNER HEIM ( 2008) bezeichnete sich offiziell als Ju-Jutsu-Kommission des DDK. Zum ersten Mal tauchte die Schreibweise Ju-Jutsu auf. Die erste Version wurde 1968 verworfen, da sie sich gegenüber dem alten Jiu-Jitsu nicht Jiu-Jitsu-System-der-1000-Griffe kaum unterschied. Dabei wird jedem Angriff eine ganz mehr zeitgemäß bestimmte Abwehr zugeordnet. Es sollte aber ein System entwickelt werden, das mit wenigen Abwehrtechniken gegen viele ähnliche Angriffe eingesetzt werden kann 35. Diese Vielseitigkeit Grundtechniken sollen schon einen Anfänger in die Lage versetzen, sich effektiv verteidigen zu können. Mit steigender Erfahrung werden diese Techniken dann automatisiert, variiert und erweitert. Harte und weiche Techniken stehen gleichwertig nebeneinander. 35 Siehe

46 KAPITEL 1. JU-JUTSU Datum Ereignis 1882 Jigoro Kano entwickelt Judo als Wettkampfsystem aus dem Jiu-Jitsu Gichin Funakoshi entwickelt Karate aus dem Okinawate Demonstration japanischer Kampfkünste in Kiel, Erich Rahn gründet erste Jiu-Jitsu-Schule in Berlin Weitere Jiu-Jitsu-Schulen werden in Frankfurt (Rhode),Wiebaden (Schmelzeisen) und weiteren Städten gegründet Morihei Ueshiba entwickelt Aikido aus dem Jiu-Jitsu Judo-Sommerschule in Frankfurt, Gründung des deutschen Judo-Rings 1952 Gründung des Deutschen-Dan-Kollegiums (DDK) 1965 Aikido in Deutschland 1966 Auftrag des Innenministeriums an das DDK ein Selbstverteidigungssystem zu entwickeln 1968 Ablehnung der 1. Version da, sie den Anforderungen und Vorgaben nicht gerecht wurde Gründungsjahr des Ju-Jutsu, 28/ erste Ju-Jutsu-Prüfung 1982 Antrag an den DJB auf Selbstständigkeit, ergebnislose Verhandlungen mit dem Jiu-Jitsu-Verband 1987 Wettkampf (Fighting) wird eingeführt Gründung des DJJV, Ju-Jutsu wird ein eigener Verband Aufnahme des Ju-Jutsu in den DSB (heute DOSB) 1993 DUO und Formenwettkampf werden als weitere Wettkampfformen eingeführt 2000 Das Prüfungsprogramm Ju-Jutsu 2000 wird eingeführt 2006 Jiu-Jitsu findet eine Heimat im DJJV Tabelle 1.1 Geschichte des Ju-Jutsu im Überblick 1-34

47 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu Abb. 1.5 Kampfkünste in Europa zur Gründungszeit des Ju-Jutsu Neben diesem entstanden weitere Grundsätze des Ju-Jutsu, die schon in Absatz geschildert wurden. Ju-Jutsu unterscheidet sich bewusst von Judo, Karate, Aikido. Es ist keine einfache Mischung, sondern beinhaltet eine Systematik, die es schon dem Anfänger ermöglichen soll, sich effektiv zu verteidigen. Dieses neue Prüfungsprogramm wurde vom Deutschen Dan-Tag am 22. April 1969 in Kraft gesetzt. Damit war erstmals ein gültiges Ju-Jutsu Prüfungsprogramm geschaffen, nach dem die ersten Prüfungen und Graduierungen vorgenommen werden konnten. Bald darauf war es dann soweit: Für den 28. und 29. Juni 1969 wurde die erste Ju-Jutsu-Prüfung vom DDK ausgeschrieben. Als Gründungstag des Ju-Jutsu gilt deshalb der 29. Juni Die ersten Prüfungskommissionen setzten sich aus Danträgern des DDK zusammen, kamen also aus Judo, Karate, Aikido und Jiu-Jitsu. Wie aktuell das Ju-Jutsu zum Zeitpunkt Ju-Jutsu seiner Entstehung war, zeigt die Abbildung??. Das Jahr 1970 war hauptsächlich der Breitenarbeit gewidmet. Seitdem sind immer wieder Änderungen des Prüfungsprogramms gewünscht und beschlossen worden. Kurzfristig war es oft zum Leidwesen der Prüflinge, langfristig waren die Änderungen meistens vorteilhaft für das Ju-Jutsu. Wenig praktikable 1-35

48 KAPITEL 1. JU-JUTSU Techniken wurden herausgenommen, andere, vermeintlich bessere, hinzugefügt. So wurde unser System immer weiter verbessert, modernisiert und ist der Realität noch näher gerückt und aktuell geblieben. Viele Veränderungen und Strömungen im Ju-Jutsu gingen von besonderen Persönlichkeiten aus, die einen Mangel im Ju-Jutsu erkannten und ihr Wissen aus anderen Kampfkünsten nutzten, um das Ju-Jutsu weiterzuentwickeln, so wie es im Abschnitt auf Seite 1-37 dargestellt wird. Die folgenden Jahre dienten der Konsolidierung und der Verbreitung des Ju-Jutsu. Bereits 1982 wurde der erste Antrag auf Selbstständigkeit des Ju-Jutsu gestellt. Ebenfalls 1982 gab es Gespräche mit dem Jiu-Jitsu-Verband mit dem Ziel der Fusion beider Verbände. Die Verhandlungen scheiterten in den Punkten Judo, Jugend, Wettkampf und Geld. Als reines Prüfungsprogramm fehlte dem Ju-Jutsu die Möglichkeit, die Techniken kämpferisch zu erproben. Ein Wettkampfsystem wurde entwickelt, in dem 1987 die 1. Deutsche Meisterschaft im Ju-Jutsu-Kampf in Berlin durchgeführt wurde. Somit gab es den Wettkampf nun auch im Ju-Jutsu, der bis heute viele Anhänger hat. Zusätzlich wurden noch der DUO- und der Formenwettkampf eingeführt. Am 9./10. Oktober 1993 ist vom DJJV die erste Deutsche Meisterschaft im DUO- und Formenwettkampf gemeinsam ausgetragen worden. Vorher gab es in Nordrhein-Westfalen den Bund Deutscher Ju-Jutsuka, der eine Deutsche Meisterschaft im Formenwettkampf schon einige Jahre vorher ausgerichtet hatte. HEINZ LAMADE hat das DUO-System auf Lehrgängen bereits 1984/85 unter anderem auch in Hannover vorgestellt. Die Wettkampfsysteme haben sich weiterentwickelt. Aus der Testmöglichkeit von Techniken entwickelten sich eigenständige Wettkampfsysteme, deren Bezug zur Selbstverteidigung ein wenig zugunsten des Wettkämpfens reduziert wurde. Das Verbot von Fauststößen zum Kopf belegt dieses eindrucksvoll. Seit 1975 fühlten sich die Ju-Jutsuka sowohl vom DJB als auch vom DDK finanziell benachteiligt. Auch der neu eingeführte Wettkampf war ein Grund für die Diskrepanzen mit dem DJB. Immer lauter wurde der Ruf nach Selbstständigkeit vom Judo. Unsere Mitgliederzahl war von 1500 Mitgliedern 1970 auf über im Jahre 2005 gestiegen. Am wurde dann in Mainz der Deutsche Ju-Jutsu-Verband (DJJV) gegründet, der seit dem auch Mitglied im Deutschen Sportbund ist. Jiu-Jitsu hat seit dem eine Heimat im DJJV. Wohl mit Blick auf die Chance eine olympische Sportart zu werden, hat der DJJV das Jiu-Jitsu aufgenommen. Die unterschiedlichen Namen «Ju-Jutsu» und «Jiu-Jitsu» hätten möglicherweise für Verwirrung gesorgt, denn Ju-Jutsu ist ein deutsches System. International ist nur das Jiu-Jitsu bekannt. Ständige Weiterentwicklung 1987 Fighting 1993 Duo- und Formenwettkampf DJJV Fragen zur Selbstkontrolle 1. Wann und aus welchen Gründen wurde das Ju-Jutsu gegründet? 1-36

49 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu 2. Warum wurde der erste Entwurf des Ju-Jutsu verworfen? 3. Im «Ju-Jutsu Wörterbuch» 36 findet sich folgender Ausspruch: «Die korrekte Rechtschreibung von Jiu-Jitsu und Ju-Jitsu ist Ju-Jutsu. Es gibt zwar kleine Unterschiede in der Schreibweise, aber man versteht darunter die gleiche Selbstverteidigung.» Korrigiere diesen Ausspruch! Weiterführende Fragen 1. Warum wurde der Wettkampf eingeführt? Welche positiven Aspekte für die Selbstverteidigung kann der Wettkampf zum Ju-Jutsu beisteuern? 2. Stelle dar, wie sich das heutige Ju-Jutsu entwickelt hat, indem es Elemente aufnahm, die ihm bisher fehlten und neue Schwerpunkte setzte! Die Geschichte des NJJV Am wurde in der Gaststätte «Lister Tröpfchen» in Hannover die Landesgruppe Ju-Jutsu gegründet. Sie war eine Sektion im Niedersächsischen Judoverband. 20 Jahre später am wurde in Braunschweig der Niedersächsische Ju-Jutsu Verband gegründet unter der Führung von LOTHAR STASCHEIT sowie H. CONRADS, D. WILLE, W. PETRI, W. RHODE, T. HOFFMANN. und J. CONRADS. Die Trennung auf Bundesebene hatte L. STASCHEIT auf der Vorstandsversammlung miterlebt und fasste dieses als Signal auch für Niedersachsen auf. Diese Abspaltung war vom NJV nicht gewollt und viele Vereine blieben vorerst auch im NJV. In einem Vorstandsgespräch am mit Vertretern der Sektion (W. THOLE, M. HÖFT, B. KUHLMANN), des NJV (M. KLOHWEIT), des NJJV (L. STASCHREIT, H. CONRADS, G. RIEBARTSCH) und DJJV (G. SCHRÖDER) wurde eine Kooperation vereinbart. Am schließlich wurden Sektion und NJJV zum NJJV zusammengeführt anlässlich einer gemeinsamen Mitgliederversammlung. Wie sehr Persönliches hierbei eine Rolle spielte, zeigt der Umstand, dass H. CONRADS von allen Ämtern zurücktreten musste, damit der Einigung von Seiten des NJV zugestimmt wurde Entwicklung des Ju-Jutsu durch Vorreiter Die Entwicklung des Ju-Jutsu aus der politischen/geschichtlichen Sicht wurde schon dargestellt. Jedoch sagt dieses wenig darüber aus, wie sich die Inhalte des Ju-Jutsu gewandelt haben. 36 (author?) [Vel95] S

50 KAPITEL 1. JU-JUTSU Aus der eigenen Erfahrung sollten wir wissen, dass sich die Lieblingstechniken und auch die Ausführungen von Techniken ändern. Ebenso verschieben sich Schwerpunkte im Training. Aus den Erzählungen unserer Trainer wissen wir, dass auch sie solche Wandlungen durchgemacht haben. Auch das Ju-Jutsu-System hat sich durch unterschiedliche Phasen entwickelt, in denen die Einflüsse aus anderen Kampfkünsten durch einzelne Personen besonders stark waren. Die 1970er Jahre waren stark beeinflusst von PETER NEHLS. Noch geprägt durch Kriegserfahrungen propagierte er ein sehr hartes und konsequentes Ju-Jutsu. Die Kombinationen,,die er lehrte, waren traditionelle Judo-, Karate- oder Aikido-Kombinationen. Die Kombination der einzelnen Kampfkünste war unüblich und wurde nicht gezeigt. In den 1980er Jahren wurde ERICH REINHARDT Vorreiter und lehrte erstmals Kampfkunst übergreifende Kombinationen. Die Techniken selbst wurden jedoch klassisch bis ins kleinste Detail ausgeführt. Ein Ju-Jutsu-Meister musste also gleichzeitig Meister in Karate, Judo und Aikido sein. Viele Bilder auch noch im aktuellen Ju-Jutsu-1x1 zeigen ihn. Ab 1990 kamen Einflüsse aus dem JKD durch BERND HILLEBRAND zum Ju-Jutsu. Er schaffte mit dem Ju-Jutsu einen großen Sprung. Techniken dürfen individualisiert werden. Aber auch in Niedersachsen gab und gibt es Pioniere. HEINRICH CONRADS bereicherte das Ju-Jutsu durch Elemente des Kobudō 38 und brachte seinen Erfahrungen aus dem Einsatz (BGS) ein. MARTIN HÖFT war von 1979 bis 1999 Lehrreferent im NJJV. Neben Einflüssen aus dem Vovinam 39 (weiche Falltechniken für harte Untergründe) flossen auch Elemente aus dem JKD (Trapping, Lowkick, Strategien) ins Ju-Jutsu ein. MARTIN HÖFT nahm mit diesen Einflüssen die Neuerungen, die das Ju-Jutsu-2000 brachte, voraus. Unterstützt wurde er durch DR. BIRGER KUHLMANN und FRANK EBERT, der von 1979??? bis 1994 Technischer Direktor war. FRANK EBERT erkannte die Wichtigkeit der Angreiferschulung, denn nur bei ernsthaften Angriffen können Verteidigungen trainiert werden, die funktionieren. Durch Mehrfachangriffe und Partnerreaktionen sollte die Verteidigungssituation aufgewertet werden. Die Qualität der Angriffe im Training bestimmt die Qualität der Abwehr Kobudō (jap. alte Kriegskunst) bezeichnet die Waffenkünste, die sich auf Okinawa entwickelten. Insbesondere das Tonfa und der Hanbō (91 cm) werden in Deutschland gelehrt. 39 Vovinam ist eine vietnamesiche Kampfkunst 1-38

51 1.4. Geschichte des Ju-Jutsu Einzug neuer Bewegungskonzepte Auch wenn sich schon die Griechen mit systematischem Training auseinandergesetzt hatten, die Sportwissenschaft ist ein Kind der Neuzeit. Am Anfang der modernen Sportwissenschaft standen mechanische Betrachtungen (äußere Biomechanik). Jedoch blendet die äußere Biomechanik die Steuerung der Bewegung 40 aus. Da eine Bewegungssteuerung noch nicht als Problem erkannt wurde, war der Rückgriff auf Ganzheits- und Drillmethoden für das Bewegungslernen möglich. Erst mit der inneren Biomechanik finden Steuerung und Wahrnehmung Einzug in die Bewegungswissenschaft. Regelkreise werden zu Modellen menschlichen Bewegens. Trainingsmethoden, wie zum Beispiel die methodische Übungsreihe 41, die auf der Schematheorie 42 aufbaut, entstammen dieser Zeit. Im Zuge der Olympischen Spiele 1972 werden an deutschen Universitäten viele Institute für Sportwissenschaft gegründet. Im Rahmen der Sportwissenschaft werden Techniken funktional optimiert. Die errechnete Bewegung wird zum Leitbild, dem sich das Individuum anzupassen hat. Aktuelle Entwicklungen nehmen Abstand von der Überbetonung der Technik. Individuelle Ausführungen werden berücksichtigt und gefördert. Das Prüfungsprogramm Ju-Jutsu 2000 enthält Angebote zur Individualisierung. Menschliches Bewegen wird nicht mehr als Programmerfüllen, sondern als Problemlösen aufgefasst. Sequenzen von Erfahrungssituationen schaffen ein Problembewusstsein und ermöglichen selbstständiges Problemlösen. Anhand von Büchern lassen sich unterschiedliche Auffassungen belegen: In «das Ju-Jutsu Brevier» von 1975 werden die Techniken nur als Bilder vorgestellt. Nähere Erläuterungen fehlen. Bewegungen werden hier statisch wiedergegeben. Im «Ju-Jutsu 1x1» von 1987 finden sich Abbildungen, auf denen mit Pfeilen die Bewegungen angedeutet werden. Dieses ist ein Versuch, über ein Bild Bewegungsrichtung und Kraftverlauf zu vermitteln. Zusätzlich werden für Technikgruppen kurze Funktionsbeschreibungen geliefert. Im «Ju-Jutsu 1x1» von 1994 finden sich zusätzlich Beschreibungen der einzelnen Techniken. Kurz werden figural die Ausführung und die Wirkung beschrieben.??? Belege an einer Technik 40 Siehe Siehe Siehe

52 KAPITEL 1. JU-JUTSU Die Zukunft des Ju-Jutsu Das Ju-Jutsu hat sich immer weiter entwickelt. Es lassen sich Phasen der Anreicherung des Ju-Jutsu finden, in denen fortgeschrittene Lehrende Elemente aus anderen Kampfkünsten ins Ju-Jutsu integrierten. Hierdurch wurde das Ju-Jutsu so umfangreich, dass Phasen der Verschlankung folgten, in denen wieder Techniken aus dem Prüfungsprogramm herausgenommen wurden. Entstanden ist das Ju-Jutsu durch eine Verschlankung des traditionellen Jiu-Jitsu, eine Konzentration auf das Wesentliche. Wir alle, alle Ju-Jutsuka aber insbesondere alle Lehrenden, können ein Stück zur Entwicklung des Ju-Jutsu beitragen. Sicherlich durch Elemente anderer Kampfkünste und eigene Ideen. Viel wichtiger ist aber die Offenheit für Ideen anderer. Ob es dann noch das Ju-Jutsu gibt? Sicherlich wird es nicht mehr das Ju-Jutsu geben als eine Ansammlung von identisch auszuführenden Techniken, sondern eher wird es gemeinsame Ideen im Sinne der Grundsätze des Ju-Jutsu 43 geben. Ein reger Austauch zwischen den Aktiven würde stattfinden. 43 Siehe

53 1.5. Kampfsport in der Gesellschaft 1.5 Kampfsport in der Gesellschaft Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit dem Bild des Ju-Jutsu in der Gesellschaft. Als allgemeinnütziger Verein und Mitglied des Landessportbundes sind wir nicht nur dem Ju- Jutsu verpflichtet sondern auch den Idealen des DOSB 44. Das Bild des Ju-Jutsu in der Gesellschaft ist entscheidend für den überlebensnotwendigen Zustrom von Mitgliedern in unsere Vereine. Wettkämpfe, Berichterstattungen und Tage der offenen Tür rücken das Ju-Jutsu ins Bewusstsein der Menschen, aber wir als Lehrende mit unseren Gruppen im alltäglichen Training sind der erste wirkliche Kontakt mit dem Ju-Jutsu. Die Entscheidung, ob Ju-Jutsu weiterhin betrieben wird, hängt entscheidend von uns ab. Doch was sind die Ziele und Ideale, die wir mit dem Ju-Jutsu verfolgen? Verflechtung des Ju-Jutsu mit der Gesellschaft Sport (allgemein Bewegungskultur oder spezieller Ju-Jutsu) ist ein gesellschaftliches Phänomen. Auch wenn das Training fast wie in einer anderen Welt abläuft, wir alle störenden Einflüsse des Alltags beiseite lassen, ist Sport und auch Ju-Jutsu immer eingebunden in unsere Gesellschaft. Als Element der Gesellschaft kommt dem Sport (so auch dem Ju-Jutsu) eine Bedeutung zu, er hat Aufgaben, die ihm zugedacht sind. Das Unterrichten von Sport ist Erziehungsk. Unterrichtsk. Menschkonzept Sportunterricht oder Ju-Jutsu Gesellschaftsk. Abb. 1.6 Gesellschaftliche Einflüsse Bewegungsk. Sportkonzept von besonderer Bedeutung. Dieses gilt insbesondere für den Schulsport, aber auch für den Vereinssport. Dem Verein wird eine immer größere Erziehungsaufgabe zugesprochen 45. Bei Erwachsenen spricht man an dieser Stelle von Bildung. Eines sollte jedoch jedem klar sein: Sport erzieht nicht von sich aus, vielmehr müssen sich die Lehrenden um Erziehungs- und Bildungsaufgaben bemühen. 44 Zum Beispiel soll der DOSB insbesondere den Leistungssport und somit Sportarten, die Wettkämpfe zulassen, fördern. Dieses erklärt auch die Sonderstellung des Aikido (siehe Abschnitt1.6). 45 Das Jahr 2004 wurde von der Europäischen Union zum «europäischen Jahr der Erziehung durch Sport» erklärt. Vergl. [fbue04] 1-41 Sport als Spiegel der Gesellschaft Erziehung durch Sport?!

54 KAPITEL 1. JU-JUTSU Sitte vs. Sittlichkeit Würde Sport von sich aus erziehen, so wären insbesondere die Spitzensportler erzogen und weder Doping noch Fouls würden passieren. Jedoch ist eine Erziehung im Sport durch umsichtige und kritische Trainer möglich. Wenn wir den Erziehungsauftrag annehmen wollen, so sollte uns der Unterschied von Sitte und Sittlichkeit bewusst werden. Sitte ist das, was Menschen tun, Sittlichkeit ist das, was Menschen tun sollten. Im Sport und im Ju-Jutsu reicht es somit nicht aus, Menschen an die allgemeinen Sitten heranzuführen!??? Bildungsauftrag Im Folgenden betrachte ich deshalb den Sportunterricht oder das Ju-Jutsu-Training in seiner Verflechtung mit der Gesellschaft. Die Abbildung 1.6 zeigt einen möglichen Zusammenhang von anthropogenen 46 und gesellschaftlichen Einflussfaktoren, die ich mit folgenden Fragen erläutern möchte: Menschenbild: Welches Bild haben wir vom Menschen? Ist er ein Untertan, ein Konsument oder hat er eigene Wünsche und Bedürfnisse? Was macht den Menschen aus und unterscheidet ihn vom Tier? Was unterscheidet einzelne Individuen? 47 Gesellschaftskonzept: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Einer Demokratie oder Oligarchie? Welches sind Werte und Normen unseres Zusammenlebens? Erziehungskonzept: Wie wird der Mensch erzogen? Wird er behavioristisch dressiert, gar programmiert oder lernt er durch Einsicht und erzieht sich selbst? Bewegungskonzept: Was ist Bewegung für den Menschen? Das Abspulen von motorischen Programmen oder eine individuelle, sinnliche (nicht missverstehen!) Erfahrung? 48 Unterrichtskonzept: Wie und mit welchen Zielen erfolgt das Unterrichten? Ist der Mensch ein Roboter, der angelernt wird, oder geht es um das Klären der Sache und das Stärken der Person? 49 Sportkonzept (Ju-Jutsu-Konzept): Was ist Sport/Ju-Jutsu? Ein erfolgsorientierter Wettkampf mit dem Ziel, die Besten zu selektieren, oder eine individuelle Erlebniswelt mit Ziel der Integration? 46 anthropogen: durch den Menschen beeinflusst. 47 Auch Kampfkünstler wie z. B. FRITZ NADLER haben erkannt: «Als Lehrer (Meister) musst Du Deine Schüler stets als selbstständige Wesen betrachten und anerkennen.»[nad76, S. 12] 48 Einen Überblick über Bewegungslernen und Lehrstrategien liefert z. B. [Wie04] 49 vergl. [Mey94, Seite 208 ff.] 1-42

55 1.5. Kampfsport in der Gesellschaft Und mittendrin ist der Sportunterricht oder das Ju-Jutsu-Training. Jeder Leser möge sich selbst die Fragen beantworten, die mit dem jeweiligen Konzept verbunden sind. (Eine Einflussnahme durch gegebene Formulierungen sei mir verziehen.) Natürlich nehmen die sich selbst gegebenen Anworten großen Einfluß auf den Unterricht. Man sollte sich immer wieder seine Antworten vor Augen halten, um zu sehen, ob der gegebene Unterricht dazu passt. Anmerkung: Ich möchte keinesfalls das Ju-Jutsu "verwissenschaftlichen" oder alles theoretisieren. Doch hinsichtlich der Verantwortung des Ju-Jutsu gegenüber Mensch und Gesellschaft sollte man sich immer fragen, ob das, was man mit dem Unterricht bewirkt, im Sinne der eigenen Konzepte ist. Vielleicht hilft ein Beispiel: Im Rahmen der Ausbildung des Personals der Exekutive (Ausführende Organe, also insbesondere Polizei, BGS, Justiz) wird auch Ju-Jutsu unterrichtet. Ist dieses Training in Methoden, Inhalten und Zielen geeignet und angemessen für eine Kindergruppe oder eine Freizeitgruppe? Fragen zur Selbstkontrolle Wie wirken sich folgende Ju-Jutsu-Konzepte auf die Inhalte des Trainings aus? Ju-Jutsu als System überlieferter Techniken. Ju-Jutsu als Hilfsmittel zur Selbstverteidigung des Individuums Das Leitbild des DJJV Der Deutsche Ju-Jutsu Verband hat 2003 die Verfassung eines Leitbildes in Auftrag gegeben. Dieses Leitbild soll die Stärken aber auch die Ziele des Ju-Jutsu verdeutlichen und eine gemeinsame Wertebasis der beteiligten Vereine darstellen. Aus diesem Leitbild lässt sich Folgendes herausziehen: Förderung der positiven Entwicklung und der Sicherheit der Menschen. Gesundheits- und Bewegungsförderung. Breiten- und Leistungssportorientierung. Modernität ohne Tradition zu verneinen. Diese Ziele und schon vorhandene Stärken lassen sich aber nicht programmatisch festschreiben, sondern sie müssen insbesondere von den Lehrenden gelebt werden. Zum Beispiel ist ein Satz im Briefkopf schnell geschrieben, aber die Umsetzung von Modernität ist dadurch nicht sichergestellt. Sicherlich ist es nicht jedem Lehrenden möglich, allen 1-43

56 KAPITEL 1. JU-JUTSU Anforderungen gerecht zu werden, so aber ist Toleranz anderen Ansätzen gegenüber notwendig. Ergänzend zu den im Leitbild aufgestellten Zielen kommt Weiteres zum Verantwortungsbereich des Lehrenden hinzu Verantwortung der Lehrenden Unter der Voraussetzung, dass das Ju-Jutsu primär die Persönlichkeitsbildung verfolgt, also dem Menschen dient, sich und sein Umfeld besser zu verstehen, so ist natürlich der Lehrende ebenso diesen Zielen verpflichtet. Ein Ausbilder beim Militär verfolgt andere Ziele, der Mensch dient nur zu einem übergeordnetem Zweck. Der Lehrende ist aber nicht nur dem Individuum verpflichtet, sondern auch der Trainingsgruppe, dem Verein, dem Ju-Jutsu und der Gesellschaft. Wie weit diese Verantwortung gehen kann, lässt sich am Beispiel eines jugendlichen Gewalttäters verdeutlichen, der in einem Ju-Jutsu-Verein trainieren möchte. Die einzelnen Handlungsmöglichkeiten berücksichtigen hierbei unterschiedliche Interessen. Auf dem ersten Blick lassen sich zwei Möglichkeiten finden: 1. Der Jugendliche wird nicht zum Training zugelassen. 2. Der Jugendliche wird zum Training zugelassen. Im zweiten Fall eröffnen sich weitere Handlungsspielräume: Zulassung unter Vorbehalt (Bei negativem Verhalten innerhalb und außerhalb des Trainings erfolgt der Ausschluss.) Zulassung zu bestimmten Trainingseinheiten Umstellung des Trainings, um nicht sofort zu wirkungsvolle Techniken zu vermitteln Das Bild des Kampfsports in der Gesellschaft??? 1-44

57 1.5. Kampfsport in der Gesellschaft Gewaltprävention THEUNERT 50 versteht unter Gewalt «die Manifestation von Macht und/oder Herrschaft, mit der Folge und/oder dem Ziel der Schädigung von einzelnen oder Gruppen von Menschen». Bemerkenswert dabei ist, dass sowohl der Wille zur Schädigung nicht zwingend erforderlich ist als auch dass kein Verursacher genannt ist. Ebenso ist die Art der Schädigung nicht weiter spezifiziert. Gewalt lässt sich in kulturelle, strukturelle (insbesondere Hierarchien und Rollenzuweisungen) und personale Gewalt gliedern. Die personale Gewalt kann sowohl physisch (z. B. Schläge, Freiheitsberaubung... ) als auch psychisch (z. B. Beleidigung, Nötigung, Diskriminierung) ausgeübt werden. Die Folgen der unterschiedlichen Manifestationen von Macht und Herrschaft betreffen den Menschen also physisch, psychisch und sozialinteraktiv. Der Begriff der Gewaltprävention (lat. praevenire: zuvorkommen, verhüten) bedeutet, dass man versucht Gewalt zu verhindern, bevor Gewalt entsteht. Es ist somit wichtig, sich mit den Ursachen von Gewalt auseinanderzusetzen: Kulturelle Gewalt: Darunter wird jede Eigenschaft einer Kultur bezeichnet, mit deren Hilfe direkte oder strukturelle Gewalt legitimiert werden kann. Diese Form der Gewalt tötet nicht oder macht niemanden zum Krüppel, aber sie trägt zur ideologischen und kognitiven Rechtfertigung bei. Als Beispiel soll hier die nationalsozialistische Ideologie von der rassischen Vorherrschaft der Arier, dem "Herrenvolk", dienen. Ein weites Spektrum der kulturellen Gewalt in den Medien ist eine Vielzahl von Sportsendungen, in denen unter anderem der Sieg des einzelnen gegenüber seinen Konkurrenten mit durch und durch gewalttätigen Mustern ins Bild gesetzt wird. Solche Muster findet man bei der Übertragung von Formel-1-Rennen. Blutige Karambolagen auf der Rennstrecke und das Bild von einer Männergesellschaft, die im Namen des Sports zur Not auch Tote hinterlässt. Das nur über Sport berichtet wird, ist in diesem Zusammenhang nicht korrekt, denn das Fernsehen schafft sich eine eigene elektronische Arena und legitimiert strukturelle und personale Gewalt über das Argument, das diese sportlichen Ausführungen Teil der eigenen Kultur sind. Strukturelle Gewalt: Erwartungen, Rechte und Pflichten einer Struktur (Gruppe, Schule, Arbeit... ) wirken auf das Individuum ein. Eine Gruppe setzt die Anpassung des Individuums an die Gruppe voraus 51. Jedoch wie weit darf diese Anpas- 50 Siehe [The87, 40f] 51 Siehe

58 KAPITEL 1. JU-JUTSU sung gehen? Darf sie erzwungen werden? Hierdurch meint das Individuum, dieser Struktur gegenüber hilflos zu sein. Personale Gewalt: Die Ursachen personaler Gewalt sind vielfältiger: Gewalt als Antwort auf Gewalt Ist ein Indiviuum vermeintlich hilflos Gewalt ausgesetzt, so kann es dadurch selbst aggressiv werden. Diese Aggressivität kann sich gegen sich selbst richten 52 oder gegen andere. Diese Form der Gewalt ist eher emotional als geplant. Gewalt als Mittel zum Zweck Geplant wird Gewalt eingesetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Gewalt zur Selbstfindung Während bestimmter Entwicklungsphasen, insbesondere der Pubertät 53, testen Jugendliche ihre Grenzen aus. Dieses kann auch auf der Ebene der Gewalt geschehen. Gewalt als Selbstzweck (Sadismus) Auf den ersten Blick bieten sich Maßnahmen an, die auf Verursacher von Gewalt betreffen. Aber auch Maßnahmen für die Betroffenen helfen, dass sie nicht hilflose Opfer von Gewalt werden. Die Gewaltprävention, von der wir reden, bezieht sich vor allem auf die Verhaltensbeeinflussung von Personen. Wir orientieren uns vorwiegend an Normübertretungen von Kindern und Jugendlichen, die weitestgehend auf Jugendkriminalität ausgerichtet sind Kulturelle Gewalt??? Strukturelle Gewalt??? Personale Gewalt??? Präventionsprojekte im Ju-Jutsu??? 52 Autoaggressivität 53 Siehe

59 1.5. Kampfsport in der Gesellschaft Werbung für den Verein??? Eigene Berichterstattung??? 1-47

60 KAPITEL 1. JU-JUTSU 1.6 Verbände und Bünde Das gesellschaftliches Phänomen «Sport» ist nicht mehr wegzudenken. Der Deutsche Olympische Sportbund vertritt 27 Millionen Sportler 54 und ist somit die zahlengrößte Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Der DOSB ging aus der Abb. 1.7 DOSB Fusion des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Kommitees am hervor. Zwar ist er nicht direkt an der Politik beteiligt, hat aber als Interessenvertreter einen hohen gesellschaftspolitischen Rang. So waren bei der Fusion Bundeskanzlerin ANGELA MERKEL und Bundesinnenminister WOLFGANG SCHÄUBLE anwesend. Als Dachorganisation für den Sport in Deutschland vertritt er mehr als Turn- und Sportvereine. Sah sich der DSB früher insbesondere als Förderer des Spitzensports, fing er ab 1970 auch an, den Breitensport in Deutschland zu unterstützen. Die Kampagne «Trimm Dich durch Sport» dürfte noch einigen in Erinnerung sein. Neben dieser Gesundheitsorientierung kam in letzter Zeit auch eine Sozialorientierung hinzu, in der Sport Ausländer, Aussiedler, Behinderte, straffällig gewordene Menschen integrieren soll 55. Direkt dem DOSB sind folgende Organisationen untergeordnet: 16 Landessportbünde LSB-Niedersachsen Spitzenverbände (33 olympische und 28 nichtolympische) Die finanzielle Förderung der Verbände ist massiv abhängig von den Erfolgen der Sportler. Die Teilnahme an Olympischen Spielen ist hierbei besonders förderungswert. Der DJJV treibt aus diesem Grund die Aufnahme des Ju-Jutsu in die Liste der olympischen Sportarten voran. Die vollständige Auflistung ist von « als jährliche Statistik herunterladbar. Deutscher Fußball-Bund (Platz 1) ( Vereine, Mitglieder, Stand 2009) Deutscher Turner-Bund (Platz 2)... ( Vereine, Mitglieder, Stand 2008) Deutscher Judobund (Platz 21)... (2.700 Vereine, Mitglieder, Stand 2008) 54 Vergl. [DSB05, Wir über uns].??? Vergl. [DSB05, Wir über uns>philosophie> soziale Offensive]. 1-48

61 1.6. Verbände und Bünde Deutscher Ju-Jutsu Verband (Platz 36) (900 Vereine, Mitglieder, Stand 2008) 19 Sportverbände mit besonderer Aufgabenstellung Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband Deutscher Aikido-Bund Da es keinen Aikido-Wettkampf gibt, konnte der Verband nicht wie die anderen Sportarten aufgenommen werden (Leistungssportorientierung). Deutsches Polizeisportkuratorium... 6 Verbände für Wissenschaft und Bildung Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft Deutscher Sportlehrerverband... 2 Förderverbände Deutsche Olympische Gesellschaft Stiftung Sicherheit im Skisport Der Landessportbund Niedersachsen arbeitet mit den Landesfachverbänden zusammen. Er vertritt ihre Interessen gegenüber Politik und Sponsoren sowie gegenüber dem DOSB. Er sieht seine Aufgabe in der Förderung der Landesfachverbände. Lehrgänge, die insbesondere Multiplikatoren weiterbilden, aber auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden von ihm durchgeführt. Weiterhin betreut er größere Sportstätten und Leistungszentren.??? Leitbild Der Verein ist die Organisation, in der die Sportler direkt Mitglied sind. Viele Vereine sind noch in Sparten gegliedert. Ansprechpartner für die Vereine sind die Kreis- und Stadtsportbünde Ausbildungen und Lizenzen Die Ausbildungen in den Fachverbänden (DJJV) und dem DOSB weisen eine parallele Struktur auf: C-Lizenz (Trainer-Breitensport-C und Trainer-Leistungssport-C), 120 UE B-Lizenz (Breiten- und Leistungssport), 120 UE und 2 Jahre C-Lizenz A-Lizenz (Breiten- und Leistungssport), 180 UE und 3 Jahre B-Lizenz 1-49

62 KAPITEL 1. JU-JUTSU Diplom-Trainer, Studium an der Trainerakademie Köln Sowohl DOSB als auch DJJV haben ihre Ausbildungen zum Teil an die Landesverbände delegiert. In den Ju-Jutsu-Fachverbänden werden folgende Ausbildungen angeboten mit entsprechenden Voraussetzungen: Trainer-C-Breitensport / -Leistungssport Ju-Jutsu Mindestalter 18 Jahre 3. Kyu Ju-Jutsu zu Beginn der Ausbildung 2. Kyu Ju-Jutsu zum Zeitpunkt der Prüfung Befürwortung des Vereins Wettkampferfahrung (Trainer C) Im NJJV ist die Trainer-C-Leistungssport-Ausbildung ein Zusatz zur Trainer- C-Breitensport-Ausbildung Jugendleiter Ju-Jutsu 4. Kyu Ju-Jutsu zu Beginn der Ausbildung 3. Kyu Ju-Jutsu zum Zeitpunkt der Prüfung Befürwortung des Vereins Im NJJV kann diese Lizenz erreicht werden durch die Jugendleitercard und FÜL-C Ausbildung Trainer-B-Breitensport / -Leistungssport 1. Dan Ju-Jutsu gültige entsprechende C-Lizenz mindestens einjährige aktive Trainertätigkeit im Landesverband oder im Verein Befürwortung des Vereins und des Landesverbandes Mindestalter 20 Jahre Trainer-A und Ju-Jutsu-Lehrer 1. Dan Ju-Jutsu gültige entsprechende B-Lizenz einjährige aktive Trainertätigkeit im Landesverband (Tr.A: oder im Verein) als Trainer-B Mindestalter 21 Jahre Weiterhin werden in den Fachverbänden so genannte 0-Lizenzen (z. B. Lehreinweisung) angeboten. Diese 0-Lizenzen werden vom DOSB nicht anerkannt und erhalten auch keine Förderung. Sie dienen speziellen Interessen der Fachverbände. 1-50

63 1.6. Verbände und Bünde Kursleiter (Frauen-SV) Sportassistent DJJV, NJJV, Bezirksfachverbände DJJV Abb DJJV Der DJJV ist der Dachverband der Ju-Jutsu-Organisation in Deutschland. Er umfasst Mitglieder in 900 Vereinen 56. Er ist für die Verbreitung und Förderung des Ju-Jutsu in Deutschland verantwortlich. Auf internationaler Ebene organisiert der DJJV Wettkämpfe und hält Kontakt zu anderen Kampfsportverbänden. Als Mitglied im DOSB vertritt er die Interessen des Ju-Jutsu gegenüber dem DOSB und den anderen Sportarten. Ein großes Ziel des DJJV ist es zur Zeit, Ju-Jutsu mittelfristig zu einer olympischen Sportart zu machen. Verbunden mit dem Status einer olympischen Sportart ist die verstärkte finanzielle Förderung des DJJV durch den DOSB und der Landesfachverbände durch die Landessportbünde. Auf Bundesebene veranstaltet der DJJV Bundeslehrgänge in den jeweiligen Landesverbänden. Weiterhin ist der DJJV als Fachverband für eine Sportart für das Ausbildungs-, Prüfungs- und Wettkampfwesen verantwortlich. Alle Lehrgänge der Lizenzstufe II (Trainer B, Ju-Jutsu-Lehrer B), Lizenzstufe III (Trainer A, Ju-Jutsu-Lehrer A), sowie Diplomtrainer (IV) werden ausschließlich vom DJJV durchgeführt. Über die Technische Arbeitstagung (TAT), in der auch die Landesverbände vertreten sind, werden Techniken, Prüfungsordnung, und Wettkampfregeln festlegt. Die Ausbildung der Lizenzstufe I (Trainer- C) kann auf die Landesverbände delegiert werden. Das Prüfungswesen ist eine weitere Aufgabe des DJJV. Alle technischen Prüfungen, also Kyuprüfungen und Danprüfungen bis zum 5. Dan - inklusive Verleihungen, sind auf die Landesverbände delegiert worden. Verleihungen der Graduierungen ab dem 6. Dan werden nur vom DJJV vorgenommen. Der DJJV ist in 17 Landesverbände gegliedert. Jedes Bundesland hat genau einen Landesverband. Nur Baden-Württemberg leistet sich 2 "Landesverbände" JJV-Baden und JJV- Württemberg. 56 [DSB05] Mitgliederstatistik

64 KAPITEL 1. JU-JUTSU Mitgliederstatistik Die Mitgliederstatistik und ihre Entwicklung kann genutzt werden, um zielgerichtet und langfristig im DJJV aber auch in den Landesverbänden zu arbeiten. Ziel sollte es natürlich sein, unseren Sport weiter zu verbreiten und Mitglieder zu halten männlich: weiblich: Abb Mitgliederstatistik des DJJV Stand??? NJJV Eine wichtige Aufgabe des NJJV ist natürlich die Verbreitung des Ju-Jutsu in Niedersachsen. Prüfung und Lehre, die vom DJJV in die Landesverbände delegiert wurden, gehören in den Aufgabenbereich der Landesverbände. Diese können bestimmte Aufgabenbereiche weiter in die Bezirke delegieren. In NRW werden z. B. alle Danprüfungen auf Landesebene durchgeführt. In Niedersachsen werden Prüfungen ab dem 2. Dan Abb NJJV mit entsprechenden Vorbereitungslehrgängen auf Landesebene durchgeführt, ebenso Prüferlizenzlehrgänge. In der Lehre sind die Trainer-C und die Jugendleiterausbildung wichtige Aufgaben des NJJV. Innerhalb der fachlichen Verbandsstruktur arbeitet der Landesverband in der Technischen Arbeitstagung (TAT) des DJJV mit, die Techniken, Prüfungsordnung und Wettkampfregeln festlegt. Die Landesverbände halten den Kontakt zum jeweiligen Landessportbund, der überfachlichen Parallelorganisation, über den finanzielle Förderung für die Jugend, den Leis- 1-52

65 1.6. Verbände und Bünde tungssport und die Ausbildungen beantragt werden kann. Auch die Landesstützpunkte werden vom LSB unterstützt Bezirksfachverbände Der NJJV hat vier Bezirke, die die ehemalige politische Gliederung widerspiegeln. Die Bezirksfachverbände sind nicht selbstständig, sondern nur der lange Arm des Landesfachverbandes. Dies gilt sowohl vereinsrechtlich als auch unter finanziellen Gesichtspunkten. Alle Kyuprüfungen sind vom NJJV auf die Bezirke delegiert worden und liegen somit im Verantwortungsbereich der Bezirke. Deshalb führt der Bezirk auch die Vorbereitungslehrgänge für die Schülergrade und den 1. Dan durch. In diesen Zusammenhang fallen auch die Lehreinweisung (Lizenzstufe 0) und der Prüferlizenzverlängerungslehrgang. Kyuprüfungen vom 5. bis zum 3. Kyu werden auf die einzelnen Sportvereine delegiert Verbände der Sportjugend Parallel zu den Organisationen des DOSB ist die Deutsche Sportjugend (dsj) positioniert. Sie ist eine Abteilung des DOSB und der dsj-vorsitzende, der alle 2 Jahre neu gewählt wird, ist Präsidiumsmitglied des DOSB. Das höchste Gremium der Sportjugend ist die Vollversammlung, in der die Delegierten aus den drei Säulen sitzen: Abb DSJ Jugendorganisationen der Spitzenverbände (Fachverbände) Landessportjugenden Jugendorganisationen von Verbänden mit besonderer Aufgabenstellung. Die Deutsche Sportjugend vertritt die Interessen von Jugendlichen und Kindern und bietet insbesondere Ausbildungen aber auch Aktionen für Jugendliche/Kinder an Ju-Jutsu-Jugend im NJJV Die Ju-Jutsu-Jugend im NJJV ist die Jugendorganisation des NJJV. Die Jugendordnung ist die «Verfassung» der Jugend. Durch die Jugendordnung werden die jugendlichen Mitglieder des Vereins bzw. Verbandes zu einer Jugend zusammengeschlossen. In einem Mehrspartenverein geschieht dieses über die Abteilungen hinaus. Wichtig ist, dass die Jugend ihren eigenen Jugendvorstand wählt. Der Jugendwart/- vertreter/-referent ist Mitglied im Vorstand. 1-53

66 KAPITEL 1. JU-JUTSU Somit ist die Jugendordnung die demokratische Grundlage der Jugendarbeit im Verein/Verband und sichert im festgelegten Rahmen die Eigenständigkeit der Jugend unabhängig von Personen und Finanzen. Die Jugendordnung definiert die Rechte und Pflichten der JJ-Jugend im NJJV: Zusammenfassung der Jugendlichen zur «Vereins-/Verbandsjugend» Regelung des Aufbaus der Jugend Stellung im Verein / Verband Aufgabenverteilung Rechte und Pflichten der Jugend Demokratische Verhaltensweisen (Wahlen, Mitbestimmung,...) Sicherung von Selbstbestimmung und teilweise Eigenständigkeit Festschreibung überfachlicher Aufgaben in der Jugendarbeit (Spielfeste, Zeltlager,...) Heranführung der Jugend an Vereins- / Verbandsführungsaufgaben Um sich schneller in den Paragraphen der Sportjugend zurechtzufinden, dient folgender Überblick: 1. Jugend im NJJV (Name; Wer gehört dazu; Bezug zum NJJV; Selbstständigkeit) 2. Zweck (SJN: Koordinierung, Unterstützung und Förderung der Jugendarbeit und außerschulischen Jugendbildung im NJJV; Altersgemäßheit; Mitbestimmung; parteipolitische Neutralität; tritt ein für die Menschenrechte, Toleranz im Hinblick auf Religion, Weltanschauung und Herkunft; Förderung überregionaler/internationaler Kontakte; Bewahrung der Lebensgrundlagen von Mensch, Tier und Natur) 3. Organisation (JVV als Sprachrohr der nachgeordneten Organisationen; Jugendleitung) 4. Jugendvollversammlung (jede Menge Regelungen...) 5. Jugendleitung (Möglichkeit der Aufgabenteilung) 6. Jugendreferent (Pflichten) 7. Sportverkehr (=> Jugend-Sportordnung des NJJV) 1-54

67 1.6. Verbände und Bünde 8. Haushaltsmittel (NJJV, Zuschüsse, Sponsoring und Teilnehmer-Gebühren) 9. Strafbestimmungen (=> RO des NJJV, Gelegenheit der schriftlichen Äußerung des Jugendreferenten) 10. Änderungen (Voraussetzungen) 11. Sonstiges (Ungeregeltes; Verweis auf die Satzung des NJJV) 12. Inkrafttreten Internationale Verbände Die internationalen Verbände kümmern sich vornehmlich um internationale Wettkämpfe. Die Organisation dieser Wettkämpfe wird an die nationalen Verbände delegiert Ju-Jitsu European Union Die JJEU organisiert die europaweiten Wettkämpfe und auch Lehrgänge Ju-Jitsu International Federation Die JJIF organisiert das Ju-Jutsu weltweit. Aktuell bemüht sich die Federation um die Anerkennung als olympische Sportart. Abb JJIF 1-55

68 KAPITEL 1. JU-JUTSU 1.7 Philosophien und Religionen Die Kampfkunst hatte in allen Gesellschaften ihren Platz. Meist war sie Mittel zum Zwecke von kriegerischen Auseinandersetzungen. Somit hat sowohl die vorherrschende Lebensauffassung der jeweiligen Gesellschaft die Kampfkunst beeinflusst als auch umgekehrt. Sobald das Schlagwort Kampfkunst fällt, kommen auch fernöstliche Religionen ins Spiel. An dieser Stelle wollen wir uns um diese ein wenig kümmern Die Essigkoster - eine chinesische Allegorie Drei Männer stehen um ein großes Fass mit Essig herum. Jeder hat einen Finger in den Essig getaucht und davon probiert. Auf allen drei Gesichtern ist eine unterschiedliche Reaktion abzulesen. Der Erste hat einen sauren Gesichtsausdruck, der Zweite trägt bittere Züge, der Dritte lächelt. Konfuzius: Leben ist sauer Mensch lebt nicht in Harmonie Buddha: Leben ist bitter durch Begierden und Abhängigkeiten Was soll uns das sagen? Wie bei jeder chinesischen Allegorie ( = lat. "das Anderssagen", rational fassbare Darstellung eines abstrakten Begriffs in einem Bild, oft mit Hilfe einer Personifikation) sind hier keine normalen Essigkoster gemeint. Die drei Männer stellen die drei großen Lehren Chinas dar, während der Essig die Essenz des Lebens darstellt. Der Erste mit dem sauren Gesichtsausdruck stellt den Weisen KONFUZIUS dar. Diesem mutet das Leben eher sauer an. Er vertrat die Auffassung, die Gegenwart sei nicht im Einklang mit der Vergangenheit und die Herrschaft des Menschen auf der Erde nicht in Harmonie mit dem Weg des Himmels, der das Universum regiert. Darum legte KONFUZIUS auch besonderen Wert auf Verehrung der Ahnen, wie auf alte Rituale und Zeremonien, bei denen der Kaiser, der Himmelssohn, als Vermittler Abb Essigkoster zwischen dem grenzenlosen Himmel und der begrenzten Erde auftrat. Der Konfuzianismus mit seiner exakt intonierten höfischen Musik und den genauen Vorschriften für Bewegung, Handlung und Rede schuf somit ein überaus abgezirkeltes und kompliziertes Gefüge aus Ritualen, die jeweils für eine bestimmte Gelegenheit und einen besonderen Zeitpunkt galten. Stichwort: "KONFUZIUS sagt...!" Der Zweite, mit dem bitteren Gesichtsausdruck, ist der Weise BUDDHA. Dieser empfand das Erdenleben als bitter, voller Abhängigkeit und Begierden, die nur Leiden bescherten. Nach seiner Sicht stellte die Welt überall Fallen und gaukelte Illusionen vor. 1-56

69 1.7. Philosophien und Religionen Um Frieden zu finden, muss sich der Buddhist notwendigerweise aus der "Welt des Staubes" ins Nirwana erheben, wörtlich einem Zustand der Windstille. Die lebensbejahende Einstellung der Chinesen veränderte den Buddhismus zwar wesentlich, nachdem er von seinem Ursprungsland Indien nach China gekommen war, jedoch fand auch in China der gläubige Buddhist den Weg zum Nirwana oft versperrt durch den bitteren Wind des Alltagslebens. Laotse: Der Dritte mit dem Lächeln ist der Weise LAOTSE. Mit seinem Buch "Tao Te King", dem "Buch vom Sinn und Leben" beschrieb LAOTSE philosophisch den Taoismus. Nach Leben ist süß, interessant LAOTSE konnte jeder allezeit die Harmonie finden, die von Natur aus und von Anfang an zwischen Himmel und Erde besteht ohne Einhaltung der konfuzianischen Regeln! Im Taoismus ist die Erde im Grunde eine Reflexion des Himmels und den gleichen Gesetzen unterworfen - nicht den Gesetzen des Menschen! Diese Gesetze wirken sich nicht allein auf die Bahnen ferner Planeten aus, sondern auch auf das Treiben der Vögel im Wald und der Fische im Wasser. Je mehr der Mensch die durch allumfassende Gesetze geschaffene Mensch stört und gelenkte natürliche Ausgewogenheit verändert, in desto weitere Ferne verschwindet Gleichgewicht die Harmonie. Nach LAOTSES Auffassung legt die Welt keine Fußangeln aus, sondern erteilt wertvolle Lehren. Statt sich von der "Welt des Staubes" abzuwenden, rät LAOTSE seinen Mitmenschen, sich "mit dem Staub der Welt zu vereinen". Warum aber lächelt LAOTSE beim Geschmack des Essig? Nach taoistischer Auffassung rühren das Saure und die Bitterkeit vom Verstand her, der störend und nichtachtend eingreift. Das Leben an sich ist süß, wenn man es so begreift und nutzt, wie es nun einmal ist. Das ist die Botschaft der Essigkoster. Doch was haben diese Weltanschauungen für eine Bedeutung in den Kampfkünsten und im Ju-Jutsu? Weltanschauungen und Zweikampf Nach ALFRED PETERS 57 ist Kämpfen schicksalhaft. Dieses bezieht sich auf Kämpfe, die um Leben und Tod gehen. Wettkämpfe sind in seiner Definition Spiele und besitzen keine überdauernde Bedeutung. In diesen Kämpfen besteht die Gefahr, das Leben zu verlieren oder massive gesundheitliche Schäden zu erleiden. Nicht jeder besitzt die Bereitschaft, sich solchen Kämpfen zu stellen. Ängste können das eigene Handeln blockieren und schließlich können Schuldgefühle das Leben nach einer Auseinandersetzung belasten. 57 Vergl. (author?) [Pet27] Seite??? 1-57

70 KAPITEL 1. JU-JUTSU Weltanschauungen können uns helfen, uns auf einen Kampf vorzubereiten, beim Kämpfen uns auf den Kampf zu konzentrieren und schließlich uns mit den Folgen zu arrangieren.??? Verhältnismäßigkeit??? Kultur, Ethos 1-58

71 1.7. Philosophien und Religionen Konfuzianismus KONFUZIUS ist der lateinisierte Name des Begründers KONGFUZI, den christliche Mönche des 17. Jahrhunderts prägten. KONGFUZI wurde 551 v. Chr. in Qufu in der heutigen Provinz Shandong geboren. Er starb vermutlich 479 v. Chr. Der Konfuzianismus beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Rolle des Individuums im gesamtgesellschaftlichen Beziehungswerk. Laut Konfuzianismus sollen die Familien in Harmonie leben, damit das Dorf in Harmonie ist. Sind die Dörfer in Harmonie, so auch die Provinzen, und schließlich das ganze Reich. Auf dieser Grundlage sind die 5 Tugenden und 3 sozialen Pflichten verständlich. Die 5 Tugenden Gegenseitige Liebe oder Menschlichkeit Rechtschaffenheit Gewissenhaftigkeit Ehrlichkeit Gegenseitigkeit Abb Kongfuzi 3 soziale Pflichten Loyalität kindliche Pietät (Verehrung von Eltern und Ahnen) Wahrung von Anstand und Sitte (Etikette und Zeremonien) Dem Konfuzianismus liegen 9 Bücher zugrunde, obwohl KONGFUZI selbst kein einziges geschrieben hat. Die fünf klassischen Bücher (Wu Ching) Yijing (Buch der Wandlungen) Shijing (Buch der Lieder) Shujing (Buch der Urkunden) Chunqiu (Chronik China vom 8. bis 5. Jhd. v. Chr.) Liji (Buch der Riten) Die vier Bücher (Shih - shu) Lun-yü (Die Analekten 58, Grundlage der Philosophie des KONGFUZI) 58 Analekten (gr. Aufgelesenes) bezeichnet eine Sammlung von Aussprüchen. 1-59

72 KAPITEL 1. JU-JUTSU Ta-hsüeh (Sammlung kommentierter Aussprüche KONGFUZIS) Chung-yung (Weitere Aussprüche) Mencius (Betrachtungen von MENTIUS, einem Schüler KONGFUZIS) 1-60

73 1.7. Philosophien und Religionen Buddhismus Gründer: Prinz SIDDHARTA GOTAMU, geb. 560 v. Chr., gest. 480 v. Chr. Prinz SIDDHARTA GOTAMU wurde mit 29 Jahren zum Wanderasketen und fand durch tiefe Meditation den Weg der Loslösung von der Welt, das Erwachen im Nirwana. Er wurde später "BUDDHA" (der Erwachte), genannt. Hauptinhalte des Buddhismus sind die "vier heiligen Wahrheiten": Wahrheit vom universalen Leiden (duhka): Das ganze Leben ist Leiden: Geburt, Krankheit, Tod. Entstehung des Leidens: Mechanische und psychologische Ursachen verursachen das Leiden, körperliche Berührung erzeugt Triebkräfte und Geistesregungen, die zu einer Ursachenkette führen. Taten verlangen eine Tatenvergeltung, die zu immerwährender Wiedergeburt führt. Aufhebung des Leidens: Die Aufhebung des Leidens ist nur im Nirwana möglich, einem Zustand der Befreiung von jeder Befleckung, von jeder Bindung an die Welt, von der Unwissenheit, von der Begierde, hin zur "ich-leeren empirischen 59 Person". Weg zur Aufhebung des Leidens: Der Weg zum Nirwana ist achtgliedrig: Tugendhafter Lebenswandel, Anerkennung der 4 heiligen Wahrheiten, Entsagung, Reden und Handeln, das keinem Leid antut, rechtes Streben, Überwindung der Leidenschaften durch Meditation, Überwindung der Begierde, u.a. durch Atemübungen. Glaubensrichtungen: Hinayana-Buddhismus (das kleine Fahrzeug): Erreichen des Nirwanas nur durch Mönche Mahãyãna-Buddhismus (das große Fahrzeug): Erreichen des Nirwanas durch alle Gläubigen Mãdhyamika-Schule (Mittelweg): Alles ist Schein, selbst BUDDHA und das Nirwana Yogãcãra-Schule (Yoga): Alles ist Schein, nur nicht der reine Geist. Diese Richtung wurde auch nach Japan weitergetragen und bildete dort ab dem 13. Jahrhundert die Grundlage des Zen- Buddhismus. 59 v. griech.: empeiría = die Erfahrung 1-61

74 KAPITEL 1. JU-JUTSU Tantrischer Buddhismus: Einbeziehung von magischen Formeln und Wunderkräften. Moderner Buddhismus: Beibehaltung von drei Mönchsgelübden: grenzenlose Friedfertigkeit, Armut und sexuelle Enthaltsamkeit (Letzteres lockerten die Japaner beim Zen-Buddhismus!). Zugleich Anpassungsfähigkeit in moderne Staatsformen, Engagement in sozialen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern, etc. mit Verpflichtung zur sozialen Hilfe und Nächstenliebe bis -480 ca Leben des Buddha -480 ca. 1. (legendäres?) Konzil zu Rãjagriha -380/ Konzil in Vaisãli -324 bis Dynastie der Maurya, vor allem Regierungszeit des Asoka des Frommen (-272 bis -236) Konzil in Pãtaliputra. - Missionstätigkeit in Ceylon -32 bis -32 Schriftliche Festlegung des Buddhistischen Pãli-Kanons auf Ceylon 0 bis 100 Entstehung des Mahãyãna. - Buddhismus in China 100 bis 200 Regierungszeit des Kanishka. Werk des Mahãyãna-Dichters Asvaghosha. 200 bis 300 Älterer Buddhismus nach Kambodscha und Indonesien. 250 ca. Nãgãrjuna, Gründer der Mittelweg-Schule (mãdhyamika) 370 bis 500 ca. Asanga, Gründer der Yogãcãra-Schule 400 bis 500 Älterer Buddhismus nach Burma 522 ca. Buddhismus nach Japan 600 bis 700 Mahãyãna in Burma; Älterer Buddhismus in Thailand (Siam) 600 bis 700 Saraha, Lehrer des Tantrismus. Verfall des indischen Buddhismus. 700 bis 800 Tantrismus nach China. - Mahãyãna und Tantrismus in Indonesien 750 ca. Tantrismus in Tibet 770 ca. Mahãyãna nach Kambodscha 1050 ca. Bekehrung von Burma vom Theravãda B. (älteren B.) 1170 ca. Ende des indischen Buddhismus 1200 bis 1300 Bekehrung von Thailand zum Theravãda B.. - der tibetische Lamaismus in der Mongolei 1300 bis 1400 Theravãda B. in Kambodscha und Laos. - Reform des Tibetischen Buddhidmus und Bildung der "Gelben Kirche" 1400 bis 1500 Bekehrung Indonesiens zum Islam 1500 bis 1600 Bekehrung der Mongolei zum tibetischen Buddhismus Konzil der Theravadin in Thailand Konzil in Mandalay (Burma) Konzil in Rangun Tabelle 1.2 Zeittafel des Buddhismus 1-62

75 1.7. Philosophien und Religionen Hinduismus Entstehung ca. im 15. Jahrhundert vor Christus, von dort beginnend geschichtlich gewachsene Religion in Indien. Hauptquellentext des Hinduismus ist das "Bhagavadgita (BhG)", geschrieben ca. im 2. Jahrhundert vor Christus, entspricht in etwa dem Alten Testament des Christentums. Der Hinduismus unterscheidet "vier Lebensabschnitte" des menschlichen Lebens: Leben als Schüler bei einem Guru: Leben nach Traditionen und in strenger Enthaltsamkeit. Heirat, Familie, Beruf: Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bis der erste Enkel zur Welt kommt. Mann und Frau: Intensives Zusammenleben von Mann und Frau, Nachholen des bisher Versäumten. Einsiedlertum: Befreiung von Familie und Kaste, Loslösung von allen weltlichen Banden. Zu den vier Lebensabschnitten kennt der Hindu vier Kasten ( = gesellschaftliche Schichten, analog Bauer, Handwerker, Adel, etc.) und vier Grundwerte. Die vier Grundwerte sind: Kama = das Verlangen, die Begierde Arta = Wohlstand, Vermögen, Ansehen Dharma = rechtschaffenes Leben in der Gemeinschaft Moksha = Erlösung, Befreiung, Tod Der Hinduismus kennt verschiedene Götterbilder (Brahma, Vishnu, Shiva = Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung des Alls) und diverse Propheten und Gurus (Tilak, Gandhi, Radhakrishnan). Das Tun ( = Karma) ist als Handeln in jeder Situation des Lebens vorher bestimmt. Durch Seelenwanderung ist das gegenwärtige Leben vom guten und bösen Tun voriger Existenzen geprägt. (Anmerkung: Aufgrund dieses Glaubens betrachtet der Hinduismus auch Jesus Christus als eine "Herabkunft Gottes", genau wie den Hindu-Gott Krishna). Deshalb wird im vierten Lebensabschnitt "Moksha" erstrebt, "Moksha ist die Befreiung von allen Fesseln, die Befreiung von aller Veränderlichkeit, Endlichkeit und Materialität". 1-63

76 KAPITEL 1. JU-JUTSU bis ca. Industal-Kultur ab ca. Arische Einwanderung in Indien; Entwicklung der vedischen Literatur; "Brahmanismus" -560 bis -480 Leben des Buddha (tradit. Datierung) -700 bis -200 ca. Upanishaden -500 bis 500 klassischer Hinduismus; Entstehung der Dharmasutras und der Grundzüge der sechs orthodoxen Systeme -327 bis -325 Alexander der Große in Nordwestindien -500 bis 400 ca. Entstehung der Mahabharata -400 bis 200 ca. Entstehung der Ramayana -200 ab ca. Bhagavadgita -200 bis 200 Periode des größten buddhistischen und jainistischen Einflusses in Indien -200 bis 600 Expansion des Hinduismus nach Südostasien und Indonesien 100 bis 600 Entstehung der älteren Puranas 400 ca. Kalidasa 600 ab Hochblüte des Vedanta; Shankara (trad. Datierung ) 400 bis 1000 Bhagavata-, Pancaratra-Vishnuismus; brahmanistische Rekonstruktion; Entwicklung des Tantrismus 700 ab Kashmirischer Shivaismus 900 ab Verschwinden des Buddhismus in Indien 1000 ab Blütezeit der Bhakti-Bewegung 1193 Die muslimischen Fürsten von Ghor erobern Delhi 122 bis 1400 Ausdehnung der moslemischen Herrschaft (Eroberung des Dekkan und des Südens) 1469 bis 1539 Guru Nanak, Begründer der Sikh-Religion 1485 bis 1533 Caitanya (Hochblüte der Bhakti) 1498 Vasco da Gama in Indien 1526 bis 1761 Moghul-Zeitalter 1757 Schlacht bei Plassey (Begründung der englischen Oberherrschaft) 1828 Gründung der Brahmo-Samaj M. K. Gandhi 1947 Politische Unabhängigkeit Indiens; Teilung des Subkontinents in Pakistan und Indien nach dem Kriterium der Religion 1966 Schaffung des Bundesstaates Panjab; fortgesetzte Agitation für einen unabhängigen Staat der Sikhs 1990/91 Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Hindus um die Moschee am legendären Geburtsort Ramas in Ayodhya Tabelle 1.3 Zeittafel des Hinduismus 1-64

77 1.7. Philosophien und Religionen Taoismus Der Taoismus wird LAOTSE (6. oder 4. Jh. v. Chr. China) zugeschrieben. Die historische Person LAOTSE ist durchaus nicht unumstritten. Sein Erscheinen ist nicht genau datierbar und es existieren auch Theorien, die ihn als Name für mehrere unbekannte Philosophen halten. (Die Berühmtheit von LAOTSE widerspricht einem Grundprinzip des Taoismus!) Eine wichtige Rolle spielt das Tao selbst, es ist unbeschreibbar, unfassbar, es ist aber da, aus ihm entstanden Erde (Ying) und Himmel (Yang). Die Prinzipien des Taoismus: Abb Laotse Einheit der Gegensätze: "Bitter" existiert nicht ohne "süß", "schön" nicht ohne "hässlich. Prinzip der Rückkehr: Alles möchte wieder an seinen Ursprung zurück, nachdem es sich von ihm entfernt hat. Laotses Ethik: Der Mensch soll nach dem Tao streben. Um aber dieses erfassen zu können, muss er selbst passiv sein. Die "Nichtexistenz-vom-Tun" (wu-wei) wird zum Leitmotiv erhoben. Dieses soll nicht heißen, gar nichts zu tun, sondern nicht zwanghaft zu wollen. Um dieses zu verdeutlichen, einige seiner Lebensweisheiten: Gelassenheit Wer selber scheinen will, wird nicht erleuchtet. Wer selber sich rühmt, vollbringt nicht Werke. Wer gut zu kämpfen weiß, ist nicht zornig. Wer gut die Feinde zu besiegen weiß, der kämpft nicht mit ihnen. LAOTSE sieht den Menschen zuerst als gut an. Erst durch unnatürliche Regeln wird er schlecht. Er braucht also keine Regeln. Ein weiterer wichtiger Autor ist CHUANG CHOU. Nach diesen Klassikern folgt die Zeit des Didaktischen Taoismus. Dieser versucht, Methoden zur Vervollkommnung des Taos zu geben. Gebiete zur Vervollkommnung: Methoden der Atemführung gymnastische Methoden 1-65

78 KAPITEL 1. JU-JUTSU sexuelle Methoden pharmazeutische und alchemistische Methoden klimatherapeutische Methoden diätische Methoden Um den Taoismus noch besser zu verstehen, ist ein Blick in seine Entstehungszeit hilfreich: [... ] In Zeiten des Verfalles gruben die Herrscher nach Mineralien, sie schürften nach Erz und bauten Jade ab, sie öffneten und polierten Muscheln, schmolzen Bronze und Eisen; es konnte nichts blühen und gedeihen. Sie öffneten trächtigen Tieren den Bauch, jagten Schildkröten ihres Panzers wegen, brannten die Wiesen ab, um ihre Felder zu vergrößern, kippten die Vogelnester um und entnahmen die Eier, also konnte sich der Phönix nicht niederlassen und die Einhörner streiften nicht umher.[... ] Aus: Also sprach Lao Tse / ISBN Eine gewisse Ähnlichkeit zu herrschenden Verhältnissen kann nicht geleugnet werden. Der Taoismus hat nichts von seiner Aktualität verloren. Auch ist er kein starres System, Veränderungen werden in ihn aufgenommen, sofern sie mit den Prinzipien vereinbar sind. Der Taoismus ist als Geisteshaltung und als System der Ausbildung chinesischer Mentalität auch heute ein wichtiges Fundament Chinas. 1-66

79 1.7. Philosophien und Religionen Shintoismus Shintoismus (japanisch "shinto": Weg der Götter) ist eine Naturreligion. Natur- und Ahnenvererbung bilden das Fundament, ein theologisches System wurde aber nicht gebildet. Es existiert auch keine von Gott offenbarte Schrift. Strenge Normen (Pflichterfüllung, Ehrlichkeit und Selbstbeherrschung) bestimmen noch heute Wertvorstellungen und Verhaltensstrukturen Abb Schrein der japanischen Gesellschaft. Der Shintoismus geht auf einen Weltentstehungsmythos zurück. Jeder, der sich zu diesem Mythos bekennt, ist ein Shintoist. Im Shintoismus ist alles beseelt, alles wird als Sitz von Göttern angenommen. Somit existieren auch Millionen von Schreinen, an denen die eine oder andere Gottheit verehrt wird. Es werden 3 Richtungen des Shintoismus unterschieden: Schrein-Shintoismus: Verehrung von Göttern an eben diesen Schreinen. Volks-Shintoismus: Leben nach den Regeln des Shintoismus. Sekten-Shintoismus: ab dem 19. Jh. starke Vermischung mit anderen Religionen Noch heute hat der Shintoismus seinen festen Platz in der japanischen Gesellschaft. Bei fast allen öffentlichen Veranstaltungen werden entsprechende Zeremonien durchgeführt bis -100 Yayoizeit in Japan: Entstehen des Shintoismus 500 ca. Der Shintoismus erhält seinen Namen, Ideen des Konfuzianismus werden mit aufgenommen, Abgrenzung zum Buddhismus erfolgt. 645 Shintoismus wird vom Kaiserhaus und den herrschenden Familien übernommen. 800 ab Shintoismus und Buddhismus verschmelzen, shintoistische Götter werden als Reinkarnation von Buddha verehrt ab Ideen einer Differenzierung von Buddhismus und Shintoismus kommen auf 1868 Meijireform; Shintoismus wird Staatsreligion 1871 offizielle Trennung von Shintoismus und Buddhismus 1945 Auflösen dieser Staatsreligion durch die Amerikaner 1946 Neuorganisation der Glaubensgemeinschaften als private Stiftungen Tabelle 1.4 Zeittafel des Shintoismus 1-67

80 KAPITEL 1. JU-JUTSU 1.8 Kampfkünste in der Welt Kampfkünste und Kampfsport existieren überall auf der Welt. Kriegerische Auseinandersetzungen zwangen den Menschen schon früh, sich mit dem effektiven Kampf ums Überleben auseinanderzusetzen. Aber auch die soziale Position innerhalb einer Gesellschaft war früher und teils auch noch heute gekoppelt an körperliches Können. Im Gegensatz zu kriegerischen Auseinandersetzungen finden die Hierarchiekämpfe meist unter Regelsystemen statt, die Todesfälle oder Verletzungen zu vermeiden versuchen 60. Werfen wir nun ein Blick auf einige Systeme dieser Welt. Ihre Darstellung ist stark vereinfacht und soll nur einen Überblick vermitteln Nordamerika Indianerstämme übten sich im Gebrauch von Pfeil und Bogen sowie dem Tomahowk. Aber auch Ringkämpfe mit Einsatz von Würfen, Tritten und Armhebeln waren üblich. Diverse Kampfspiele zur Schulung der Geschicklichkeit waren bekannt. In der Gegenwart bilden sich vielfältige Systeme, die bestehende Kampfkünste kombinieren. Dieses ist darin begründet, dass sehr viele Einwanderer ihre Kampfkünste mitbrachten und sich untereinander austauschten. Gerade die sehr sachliche Auseinandersetzung mit den Prinzipien lässt immer wieder neue und interessante Systeme entstehen Kickboxen Das Kickboxen (früher auch Sport Karate oder Contact Karate) entstand 1974 und war ursprünglich keine eigenständige Kampfkunst sondern eine Wettkampfform, in der sich Kämpfer unterschiedlicher Kampfkünste messen konnten (z. B. Karate, Teakwondo,... ) wurden die WAKO (World All-Style Karate Organisation) und die WAKO- Germany in Berlin gegründet. Kickboxen hat sich mittlerweile verselbstständigt und wird als eigenständiger Kampfsport geführt Jun Fan Kung Fu & Jeet Kune Do Auf BRUCE LEE gehen das Jun Fan Kung Fu 61 und J.K.D. 62 zurück. Das Jun Fan Kung Fu ist BRUCE LEES Eigenentwicklung. Stark beeinflusst durch das WT er- 60 Regelsysteme können leider die ungewollten Verletzungen nicht entgültig verhindern. Siehe auch??? 61 «Jun Fan» heißt kleiner Drache und ist der chinesche Name von Bruce Lee. 62 «Jeet Kune Do» bedeutet Weg der unterbrechenden Faust (The way of the intercepting fist). 1-68

81 1.8. Kampfkünste in der Welt kannte er, dass auch andere Systeme effektive Techniken und Prinzipien zu bieten hatten. Im Jun Fan Kung Fu trug er die für ihn effektivsten Techniken zusammen. Techniken aus dem Fechten, dem Boxen, dem französischen Kickboxen (Savate 63 ) und dem russischen Ringen (Sambo 64 ) flossen neben japanischen und chinesischen Künsten ein. In einer zweiten Schaffensperiode entwickelte er das J.K.D, ein System von Konzepten für den Kampf und das Training des Kämpfens. Das J.K.D. ist stark philosophisch 65 geprägt und dient auch der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit. Die Grundidee von JIDDU KRISHNAMURTI 66 «Truth is a pathless land» findet sich als «Having no way as way - having no limitation as limitation» im J.K.D. wieder. Abb Bruce Lee Mixed Martial Arts MMA ist die Abkürzung für «Mixed martial arts» und bezeichnet keine Kampfkunst im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr eine Auffassung von Kampfkünsten, die geprägt ist durch einen Wettkampf mit spezifischem Regelsystem. Das Regelsystem lässt das Kämpfen in allen Distanzen zu (Stand und Boden). «Vale tudo», «Ultimate Fighting», «Shooto» und viele mehr sind alles MMA-Wettkämpfe mit jeweils etwas abweichenden Regelsystemen. Ein MMA-Kämpfer ist im Allgemeinen kein Anhänger eines Abb MMA einzelnen Stils, sondern entnimmt unterschiedlichen Stilen Elemente, die er persönlich nutzen kann. Nicht das jeweilige System, sondern der Kämpfer ist maßgeblich. 63 Siehe Siehe BRUCE LEE studierte Philosopie an der Universität Washington. 66 JIDDU KRISHNAMURTI war Philosoph an der Universität Washington. 1-69

82 KAPITEL 1. JU-JUTSU Südamerika Unterschiedliche Indianerstämme führten Stockkämpfe sowohl kultureller als auch handfester Natur aus. Bekannt ist noch die Quarupe, die Kampfkunst der Xingu-Indianer. Ziel war es, den Gegner zu Boden zu werfen und gleichzeitig die Kniekehle des Gegners zu berühren. Der Kampf wurde von Stammesmitgliedern nach einem Punktesystem bewertet Capoeira (Brasilien) Abb Mestre Bimba Der Begriff Capoeira taucht erstmals in Berichten um 1597 auf. Seine Entstehung geht wohl zurück bis in die afrikanische Heimat der nun brasilianischen Schwarzen. Aber auch die Quarupe, die Kampfkunst der in Brasilien lebenden Xingu-Indianer, beeinflusst vermutlich die Capoeira 67. Als Kampfkunst eines versklavten Bevölkerungsteiles wurde Capoeira schon sehr bald verboten (um 1808). Die im Untergrund weiterhin trainierenden Capoeirista wurden zwischen 1920 und 1927 besonders stark verfolgt, sodass die Capoeira- Kultur von Rio de Janeiro und Sao Paulo vollständig zerstört wurde. Erst 1937 wurde Capoeira unter staatlicher Aufsicht legalisiert. Mestre BIMBA (geb. MANUEL DOS REIS MACHADO) (Capoeira Regional) und Mestre PASNAMTINHA (Capoeira Angola) waren die Begründer zweier von drei Hauptrichtungen, deren dritte um 1960 (Capoeira Regional-Senzala) in Rio de Janeiro durch ehemalige Schüler Mestre BIMBAS entstand. Das Regional-Senzala verbreitete sich schnell auch in "westlichen" Kulturkreisen, wohl auch durch die von Mestre BIMBA eingeführten Trainingsmethoden. Aber auch das traditionellere Capoeira Angola gewinnt wieder mehr an Anhängern. Die traditionelle Trainingsform in der Capoeira ist die Roda, das Spielen im Kreis. Die Gruppe bildet singend und musizierend einen Kreis um die Spielenden. Dieses Spiel ist eine Hinführung zum Kampf, bei der Angriffe kontrolliert werden. 67 Vergl. [Wik07b] 1-70

83 1.8. Kampfkünste in der Welt Brasilian Ju-Jutsu Das Brasilian Ju-Jutsu war lange Zeit fast gleichbedeutend zum Gracie-Ju-Jutsu. CARLOS GRACIE lernte bei MITSUYO MA- EDA ab 1914 Jiu-Jitsu. HELIO GRACIE lernte von seinem Bruder CARLOS diese Kampfkunst, musste sie aber für sich modifizieren, da er wesentlich schwächer als sein Bruder war. Diese Modifikation ist das Gracie-Ju-Jutsu, das seinen Schwerpunkt weniger auf Schläge und Tritte setzt, sondern versucht, schnell in den Boden zu gelangen. HELIO kämpfte sehr viele Vale- Tudo-Kämpfe und verbreitete so sein Ju-Jutsu. Seine Söhne (insbesondere ROYCE und RORION) waren auch sehr erfolg- Abb Helio Gracie reiche Kämpfer bei den «Ultimate Fighting Championships» (UFC), die übrigens von Rorion gegründet wurden. Neben der Familie GRACIE ist auch die Familie MACHADO bekannt. Neben dem schnellen Unterlaufen der Schlag- und Trittdistanz ist das Kämpfen aus der Bottom-Guard-Position bemerkenswert. Auf dem Rücken liegend zu kämpfen, ist im Judo und im Ringen ungünstig, wird dort also vermieden. In Vale-Tudo-Kämpfen hingegen ergeben sich keine wesentlichen Nachteile, jedoch der Vorteil, dass Ringer in dieser Position nicht gut kämpfen können Europa Nur einige Beispiele: Jogo do pau (Portugal) Aus der mittelalterlichen Fechtkunst ging das «Jogo do pau» (deutsch: wörtlich Spiel des Stockes) hervor. Gekämpft wird mit Stöcken von 120 bis 180 cm Länge. Die Kampfkunst, die sich in den ländlichen Gebieten Portugals entwickelte, besitzt eine große Ähnlichkeit zum «Juego del Palo» ebenso eine Kampfkunst mit langem Stock, die auf den Kanaren praktiziert wurde und wird. Über eine direkte Verbindung dieser Kampfkünste konnte ich nichts finden, jedoch lässt sich die Waffe auf den Hirtenstab zurückführen. 1-71

84 KAPITEL 1. JU-JUTSU Glíma (Island) Das Glíma ist ein Standringkampf, der durch Niederwurf gewonnen wird. Es wurde vermutlich durch Wikinger um 900 n. Chr. nach Island gebracht. Im Unterschied zu anderen Ringstilen müssen sich die Kämpfenden ständig umkreisen und über die Schulter des anderen schauen. Es ist nicht erlaubt, auf den Gegner zu fallen, oder ihn zu Boden zu stoßen. Glíma wird auch heute noch in nationalen Spielen betrieben. Die Techniken sind judoähnlich. Ausheber, Sicheln und Feger aber auch der Hüftwurf sind bekannt. Abb Glíma Frankreich Auch hier existierte ein Ringkampf, sehr ähnlich dem Judo. Im Mittelalter kam dann das Fechten als Kampfkunst dazu. Die Dominanz der italienischen Fechtschule wurde um 1630 zugunsten einer eigenen Fechtschule abgelegt. Diese basierte auf dem Florett Savate-Boxe Française (Frankreich) Aus der waffenlosen Kampfkunst der Seeleute, die schon zur Ausbildung der französischen Soldaten zur Zeit der Revolutionskriege (1789 bis 1799) genutzt wurde, entwickelte sich von 1800 bis 1877 unter Führung von MICHEL CASSEUX ( ) das heutige Savate. Bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris wurde Savate einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Abb Savate Savate wird heute auch als Schulsport in Frankreich anerkannt 68. Statt der in japanischen Stilen üblichen Gürtelfarben kennzeichnen farbige Handschuhe den erreichten Grad des Trägers. Die Bezeichnungen der Techniken sind natürlich französisch, die Techniken selbst ähneln aber denen des Ju- Jutsu. So z. B.: Chassé Frontal (Fußstoß vorwärts) Chassé Lateral (Fußstoß seitwärts) Fouetté (Halbkreisfußtritt) 68 [Lin98, 72f.] 1-72

85 1.8. Kampfkünste in der Welt Canne de Combat (Frankreich) Canne de Combat (franz. la canne = Spazierstock) geht zurück auf die französische Fechtkunst. Als im 19. Jahrhundert das Tragen von Waffen in Frankreich verboten wurde, wurde der Spazierstock als Waffe zur Selbstverteidigung genutzt. Canne de Combat war Teil des Programms der Olympischen Spiele 1924 in Paris. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kampfkunst fast vergessen, bis MAURICE SARRY sie wiederentdeckte. Ab 1970 wurde das Canne de Combat zu einem Wettkampfsystem umgewandelt. Gefährliche Techniken wurden herausgenommen und Stock sowie Schutzausrüstung vorgeschrieben. Das Canne de Combat ist eng mit dem Savate verbunden. Abb Canne de Combat Boxen (England) Abb Boxen Boxen ist eine der ursprünglichsten Formen des Zweikampfes. Schon 2000 v. Chr. fanden Boxkämpfe in Ägypten statt. Boxen war Bestandteil der Olympischen Spiele des Altertums. Früheste Darstellungen des Boxens werden auf 7000 v. Chr. datiert. Die Ursprünge des modernen Boxens liegen aber im England des 18. Jahrhunderts. Der Fechtmeister JAMES FIGG stellte das erste Regelwerk auf. Ein Boxkampf dieser Zeit bot einen etwas sonderlichen Eindruck. Die Kämpfenden standen sich aufrecht gegenüber, ihr Stand ähnelte eher dem Fechten. Gekämpft wurde mit ungeschützten Fäusten, die Bewegungen spielten sich ähnlich wie beim Fechten auf einer Linie ab. Das Boxen der damaligen Zeit war noch blutiger als das heutige Boxen. Kieferbrüche und ausgeschlagene Zähne waren üblich, auf die Fäuste musste besonders geachtet werden, damit sie nicht brachen. JACK BROUGHTON war der erste, der im Jahre 1743 die Boxregeln schriftlich fixierte. Aber sein wichtigster Beitrag lag darin, die starren Bewegungen auf einer Linie aufzubrechen. Seit ca nutzte er für den Unterricht im Boxen auch erste Vorläufer von Handschuhen. Doch es sollte noch bis 1867 dauern, bis Boxhandschuhe durch die «Queensberry Regeln» zur Pflicht wurden wurden die «Broughton Rules» durch die «London Prize Ring Rules» abgelöst. Mit ihnen wurde der Boxring eingeführt und die Hände wurden bandagiert, um sie zu schützen wurde Boxen olympisch. 1-73

86 KAPITEL 1. JU-JUTSU Im Bild 1.28 ist eine ungewöhnliche Art der Deckung zu sehen. Die heutige Art der Deckung ist erst 19?? durch philippinischen Einfluss entstanden. Ein sehr interessanter Artikel zur Entstehung der modernen Boxkunst ist «Pugilistik oder von der noblen Kunst der Selbstverteidigung» von PETER MIÑOZA 69. Abb Codex Wallenstein Deutschland Der Ringkampf war schon im Mittelalter verbreitet. Es gab auch schon entsprechende Literatur: 1537 erschien die "Ringerkunst" von FABIAN VON AUERSWALD. Schon vorher finden sich Zeichnungen waffenloser Selbstverteidigung z. B. im «Codex Wallenstein» (ca. 1470). Diese Zeichnungen vermitteln eine solche Dynamik, wie es die Fotografien aus den Anfängen des Jiu-Jitsu in Deutschland nicht vermögen. JAHN und GUTSMUTHS verbreiten um 1800 das Ringen als Form der Körperertüchtigung. Ebenso wurde Fechten in Deutschland betrieben. Das «i33» ist das vermutlich älteste überlieferte Fechtbuch, es wurde um 1280 geschrieben. Berühmt ist auch das Fechtbuch von HANS TALHOFFER von Bemerkenswert ist, dass das Fechten sehr taktisch aufgebaut wird. Die «Huten» sind Vorkampfstellungen, in denen der Fechter einen Angriff erwartet. Überbleibsel des Fechtens haben sich in den Burschenschaften als Mensur 70 erhalten. Die mittelalterlichen Kampfkünste waren ein ganzes System zur Ausbildung von Rittern und Soldaten. Schon im Kindesalter übten sich die angehenden Soldaten im Ringen. 69 Siehe [Min04]. 70 Die Mensur (lat. mensura = Abmessung) hat sich aus der studentischen Selbstverteidigung entwickelt wurde den Studierenden das Tragen von Waffen gestattet, da sie häufig weit reisen mussten. Im Laufe der Zeit wurde aus der Selbstverteidigung ein formales System. Auffällig ist, dass die Fechter (Paukisten) heute starr stehen bleiben, da durch Testanten bewertet wird, ob ein Paukist standhaft ist. 1-74

87 1.8. Kampfkünste in der Welt Als Jugendliche übten sie sich im Kriegsringen (mit einem Dolch). Im Schwertkampf schließlich finden sich sehr viele hochmoderne Ansätze für den Zweikampf. In einer Vorkampfstellung erwartet der Kämpfer einen Angriff, um diesen mit einem «Meisterhau» gleichzeitig zu kontern. Hierbei finden Gegenangriff und Abwehr gleichzeitig statt. Distanz und Winkel zum Gegner sind auch hierbei entscheidend Griechenland Der Faustkampf (Pygme) wurde erstmal bei den 23. Olympischen Spielen des Altertums 688 v. Chr. ausgetragen. Viele Regeln gab es nicht. Die Hände wurden mit Leder umwickelt und alle empfindlichen Stellen wurden angegriffen. Auch der Ringkampf (Pale) war Bestandteil der Olympischen Spiele des Altertums. Berühmt ist das Pankration, das 648 v. Chr. erstmals zu den olympischen Spielen des Altertums zugelassen wurde. Das Pankration ist eine Mischung aus dem Ringen (Pale) und Boxen (Pygme). Schläge und Tritte, Knie- und Ellenbogenstöße aber auch Würfe, Hebel und Würgegriffe sowohl im Stand als auch Abb Pankration im Bodenkampf waren erlaubt, nur das Beißen des Gegners und das Eindrücken der Augen waren verboten. Zu vergleichen ist es mit den heutigen Free-Fights Afrika Indonesien Pencak Silat (Kampf) Die ursprünglichen indonesischen Kampfkünste wurden vermutlich durch indische und chinesische Künste beeinflusst. Schon ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. wurden sie als Kriegskünste verwendet. Während der Kolonisation durch Holland wurden die Kampfkünste verboten. Im 2. Weltkrieg gewann das Silat als SV gegen die japanischen Besatzer wieder an Bedeutung wurde ein Zentralverband gegründet, der die unterschiedlichen Stile zusammenfasste und ein einheitliches Wettkampfsystem einführte Siehe Vergl. [Mal99] 1-75

88 KAPITEL 1. JU-JUTSU Philippinen Kali, Arnis,... Schon 1178 durch den Chinesischen Geschichtsschreiber CHOU KU FEI wird von der Geschicklichkeit der Einwohner im Kämpfen berichtet. Das Üben des Umganges mit einer Waffe war nicht nur bestimmten Kasten vorbehalten. Aber nur wenige trainierten unter Meistern. Für getötete Gegner gab es Tätowierungen. Durch die vielen Inseln entwickelten sich viele unterschiedliche Systeme. Beeinflusst wurden die philippinischen Systeme auch durch das indonesische Silat und die chinesischen Kampfkünste. Während der Kolonialisierung durch Abb Dan Inosanto Spanien (ab 1565) wurden die Kampfkünste verboten. In dieser Zeit wanderten viele Philippinos aus oder dienten gar als Söldner unter den spanischen Besatzern. Beeinflusst wurden die Söldner von der spanischen Fechtkunst (Esgrima Eskrima), insbesondere vom Umgang mit Schwert und Dolch (Espada y Daga). Natürlich waren Waffen bald verboten, sodass mit Rattanstöcken weitergeübt wurde. Als dann die Kampfkünste selbst verboten wurden, versteckte man das Training in den Moro- Moro Spielen oder Tänzen. Auf die dabei getragenen Unterarmschützer (Arnes de Mano) geht der Begriff Arnis zurück. Nach der späteren Befreiung von der dann amerikanischen Fremdherrschaft wurde Arnis vom Unterrichtsministerium gefördert. Bis 1970 wurden die Kampfkünste auch bei privaten Streitigkeiten eingesetzt. Diese endeten nicht selten mit dem Tode. DAN INOSANTO, einem Trainingspartner von BRUCE LEE, gelang es, das Kali international bekannt zu machen Asien Ringen in Mesopotamien 73 Erste sumerische Motive von Faust- und Ringkämpfern lassen sich auf 3000 v. Chr. datieren. Assyrische Aufzeichnungen um 2600 v. Chr. dokumentieren schon ein systematisches Betreiben eines reglementierten Ringkampfes. Der Ringkampf insbesondere mit einem Ringergürtel hat sich bis in die heutige Zeit fortgesetzt. In vielen arabischen Ländern (z. B. Türkei und Irak) wird, insbesondere in ländlichen Gebieten, heute noch gerungen. Eine Erwähnung wert ist der Ringkampf zwischen Gilgamesch und Enkidu, der im Gilgamesch-Epos (ca v. Chr.) geschildert wird. Gilgamesch erkennt nach dem Kampf in Enkidu einen verwandten Geist. 73 Zweistromland, Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, im Wesentlichen das heutige Irak 1-76

89 1.8. Kampfkünste in der Welt Indien Schon vor 300 v. Chr. entwickelte die Kriegerkaste (Kshatrijas) aus dem Yoga eine eigene dynamische Form. Diese Kampfkunst wurde von Generation zu Generation weitergegeben Tae-Kwon-Do (Korea) Tae-Kwon-do ist (Tae=Fuß, Kwon=Faust, Do=Weg ) ein koreanischer Kampfsport, der in der Neuzeit nach der Besetzung Koreas durch Japan (1910 bis 1945) entwickelt wurde. Während dieser Zeit war den Koreanern jegliche Kampfkunst verboten. Das Tae-Kwon-Do hat keine nachweislichen Wurzeln in den ursprünglichen Kampfkünsten Koreas. Nach dem Ende der Besatzung kehrten Koreaner, die in Japan studiert hatten, zurück und brachten auch das Karate mit. Fünf Schulen mit unterschiedlichen Karate-Stilen wurden gegründet. Der Begriff «Tae-Kwon-Do» wurde erstmals 1955 ge- Abb Tae Kwon Do braucht, aber es dauerte noch 10 Jahre bis 1965 bis der Begriff von allen 5 Schulen benutzt wurde. Noch immer existieren zwei Weltverbände, ITF und WTF wurde der Deutsche Taekwondo-Verband gegründet. Ab den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney ist Tae-Kwon-Do olympisch Okinawa-Te (Okinawa / Japan) Im 14. Jahrhundert entstand aus der ursprünglichen Kampfkunst Okinawas (Te oder De) und den Kampfkünsten chinesischer Händler (Wushu [chin. Kampfkunst] oder Quanfa [chin. Methode der Faust] genannt) das Tode (in etwa «Faust aus China»). Phasen mit Waffenverboten und die Eroberung durch Japan begünstigte die Weiterentwicklung des Tode zu einer eigenständigen Kampfkunst, dem Okinawa-Te. Das Okinawa-Te wurde vor den japanischen Eroberern geheimgehalten. Erst um 1900 wurde es als Karate offengelegt. Im Okinawa-Te werden viele Techniken vermutet, die bewusst nicht an die Japaner weitergegeben wurden. Das Okinawa-Te ist wesentlich «weicher» als das bekannte Shotokan- Karate. 1-77

90 KAPITEL 1. JU-JUTSU Jiu-Jitsu (Japan) Die Ursprünge des Jiu-Jitsu sind die waffenlosen Systeme, die Samurai als Ergänzung zu den Waffenkünsten übten. In ihnen wurde Schlagen und Treten weitestgehend ausgeblendet, denn gegen einen gepanzerten und bewaffneten Gegner sind die Techniken recht wirkungslos. Während der Edo-Epoche, einer Friedenszeit, formte sich das Edo-Ju-Jutsu heraus, dass nun für die Verteidigung gegen unbewaffnete und ungepanzerte Gegner ausgelegt war. Schlagen und Treten wurde nun in die Systeme aufgenommen. In der Tokugawa-Ära ( ) bildeten sich die «modernen» Ju-Jutsu-Stile (Gendai Ju-Jutsu). Von einem einheitlichen Stil kann bei 2000 verschiedenen Schulen jedoch kaum gesprochen werden. Im Anschluss wurde das Ju-Jutsu durch das sportliche Judo verdrängt, was gefährliche Techniken bewusst auslässt. Ju-Jutsu-Stile finden sich häufig in Polizeiausbildungen wieder, berücksichtigt es doch den Kampf gegen bewaffnete Gegner und bietet eine große Auswahl an abgestuften Möglichkeiten, einen Gegner zu kontrollieren Sumo (Japan) Sumo (jap. sich wehren) geht in seiner heutigen Form zurück auf 1578, als bei einer großen Meisterschaft mit 1500 Kämpfern erstmals die Kampfflächen begrenzt wurden. Hiermit war die Grundlage geschaffen für die beiden Kriterien, einen Sumo- Kampf zu gewinnen: Den Gegner aus dem Ring schieben. Den Gegner zwingen, mit etwas anderem als den Füßen den Boden zu berühren. Die Entwicklung des Sumo wurde seit 1684 stark mit dem Shintoismus verbunden. In diesem Jahr wurden Sumo-Kämpfe au- Abb Ein Sumotori ßerhalb von Schreinen verboten. Bis 1868 (Ende der Edo-Zeit) erlebte es eine Hochphase und nur durch ein Turnier, das der Kaiser 1884 veranstalten ließ, wurde Sumo als nationales Symbol anerkannt und konnte sich zu seiner heutigen Form entwickeln. Die Sumotori (Sumo-Kämpfer) sind gesellschaftlich sehr geachtet. Die Sumotori sind ein gutes Beispiel für die negativen Folgen von Leistungssport, denn ihre Körper sind mit dem hohen Gewicht einzig spezialisiert auf das Sumo (Instrumenta- 1-78

91 1.8. Kampfkünste in der Welt lisierung von Leiblichkeit). Trotzdem sind Sumotori sehr durchtrainiert, beweglich und kräftig Judo (Japan) Judo (jap. der sanfte Weg (Sanft im Sinne von Nachgeben)) geht zurück auf JIGORO KANO ( ). KANO entwickelt Judo als ein System zur Leibesertüchtigung und für einen fairen, verletzungsfreien Wettkampf. Aus diesem Grunde sind alle ungeeigneten Techniken des Ausgangssystems Jiu-Jitsu weggelassen worden gründete KANO seine eigene Schule, das Kodokan («Ort zum Studium des Weges»). Erst mit einem Wettkampferfolg der Schüler KANOS gegen reguläre Jiu-Jitsuka konnte sich das Judo rasch durchsetzen. Abb Jigoro Kano Judo wurde schnell bei der Polizei und der Armee eingeführt und wurde 1911 Pflichtfach an japanischen Mittelschulen begeisterte eine Judo-Vorführung japanischer Marinesoldaten in Kiel den deutschen Kaiser WILHELM II., der seine Kadetten daraufhin im Judo ausbilden ließ. Noch im gleichen Jahr gründete ERICH RAHN die erste Jiu-Jitsu-Schule in Berlin. Mit ALFRED RHODE und HEINRICH FRANTZEN wurde das Judo in Deutschland verbreitet fanden die ersten Judo-Meisterschaften statt und 1932 wurde der Deutsche Judoring gegründet Karate (Japan) Das Karate (jap. leere Hand) geht auf verschiedene Stile des Okinawa-Te 74 zurück. Schon 1902 wurde Meister YASUTS- UNE ITOSU beauftragt, einen Lehrplan für Karate als Schulsport zu entwickeln. GICHIN FUNAKOSHI, ein Schüler von YA- SUTSUNE ITOSU, bereiste um 1906 Okinawa und präsentierte sein Karate. Der damalige japanische Kronprinz und spätere Kaiser HIROHITO wurde Zeuge einer solchen Demonstration. Dieser lud FUNAKOSHI ein, das System in Japan 1922 zu demonstrieren. JIGORO KANO war Zeuge dieser Demonstration und lud FUNAKOSHI ein, im Kodokan zu unterrichten gründete FUNAKOSHI sein erstes eigenes Dojo. Abb Funakoshi 74 Okinawa-Te ist ein Oberbegriff für die Kampfkünste Okinawas. Siehe

92 KAPITEL 1. JU-JUTSU Karate wurde an Schulen und Universitäten gelehrt und dank der Einstufung als Sport und nicht als Kriegskunst durfte es auch nach dem 2. Weltkrieg in der Zeit der amerikanischen Besatzung weiter betrieben werden, was für die Verbreitung des Karate sehr förderlich war gründete HENRY PLEE das erste Dojo mit Karate in Europa. JÜRGEN SEYDEL, ein deutscher Judoka, lernte es dort kennen und gründete 1957 den Budokan Bad Homburg, den ersten deutschen Karate-Verein schließlich wurde der Deutsche Karate Bund gegründet Aikido (Japan) Aikido ist ein recht junges System, dessen Entwicklung stark mit seinem Begründer MORIHEI UESHIBA (* , ) verflochten ist. Schon vor seiner Teilnahme am Russlandfeldzug Japans beschäftigte er sich mit Jiu-Jitsu und Kenjutsu. Nach dem Feldzug, und besonders nach dem Austritt aus der Armee 1907, nahm er das Studium der Kampfkünste wieder auf und erlangte ein Lehrerdiplom unter SOKAKU TAKEDA im Daito-Ryu, einem Jiu-Jitsu-Stil. MORIHEI war Mitglied der Omoto-Sekte, deren pazifizistische Abb Ueshiba Ideen mehr und mehr seine Kampfkunst prägten. Er war auch am ersten «Omoto-Vorfall» beteiligt, einem Versuch, in der Mongolei «Utopia» zu errichten. Die Anhänger der Sekte wurden von China gefangengenommen und MORIHEI konnte nur durch Japans Intervention der Exekution entkommen. Seit 1920 unterrichtete MORIHEI Kampfkünste in einem eigenen Dojo. Zuerst den erlernten Jiu-Jitsu-Stil, später bereichert durch seine Schwertkünste und Religion, die immer mehr Bedeutung gewann. Der Begriff «Aikido» wird erstmals 1941 verwendet wurde Aikido zum ersten Mal in Europa (Frankreich) von MOCHIZUKI MINORU präsentiert. Ab ca wurde es auch in Deutschland betrieben, 1965 wurde KATSUAKI ASAI als offizieller Vertreter nach Deutschland entsendet Shooto (Japan) Shooto ist ein Wettkampfsystem, das SATORU SAYAMA, der schon als Kind die Idee eines umfassenden Kampfsystems hatte, 1985 ins Leben rief. SATORU SAYAMA war ursprünglich ein Show-Wrestler. 1-80

93 1.8. Kampfkünste in der Welt SATORU SAYAMA erkannte die damalige Überlegenheit des Muay Thai im Ringsport und versammelte Experten aus den Systemen Muay Thai 75 (TOSHIO FUJIWARA 76 ), Judo 77, und Sambo 78 (VICTOR KOGA 79 ) um sich, um einen Weg zu finden, Thai-Boxer im Ring zu besiegen. Jedoch wurden nicht einfach nur die Techniken aus den Systemen übernommen sondern auch Trainingsmethoden und die Techniken und Methoden wurden an das Shooto mit seinem anderen Regelsystem angepasst 80. Herausgekommen sind unter anderem zwei sehr gute Konzepte: Plötzliche und konsequente Überwindung der Distanz (shoot-in) Je länger man sich in der Schlag- und Trittdistanz aufhält, desto wahrscheinlicher wird es, vom Thai-Boxer getroffen zu werden. Somit riskiert man lieber einen einzigen Treffer beim «Hineinschießen» als mehrere Treffer, wenn man sich zu lange in der weiten Distanz aufhält. Perfektionierte Kombinationen von Wurf und Abschluss (quick-kill) Kombinationen von Wurf und Abschluss werden intensiv geübt, um sofort den Kampf zu beenden, da eine lange Kampfdauer die Gefahr erhöht, getroffen zu werden. Das Shooto ist also zweierlei: ein Wettkampfsystem, in dem auch Vertreter anderer Systeme sich messen können, und eine Kampfkunst, die mit Techniken, Trainingsmethoden und Konzepten einem Kämpfer auf solche Kämpfe vorzubereiten vermag. Die Techniken des Shooto sind denen unseres Ju-Jutsu ähnlich, entstammen sie doch den gleichen Ausgangssystemen. Jedoch liefert das Shooto sehr gute Konzepte, wie Techniken eingesetzt werden sollen, was in unserem Ju-Jutsu leider vernachlässigt wird Muay Thai (Thailand) Einem Kämpfer namens NHAI KHON DON wird nachgesagt, er habe seine Freiheit aus der Gefangenschaft in Birma errungen, indem er 12 birmanische Schwertkämpfer besiegt habe. Ihm zu Ehren werden alljährlich Muay Thai-Turniere durchgefürt. 75 Siehe TOSHIO FUJIWARA war der erste japanische Thaiboxchampion in Japan. 77 Siehe Siehe VICTOR KOGA war der erste japanische Sambokämpfer. 80 YOGINARA NAKAMURA schreibt: «The Muay Thai training methods are modified in order to compensate for the grappling and throwing involved in a shooto match.» 81 Siehe

94 KAPITEL 1. JU-JUTSU Eine andere Legende aus dem 14. Jahrhundert besagt, dass 2 potentielle Thronfolger um einen Bürgerkrieg zu vermeiden die direkte Auseinandersetzung bevorzugten, um den Thronfolger zu ermitteln. 82 Das damalige Thai-Boxen ähnelte schon sehr stark dem heutigen. Das in Europa verbreitetere Kickboxen verbietet die harten Techniken mit Knie und Ellbogen. Muay Thai ist heute sehr beliebt. Wettkämpfe werden mehrfach in der Woche übertragen Krabi Krabong (Thailand) Dieses System umfasst insbesondere Kampftechniken mit Waffen, obwohl auch waffenlose Techniken enthalten sind. Aus dem Krabi Krabong hat sich das Muay Thai entwickelt. Degen, Schwert, Lanze, Stab und Doppelschwert aber auch unterschiedliche Schilde werden genutzt. Wahrscheinlich ist ein japanischer Einfluss durch YAMADA NAGAMASA um Sambo (Russland / ehemalige UdSSR) Abb Krabi Krabong Das Ringen bei den Völkern der ehemaligen Sowjetunion hat eine lange Tradition und ist ab dem 10. Jahrhundert n. Chr. belegt. Ab 1920 wurden die einzelnen Stile als Sambo zusammengefasst mit dem Ziel, einen Kampfstil für die «Rote Armee» zu entwickeln (Das deutsche Ju-Jutsu wurde fast 50 Jahre später mit dem gleichen Ziel entwickelt). Klassische Stile erwiesen sich als zu aufwändig im Erlernen. Einen großen Einfluss hatte VASILI OSHCHEPKOV, der die Ehre hatte, unter JIGORO KANO selbst Judo zu trainieren. Der Name "Sambo" wird ab 1946 offiziell verwendet und leitet sich ab von «Samosaschtschita Bes Orushia», was soviel wie «Selbstschutz ohne Waffen» bedeutet. 83 Mittlerweile existieren im Sambo unterschiedliche Ausrichtung: Wettkampfsport, Selbstverteidigung und einsatzbezogene Kampfkunst für die Armee. Vergleiche auch [WA96] Australien Neben den traditionellen Box- und Waffenkämpfen ist besonders das gemischtgeschlechtliche Kämpfen hervorzuheben. Hierbei treten zwei Frauen gegen einen Mann an. 82 Siehe [Reb94, S. 9ff.]. 83 Siehe auch [WA96]. 1-82

95 1.8. Kampfkünste in der Welt Überfachliche Stadt-, Kreissportbünde Landessportbünde Sport- Vereine Stadt-, Kreisfachverbände Landes- Fachverbände Spitzenverbände Sportverbände mit besonderer Aufgabenstellung Verbände für Wissenschaft und Bildung Förderverbände Abb. 1.8 Organisation von Verein bis DOSB DJJV DOSB Landesregierung Bundesregierung NJJV LSB Stadt-, Kreis-, Bezirksverwaltung Gemeindeverwaltungen Bezirksfachverband Stadt-, Kreis-, Bezirkssportbünde Ju-Jutsu- Abteilung örtlicher Sportverein Abb. 1.9 Ebenen in den Sportbünden 1-83

96 KAPITEL 1. JU-JUTSU Übungsleiter Sportstätten Material Sportbünde Eintritt von Zuschauern Kommune oder Jugendpflege ÜL-Zuschüsse, Sportstätten, Fahrten Verein Mitgliedsbeiträge Abb Einnahmen und Ausgaben des Vereins Werbegelder von Sponsoren LSB Förderung des Breitensports Förderung besonderer Aktionen Trainer-Zuschuss Förderung des Leistungssports Jugendfahrten 1-84

97 1.8. Kampfkünste in der Welt Kenne Deinen Verband und Deinen Verein! Funktionäre im NJJV Posten Präsident Vizepräsident Finanzen Vizepräsident Prüfungswesen Vizepräsident Leistungssport Geschäftsführerin Technischer Direktor Lehrreferent Kampfrichterreferent Frauenreferentin Jugendreferent Pressewart Person Funktionäre im Bezirksfachverband Posten Vorsitzender Lehr- und Prüfungsreferent Sportwart Jugendbeauftragter Funktionäre im Verein Posten Vorsitzender Abteilungsleiter Jugendbeauftragter Person Person Zuständigkeit der Verbände Posten Bezirksfachverb. NJJV DJJV Prüfungen Ausbildungen Abb Kenne deinen Verband und Verein 1-85

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99 2 Selbstverteidigung Inhalte des Kapitels 2.1 Wettkampf und Selbstverteidigung Einsatzbezogene Selbstverteidigung (ESV) System und Kämpfer Die Selbstverteidigungssituation Allgemeine Prinzipien für das Kämpfen Strategie, Taktik und Kämpferprofil Selbstbehauptung Gebote für die Selbstverteidigung Psychische Aspekte Taktiken für die Selbstverteidigung Der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen

100 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Selbstverteidigung vs. Sport Warum ein Extrakapitel über Selbstverteidigung? Ist Ju-Jutsu nicht eine SV-Sportart? Aber Sport oder auch Wettkampf und Selbstverteidigung sind zwei ganz unterschiedliche Aspekte des Ju-Jutsu. Selbstverteidigung ist nur ein Aspekt von vielen, warum man Ju- Jutsu betreibt 1. Dieses soll aber nicht heißen, dass man sich nicht mit Wettkampf-Ju-Jutsu verteidigen kann. Alles, was beim Ju-Jutsu gemacht wird, verbessert natürlich unsere Verteidigungsaussichten, aber gezielt für die Selbstverteidigung zu trainieren, ist sicherlich effektiver. Im Kapitel 3 werden Techniken vorgestellt und es wird immer wieder darauf verwiesen, dass Techniken nur in bestimmten Situationen anwendbar sind. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Konzepten, wie Situationen zum eigenen Nutzen geschaffen oder verändert werden können und wie eine einzelne Technik in eine Gesamthandlung eingebettet werden kann. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Selbstverteidigung, jedoch lassen sich viele Ideen davon auf den Wettkampf übertragen. 2.1 Wettkampf und Selbstverteidigung Wettkampf und Selbstverteidigung unterscheiden sich oberflächlich betrachtet nur durch das Regelsystem. Während die Wettkampfsysteme keine oder zumindest keine dauerhaften Schädigungen sicherstellen wollen, gibt es auf den ersten Blick in der Selbstverteidigung diese Einschränkung nicht. Jedoch ist unser Handeln von Gesetzen, insbesondere vom Notwehrparagraphen reglementiert und unterliegt dem Ethos unserer Gesellschaft, unserer Kultur und unserer sozialen Herkunft. Der Unterschied von Selbstverteidigung und Wettkampf ist aber nicht nur ein gradueller Regelunterschied. Der Hauptunterschied liegt im «Willen zum Zerstören» 2. Nach einem Wettkampf können Kontrahenten gemeinsam ein Bier trinken gehen. Diese Verbrüderung ist im Fall der Selbstverteidigung nicht möglich. Sowohl Agressor als auch Verteidiger wollen einander Schaden zufügen. Manche Kampfkünstler führen weitere Unterschiede an, die aber eher formaler Natur sind. Im Gegensatz zu Aussagen von Kampfkünstlern, deren Systeme keinen Wettkampf betreiben, ist der Unterschied von Selbstverteidigung und Wettkampf aber keineswegs darin zu finden, dass ein System Wettkämpfe beinhaltet oder nicht. Es ist durchaus richtig, dass 1 Siehe 1 2 ALFRED PETERS unterscheidet Spiel und Kampf durch die Schicksalhaftigkeit, der Auswirkung auf das spätere Leben. Siehe [Pet27]. 2-2

101 2.1. Wettkampf und Selbstverteidigung man versucht, in der Selbstverteidigung die Kampfhandlung möglichst schnell zu beenden, also nicht mit dem Gegner zu kämpfen, zu rangeln oder zu spielen 3. Jedoch wird der Gegner sich wehren und dadurch wird eine offene Situation entstehen. Auch ist der Unterschied nicht in gesundheitsgefährdenden Trainingsmethoden zu finden. Je nach Wettkampfsystem bestehen weitere bemerkenswerte Unterschiede in der Vorbereitung von Wettkampf und Selbstverteidigung. In einer SV-Situation ist es nicht sinnvoll, in allen Distanzen kämpfen zu wollen. Im Idealfall vermeide ich die Distanzen, in denen mein Gegner mir überlegen ist. Atemi-Techniken müssen Wirkung erzielen, somit ist es nötig, den Körper mit in den Schlag zu legen. In Leicht- und Semikontaktsystemen wird dieses häufig vermieden, um schnell wieder aus der Schlagdistanz meines Gegners zu kommen. Dieses zurückhaltende Angreifen sorgt übrigens häufig für Schwierigkeiten, wenn Techniken, insbesondere Eingangsmuster, aus Vollkontaktsystemen geübt werden. Vollkontakt Leichtkontakt Neben diesen «Nachteilen» bietet der Wettkampf aber auch sehr große Chancen für das Training der Selbstverteidigung. Im Wettkampf kann verletzungsfrei gekämpft und geübt werden. Situatives Training lässt Erfahrungen sammeln und somit eigene Stärken und Schwächen erkennen. Ängste können abgebaut werden und Ruhe und Überblick trotz bedrängenden Gegners bewahrt werden. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten kann aufgebaut werden (Selbstvertrauen). 3 Übrigens finden sich im Shooto ähnliche Ansätze, so genannte «quick-kills». 2-3

102 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG 2.2 Einsatzbezogene Selbstverteidigung (ESV) Nachdem wir den Wettkampf von der Selbstverteidigung differenziert haben, widmen wir uns der einsatzbezogenen Selbstverteidigung. Auch das heutige Ju- Jutsu hat sich seit 1969 aus einem System zur ESV entwickelt. Ein Blick auf Zielgruppen, Ziele und Bewegungskonzepte von Systemen zur ESV lässt zumindest Folgendes unterscheiden: Abb. 2.1 Verteidigung mit dem Bajonette Standard-Soldaten Ziel: Töten oder gefährlich Verwunden Mittel: insbesondere Schusswaffen, danach Stichwaffen Die massenhafte, aber sehr kurze Ausbildung kann nur unter einem Bewegungskonzept klappen, dass Individualität verneint. Soldaten und Polizisten in Spezialeinheiten Ziel: Töten oder gefährlich Verwunden, (bei Polizisten zusätzlich Verhaften) Mittel: insbesondere Schusswaffen, danach Stichwaffen Nur verhältnismäßig wenige Personen werden ausgebildet, jedoch sind Teamfähigkeit und Gehorsam wichtiger als Individualität. Für diese wenigen Personen ist die ESV Kern ihres Berufs, folglich instrumentalisieren sie ihren Körper zum Zwecke der ESV. Polizisten Ziel: Verhaften und Deeskalieren, Eigenschutz und Schutz von Unbeteiligten, gleichzeitig möglichst auch den Täter schonen. Mittel: waffenlos, Einsatzmehrzweckstock, in Ausnahmesituationen Schusswaffe Relativ viele Personen werden in kurzer Zeit ausgebildet. Weder das einzelne Individuum noch die ESV selbst steht im Mittelpunkt der Ausbildung. Zu erkennen ist, dass keines der ESV-Systeme uns das liefert, was wir uns von einer Selbstverteidigung erhoffen. 2-4

103 2.3. System und Kämpfer 2.3 System und Kämpfer Ein System zu unser Selbstverteidigung sollte uns, also das Individuum, in den Vordergrund stellen, unsere Fähigkeiten und unsere Konstitution, unsere Ziele (Verhaften? Töten? Sich verteidigen?). Auch sollte ein System für uns von Situationen ausgehen, die für uns wahrscheinlich sind in unserer Gesellschaft. Betrachten wir nun die Situationen aufgrund einer Polizeistatistik in Niedersachsen in den Jahren 1992 bis 2001: Jährlich ca. 400 Tötungsdelikte mit primär Schuss- (25%) oder Stichwaffengebrauch (75%) Jährlich ca Vergewaltigungen/sexuelle Nötigungen zusätzlich ca Kindermissbrauchsfälle Es ist davon auszugehen, dass eine hohe, aber fallende Dunkelziffer bezüglich dieser Fälle existiert. Jährlich ca Fälle von Körperverletzung und qualifizierter Körperverletzung (Anmerkung: qualifizierte Körperverletzung schließt z. B. Messer ein.) Auch wenn wir davon ausgehen, dass unsere wahrscheinlichste Situation ein unbewaffneter Angriff eines Einzeltäters ist, so muss bedacht werden, dass mein Umfeld einen starken Einfluss darauf hat, wer mich wie möglicherweise angreift. Zwar dürfen die wenigen Prozent bewaffneter Angriffe nicht vernachlässigt werden, es darf aber auch nicht dazu führen, dass ich in 90% der Fälle wesentlich überzogen reagiere. Gefragt ist also ein guter Kompromiss zwischen Wirksamkeit und Rechtsverträglichkeit aufgrund meiner eigenen, potenziell wahrscheinlichen Situationen. Schauen wir nun auf unser System. Das Individuum Die wichtigste Er- kämpft. kenntnis ist, dass der Kämpfer letztendlich der entscheidende Faktor in einer Auseinandersetzung ist. Er allein entscheidet, ob und wie er kämpfen möchte. Nicht zwei Konditionelle Fähigkeiten Koordinative Fähigkeiten Technische Fertigkeiten Veranlagung Aktuelle Kämpfer Konstitution Psychische Kognitive Fähigkeiten Fähigkeiten Erfahrung Abb. 2.2 System und Kämpfer Systeme treten gegeneinander an, sondern einzelne Personen, die sich ein System zunutzte machen oder auch nicht. Ein System kann einer Person eine Menge helfen, auf der anderen Seite aber auch 2-5 System hilft dem Individuum

104 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Individuelle Techniken Methoden Strategie & Taktik 90% Psyche gesundheits- förderndes Training schaden, indem es das Individuum in seinen Möglichkeiten einschränkt 4. Hierzu gehört natürlich auch, dass das Individuum sich einschränken lässt in der Verblendung, dieses oder jenes System wäre das Beste. Konditionelle und koordinative Fähigkeiten sind ein großer Bestandteil eines modernen Trainings. Sowohl allgemeine, als auch spezielle Fähigkeiten sind gefragt. Bei Ju-Jutsu denkt man zuerst an Techniken. Diese sind sehr wichtig, müssen aber auf ihre Funktionalität geprüft werden. Dabei ist die alles entscheidende Frage, ob die Technik in ihrer Ausführung zu dem Individuum passt. Nicht jede Technik passt zu jedem Individuum. Die Aufgabe eines Trainers besteht also auch darin, geeignete Techniken und Prinzipien zur Auswahl zu stellen. Ju-Jutsu bietet als modernes System eine große Auswahl an Techniken. Ein Falsch gibt es meist nicht, sondern eher ein Funktionell oder Unfunktionell. Prinzipien lassen Techniken auch in ungewöhnlichen Ausführungen funktionieren. Dieses ist wichtig, weil es keine Situation ein zweites Mal gibt. Das Ju-Jutsu bietet aber auch Trainingsmethoden, die ein effektives Training ermöglichen sollen. Das aktuelle System ist an diesem Punkt schon ein ganzes Stück weiter gekommen als das bis 2000 gültige System 5. Strategisches Handeln und Taktiken werden von den meisten instinktiv gehandhabt. Oftmals aber ist eine Verteidigung schon durch einfache Überlegungen viel effektiver zu gestalten. Es lohnt sich, auf diesem Gebiet zu arbeiten und auch mal einen Blick auf andere Systeme zu werfen. Psychische Fähigkeiten wie z. B. Wille oder Ängste werden bisher recht zurückhaltend thematisiert. Hier lohnt sich ein Blick auf die Frauen-SV, zumal nach einigen "Kampfsportgrößen" der Wille 90% des Kampfes ausmacht 6. Veranlagungen lassen sich nicht wegtrainieren, aber durch individuelles Training nutzen. Die aktuelle Konstitution lässt sich durch ein gesundheitsförderndes Training verbessern, Trainingseinheiten, die zu Ver- letzungen an Körper oder Geist führen, sind zu vermeiden. Das System Ju-Jutsu und insbesondere ein modernes individuelles Training bieten dem Kämpfer eine gute Basis, um sich erfolgreich einer SV-Situation zu stellen. 4 Siehe Siehe Vergleiche auch [Ker87, S. 247 ff.] und [Tho99, S. 59 ff.] 2-6

105 2.4. Die Selbstverteidigungssituation 2.4 Die Selbstverteidigungssituation Niemand von uns möchte wirklich in diese Situation geraten, obwohl viele von uns für diesen Fall selbst trainieren und andere unterweisen. Wir sind keine Aggressoren, die angreifen. Aber gerade deshalb hat der Angreifer alle Vorteile auf seiner Seite! Er weiß wen! Der Angreifer hat sich das Opfer ausgesucht. Er weiß warum! Dieses kann bei dem Angegriffenen zu einer Blockade führen. Diese Fragen verunsichern: * Habe ich etwas falsch gemacht? * Warum trifft es gerade mich? Er weiß, was er tut! Der Angreifer bestimmt die ersten Schritte, er schiebt oder pöbelt und entscheidet, wann es «richtig» los geht. Der Verteidiger muss reagieren. Er muss erkennen, was der Angreifer vorhat und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Gegenmaßnahmen sind extrem zeitkritisch. Er weiß exakt wann! Zweifel Unbekannte Angriffe unbekannter Zeitpunkt Die gesamte Situation hat der Angreifer gewählt. Der Angreifer befindet sich vielleicht in einer für ihn gewohnten Umgebung oder Umfeld, äußere Faktoren unterstützen ihn. Er bestimmt den Moment des Angriffs. Während wir als Angegriffener noch nach Anworten suchen, schlägt der Angreifer schon zu. Doch tauschen wir einfach die Rollen 7 : Stelle dem Angreifer eine Frage: Was ist der Geburtsname Deiner Mutter? Während dieser nun denkt, entziehen wir uns der Situation oder führen einen Präventivschlag. Wir brauchen jedoch weitere Konzepte für das Kämpfen und speziell für die Selbstverteidigung. 7 Vergleiche [Tho99, S. 123] 2-7

106 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG 2.5 Allgemeine Prinzipien für das Kämpfen Kämpfen bedeutet, innerhalb einer primär körperlichen Auseinandersetzung die Kontrolle über den Gegner zu erlangen und zu bewahren und selbst nicht die Kontrolle durch den Gegner zu erleiden. Die Kontrolle kann durch Position, Schmerz, Verletzungen oder psychische Beeinflussung erlangt werden. Die allgemeinen Grundsätze 8 sind so umfassend, dass es nötig ist, sie weiter zu spezifizieren. Die Prinzipien der Technikgruppen sind jedoch zu spezifisch als Prinzipien zum Kämpfen, deshalb folgen an dieser Stelle Technikgruppen übergreifende Prinzipien, die Voraussetzung für die Grundsätze des Ju-Jutsu sind. Distanz und Winkel (Centerline) Die Position im Raum zum Gegner bestimmt die Möglichkeit, Waffen einsetzen zu können. Körperstabilität Eigene Stabilität und gegnerische Instabilität schaffen eine Überlegenheit in der Möglichkeit, Kraft einzusetzen und somit Wirkung zu erzielen. Gleichzeitig bleibt die eigene Beweglichkeit und somit Handlungsfähigkeit erhalten. Momentanes Nachgeben Lässt die gegnerischen Kräfte ins Leere laufen und muss einhergehen mit den Prinzipien «Distanz und Winkel», sowie «Körperstatik». Dynamik Eigenes Handeln ist Reagieren überlegen. Meine Handlungen müssen schnell (Bewegungsschnelligkeit) und ansatzlos (Verlangsamung der Wahrnehmungsschnelligkeit des Gegners) sein. «Distanz und Winkel» und «Körperstabilität» schaffen die Voraussetzung für wirkungsvolles dynamisches Handeln. Nutzt man all diese Prinzipien, so erlangt man über lokale Überlegenheiten die Kontrolle über den Gegner. Man selbst kann sich bewegen, der Gegner nicht, und kann Kraft aufbauen, kann Extremitäten als Waffen einsetzen. 8 Siehe

107 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil 2.6 Strategie, Taktik und Kämpferprofil Strategie und Taktik sind Begriffe, die von militärischen Aktionen bekannt sind. Sie lassen sich aber auch in einer Zweikampfsituation anwenden. Sehr zur Lektüre empfohlen sei das Buch «Die Kunst des Krieges» von SUNZI (ca. 500 v. Chr.). Die in diesem Buch beschriebenen Strategien und Taktiken für die Kriegsführung lassen sich auch auf den Zweikampf übertragen. CARL VON CLAUSEWITZ geht mit seinem Werk «Vom Kriege» (1832) noch einen Schritt weiter, indem er schreibt, dass der Krieg nur ein erweiterter Zweikampf sei 9. Sicherlich ist der Umkehrschluss, dass alle Ideen der Kriegsführung sich auf den Zweikampf übertragen lassen, nicht unbeschränkt gültig, wie Abb. 2.3 Sunzi K. R. KERNSPECHT in seinem Buch «Vom Zweikampf» darstellt 10. Zuerst zur Begriffsdefinition: Strategie: Unter Strategie versteht man zielgerichtete Verhaltenspläne für eine Kampfsituation. Sowohl Stärken und Schwächen der eigenen als auch der anderen Seite werden berücksichtigt, genauso wie allgemeine Umstände (auch Kampfregeln). Taktik: Taktik bezeichnet zielgerichtete, situationsbedingte, aber konkrete Handlungspläne zur Realisierung einer Strategie. Dazu gehören alle Maßnahmen, die den Gegner beeinflussen, um die eigene Situation zu verbessern. Alle Gedanken zu Strategie und Taktik müssen vor einer Auseinandersetzung gemacht werden. Strategien und Taktiken sind im Training zu üben. In der konkreten Auseinandersetzung muss dann lediglich eine Auswahl erfolgen und die Aufmerksamkeit wird nicht gestört. Der Ausgangspunkt für ein systematisches Betrachten von Strategie und Taktik sollte das Kämpferprofil sein. Strategie: Allgemeiner Verhaltensplan Taktik: konkreter Handlungsplan Vor dem Kampf denken! Kämpferprofil Um sich der Stärken und Schwächen einer Person bewusst zu werden, ist ein Kämpferprofil sehr nützlich. In ihm sind relevante Faktoren übersichtlich zusammengestellt, um sie mit anderen vergleichbar zu machen. Um das Kämpferprofil möglichst objektiv zu Kämpferprofil 9 Clausewitz, Vom Kriege, 1. Buch, 1. Kapitel, 2 (S.17).??? 10 [Ker87] S

108 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Erscheinung Wollen Handeln Nur individuelles Trainig ist optimales Training. erstellen, ist es sinnvoll, sich selbst ein solches Profil zu erstellen und zusätzlich je eines von dem Trainingspartner und dem Trainer. Ein Kämpferprofil umfasst mindestens: äußeres Erscheinungsbild: groß, klein, kräftig, hager, bedrohlich,... ; konditionelle Fähigkeiten; koordinative Fähigkeiten; psychische Fähigkeiten; technische Fertigkeiten; bevorzugter Kampfstil (Strategie): aktiv, passiv, bevorzugte Distanz,... ; schon genutzte Verhaltensmuster (Taktik); Schwächen, Stärken, Vorlieben; Vergleich zu potenziellen oder konkreten Gegnern 11 ; Folgen für das Training; Verhalten unter Stress, z. B. Rückfall in alte Verhaltensmuster. Durch das Kämpferprofil ist ein optimales (individuelles und gegnerspezifisches) Training möglich, das die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausnutzt und sie gezielt verbessert, indem Stärken ausgebaut, Schwächen beseitigt oder vermeidbar gemacht werden 12. Sind diese Eigenschaften klar, so lässt sich eine Strategie aufstellen. Um diese Strategie durchsetzen zu können, sind konkrete Handlungspläne sinnvoll. Denn durch solche Handlungspläne sollte es möglich sein, eine vollkommen offene Bewegung 13 auf eine freie Zusammenstellung von geschlossenen Bewegungen zu reduzieren und somit leichter beherrschbar zu machen 14. Anhand des Kämpferprofils lassen sich Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Distanzen herausfinden, die erste strategische Überlegungen ermöglichen. Im Training denken, im Kämpfen handeln! Gefahrenzonen Nicht nur Techniken und Attribute lassen sich berücksichtigen, um die Gefährlichkeit eines Gegners zu beurteilen, sondern insbesondere Distanzen sind zu betrachten. Die Abbildung 2.4 soll verdeutlichen, wie gefährlich ein Gegner in den unterschiedlichen Distanzen 11 Siehe Z. B. Schwächen im Kämpfen im Stand werden umgangen durch gezieltes Training von Eingängen, um am Boden kämpfen zu können (siehe Shooto???). 13 Siehe Sie auch Kapitel

109 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil und Winkeln ist. Grundlage für die Beurteilung der Gefährlichkeit sind folgende Kriterien: Anzahl der Techniken in eine Richtung und in einer Distanz. Sind viele verschiedene Techniken möglich, so sind Aktionen weniger gut vorhersehbar und somit auch weniger gut abwehrbar. Vermutbare Wirkung der Techniken. Ein Ellenbogenschlag ist vermutlich gefährlicher als ein Fußtritt. Wohlbemerkt in der jeweils geeigneten Distanz. Geschwindigkeit, mit der eine Technik den Gegner erreichen würde. Die Teilabbildung links oben verdeutlicht den Zusammenhang von Winkel und Gefährlichkeit. Am günstigsten ist es ganz klar, sich im Rücken des Gegners zu befinden. Die Abbildung rechts oben zeigt den Zusammenhang von Distanz und Gefährlichkeit. Im Clinch lassen sich mit Ellenbogen und Knieaktionen große Schäden anrichten. Fasst man beide Kategorien zusammen, so ergibt sich die Abbildung links unten. Beachte, dass die tatsächliche Gefährlichkeit natürlich von den Fähigkeiten des Kämpfers abhängt. Seitliche Vorkampfstellungen sind nach unseren bisherigen Betrachtungen weniger gut, Abb. 2.4 Gefahrenzonen wie die Abbildung rechts unten zeigt. Aus strategischen und taktischen Gründen sind sie in größerer Distanz aber durchaus geeignet, denn in großer Distanz benötigt der Gegner viel Zeit, um mich zu erreichen. 2-11

110 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Gefährlichkeit von Kämpfern/innen basierend auf ihrem System Die Grafiken zeigen die Gefährlichkeit von Kämpfern/innen in unterschiedlichen Sektoren. Durch ihr trainiertes System bilden sich unterschiedliche Schwerpunkte heraus, in denen ein/e Kämpfer/in viele und gut ausgeprägte Waffen zur Verfügung hat. Je dunkler ein Bereich ist, desto gefährdeter ist der/die Gegner/in in diesem Bereich. Ordne den Grafiken entsprechende Kampfsysteme zu! Z. B. Boxen, Frauen-SV, Judo, Ju-Jutsu, Karate, Kick-Boxen, Ringen, Sambo, Tae-Kwon-Do (altes System), Thai-Boxen, Wing Tsun Abb. 2.5 Gefahrenzonen verschiedener Kampfkünste 2-12

111 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil Kampfstrategien Nachfolgend werden einige Strategien für Kämpfe vorgestellt, die besonders den Aspekt der Distanz berücksichtigen. Sie entstammen den Mixed-Martial-Arts 15. Sie sind mit Einschränkungen auf die Selbstverteidigungssituation übertragbar Den Bodenkampf meidende Strategien «Sprawl-and-brawl» (to sprawl: ausspreizen, brawl: Schlägerei) Bei Sprawl-and-brawl wird versucht, den Kampf im Stand zu entscheiden und einen Bodenkampf zu vermeiden. Die Schlägerei wird unterbrochen, wenn der Gegner versucht, in den Nahkampf zu gelangen. Das Ergreifen der Beine wird mit einem «Sprawl» gekontert, wie in Abb.?? gezeigt. «Clinch fighting» oder «Dirty boxing» Abb. 2.6 Sprawl Eine eher ungewöhnliche Strategie ist das «Clinch fighting». Zwar wird der Nahkampf gesucht, jedoch nicht der Bodenkampf. Im Clinch lassen sich die harten «Waffen» Knie und Ellenbogen nutzen Den Bodenkampf suchende Strategien «Ground-and-pound» Es wird versucht, den Gegner zu Boden zu bringen und dort insbesondere mit Schlägen zu siegen. «Submission grappling» Im Gegensatz zu Ground-and-pound wird versucht, den Gegner am Boden durch Hebeloder Würgetechniken zu besiegen. Schläge am Boden dienen nur der Vorbereitung. «Lay-and-pray» «Lay-and-pray» ist eine reine Wettkampfstrategie, bei der versucht wird, mit Dominanz am Boden aber ohne finale Techniken die Runden zu gewinnen. Fragen zur Selbstkontrolle Stelle die Abhängigkeit der Strategie von den eigenen Fähigkeiten dar! Stelle die Abhängigkeit der Strategie von den Fähigkeiten im Vergleich zum Gegner dar! 15 Siehe

112 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Nimm Stellung zum Trainieren in Handlungsketten von Abwehr über Wurf bis Kontrolle am Boden unter Berücksichtigung der vorhergehenden Fragen! 2-14

113 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil Theorie Angriff und Verteidigung Die Kampfstrategien liefern einen ersten groben Rahmen für meine Handlungen. Jedoch sollte klar sein, dass ein Kampf nur mit Angriffen gewonnen werden kann! BRUCE LEE hat Angriffe in 5 Kategorien eingeteilt, mit denen sich die Handlungspläne weiter konkretisieren lassen. Die fünf Wege des Angriffs sind: 1. Single Direct Attack (S.D.A.) Einmaliger, einfacher Angriff, normal nur erfolgreich über ungewöhnliche Winkel oder Überraschungsmoment. 2. Hand Immobilizing Attack (H.I.A.) Hand kontrollieren, um ungestört angreifen zu können. Der Dreierkontakt ist ein Anfang, dieser Idee. 3. Progressiv Indirect Attack (P.I.A.) Wie Wasser den Gegner fortschreitend angreifen und bedrängen. Weiterführungstechniken insbesondere von Atemitechniken, Finten und Manöver werden beim P.I.A. verwendet. 4. Attack By Combination (A.B.C.) Über Rhythmus oder Geschwindigkeit ins Ziel kommen, da Abwehren wieder neue Lücken eröffnet. Die Verteidigung des Gegners wird durch permanente Angriffe (Überfütterung) überlastet. 5. Attack By Drawing 16 (A.B.D.) Dem Gegner eine Falle stellen. Dieses sind aber nicht alle Möglichkeiten, effektiv anzugreifen. Ein fehlendes Prinzip ist z. B. Gunting. Hierbei werden die angreifenden Körperteile eines Gegners angegriffen, um ihm die «Waffen» zu nehmen. A.B.D. und Gunting sind eigentlich Verteidigungen, denn beide setzen einen Angriff des Gegners voraus. Dieser Angriff ist aber provoziert. Die Verteidigung lässt sich aufteilen in Ausweichen und Abwehren (aktiv oder passiv). Aber auch ein Gegenangriff zählt zur Verteidigung. Eine weitere Aufteilung wäre nach dem Zeitpunkt des Konters relativ zum Angriff: Nach dem Angriff: Altes Block-Schock-Prinzip. Gleichzeitig: Meidbewegungen und Konter in einem. 16 Anmerkung: Bruce Lee nennt das Gunting als einen Teil vom A.B.D. Dieses wird dem Gunting aber nur sehr wenig gerecht, somit führe ich es hier extra auf. 2-15

114 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Vorher: Bewegungsansatz erkennen und durch eigene Aktionen stoppen. Daraus lassen sich einige Konzepte für die Verteidigung ableiten: Konzepte der Verteidigung: Angriff ist der beste Weg der Verteidigung. Beim Reagieren verliere ich zu viel Zeit, agieren verschafft mir einen Zeitvorteil, denn mein Gegner muss reagieren. Es wird mir nicht gelingen, den Gegner nur durch Abwehren und Meidbewegungen zu kontrollieren. Irgendwann muss ich selbst angreifen, also möglichst früh selbst agieren. Wer reagiert ist Zweiter. Im Zweikampf ist das nicht erstrebenswert. Gleichzeitig angreifen und abwehren. Wenn der Gegner mich unter Dauerbeschuss (A.B.C.) setzt, reicht es nicht mehr, nur abzuwehren und im Anschluss anzugreifen. Dem Angriff zuvorkommen. Noch besser ist es einem Angriff zuvorzukommen. Kurze Abwehren Nicht unnötig viel oder stark abwehren, denn dadurch entstehen neue Lücken in der Deckung, die bei Mehrfachangriffen ausgenutzt werden. Passive Abwehren sind wesentlich schneller, energiesparender, intuitiver und dadurch sicherer. Aktive Abwehren (Aktivblöcke, Handfegen... ) können gut Gegenangriffe einleiten. Sie sind vom Timing allerdings schwieriger. Abwehren mit Ausweichen kombinieren. Durch Ausweichen den Winkel zum Gegner verbessern und für den Gegner verschlechtern. Den Gegenangriff bis zum Ende fortsetzen. Betrachtet man die Konzepte für die Selbstverteidigung, insbesondere Punkt 2, so wird klar, dass die "reine" Verteidigung nur einen ganz kleinen Moment ausmachen darf. Ich versuche sofort, selbst die Initiative zu ergreifen. Trotzdem ist Verteidigung ein wichtiger Aspekt, aber eine Verteidigung passiert gleichzeitig zum Angriff. Die viel zitierte "Eigensicherung" wird oft nur als Deckung interpretiert. Diese ist aber nur ein Teilaspekt, neben ihr gilt es auch zu verteidigen 17 : die Distanz zum Gegner, Angriff ist die beste Verteidigung Komponenten der Eigensicherung 17 Siehe auch

115 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil der Winkel zum Gegner, die eigene Körperstabilität, der eigene Aktionsraum.... [Deckung] Insgesamt sollte deutlich geworden sein, dass die "reine" Technik nur einen kleinen Faktor in der Selbstverteidigung ausmacht. Bleibt die Frage, ob ein Training ausreicht, welches zu technikorientiert ist und sich darauf verlässt, dass die anderen Aspekte sich von alleine ausprägen Handlungskomplex im Training Erst der Handlungskomplex ermöglicht ein geplantes Anwenden von Techniken. Mit ihm können Störungen durch den Gegner antizipiert und kompensiert werden. Den ersten Kon- Gegentechniken Der Handlungskomplex Die 5 Wege des Angriffs und die Konzepte der Verteidigung sind Strategien. Erst der Handlungskomplex strukturiert taktische Überlegungen. Er beschäftigt sich genauer mit dem Durchführen einer Technik oder dem Beherrschen einer bestimmten Situation. Im Training wird die Kampfsituation vorweggenommen. Mögliche Partnerreaktionen wer- Situation überschaubar den durchgespielt und Antworten hierauf werden gezielt gesucht und geübt. Die Vielzahl machen an Handlungen wird überschaubar, die prinzipiell offene Bewegung 18 wird zunehmend geschlossen. Somit ergeben sich aus dem Handlungskomplex konkrete Handlungspläne, also Taktiken. Zuerst stellt sich die Frage: Wie komme ich in eine Situation, um die zentrale Technik durchführen zu können? Habe ich sie dann durchgeführt, stellt sich die Frage: Wie mache ich weiter, wenn der Gegner sich verteidigt oder selber angreift. Viel mehr als tausend Worte sagt die Abbildung 2.7. Einzeln sind manche Aspekte des Handlungskomplexes im Ju-Jutsu- Prüfungsprogramm schon enthalten, jedoch bietet die Zusammenstellung mehr als die Summe der einzelnen Teile. Wie sich günstige Situationen schaffen lassen, wurde weitergehend im Abschnitt aufgegriffen. Weiterführungstechniken 18 Siehe Kapitel

116 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG günstige Bedingungen nutzen günstige Bedingungen schaffen durch Manöver Finten vorbereiten Gegner wehrt sich trotzdem Zentrale Technik trotzdem durchführen Verteidigungen des Gegners Gegenangriffe der Gegnerin Aus der Verteidigung Aus der Technik Aus dem Gegenangriff nachbereiten Abb. 2.7 Handlungskomplex Handlungsketten takt zu Elementen aus Handlungskomplexen macht der Ju-Jutsuka bei den Gegentechniken und Weiterführungstechniken. Gegentechniken und Abwehrtechniken finden sich in den Verteidigungen und Gegenangriffen des Handlungskomplexes wieder. Weiterführungstechniken sind die sich daraus ergebenden, notwendigen Handlungen, um trotzdem die Oberhand zu behalten. Die Vielfältigkeit des Einsatzes einer Technik wird insbesondere durch verschiedene Wege zur zentralen Position/Technik gefördert. 19 Der Handlungskomplex bietet aber noch einiges mehr, wie sich jetzt erkennen lässt. Er bietet verschiedene Eingangstaktiken und strukturiert darüber hinaus Gegentechniken und Weiterführungstechniken, die bisher vielfach nicht weiter geordnet als Beispiele im Raum stehen. vs. Im Ju-Jutsu wurde viel zu lange mit Handlungsketten trainiert, die feste Abfolgen von Handlungskomplex Techniken hatten. Jetzt sollte klar sein, dass jede Technik oder Position von einem eigenen Handlungskomplex umgeben ist. Man hangelt sich also von Handlungskomplex zu Handlungskomplex. Die Bedeutung des Handlungskomplexes wird durch folgende Fragen deutlich: 19 Dieses ist dem Ju-Jutsu keineswegs fremd, sondern es war ein wichtiger Grund, das Ju-Jutsu-System zu entwickeln und eine erste Version sogar abzulehnen. Nicht 1000 unterschiedliche Kunstgriffe, sondern vielfältig einsetzbare Techniken wurden gefordert. Siehe auch

117 2.6. Strategie, Taktik und Kämpferprofil Müssen auch Fortgeschrittene sich mit so einfachen Sachen wie z. B. einem Haltegriff beschäftigen? Sind es nicht die geringere Störanfälligkeit der Techniken und das gekonnte Ausweichen auf andere Techniken, die einen Fortgeschrittenen vom Anfänger unterscheidet? Weiß der Fortgeschrittene nicht sofort jeder Aktion des Gegners etwas entgegenzusetzen? 2-19

118 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG Vorkampfstellungen Abb. 2.8 Vorkampfstellungen in Kampfsport und Selbstverteidigung Nicht immer beginnt ein Kampf mit dem ersten Schlag, unmittelbar vor dem Kampf gibt es vielleicht ein verbales Vorspiel oder eine bedrohliche Annäherung des Aggressors. Diese Stellungen, die wir und unser Gegner einnehmen, sind Vorkampfstellungen, die Kampfhandlungen vorbereiten sollen 20. Diese Vorkampfstellungen sind von den Stellungen im Ju-Jutsu-Programm zu unterscheiden 21. Die Vorbereitung geschieht hierbei auf unterschiedlichen Ebenen: Vorbereitung der Handlungen: Eine günstige Ausgangssituation für Schläge,... und auch Abwehren wird eingenommen. Günstige Position von Armen und Beinen herstellen, Distanz, Winkel, Stabilität und Deckung kontrollieren, eine geeignete Umgebung nutzen oder schaffen (Sonne die blendet, Hindernisse... ). Psychische Beeinflussung des Gegners: Mimik, Gestik und Sprache sollen den andere beeinflussen, z. B. einschüchtern oder deeskalieren. Einbezug von Dritten: Zeugen müssen die eigenen friedfertigen Absichten wahrnehmen oder sie sollen von einem Eingreifen abgehalten werden. Freunden muss der Weg zum Eingreifen ggf. freistehen Die Idee von Vorkampfstellungen findet sich z. B. im mittelalterlichen Fechten als «Huten». Auf der Hut zu sein bedeutet in einer Vorkampfstellung einen Angriff zu erwarten, um ihn mit einem Meisterhau abzuwehren und gleichzeitig den Gegner anzugreifen. Vergl.? ]

119 2.7. Selbstbehauptung 2.7 Selbstbehauptung??? 2-21

120 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG 2.8 Gebote für die Selbstverteidigung Die Selbstverteidigungssituation unterscheidet sich von einer Wettkampfsituation. Somit existieren natürlich auch spezifische Gebote für die Selbstverteidigung: 1. Einsatz des Willens zum Zerstören! Keine halbherzigen Aktionen, sondern konsequent handeln! Adrenalinunabhängige Punkte angreifen. 2. Agieren statt reagieren! Opfer-Täter-Rollen umkehren(!); Angriff ist die beste Verteidigung, Reagieren ist schwierig, deshalb bei Treffern sofort nachsetzen! Du bestimmst die Distanz und das Spiel. Bestrafe jede Aktion, die er startet. Nur wenn er Schmerzen hat, hat er einen Grund zum Aufhören. 3. Kämpfe unsportlich! Es geht um Deine Gesundheit, alles ist erlaubt, um sie zu schützen. Nicht aufhören, bis Du Dir sicher bist, dass er nicht mehr angreifen kann! 4. Ruhig und konzentriert bleiben! Signale wie Wut und Angst können Deine Vorhaben verraten, Unaufmerksamkeit ist Dein Feind! 5. Nicht denken, sondern handeln! Gedanken an Verlust und Verletzungen oder den Sieg mindern Deine Konzentration und lähmen Dich. Du hast alles, was Du brauchst, schon im Training durchdacht! 6. Zeige nie Unsicherheit! (außer zur Täuschung). 7. Keine Diskussion! (bluffen, drohen... ) Sage klar, was Sache ist. Wenn er Ärger will, bekommt er ihn! 8. Verschleiere Deine Absichten! Sei in Deinen Vorhaben spontan und unberechenbar! 9. Keine Freundschaften nach einer Auseinandersetzung! Fragen zur Selbstkontrolle Stelle gegebenenfalls dar, warum ein bestimmtes Konzept weniger für den Wettkampf als für die Selbstverteidigung geeignet ist! 2-22

121 2.9. Psychische Aspekte 2.9 Psychische Aspekte 90% einer Selbstverteidigung werden von der Psyche bestimmt. Somit lohnt sich ein genaueres Hinsehen. Nähern wir uns den psychischen Anforderungen der SV-Situation mit Hilfe von SIGMUND FREUD: Nach FREUD wird das Verhalten des ICHs (gemeint ist die jeweilige Person) bestimmt durch das ES und das ÜBER-ICH. ES steht für Triebe und stellt eine große Motivation dar. Das ES wird durch das ÜBER-ICH kontrolliert und gezügelt. Das ÜBER-ICH ist die vernunftbasierte Kontrollinstanz. Die Handlungen des ICHs werden also durch das Wechselspiel von ES und ÜBER-ICH bestimmt. Sowohl ES als auch ÜBER-ICH können Handlungen einleiten als auch blockieren. Um sich effektiv verteidigen zu können, dürfen meine Handlungen nicht blockiert werden. Also machen wir uns bewusst, was die eigenen Handlungen blockieren kann: Vor der Eskalation Es: äußere Bedingungen (angespannte Atmosphäre, unangenehmes Umfeld). Erscheinung meines potenziellen Gegners (Augen, Gesichtsausdruck, Körper, Kleidung, Waffen, Sprache) Über-Ich: «Warum ich?», Gedanken an Folgen meiner Handlungen für mich Während der Eskalation Es: eigene Schmerzen Nach der Eskalation Es: eigene und fremde Schuldzuweisungen Über-Ich: «Hätte die Eskalation vermieden werden können?» Aus dieser Zusammenstellung lassen sich zwei Haupthindernisse herausfiltern: Angst vor einem zu mächtig erscheinenden Gegner (ES) (Angst vor eigenen Verletzungen) Angst einen Menschen zu verletzen (ÜBER-ICH) Angst Die vom ES verbreitete Angst greift auch noch auf das ÜBER-ICH über, indem eine Horror-Vorstellung von dem, was passieren kann, das ÜBER-ICH überschwemmt. Um diesem Dilemma zu entgehen: 1. Ich entziehe mich dem negativen Einfluss vom ES, indem ich nicht in die Augen blicke, nicht auf die Erscheinung meines Gegenübers achte, sondern den Brust- Schulter-Bereich fixiere, ohne die Umgebung aus den Augen zu verlieren. Ich brauche keine Psychospielchen, ich bin meinem Gegenüber sicher überlegen. 2-23

122 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG 2. Das ÜBER-ICH lasse ich über alternative Szenarien Aggressionen aufbauen (Vorstellung von jemandem, der die Freundin Freund belästigt). Diese Aggressionen dürfen aber nicht in Wut auf mein Gegenüber ausarten, sondern versetzen mich in eine allgemeine Kampfbereitschaft. 3. Das ÜBER-ICH muss ich schon im Vorfeld darauf programmieren, dass das Überleben an erster Stelle steht, und dass ich mich nur verantworten muss, wenn ich überlebt habe. Ein Beschäftigen vom ÜBER-ICH mit z. B. allgemeinen Strategien ist einem Planen von Techniken klar überlegen, da komplexe Handlungspläne mich in der 1. Phase einer Auseinandersetzung lähmen. Fight or Flight Eine andere Möglichkeit ist z. B. die Religion, die mir Lösungen für das Bewältigen von Ängsten liefert. Auf der anderen Seite kann ich aber auch diese Punkte nutzen, um meinen Gegner zu beeinflussen. Alle Fragen, die das Vorfeld oder das Nachher betreffen, nutzen mir wenig, sondern behindern mich eher. Der Gegner hat diese Blockaden nicht, sonst wäre er nicht hier. Bleiben also Schmerzen im Hier und Jetzt, die meinen Gegner beeinflussen. Alle meine Aktionen zielen also darauf ab, meinen Gegner zu zerstören und Schmerz über Adrenalin-unabhängige Punkte zuzuführen. All diese Vorgänge versetzen mich in Stress, der eine physiologische Wirkung nach sich zieht. Adrenalin und Noradrenalin aktivieren einige Notfallfunktionen des Organismus, genau auch als "fight-or-flight-reaction" bezeichnet: Erhöhung der Bereitschaft zur Muskelaktivität durch Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz Senkung der Aktivität von Systemen, die nicht zur Flucht oder zum Kampf benötigt werden. (Abnahme der Magen-Darm-Motorik und Resorption, Verringerung der Speichelbildung) Schärfung der Sinne (erkennbar an der Erhöhung der Lidschlagrate und der Erweiterung der Pupille) Morphine und Endomorphine werden bei Angst als Schmerzhemmer ausgeschüttet (denn Schmerzen würden einen Kampf oder eine Flucht erschweren). Dieses passiert bei Situationen, die bewältigbar erscheinen. Im anderen Fall wird Kortisol ausgeschüttet, was eine Handlungsunfähigkeit hervorruft. 2-24

123 2.10. Taktiken für die Selbstverteidigung Fragen zur Selbstkontrolle "Opfer und Täter-Rolle umkehren" ist das wichtigste Prinzip der Selbstverteidigung. Erläutere es an je einem Beispiel der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung! Weiterführende Fragen Warum individuelles Training? Training psychischer Aspekte??? 2.10 Taktiken für die Selbstverteidigung Für einen trainierten Sportler sollte nur eine Taktik existieren, Vermeidung aller Spielreien des Angreifers. Unser potenzieller Angreifer kennt die Situation und hat sie bewusst gewählt. Diese Vorteile müssen wir ihm nehmen, gerade die Ruhe vor dem Sturm ist für uns schwer einschätzbar. Der Anreifer labert sich heran, schlägt unerwartet zu, manipuliert die Zeugen...??? 2.11 Der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen Neben der Wirksamkeit der Aktionen muss immer auch der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen berücksichtigt werden. Im Absatz 7.1 wird dargestellt, wann und wie wir uns verteidigen dürfen. Dieser rechtliche Rahmen muss schon beim Trainieren und bei strategisch-taktischen Überlegungen im Training berücksichtigt werden. Weiterhin sind Techniken zu bevorzugen, die mit hoher Intensität und Wiederholungszahl geübt werden können. Denn Techniken, die nur angedeutet werden, werden nie so gekonnt wie Techniken, die gegen starke Gegenwehr im Training schon geübt werden. Ju-Jutsu kann solchen Überlegungen gerecht werden, schließlich wurde Ju-Jutsu insbesondere aus diesen Gründen als Selbstverteidigung und Einsatzkampfsystem für die Exekutive konzipiert, die ebenso an unsere rechtlichen und gesellschaftlichen Vorgaben gebunden ist. Der Einsatz von Schusswaffen, Schlagtechniken und Schwerttechniken (das, was sich von den deutschen Kampfkünsten gehalten hat) gegen Unbewaffnete war und ist 2-25

124 KAPITEL 2. SELBSTVERTEIDIGUNG nicht angemessen. Dieses erklärt die Begeisterung für das Judo (1906), die schließlich in der Entwicklung des Ju-Jutsu mündete. Ju-Jutsu stellt weiche und harte Mittel zur Verfügung sowie die Möglichkeiten, diese auch zu kombinieren. Nicht nur die Techniken selbst sondern auch ihre Ausführungen und die angegriffenen Ziele tragen zur angemessenen Abstufung der Notwehrhandlungen bei. Ein Ellenbogenschlag mag brutal klingen, jedoch relativiert sich die Härte, wenn statt des Kopfes der Oberarm angegriffen wird. Ebenso kann ein Fauststoß genutzt werden, um abzulenken und somit in eine günstige Position für Hebel oder Würfe zu kommen. Dieses macht Ju-Jutsu zum optimalen SV-System im Gegensatz zum Boxen, WT, Fechten oder Schießen. Ju-Jutsu ist die Transformation der Kriegs- und Kampfkünste in die deutsche Gesellschaft und das deutsche Rechtssystem. 2-26

125 3 Technikgruppen Inhalte des Kapitels 3.1 Was ist eine Technik? Biomechanik Bewegungsformen Falltechniken Schlag- und Tritttechniken Hebel Würfe Waffen Boden (Haltegriffe) Abwehrtechniken Sonstiges (Eigensicherung, Gleichgewicht,... ) Sportmotorische Grundfertigkeiten

126 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Dieses Kapitel soll keine vollständige oder unvollständige Auflistung und Beschreibung von Ju-Jutsu-Techniken liefern, sondern einen anderen Zugang zu Techniken anregen als durch einfaches Nachmachen. Nicht einzelne Techniken sondern übergeordnete Funktionsprinzipien (Erklärungswissen) sollen im Vordergrund stehen. Auch sollen Hinweise zum Vermitteln (Anleitungswissen) von Erfahrungen (Handlungswissen) gegeben werden. Einige Begiffe möchte ich definieren, die die Grundlage jeder Technikgruppenbeschreibung darstellen sollen: Abb. 3.1 Fauststoß Funktionen beschreiben die unmittelbaren Ziele, die mit einer Technik verfolgt werden. Diese Ziele zu erreichen, ist wichtiger, als eine Bewegungsvorschrift zu erfüllen. Rahmenbedingungen sind die Situationen, in denen eine Technik ihre Funktionen erfüllen soll. Individuelle Aspekte werden bei der überindividuellen Betrachtung ausgeklammert. Dieses bedeutet aber keinesfalls, dass sie zu vernachlässigen sind. Prinzipien sind insbesondere physikalische Grundlagen, durch die eine Technik ihre Funktionen erfüllen kann. Konzepte sind Ideen oder Handlungspläne, die beschreiben, wie die Prinzipien genutzt werden können. Bevor wir uns einzelnen Technikgruppen widmen können, sollte eine Frage geklärt werden: Technik als Bewegungsvorschrift Technik als Beispiellösung eines Problems 3.1 Was ist eine Technik? Die Antwort fällt sehr leicht. Eine Technik ist eine Bewegungsvorschrift oder eine Bewegungsnorm. Abweichungen von dieser Bewegungsvorschrift werden als Fehler bezeichnet. Individuen bemühen, sich mit ihrem Bewegen dieser Vorschrift möglichst genau zu entsprechen. Lehrende korrigieren häufig die Bewegungen figural im Vergleich zur Vorschrift. Es bleibt die Frage, ob die Auffassung, dass das Individuum einer überindividuellen Norm entsprechen muss, hilfreich ist, dem Individuum beim Meistern einer Kampfsituation zu helfen 1. Einige Kritikpunkte an der Erfüllung einer Bewegungsvorschrift sind: 1 Zitat Cultura Martialis! 3-2

127 3.1. Was ist eine Technik? Techniken existieren nicht als Selbstzweck, sondern sie sind beispielhafte Lösungen für Probleme in bestimmten Situationen. Eine Technik kann unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Ausführung der Technik hängt stark mit der zu erfüllenden Funktion zusammen. Verschiedene Ausführungen müssen geübt und Funktionen verdeutlicht werden. Techniken haben eine Funktion. Diese Funktion ist wichtiger, als die Technik selbst. Das Perfektionieren einer Technik kann den Blick davon ablenken, eine Situation perfekt zu meistern. Auch wird der Blick nicht geschult für Rahmenbedingungen, in denen die jeweilige Technik genutzt werden kann, denn Techniken werden meist losgelöst aus Anwendungssituationen geübt oder die Anwendungssituation wird so stark vereinfacht, dass Probleme nicht erkannt werden. Wer erwartet denn ernsthaft, dass ein Angreifer nach dem 1. Angriff keinen weiteren Angriff startet? Es ist unverzichtbar, sich z. B. der Distanzen und des Regelwerkes für den Einsatz einer Technik bewusst zu sein. Z. B. ist ein Ellenbogenschlag keine Technik für den Distanzkampf und der Bodenkampf ändert sich schlagartig, sobald geschlagen werden darf. Techniken existieren nicht für sich alleine, sondern sie werden vom Individuum für sein Bewegen genutzt. Jedoch entspricht niemand dem Durchschnittsmenschen, das Abweichen von der Norm im Körperlichen und im Bewegen ist der Regelfall, nicht die Ausnahme. Zusätzlich zu den eigenen Unzulänglichkeiten kommt auch noch ein Gegner hinzu, der sich keinesfalls immer so kooperativ verhält wie in vielen Übungsformen der Kampfkünste. Um im Spannungsfeld von Kooperation und Konfrontation miteinander üben zu können, müssen die Übenden einander vertraut sein 2. Somit ist die individuelle Abweichung von der Bewegungsvorschrift der Regelfall, nicht die Ausnahme. Es ist sinnlos, von einer exakten Erfüllung einer Bewegungsnorm auszugehen. Das Variieren von Techniken mit dem Zweck der situativen Anpassung ist kein Sonderfall, sondern eine Notwendigkeit, um mit vielfältigen Situationen umgehen zu können. Techniken sind nicht von einem Meister gegeben, sondern sie haben sich als Lösung für Probleme entwickelt. Techniken sind kein Selbstzweck, sie sind aus Bewegungen entstanden, die gut funktionieren, die einen Zweck erfüllen. Techniken berücksichtigen biomechanische Gesetze. Das Individuum muss sie aber an sich anpassen. Techniken sind also Notwendig: Individualisierung, Variation (situative Anpassung). 2 Siehe

128 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Die Situation bestimmt die Ausführung Beipiellösungen, keine Lösungsvorschrift. Sie liefern Konzepte dafür, wie sich Prinzipien nutzen lassen. Sie sind aber keinesfalls ein Muster, das dem Individuum vorgeschrieben ist. Menschliches Bewegen ist Problemlösen. Techniken sind Beispiellösungen, keine Lösungsvorschriften! Viele Techniken, die aus anderen Kampfkünsten abgeschaut 3 wurden, sind aus ihren jeweiligen Anwendungsfeldern herausgerissen. Unser Blick muss dafür geschult werden zu erkennen, in welchen Situationen die Technik im ursprünglichen System gebraucht wird und wie sie in unserer geänderten Situation anwendbar gemacht werden kann. Z. B. sind Würfe mit ihren traditionellen Greifarten sehr gut im Judo geeignet, aber wie sieht es aus bei einem Gegner, der nur ein T-Shirt trägt und auch noch schlagen darf? Ebenso bringen Regeländerungen im Wettkampf neue Varianten und neue Technikschwerpunkte hervor. Judowürfe sind dafür optimiert, den Gegner auf den Rücken zu werfen. Dieses Ziel entstammt aus dem Wettkampf, nicht aus der Selbstverteidigung. Sich den geeigneten Situationen für eine Technik bewusst zu sein, ist notwendig, denn was nutzt die beste Technik, wenn ich nicht weiß, wie ich sie sinnvoll anwenden kann. Techniken dürfen nicht zu einem Gefängnis werden, das das Individuum davon abhält, notwendige Abwandlungen vorzunehmen. Auch dürfen Techniken nicht dazu führen, dass sich das Individuum vom Kampf entfernt 4. Techniken lassen sich voneinander unterscheiden durch unterschiedliche Prinzipien, nach denen sie funktionieren. Eine rein figurale Unterscheidung ist bedeutungslos und verhindert den Blick auf das Wesentliche. Somit definiere ich wie folgt: Technik ist eine Bewegungsbeschreibung, an ihr lassen sich Funktionsprinzipien als Ideen für die individuelle Nutzung beispielhaft zeigen. Daneben liefern Techniken auch strukturelle Merkmale 5, um Techniken voneinander unterscheiden zu können. Nutzt ein Individuum eine Technik, so bedeutet dieses, dass das Individuum in angepasster Weise die Funktionsprinzipien nutzt und die strukturellen Merkmale der Technik erfüllt, um sein selbstgestecktes Ziel zu erreichen. Funktionsprinzipien sind die meist biomechanischen Gesetze, die genutzt werden. 3 Abgeschaut heißt auch, dass sie nur figural nachgemacht werden, ohne zwangsläufig die Prinzipien verstanden zu haben. 4 Siehe Klassen sind Mengen ohne gemeinsame Elemente. Ein Bewegung kann nicht gleichzeitig Hüft- und Schulterwurf sein. Techniken als Bewegungsklassen sind durch strukturelle Merkmale enger gefasst als die Bewegungsklassen der Schematheorie(4.3.3). 3-4

129 3.1. Was ist eine Technik? Strukturelle Merkmale sind die Unterschiede zwischen Techniken, insbesondere zwischen Techniken, die die gleichen Funktionsprinzipien nutzen. Beispiel «Doppelhandsichel von vorne»: Die Doppelhandsichel von hinten nutzt die gleichen Prinzipien. Über das strukturelle Merkmal werden jedoch diese Bewegungen als zwei Techniken unterschieden. Minimalkriterien: Anforderungen an eine Bewegung, die mindestens erfüllt sein müssen, um eine Technik als solche zu identifizieren. Hierzu gehören strukturelle Merkmale und wesentliche Funktionsprinzipien. Am Beispiel Fauststoß: Faust, gradliniges Strecken des Armes, Körper bewegt sich nach vorne. Gütekriterien: Alles, was eine Technik über das Funktionieren unter Standardbedingungen hinaus erfolgreich und anwendbar macht. Am Beispiel Fauststoß: Eigensicherung, Hüfteinsatz, Distanz, Timing, Kraft / Schnelligkeit, Treffsicherheit, gleichzeitige Meidbewegung,... Es ist ungünstig, mit viel Aufwand einen Hebel durchsetzen zu wollen, während mein Gegner auf mich einschlägt. Techniken sind einem übergeordnetem Ziel untergeordnet und oft ist es der bessere Weg, von einer Technik abzulassen und eine andere zu wählen 6. Techniken können in unterschiedlichen Stilen unterschiedlichen primären Zwecken dienen, sodass ihre Ausführung stark variieren kann. So kann ein Armstreckhebel dazu dienen, einen Angreifer zu kontrollieren oder seinen Arm zu brechen. Weiterführungstechnik Unterschiedliche Ziele gleicher Techniken Was sind Technikfehler? Mit der anderen Auffassung von Technik wird auch der Begriff des «Fehlers» schwieriger. Eine Abweichung von einer Bewegungsnorm kann in vielen Fällen situativ angemessen oder sogar erforderlich sein, sorgt aber vielleicht dafür, dass die Bewegung kaum noch der vermuteten Technik entspricht. Hierbei von einem Fehler zu sprechen, ist unangemessen, denn die Bewegungen des Individuums dienen einem Zweck. Das Erfüllen einer Bewegungsnorm ist dem Erreichen des Ziels untergeordnet. Fehler bezüglich einer Technik sind Bewegungen, die den strukturellen Ansprüchen nicht gerecht werden, z. B. ein «runder Fauststoß». Dieses heißt aber nicht, dass der «runde Fauststoß» ein Fehler in der jeweiligen Situation ist, sondern eben nur bezüglich der strukturellen Kriterien des Fauststoßes. Die strukturellen Merkmale dürfen nicht zu eng 6 Siehe auch Unsaubere Techniken sinnvoll!? Freiheit zur individuellen, funktionalen Ausführung Strukturelle Merkmale vs. funktionale Begründung

130 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Gesundheitsgefährdung im Üben Funktion bestimmt Ausführung gesteckt sein, ansonsten werden sie missbraucht, um das funktional begründete Hinterfragen einer Technik zu verhindern. Bewegungen sind eindeutig falsch, sobald sie den Bewegenden/e selbst schädigen. Zwar mag auch eine solche Bewegung in gewissen Situationen angemessen sein, doch wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Ju-Jutsuka ihr ganzes Leben üben, ohne Ju- Jutsu einmal anzuwenden, so steht außer Frage: Gesundheitschädigende Bewegungen sind Fehler! Sie sind sofort abzustellen! Auch ist es zweifelhaft zu behaupten, dass gewisse körperliche Fehlbelastungen zum «korrekten» Ausführen einer Technik nötig sind. Abweichungen von Ideallösungen sind immer in Hinblick auf die Ziele und Situationen zu betrachten. Z. B. ist ein weites Ausholen sicherlich ideal, um viel Energie aufzubauen. Eine ansatzlose Ausführung, die mein Gegner nicht erkennt, sieht aber anders aus. Ziele, Voraussetzungen und Situation bestimmen die Ausführung! Dem Lernenden sind die angenommenen Situationen zu verdeutlichen, in denen sein Bewegen (un)günstig ist, nur so kann er sein Bewegen an die Situation anpassen. Da im Kämpfen keine Situationen exakt gleich wiederkehren, sind Varianten im Bewegen bewusst zu machen und zu fördern. Ebenso werden häufig die Möglichkeiten, die dem Gegner gegeben sind, nicht angemessen betrachtet. Kein Angreifer macht einen Schlag und wartet dann, was passiert! Alle Techniken müssen so gewählt werden, dass sie gegen Angreifer funktionieren, die mehrfach angreifen. Dieses schließt langsame Techniken gegen schnelle Angriffe aus! Technikvariation und Auswahl Nachdem die Frage verschiedener Technikauffassungen erörtert wurde, nun zur Frage, welche Techniken zu welchen Zwecken den Lernenden näher gebracht werden sollten. Einen Hinweis liefert das Prüfungsprogramm. Aber wie der Name schon sagt, ist das Prüfungsprogramm kein Curriculum 7. 7 Curriculum: Lehrplan. Siehe

131 3.1. Was ist eine Technik? An dieser Stelle gebe ich einige allgemein gültige Kriterien, die bei der Variation und Auswahl helfen sollen: Gesundheit Die Techniken sollen gesundheitserhaltend beim Üben und Anwenden sein! Anwendungsbezug in Auswahl, Variation und Training Grundlegende Voraussetzungen intensiver üben (Abwehr also mehr als «Aufheber»). SV Trefferwirkung trainieren! Techniken wählen, die intensiv trainierbar sind und die man auch anwenden möchte, also sind Genickhebel und Schläge auf den Kehlkopf nicht erste Wahl. Systembezug (Was ist im gewählten Kampfsystem erlaubt?) Immer von Mehrfachangriffen ausgehen! Immer von der Gegenwehr des Angreifers ausgehen! Keine langsamen Aktionen, die viel Körpermasse bewegen, gegen schnelle Angriffe wählen! Die Techniken sind auch im Hinblick auf das deutsche Rechtssystem zu hinterfragen. Individuumsbezug Das Kämpferprofil 8 zu potentiellen Gegnern berücksichtigen! Situationsbezug Wie kommt man in die Situation, die gewählte Technik anwenden zu können? 9 Welche Rahmenbedingungen ergeben sich durch diese Situationen? Das aktuelle Prüfungsprogramm berücksichtigt diese Kriterien schon in größerem Maße als die vorhergehenden Programme, wie in 1.2 dargestellt wird Zwischen den Techniken Aus den Bewegungsstrukuren 10 lässt sich ableiten, dass sich eine Situation keineswegs nur durch eine Aneinandereihung von Techniken meistern lässt. Techniken müssen vorbereitet werden. Diese Vorbereitung kann zum Beispiel durch das Beherrschen einer offenen Situation geleistet werden. Was dieses bedeutet, wird deutlich an den Unterschieden 8 Siehe Siehe und Siehe

132 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN der Vermittlung von Techniken im Stand und Techniken am Boden. Am Boden werden Techniken sofort kämpfend erprobt, im Stand kommt dieses Erproben meist zu kurz. Die Gründe hierfür sind, dass sich die Haltetechniken im Vollkontakt erproben lassen, was für Schlagtechniken nur bedingt gilt. Dieses ist eine Ausrede! Es ist unsere Aufgabe als Trainer, uns geeignete Lernsituationen einfallen zu lassen. Beispiele für Lernsituationen, die offen sind für individuelle Lösungen, sind: An einem Gegner «kleben», ohne dass seine Schläge mich treffen. Dem Schieben und Ziehen des Partners nachgeben und gleichzeitig die eigene Körperstatik erhalten. Auf einem Partner bleiben, dere sich am Boden bewegt. In diesen Situationen kann man offensichtlich günstig oder auch ungünstig handeln. Aber dieses Handeln ist nicht in Techniken beschrieben. Solche Situationen entstehen immer zwischen Techniken und sogar parallel zu Techniken. Neben dem Beherrschen solch offener Situationen sind auch Strategie und Taktik 11 geeignete Möglichkeiten, offene Situationen zu beherrschen. Fragen zur Selbstkontrolle Was sind Minimalkriterien? Was sind Gütekriterien? Was sind strukturelle Merkmale? Nenne Gründe dafür, dass der Kämpfende Techniken im Bewegen abwandeln muss! Weiterführende Fragen Warum ist die Drillmethode gut geeignet, Technikleitbilder zu vermitteln, aber ungeeignet, die situative und individuelle Anpassung zu fördern? Argumentiere gegen die Behauptung, dass die Lernenden erstmal die «Grundform» einer Technik können müssen, bevor abgewandelt werden darf! (Hinweise finden sich bei den Lernphasen 12 und der Lernzieltaxonomie 13.) 11 Siehe Siehe Siehe

133 3.2. Biomechanik 3.2 Biomechanik Erst biomechanische Untersuchungen ermöglichten es, die Leistungsgrenze 14 immer weiter hinauszuschieben. Im folgenden Abschnitt stelle ich einige Grundlagen dar, möchte aber auch die Grenzen der Bedeutung der Biomechanik für uns Kämpfende darstellen. Die mechanischen Gesetze sind Ermöglichungsbedingungen und können nicht gebrochen werden. Es gibt jedoch Gründe, die dafür sprechen, nicht das theoretische Maximum zu erreichen. Abb. 3.2 Felgbewegung Menschliches Bewegen basiert nicht auf Berechnungen, sondern auf Erfahrungen und Bewegungsgefühl. Die Naturwissenschaften haben sich von Erfahrungswissenschaften, wie sie noch unter Aristoteles betrieben wurden, zu experimentellen Wissenschaften nach Gallileo Gallilei entwickelt. Aber schon Newtons Aussage, dass ein Körper, auf den keine Kraft wirke, in Ruhe bleibe oder sich gleichmäßig und gradlinig fortbewege, ist ein reines Gedankenexperiment. Solche Gesetzmäßigkeiten versuchen nicht, Erfahrungen zu erklären, sie sind also nur bedingt geeignet, menschliches Sich-Bewegen zu fördern 15. Physikalische Gleichungen initiieren noch ein weiteres Missverständnis. Eine Lageenergie ist niemals gleich einer Bewegungsenergie. Die jeweiligen Maßzahlen sind gleich und die Energien lassen sich unter Verlusten ineinander überführen. Die Erfahrungen, die wir mit solchen Größen machen, sind jedoch völlig unterschiedlich 16. Die mechanischen Gesetze sind Teile des Erklärungswissens 17. Häufig werden stark vereinfachte biomechanische Betrachtungen den Lernenden vermittelt. Wie wenig Erklärungswissen beim Handeln hilft, zeigt das Beispiel des Handstandes. Um im Handstand zu stehen, muss lediglich der Körperschwerpunkt des zu streckenden Körpers über die Stützfläche gebracht werden, die von den Händen aufgespannt wird. Die Kämpfenden müssen aber in vielfältigen Erfahrungssituationen Handlungswissen erwerben. Einige solcher Erfahrungssituationen werde ich aufzeigen. Das Wissen um diese Erfahrungssituationen ist Teil des Anleitungswissens eines guten Trainers. 14 Im Leistungsturnen wird anhand von Berechnungen entschieden, ob ein Turner ein bestimmtes Element, z. B einen doppelten Salto, turnen kann. 15 Vergleiche (author?) [S. 17 ff. Pie80] 16 Vergleiche (author?) [S. 284 Pie80] 17 Siehe

134 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Aktio gleich Reaktio Jede Kraft bringt eine gleich große Gegenkraft hervor oder benötigt eine gleich große Gegenkraft, um aufgebracht werden zu können. Erfahrungssituationen: Ein Partner springt hoch, der andere schiebt ihn dabei weg. Hiernach springen beide Partner und wieder versucht einer zu schieben. Ein Partner steht stabil, der andere steht in Schrittstellung so dicht an ihm, dass die gestreckten Arme Bauch oder Brust von dem Partner berühren. Nun versucht er, den stabil stehende zu schieben und gleichzeitig ein Bein zu heben Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung Während die Masse eine Eigenschaft der Materie ist, ist die Kraft eine Resultierende aus der Masse und einer Beschleunigung, z. B. der Erdbeschleunigung. Die Gewichtskraft, die ich als Mensch auf die Waage bringe, ist eine Auswirkung der Erdbeschleunigung. Die Beschleunigung der Erde ist nicht überall exakt gleich, die Unterschiede können aber vernachlässigt werden. Hingegen ist die Mondbeschleunigung geringer, sodass wir uns auf dem Mond leichter fühlen würden. Natürlich ist unsere Masse auf dem Mond die gleiche, nur die durch die Mondbeschleunigung entstehende Gewichtskraft ist geringer. Wirkt auf einen Körper eine Kraft, die nicht durch andere Kräfte neutralisiert wird, so wird der Körper bescheunigt. Diese Beschleunigung nehmen wir anhand der aus ihr resultierenden Geschwindigkeit wahr. Damit jedoch eine Geschwindigkeit wahrgenommen werden kann, muss die Beschleunigung länger wirken. Mathematisch lässt sich dieses wie folgt fassen: F = m a (Kraft gleich Masse mal Beschleunigung) v = a t (Geschwindigkeit gleich Beschleunigung mal Zeit) v= m F t (Kombination der oberen Gleichungen) Für diese resultierende Formel folgen nun die Erfahrungssituationen: Ein Tennisball soll mit unterschiedlichen Beschleunigungswegen geworfen werden. Ein längerer Beschleunigungsweg resultiert auch in unterschiedlichen Beschleunigungszeiten. Die Wurfweiten sind deutliches Zeichen unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Energien. Was im Bereich der Leichtathletik optimal ist, ist es im Bereich des Kämpfens nicht. Argumentiere gegen große Bewegungen beim Kämpfen, obwohl sie zu größeren Geschwindigkeiten führen! 3-10

135 3.2. Biomechanik Die Kraft, die ausgeübt werden kann, ist keineswegs konstant. Somit ergibt sich : tende F(t) v=v 0 + t An f ang m dt Unterschiedliche «Bälle» sollen bei gleichem Weg geworfen werden. Zu leichte Bälle können nicht beliebig beschleunigt werden, da unsere Muskulatur nicht beliebig schnell arbeiten kann und natürlich auch unser Arm eine Masse hat, die natürlich konstant ist, aber im Verhältnis zu unterschiedlichen Wurfobjekten unterschiedlich ins Gewicht fällt. Eine Metallkugel mit 5 bis 7 kg Masse lässt sich auch mit einem weit ausgeholten Wurf nicht beliebig beschleunigen, da nicht wirkungsvoll Kraft auf sie übertragen werden kann. Gleiches geschieht beim Fußstoß vorwärts, bei dem auch nicht das Bein beliebig beschleunigt werden kann Kraftquellen 3 unterschiedliche Kraftquellen lassen sich für menschliches Bewegen unterscheiden: Direkte Muskelkraft Schwerkraft Reaktivkraft (Federenergie) Diese Kraftquelle existiert für menschliches Bewegen nur scheinbar. Der Eindruck des Federns entsteht dadurch, dass der Mensch einen notwendigen Krafteinsatz antizipiert und unbewusst die Muskeln schon vorspannt. Aufgabe: Finde Beispiele für die Nutzung unterschiedlicher Kraftquellen im Ju-Jutsu! Energieerhaltung Energie kann weder entstehen noch vernichtet werden. Lediglich die Form kann sich ändern. Für uns sind insbesondere Formen mechanischer Energie interessant, die sich bewusst nutzen lassen. Die Energiebereitstellung für den Muskel ist eine Umwandlung von chemischer in mechanische Energie. Dieses geschieht jedoch automatisch und ist von uns nicht willkürlich beeinflussbar. Formen mechanischer Energie: kinetische Energie (gr. kinetikos = die Bewegung betreffend) oder Bewegungsenergie E kin = 2 1mv2, für Rotationsbewegungen gilt E kin = 2 1Jω

136 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN potentielle Energie oder Lageenergie E pot = mgh (g bezeichnet die Erdbeschleunigung und h die Höhe) Weitere mechanische Energieformen wie Schwingungsenergie, elastische Energie (Federenergie) aber auch Wellenenergie sind wesentlich schwerer zu erfassen und werden hier nicht thematisiert. Bei Schlägen und Tritten ist insbesondere die kinetische Energie bedeutsam, bei der die Geschwindigkeit quadratisch einfließt. Eine Verdopplung der Geschwindigkeit führt somit automatisch zu einer Vervierfachung der Energie. Die potentielle Energie ist bei Falltechniken bedeutsam, denn durch frühzeitiges Tiefgehen lässt sich die Lageenergie wirkungsvoll senken. Bei einem Lowkick gegen den Oberschenkel lässt sich gut die Energieerhaltung erfahren. Steht das Bein und der Oberschenkel sehr fest am Platz, so wird alle Energie in die Verformung des Oberschenkels gehen. Ist das Bein in der Luft, so wird der Oberschenkel durch den Tritt bewegt werden und ein Teil der Energie kann in Bewegungsenergie umgewandelt werden. Beim Fallen aus unterschiedlichen Höhen wird schnell klar, wie sinnvoll das rechtzeitige Tiefgehen ist Impuls- und Drehimpulserhaltung In einem abgeschlossenen System bleiben Impuls und Drehimpulse bei Zusammenstößen konstant. Der Impuls ist das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit (p = mv). Für den Drehimpuls gilt entsprechend, dass er das Produkt aus Massenträgheitsmoment (Masse mal Abstand zum Drehpunkt zum Quadrat J = mr 2 ) und Winkelgeschwindigkeit (L=Jω = mr 2 ω) ist. Bedeutsam werden diese beiden Gesetze bei Zusammenstößen. Die Drehimpulserhaltung spielt bei allen Drehbewegungen eine große Rolle und lässt sich als Karussellprinzip verdeutlichen: Auf einem Bein mit seitlich ausgestreckten Armen sich drehen. Danach beim Drehen die Arme heranziehen. Hierdurch wird das Massenträgheitsmoment verringert und die Winkelgeschwindigkeit erhöht, sodass der Drehimpuls erhalten bleibt. Dieses wird beim Kinderkarussel sehr deutlich. Ein schöner Versuch lässt sich paarweise mit einem Pezziball durchführen. Ein stehender Partner wird mit einem direkt am Körper gehaltenen Pezziball angesprun- 3-12

137 3.2. Biomechanik gen. Diese wird nun den Impuls übernehmen. Dieses bedeutet auch, dass ein leichte Partner sich wesentlich schneller bewegen wird Last mal Lastarm gleich Kraft mal Kraftarm Dieses Gesetz lässt sich mit einer Wippe und einem Schraubenschlüssel erklären. Je weiter außen ein Gewicht ansetzt, desto größer ist seine Wirkung. Neigen sich die Wippenden vor und zurück, so verschieben sie ihr Gewicht und können sich abwechselnd hochhebeln. Setzt man einen Schraubenschlüssel an, so zieht man weit außen, um mehr Drehmoment zu übertragen, Abb. 3.3 Drehmoment wie in Abbildung gezeigt. Reicht dieses nicht, so versucht man den Hebel weiter zu verlängern. Die fest sitzende Schraube hat lediglich einen Kraftarm mit der Länge des Radius. Hinter diesem Phänomen stecken aber eigentlich Drehmomente. Ein Drehmoment ist das Produkt aus Kraft und Kraftarmlänge. Zu beachten ist, dass die Kraft senkrecht auf den Arm wirken muss. Folgende Erfahrungssituationen bieten sich an: Beim Seitstreckhebel wird unterschiedlich gefasst. Wird nahe dem Ellenbogengelenk gefasst, so entsteht weniger Drehmoment als wenn nahe der Hand gefasst wird. Die Kraft, die wir dabei aufbringen, kann aber gleich groß sein. Man kann hierbei den Einfluss der Hebellänge erfahren. Beim Seitstreckhebel auf dem Rücken liegend soll nur aus den Armen gezogen werden. Anfangs ist die Kraft noch günstig zum Hebelarm, zum Schluss zieht man aber in Richtung des Hebelarms, kann also kein Drehmoment mehr aufbauen. Der Einfluß der Richtung der Kraft zum Hebelarm kann hierbei erfahren werden Fehler in biomechanischen Betrachtungen Vielfach wird die Biomechanik genutzt, um Varianten von Bewegungen zu begründen. Natürlich ist Biomechanik eine Wissenschaft, die auch sehr große Erfolge feiert. Jedoch werden insbesondere bei der Analyse von Kampfkünsten Fehler begangen: Die Biomechanik stellt Ermöglichungsbedingungen dar. Sie gibt keine Hinweise darauf, ob es in Kampfsituationen sinnvoll ist, so zu handeln. Z. B. ist es möglich, eine Faust mit großen Schwungbewegungen zu beschleunigen. Aber ist das sinnvoll? 3-13

138 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Die Biomechanik vereinfacht den Menschen zu einer abzählbaren Anzahl von starren Elementen. Der Einfluss zahlreicher kleiner Muskeln und von unechten Gelenken wird vernachlässigt. Viele, die die Biomechanik nutzen, sind keine Physiker und Physiologen. Es schleichen sich sehr viele Fehler in biomechanische Betrachtungen ein, die von weiteren Autoren unreflektiert übernommen werden. Eigene Erfahrungen werden zugunsten von errechneten Bewegungen verworfen. Die Biomechanik liefert nur Erklärungswissen, kein Handlungswissen. Die Biomechanik betrachtet geschlossene Bewegungen und keine offenen. Hierbei wird die Notwendigkeit der Bewegungsanpassung ignoriert. Fragen zur Selbstkontrolle Die Abbildung zeigt eine Illustration aus einem Biomechanikskript. Was ist der Fehler an dieser Illustration? Abb. 3.4 Seitstreckhebel 3-14

139 3.3. Bewegungsformen 3.3 Bewegungsformen Bewegungsformen sind Techniken ohne direkte Trefferwirkung. Sie dienen einerseits dazu, Kontrolle über Distanz und Winkel zu erlangen, sind aber gleichzeitig auch untrennbare Grundlage von Techniken. Sie bieten zum Beispiel die optimale Unterstüt- Keine Technik zung des gesamten Körpers für Techniken mit direkter Trefferwirkung oder ermöglichen ohne Bewegung es, Angriffen zu entgehen. Hierzu gehören unter anderen: Schrittdrehungen Gleiten vorwärts und diagonal Doppelschrittdrehung Abb. 3.5 Klassische Bewegungsformen Ich möchte bei meiner Betrachtung von der Funktion ausgehen und nicht von der Erscheinung, also nicht von den Technikbeschreibungen. Funktionen von Bewegungsformen Die Funktionen der Bewegungsformen sind: sich der Energie des Gegners zu entziehen (ausweichen) oder die Energie des Gegners zu nutzen (aufnehmen oder umleiten) selbst Energie aufzubauen (Schub 18 oder Zug). Kontrolle über Distanz und Winkel zum Gegner haben, um Techniken anwenden zu können. Kontrolle der Position im Raum. eigene Stabilität wahren und erlangen. Funktion vor Erscheinung! Energie ausweichen, nutzen, aufbauen Distanz, Winkel Rahmenbedingungen von Bewegungsformen Kämpfen ist sehr zeitkritisch. Der Gegner wird versuchen, mehrfach anzugreifen. Die eigenen Angriffsaktionen müssen gleichzeitig oder zumindest vor der Folgeaktion des Gegners erfolgen. Dieses führt zur Voraussetzung, dass die Bewegungsformen die allzeitige Bereitschaft sicherstellen müssen (keine Bewegungen, die in Sackgassen führen oder zu langsam sind). 18 Schub ist stellvertretend für insbesondere Schläge und Tritte, aber auch Würfe. von Mehrfachangriffen ausgehen Gesundheit geht vor! 3-15

140 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Bei allen Betrachtungen darf der Gesundheitsaspekt nicht vernachlässigt werden, denn als Grundlage für viele andere Techniken sind höchste Wiederholungszahlen zu erwarten und zu fordern. sparsame Bewegungen Keine Sackgassen Prinzipien Die Bewegungsformen müssen schnell und sparsam sein, keine unnötigen Bewegungen. Wenn möglich sollten keine zwei stark unterschiedliche Bewegungen zu einem Gegenangriff nötig sein. Das Bewegen darf mich nicht in «Sackgassen» führen, aus denen ich schwer herauskomme. Hierdurch werde ich langsam und berechenbar. Konzepte Grundlegende Konzepte sind Schritte, Gleiten und Drehen. All dieses findet sich im Ju- Jutsu. Jedoch werden diese Konzepte isoliert von den Funktionen und Problemen trainiert. Dieses führt dazu, dass die Funktionen vernachlässigt werden. Das isolierte Training von Konzepten ist hier nicht sinnvoll, wie in der nachfolgenden Kritik an einzelnen Beispielen verdeutlicht wird. Eine Alternative zu den Bewegungsformen wird im Abschnitt präsentiert. Abfolge, nicht Funktion wird dargestellt Die Situationen werden nicht dargestellt Bewegungsformen immer mit Partner üben natürliche Reflexe nutzen Kritik an bisherigen Bewegungsformen Viele Bewegungsformen, die im «Ju-Jutsu 1x1» aufgeführt sind, sind zu ungenau dargestellt 19. Nicht die Abfolge der Bewegung ist ungenau dargestellt, aber ihre Anwendung wird nicht betrachtet. Dieses führt dazu, dass sie oft in den falschen Situationen angewendet und geübt werden. Im JJ-1x1 20 steht z. B. als Zweck für die Doppelschrittdrehung: «Ausweichen bei Angriffen, Unterstützung von Wurf und Hebeltechniken». Dieses ist richtig, aber exakt das, was allgemein von Bewegungsformen erwartet wird. Kein Wort über die geeigneten Situationen wird verloren, also in welcher Distanz und bei welcher Art des Angriffs sie geeignet sind. Das figurale Definieren einer Bewegung über Hilfslinien und Beschreibungen der äußeren Gestalt führt vielfach dazu, dass die Funktion und die Situation vernachlässigt werden. Bewegungsformen müssen immer mit einem Partner geübt werden, denn Distanz und Winkel sind zu einem Partner zu kontrollieren, Geschwindigkeit ist im Verhältnis zu einem Angriff zu beurteilen, die eigene Stabilität gilt es, trotz Störungen zu behalten. 19 Das «Ju-Jutsu 1x1» listet Techniken nur auf, analysiert sie aber nicht. Leider werden Techniken nur immer wieder kopiert statt immer wieder neu erarbeitet und hinterfragt. 20 Siehe [DJJ00] S

141 3.3. Bewegungsformen Das «formale» Üben von Bewegungsformen geht nicht von natürlichen Reflexen und natürlichen Bewegungen aus. Dieses bedeutet, dass schnelle und spontane Aktionen abtrainiert werden, danach durch künstlich antrainierte und sogar meist unangemessene Bewegungen ersetzt werden. Hieraus resultiert eine Blockade im Handeln, die «tödlich» ist, denn sie verhindert insbesondere das Ausweichen. Reflexe sollten nicht abtrainiert 21 sondern genutzt werden. Hierzu können sie manchmal leicht abgewandelt werden. von natürlichen Bewegungsformen, die dem Ausweichen dienen, müssen von den natürlichen Bewegungen ausgehen. Diese Bewegungen müssen dann optimiert werden, damit sie die anderen Bewegungen ausgehen Funktionen gleichzeitig erfüllen können. Ausgangspunkt ist immer die Funktion. Achtung, «geübte» Ju-Jutsuka haben ihre natürlichen Bewegungen schon abtrainiert. Hier ist es oftmals nötig, Bewegungen wieder neu zu erlernen. Da ihre Bewegungen oftmals auf falschen Annahmen 22 beruhen ist, dieses sinnvoll. Funktion Die Vorherrschaft der Funktion, die wir im Ju-Jutsu haben sollten, ist nicht in allen Kampfkünsten gegeben. Z. B. müssen in der Capoeira 23 Techniken existieren, die ästhetischen vor Gestalt Ansprüchen genügen, denn das Kämpfen darf nicht offensichtlich erkennbar sein. Die folgende Kritik an einzelnen Bewegungsformen setzt an zwei entscheidenden Stellen an: 1. Situation: Vielfach werden richtige (gemeint ist der Systembezug) Techniken in den falschen Situationen angewendet! 2. Funktionalität: Vielfach werden Techniken recht genau aber figural beschrieben. Viel wichtiger als diese äußere Form ist aber die Funktionalität! Stellungen Das Ju-Jutsu-Prüfungsprogramm umfasst auch Stellungen (jap. Dachi). Es werden die Verteidigungsstellung und die Aktionsstellung jeweils etwas seitlich und frontal ausgeführt unterschieden. Meine erste Kritik betrifft die Einteilung: Die Verteidigungsstellungen sind Ausgangsstellungen. Sie sind keine Stellungen im Kampf und Ju-Jutsu ist ein System zur Verteidigung. Eine sinnvolle Bezeichnung ist Vorkampfstellung. 21 z. B. trainieren Handballtorwarte, den Kopf in Richtung des Balles zu bewegen statt von diesem Geschoss weg. Für das Kämpfen lässt sich der Reflex, den Kopf aus dem Weg zu nehmen, sicherlich sinnvoll nutzen. 22 Siehe Siehe Vorkampfstellung Bewegen bringt die Wirkung nicht Stellung 3-17

142 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Die Aktionsstellungen sollen Techniken unterstützen. Jedoch unterstützt nicht die Stellung eine Technik, sondern das Einnehmen der Stellung, also das Bewegen des Körpers. Die beschriebene Stellung, also die Endposition, wird in einem Kampfgeschehen auch gar nicht als solche eingenommen, sondern Kämpfende starten sofort die nächste Aktion. Somit können diese Stellungen gänzlich entfallen, denn sie sind durch die Bewegungen schon erfasst. In den mir vorliegenden Werken zu Judo, aber auch Sambo, konnte ich keine Grundstellungen entdecken. Unsere Stellungen sind vom Karate geerbt. Hier werden noch wesentlich mehr Stellungen unterschieden als im Ju-Jutsu. Im Kämpfen sollte ich jedoch nicht stehen, sondern mich bewegen. Kampfstellungen sind nicht relevant. Vorkampfstellungen jedoch sind interessant. Ihre Funktion möchte ich im Abschnitt untersuchen, denn sie sind weniger eine Bewegungsform als eine taktische Maßnahme (Karate-) Aktionsstellung mit Schritt zum Angreifen 1 Abb. 3.6 Ausfallschritt >15 Die große Aktionsstellung verleitet zu einer falschen Knieposition im hinteren Bein 24, da der Fuß nur begrenzt ans Schienbein herangezogen werden kann, und muss zu einem Hohlkreuz führen, da das Bein nach hinten nur 15 Bewegungsspiel hat, der Rest muss über ein Hohlkreuz erbracht werden. Weiterhin sind die Bewegungen zu lang, denn in den ersten zwei dargestellten Phasen kann keine Energie aufgebaut werden. Zusätzlich ist es nicht gut möglich, aus der Endposition weiterzuarbeiten. Zusammengefasst ist die Endposition gesundheitlich bedenklich (hohe Wiederholungszahlen), die Gesamtbewegung zu langsam und energetisch ungünstig. 24 Siehe

143 3.3. Bewegungsformen Doppelschrittdrehung Doppelschrittdrehung Kodokan Eingang (vorwärts) Pulling-Out Eingang Abb. 3.7 Doppelschrittdrehung Die Doppelschrittdrehung ist eine der meist falsch verstandenen Bewegungen. Sie ist keine Eingangsbewegung, um aus Schlag-, Tritt- oder gar Stockdistanzen an einen Gegner heranzukommen. Die rechte Sequenz der Abbildung 3.7 zeigt, dass ein Stockschlag die Doppelschrittdrehung schon im Ansatz unterbricht. Die Grafiken wurden einem Video entnommen und spiegeln den tatsächlichen zeitlichen Ablauf wider! Nachdem wir erkannt haben, wozu die Doppelschrittdrehung wenig geeignet ist, sollten wir kurz darstellen, wozu die Doppelschrittdrehung besser genutzt werden kann. Sie findet sich im Kodokan-Wurfeingang vorwärts und im Pulling-out Eingang rückwärts wieder. Bei beiden Bewegungen wird keine Distanz zum Partner überwunden, sondern er wird in der nahen Distanz in Bewegung gebracht. Auch ist es bei dieser Anwendung nicht nötig, mit der Bewegung auszuweichen Bewegungsformen am Boden Die im Ju-Jutsu-1x1 dargestellten Bewegungsformen am Boden decken nur einen kleinen Teil der Bodenarbeit ab, nämlich den, wobei der Verteidiger liegt und der Angreifer steht. Ich persönlich gehe aber davon aus, dass der Verteidigende den Angreifende mit zu Boden zieht. Hierfür fehlen Bewegungsformen Alternative zu klassischen Bewegungsformen Im Folgenden möchte ich keine alternativen Techniken liefern, sondern ich möchte ein anderes Verständnis für Bewegungsformen anregen. Dieses Verständnis geht nicht von einer Ansammlung definierter Bewegungen aus, sondern betrachtet Erfordernisse an das Bewegen situationsbezogen und funktional. 3-19

144 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Bewegungsformen als Techniken zu vermitteln, lenkt wieder unnötig von der Funktion ab. Eine einfache, aber sehr präzise Anweisung zu Bewegungsformen im Stand wäre: Bewege dich so, dass du: den Abstand zum Gegner bewusst beibehältst, verkürzt oder verlängerst (Distanzkontrolle), dich auf den Gegner ausrichtest (Winkelkontrolle), selbst im Gleichgewicht bleibst und die eigene Körperstabilität beibehältst. Würden diese drei Forderungen erfüllt, würden sich viele wesentlich besser im Kämpfen verhalten. Bemerkenswert sind auch Anfänger, die über ihre eigenen Füße stolpern, wenn sie versuchen, sich mittels eng definierter Schritte zu bewegen. Dieses geschieht bei der angeregten Aufgabenstellung nicht. Natürlich gibt es immer noch ungünstige Bewegungen. Hierzu sind spezielle Erfahrungssituationen sinnvoll. Ich werde für einzelne Beispiele versuchen, Sequenzen von Erfahrungssituationen zu präsentieren, mit denen Lösungen von den Lernenden selbst entdeckt werden können 25. Diese Zusammenstellung ist selbstverständlich nicht abschließend. Die hier enthaltenen Lösungen sind nur Beispiele und es existieren sicherlich noch weitere gute Lösungen. Hingegen sind Bewegungen, die für schlecht befunden werden, tatsächlich in der jeweiligen Situation zu vermeiden. Die Lernenden sollen bewusst Situationen, Funktionen und ihre Lösungen erfahren und erarbeiten. Es bietet sich eine Einteilung nach Distanzen an: Kämpfen im Stand Kämpfen-im-Stand beinhaltet als Angriffe insbesondere die Atemi-Techniken 26. Kämpfen um den Stand Hebel und Würfe zähle ich zum Kämpfen-um-den-Stand, denn ihr Ziel kann es sein, den Gegner zu Boden zu bringen 27. Kämpfen am Boden 25 Siehe

145 3.3. Bewegungsformen Fragen zur Selbstkontrolle Die Abbildung 3.8 zeigt zwei Fußtritte. Korrigiere diese aus der Perspektive der Bewegungsformen! Abb. 3.8 Ungünstige Fußtritte 3-21

146 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Tritt-Distanz Die Bewegungsformen in der Trittdistanz müssen natürlich die anfangs genannten Funktionen erfüllen. Günstige Möglichkeiten lassen sich durch kleine offene Aufgaben ermitteln. Anzumerken ist, dass die Güte der «Filter» vom Angriff abhängen. Die Angriffe sollten zwar erstmal langsam ausgeführt werden, aber keinesfalls darf der Angreifer nach dem Tritt übertrieben nach vorne absetzen. Weiterhin darf der Angreifer nicht so dicht an dem Verteidiger stehen, <dass keine Abwehr mehr möglich wäre. Sequenz von Erfahrungssituationen: 1. Angreifer tritt Verteidiger weicht aus, um nicht getroffen zu werden. Grundvoraussetzung aller sinnvollen Bewegungsformen. Klar wird man manchmal etwas getroffen, aber man sollte sich weitestgehend der Energie entziehen. 2. Angreifer tritt Verteidiger weicht aus und schiebt den Angreifer noch vor dem Absetzen des Trittbeines. Alle zweizeitigen Möglichkeiten sollten eliminiert werden. Erst Block dann Schock funktioniert hier nicht mehr. 3. Angreifer tritt und folgt mit Kettenfauststoß Verteidiger weicht aus und schiebt den Angreifer. Da sich erfahrungsgemäß noch zweizeitige Lösungen hartnäckig halten, soll der sofort folgende Kettenfauststoß verdeutlichen, dass keine Zeit für zweizeitige Lösungen existiert. Eliminierte ungünstige Möglichkeiten: Schrittdrehungen (wenden die Zentrumslinie ab) Nach hinten ausweichen (zweizeitig, wird mit Kettenfauststoß überrannt). Große zweizeitige Lösungen. Günstige Möglichkeiten: Ausweichen auf einer Kreisbahn, dabei die Distanz beibehalten und die Zentrumslinie korrigieren. Kurzes Zick-Zack: Schräg nach vorne aus der gegnerischen Zentrumlinie ausweichen, die eigene Ausrichtung gleichzeitig korrigieren und von der Seite reinschneiden. Dieses verkürzt die Distanz. 3-22

147 3.3. Bewegungsformen Anmerkung: Keinesfalls sind die ungünstigen Möglichkeiten oder auch andere Einfälle falsch. Es gibt Situationen, wo sie klappen, aber warum sollte man solch weniger wirksame Lösungen intensiv üben? Schlag-Distanz??? Zeitkritischer??? große Bewegungen vermeiden Sequenz von Erfahrungssituationen:??? Kämpfen-um-den-Stand Wann immer mein Gegner ein Experte im Bereich der Schläge und Tritte ist, muss ich anstreben, in die Nahdistanz zu kommen, um hierdurch in Distanzen agieren zu können, in denen ich dem Angreifenden überlegen bin. Ringen und Judo sind Kampfkünste, die sich insbesondere auch mit Würfen also mit dem Kämpfen um den Stand auseinandersetzen. Was liegt näher, als sich Elemente dieser Stile abzuschauen. Jedoch ist das «Spiel» im Judo und im Ringen ein anderes als die Selbstverteidigung. Versuche ich, die Jacke meines Gegenübers zu ergreifen (Griffkampf), bedeutet dieses, dass mein Gegner sehr wirksame Atemitechniken einsetzen kann, neben den Fauststößen und Schlägen auch Ellenbogen und Knietechniken. Es sollte deutlich sein, dass das Spiel im Judo gänzlich anders ist als die Selbstverteidigung. Muss ich vor dem Wurf noch die Distanz zu einem schlagenden Gegner überwinden, so habe ich einen großen Schwung nach vorne. Anregungen für angemessenere Lösungen finden sich im Thai-Boxen und Shooto.??? Was ist mit Wurfeingangsmustern? Neben einigen Ideen für Wurfeingänge sind noch Übungsformen sinnvoll, die das Beherrschen einer Situation trainieren 28. Nicht von Schlägen getroffen werden. Den eigenen Kopf am Körper des Gegners anlegen und ihn somit schützend (der Gegner ist sich selbst im Weg), den Gegner umkreisen, dabei möglichst wenig von ihm getroffen werden. Die eigenen Hände sollten frei bleiben, um 28 Siehe

148 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Abb. 3.9 Gleichgewicht halten Abb Oben bleiben trotz Rolle dann für das Werfen eingesetzt werden zu können. Der Schutz sollte durch die Unterarme zustande kommen. Nicht von Kniestößen und Tritten getroffen werden. Wie vorher den Gegner umrunden, nun aber mit dem eigenen Knie die Beine des Gegners blockieren und seinen Stand stören. Nicht von Schlägen, Kniestößen und Tritten getroffen werden. Nun beide Aufgaben kombinieren. Die oben angeführten Lösungen des Bewegungsproblems sind nur Beispiele. Eigene Ideen sind sehr willkommen. Auch wenn diese Situation nur eine halbe Sekunde in einem Kampf vorkommen kann, sind die negativen Folgen bedeutsam, wenn ich nicht die Situation beherrsche. Schläge und insbesondere Ellenbögen können meinen Wurfansatz deutlich stören, vielleicht sogar verhindern oder gar die Rollen von Angreifer und Verteidiger vertauschen. Ist mein Gegenüber auch noch wurferfahren, so wird er Wurfansätze wirksam verhindern können. Die Zeit bis zum Wurf wird immer länger, die Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden, steigt drastisch. 3-24

149 3.3. Bewegungsformen Kämpfen-am-Boden Ausgehend davon, dass der Fallende sich beim Geworfenwerden mit festklammert (ich tue das, denn so kann ich meine Fallenergie an dem Gegner bremsen 29 ), ist eine der ersten Positionen am Boden die, bei der man selbst oben liegt. Gleichgewicht Auch wenn es erst einmal lächerlich klingt, so ist es schwer, auf einem Partner das Gleichgewicht zu halten. Sicherlich könnte man sich auch festklammern, dieses hieße aber, die Arme für das Halten der Position zu binden, statt mit den Armen spielen zu können 30 (hebeln, würgen, schlagen). Bewegungsformen, die sich zum Üben, aber auch als mögliche Erweiterung eines Prüfungsprogrammes, anbieten, sind: Bewegungen auf einem zusammengekauerten Partner mit Drehungen um die Längsund Tiefenachse (Abb. 3.9). Bewegungen auf einem zusammengekauerten Partner mit geschlossenen Augen. Bewegungen auf einem sich leicht bewegenden Partner. Später auch blind, bis hin zur Rolle vorwärts des Partners. (Abb. 3.10) Schritte beim Kämpfen am Boden Auch wieder sehr verwunderlich ist es, von Schritten am Boden zu reden. Gemeint sind die Beinaktionen, mit denen ich mich am Boden bewege. Es lassen sich zwei Möglichkeiten unterscheiden: Übersetzen (Ein Bein wird über das andere gesetzt, siehe Abb.???) Untersetzen (Ein Bein wird unter das andere geschoben, siehe Abb.???) Das «Untersetzen» ist wenig bekannt und gibt im Kampf vielfach einen erheblichen Vorteil gegenüber dem «Übersetzen». Neben diesen Schritten ist das Überqueren des Partners auch beachtenswert, denn leicht kann das überquerende Bein eingefangen werden. Auch hier gibt es zwei wichtige Möglichkeiten: Das lange Bein wird hoch und schnell über den Partner bewegt. Das gebeugte Bein wird mit dem Knie voran über den Partner geschoben. 29 Siehe Abschnitt Siehe Abschnitt

150 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Raum schaffen Bisherige Bewegungsformen waren für den Oberen bestimmt. Kommen wir nun zu Bewegungsformen für den Unteren. Auf die Seite drehen Lagern des Partners auf Ellenbogen und Knien (Box-Guard) Hüftkatapult (insbesondere als Einstieg zur Box-Guard) Bewegungen ohne Positionsänderung Neben dem Bewegen, welches meinen Körper im Raum bewegt, gibt es auch Bewegungen, die nicht den gesamten Körper, sondern nur Teile aus dem Angriff bringen. Insbesondere schnelle Angriffe, so z. B. Schläge und Angriffe mit Messer, erfordern häufig, ohne Positionswechsel auszuweichen. Sequenz von Erfahrungssituationen??? Bezug zu Reflexen??? Bezug zu Ying-Yang Energieentwicklung??? Bewegungsfluss??? Fragen zur Selbstkontrolle Was spricht gegen die Doppelschrittdrehung als unterstützende Meidbewegung bei der Stockabwehr? Warum sind Schrittdrehungen beim Kämpfen in größerer Distanz (Stockschläge oder Tritte) wenig geeignet? Warum sind Bewegungen ohne Positionsänderung nötig? Beschreibe Anwendungsbeispiele! Weiterführende Fragen??? 3-26

151 3.3. Bewegungsformen Eignung von Bewegungsformen Dargestellt sind unterschiedliche Angriffe. Welcher der Angriffe Schienbeintritt, Fußstoß und Fauststoß gehört zu welchem Diagramm? Mit welchen Bewegungsformen lässt es sich unter Beachtung der dargestellten Ziele entkommen? Warum also formale Bewegungsformen trainieren? Schrittdrehungen Schritte (diagonal) 1 2 Doppelschrittdrehung 2 1 Nicht klassische Schritte 2 2 Abb Eignung von Bewegungsformen 3-27

152 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Notwendigkeit Fallschule Verletzungsfrei fallen Bodenkampf vorbereiten Fallen ist situativ, ungewollt und unerwartet. Fallen variieren Direkte Trefferwirkung: körperliche Schäden 3.4 Falltechniken In vielen Vereinen nimmt die Fallschule einen bedeutenden Teil des Trainings ein. Vergleicht man diesen Anteil mit dem Anteil der Fallschule in anderen Systemen, z. B. Wing Tsung, Karate oder Kali, die so gut wie keine Fallschule thematisieren, so stellt sich die Frage nach der Berechtigung. Körperschonend fallen zu können, ist eine Notwendigkeit für das Trainieren von Würfen, denn man wirft und wird geworfen. Doch systematisieren wir Ziele und Mittel der Fallschule. Funktion der Falltechniken Die Funktion der Falltechniken ist es, den Körper insbesondere bei unerwarteten und fremdverschuldeten Fallen verletzungsfrei zu Boden zu bringen. Idealerweise sollte dabei gleichzeitig die eigene Position im Verhältnis zum Gegner für den Bodenkampf verbessert werden. Rahmenbedingungen Ausgehend von dieser primären Anwendung liegt es nahe, Fallschule insbesondere unter Fremdeinwirkung zu üben. Schließlich lässt man sich nicht grundlos fallen. Auch der größte Teil der Situationen, in denen ein Fallen selbstverschuldet ist, sind unvorbereitet, unberechnet und überraschend. Sei es, dass ich beim Turnen ungewollt das Gerät verlasse, beim Inline-Skaten das Gleichgewicht verliere oder mich werfen lasse, diese Situationen sind vielfältig und selten genormt. Nur in wenigen Fällen nutzt man das Fallen selbstgewählt, z. B. um eine Waffe aufzuheben. Dieses ist aber selten im Verhältnis zu den anderen Situationen. Fallen zu üben, bedeutet also, Fallen in unterschiedlichsten Situationen zu üben. Grund- techniken des Fallens immer und immer wieder situationskonstant bis zu irgendeiner Perfektion zu üben, ist mit Blick auf die Lernphasen 31 und die Bewegungskorrektur 32 nicht geeignet, anwendungsbezogenes Fallen zu vermitteln! Ein weiterer, beachtenswerte Punkt ist, dass der Werfende in den Bodenkampf möchte. Dieses muss bei den Konzepten zur Fallschule berücksichtigt werden. Grundsätzliche Konzepte Die Falltechniken sollen insbesondere empfindliche Körperstellen (Kopf, Ellenbogen, Kniegelenke,... ) schützen. Auf sie dürfen keine großen Energien in kurzer Zeit 33 übertra- 31 Siehe Siehe Auch wenn bei Schieben und Schlagen die jeweilig übertragene Energie gleich ist, so sind die Schäden beim Schlagen größer, denn die Zeit, in der die Energie übertragen wird, ist kürzer. Der angegriffene Körper nimmt diese Energie als Deformationsenergie auf. 3-28

153 3.4. Falltechniken gen werden (sprich Stürze oder Schläge). Auch Beschleunigungen auf den Kopf sind zu vermeiden. Jedem sollten die Begriffe Gehirnerschütterung und Schleudertrauma bekannt sein. Doch was nutzt es uns, wenn wir verletzungsfrei am Boden liegen, der Angreifer jedoch sich so gut positioniert hat, dass wir keine weitere Chance zur Verteidigung mehr haben? Also gilt es, während des Fallens schon die eigene Position zu verbessern 34. Es ist sogar zu überlegen, ein wenig härteres Auftreffen gegen eine bessere Position für den Bodenkampf einzutauschen. Doch wie soll all dieses erreicht werden? Indirekte Trefferwirkung: Schlechte Ausgangslage für den Bodenkampf Prinzip: Ausgangsenergie verkleinern Konzept: Sich-Kleinmachen Dadurch, dass man sich vor dem Fallen klein macht, also in die Knie geht, verringert man die Lageenergie (E = g m h) 35. Die Lageenergie wird in Bewegungsenergie umgewandelt und wirkt beim Fallen auf mich. Sie ist proportional zur Ausgangshöhe. Schaffe ich es, die Ausgangshöhe zu halbieren, so halbiert sich auch die wirkende Energie. Sich klein zu machen, widerspricht dem natürlichen Reflex, sich vor dem drohenden Fallen groß zu machen, um sich möglichst weit vom Boden zu entfernen. Prinzip: Belastung verteilen (räumlich und zeitlich) Konzept: Mit möglichst großer Fläche gleichzeitig landen (Der hierfür verwendete Begriff «amortisieren» (tilgen) ist nichtssagend) Der gesamte Impuls wird zwar sehr schnell aufgenommen, aber so großflächig verteilt, dass einzelne Stellen nur mit einem geringen Impuls belastet werden. Konzept: Verzögern durch Umlenken in eine Rollbewegung. Der gesamte Impuls wird durch die Rollbewegung langsam von dem Fallenden aufgenommen. Konzept: Verzögern durch Nachgeben (teleskopartig). Der gesamte Impuls wird verzögert aufgenommen. Konzept: Sich am Partner festhalten Die Fallenergie weiter verringern. (Ein Trick, um der Erdbeschleunigung entgegenzuwirken). Prinzip: Bodenkampf vorbereiten 34 Dieses greift das Prüfungsprogramm mit den «Gegentechniken, wenn das eigene Fallen nicht mehr verhindert werden kann», auf. 35 Weder die Erdbeschleunigung g noch die eigene Masse m lassen sich wirkungsvoll verringern. 3-29

154 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Konzept: Den Gegner mitziehen Die eigene Position verbessern indem man den Partner mitzieht. Zusätzlich kann hierbei das eigene Fallen gut gesteuert werden Notwendigkeit der Bewegungssteuerung Da das Fallen selten selbstgewählt ist, haben wir nur geringe Chancen, die Bewegung ideal einzuleiten. Es ist uns nicht möglich, uns hinzustellen, das gewünschte Bein nach vorne zu stellen und die Arme zu ordnen. Die Fallbewegung muss noch während des Fallens gesteuert werden. Zwar ist es möglich, sich im Fluge ohne Drehimpuls von außen mittels einer «Katzendrehung» zu drehen, jedoch ist eine Steuerung über den Kontakt zum Gegner und zum Boden wesentlich effektiver. Hieraus folgt, dass der Kontakt zum Gegner beim Fallen gehalten und möglichst früh ein Kontakt zum Boden hergestellt werden muss. Beide Forderungen widersprechen sich nicht, sondern unterstützen die Forderungen des vorhergehenden Abschnitts Beispielhafte Übungsreihen Rolle vorwärts Die Rolle vorwärts wird in vielen Verein sehr intensiv geübt, obwohl sie als unmittelbare Gegentechnik für das Geworfen-Werden selten unvariiert verwendet wird. Wie bei allen Falltechniken ist es wichtig, die Bewegung möglichst immer steuern zu können, schließlich fällt man selten selbstgewollt. Die Bewegungssteuerung muss an mehreren Stellen ansetzen. Das Bremsen in senkrechter Richtung übernimmt das vordere Bein, mit dem die Lageenergie stark verringert werden kann. Statt dass aus großer Höhe die Rolle begonnen wird, veringert man durch das Absenken des Knies diese Ausgangsenergie. Seitwärts wird die Bewegung durch die Arme gesteuert. Der eine Arm bildet eine «Leitplanke», während der andere Arm steuernd nachgibt. Im Gegensatz zum klassischen Rollen nur über den leicht gebogenen Arm kann ständig die Seitenlage kontrolliert werden. Durch die Krümmung des Körpers kann viel und wenig Schwung aufgenommen werden und eine Bewegung kann gebremst werden (beim Rollen sich öffnen) oder beschleunigt werden (beim Rollen sich weiter zusammenziehen), um aufzustehen. Die Rolle vorwärts muss natürlich aus unterschiedlichsten Situationen geübt werden: viel und wenig Schwung, 3-30

155 3.4. Falltechniken im Sprung sowohl hoch als auch weit, auch mal durch einen Ring, aus Drehungen, von einem Partner geführt, ohne Arme oder Gegenstände aufnehmen, mitführen, ablegen. Schwierigkeiten bei der Rolle vorwärts Hohlkreuz / Blick nach vorne sich rund machen, nach hinten schauen, die Hüften den Kopf überholen lassen??? Rolle rückwärts??? Fallen vorwärts??? Fallen rückwärts??? Fragen zur Selbstkontrolle Beschreibe mit eigenen Worten die 3 Prinzipien der Fallschule! Welches der 3 Wirkungsprinzipien würdest Du als erstes lehren? Warum ist es sinnvoll (aber nicht als Wichtigstes!), das Fallen auch aus größerer Höhe (Stand oder mit Sprung) zu üben, statt sich immer möglichst klein zu machen? Die Abbildung 3.13 zeigt verschiedene Variationen vom Fallen. Beurteile die jeweilige Ausführung auf Basis der Funktionsprinzipien und Konzepte. Weiterführende Fragen??? 3-31

156 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Die alternative Rolle vorwärts Die Arme stabilisieren gegen seitliches Umfallen. MÜR 1 MÜR 2 Das vordere Knie geht tief, um die Anfangs energie zu verringern. MÜR 3 Anfänglich setzt das Knie noch auf, später schwebt es knapp über dem Boden. MÜR 4 Auch aus dem Stand senkt sich zuerst das vordere Knie. Die klassische Rolle vorwärts Zwar senkt sich der Oberkörper doch die Beine werden nicht genutzt, um die Lageenergie vor dem Rollen zu verringern. Gerollt wird vollständig über den vorderen Arm. Es besteht bei Anfängern die Gefahr, dass dieser ein knickt und der Ellenbogen hart aufsetzt. Eine seitliche Steuerung ist nicht möglich. Abb Rolle vorwärts 3-32

157 3.4. Falltechniken Abb Varianten vom Fallen 3-33

158 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Funktion Voraussetzungen 3.5 Schlag- und Tritttechniken Abb Vorneigung Wieder steht die Frage nach der Funktion an erster Stelle. Je nach Funktion unterscheiden sich auch Varianten von Techniken. Bei den Schlag- und Tritttechniken lässt sich folgende Abstufung von Funktionen herausarbeiten: 1. Zerstören Gelenke oder Knochen zerstören, «Knock Out» bewirken. Weniger günstig sind innere Verletzungen, die erst nach längerer Zeit zum Erfolg führen und den Gegner nicht sofort beeinträchtigen. 2. Zermürben Ständige Treffer auf die Muskeln oder Leber lähmen Muskeln und rauben Luft. 3. Stören Aktionen, die dene Gegner in der Vorbereitung oder Durchführung seiner Angriffe stören. Besondere Beachtung verdienen hierbei Aktionen, die den Gegner im Vorwärtsstürmen stoppen können, so genannte «man stopping weapons». 4. Ablenken Ablenken dient insbesondere dazu, wirkungsvollere Aktionen vorzubereiten, indem von den eigentlichen Aktionen abgelenkt wird. Teilweise ist es sogar nicht nötig, den Gegner zu berühren. Nach den Funktionen kommt die Frage nach den Voraussetzungen, unter denen die Techniken ihre Funktionen entfalten sollen: Die Techniken sollen... Gesundheit! Ansatzlos verschleiert schlagen oder... die eigene Gesundheit beim Trainieren und Anwenden nicht gefährden möglichst schnell ihre Ziele erreichen und dabei den eigenen Körper nicht unnötig stark für Gegenmaßnahmen öffnen. Entweder ansatzlos schlagen oder die Techniken verschleiern. Nicht weit ausholen oder extrem vorneigen und keine weiten Technikvarianten wählen, die sehr leicht abzuwehren sind. 36 Während ich bei vielen Wirkungs- und Sicherheitsaspekten erfahrungsorientierte Ansätze bevorzuge, ist dieser Ansatz beim Thema Gesundheit unangebracht! Die Gesundheit der Trainierenden darf nie gefährdet werden. 3-34

159 3.5. Schlag- und Tritttechniken... möglichst viel Schaden beim Gegner anrichten. Sowohl Geschwindigkeit als auch dahinterstehende Masse erhöhen den zu übertragenden Impuls (p = mv). Dieser Impuls muss in kürzester Zeit übertragen werden, sonst wird der Gegner nur geschoben. Der Impuls muss auf eine kleine Fläche aufgebracht werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Fläche den Impuls auch übertragen kann. So besteht z. B. beim Fußstoß seitwärts die Gefahr umzuknicken (Supinationstrauma), sobald mit der Fußkante getroffen werden soll.... geeignet sein, um sich gegen Mehrfachangriffe zu behaupten. Eigene Folgetechniken ermöglichen. Einen beweglichen und sich wehrenden Gegner treffen können. Eines sollte hierbei besondere Beachtung finden: Egal wieviel Energie man aufbaut, wenn man nicht trifft oder abgewehrt wird, so nützt dieses gar nichts! Doch kommen wir zu einigen Beispielen: Mehrfachangriffe zu treffen ist wichtiger als Härte 3-35

160 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Abb Falscher Fauststoß Abb Torsion des Kniegelenks Fauststoß Beim Fauststoß wird häufig ein Führhandfauststoß (jab) und ein Schlaghandfauststoß (cross) unterschieden. Erst viel später kam der Kettenfauststoß zum Ju-Jutsu hinzu. Aber all diese Unterscheidungen sind nur willkürliche Abgrenzungen zwischen unterschiedlichen Formen, mit der Faust zu stoßen. Alle diese Varianten erfüllen in unterschiedlichen Gewichtungen Funktionen und Voraussetzungen der Schlag- und Tritttechniken. Diese Punkte wollen wir im Folgenden betrachten Körperschonend trainieren und anwenden Vielfach findet insbesondere die Position der Faust besondere Beachtung. Sowohl die waagerechte Variante mit Zeige- und Mittelfinger (z. B. Karate und Boxen) als Auftrefffläche, als auch die senkrechte Variante mit Mittel- und Ringfinger (z. B. Wing Tsung) als Auftrefffläche sind gebräuchlich. Beide Varianten gewährleisten eine relativ gerade Linie der Hand zum Unterarm zur gesundheitsschonenden Kraftübertragung (natürlich nur die eigene Gesundheit schonen, da die Handgelenke nicht abknicken) und unterscheiden sich insbesondere durch die Distanzen, in denen sie angewendet werden. Wie bei allen Ate- mitechniken ist darauf zu achten, die Gelenke nicht schwungvoll bis zum Anschlag zu strecken. Neben dem vielfach ersten Blick auf den Oberkörper ist auch der Blick auf die Beine und insbesondere auf die Knie gefordert. Beide Knie und Füße sollten nach vorne ausgerichtet sein! Es ist ein häufiger und leider schwer abzustellender Fehler, den hinteren Faust senkrecht oder waagerecht nicht ins Gelenk schlagen Knierichtung! 3-36

161 3.5. Schlag- und Tritttechniken Fuß nach außen wegzudrehen, wie in Abbildung 3.15 zu erkennen ist. Dieses verdreht das Kniegelenk. Abbildung 3.16 zeigt ein solch verdrehtes Kniegelenk von hinten. Gut zu erkennen ist, dass medialer 37 und lateraler Gelenkkopfteil sich nicht mehr über ihrer Gelenkpfanne befinden. Dieses allein kann die Menisken schädigen. Wird ein so verdrehtes Gelenk nun auch noch unter Druck gesteckt, werden also die Seitenbänder auf Spannung gebracht, so können die Seitenbänder geschädigt werden Schnell im Ziel sein Schnell im Ziel zu sein bezweckt, die Abwehrchancen des Gegners zu vermindern. Hierzu gehört auch die Gradlinigkeit des Fauststoßes, die ebenso ein strukturelles Merkmal ist. Die Bewegungsschnelligkeit 39 ist aber nicht allein maßgeblich für die Abwehrchancen. Zwei weitere wichtige Punkte sind: unnötiger, wuchtiger Krafteinsatz bremst die Stoßbewegung, ein ganzer Schritt zur Distanzüberwindung ist zu schnell zu durchschauen. Ansatzlos geschlagen oder mit anderen Bewegungen verschleiert lässt sich ein Fauststoß kaum abwehren. Um nicht selbst Ziel von Gegenangriffen zu werden, schützt die Hand, die nicht schlägt. Der Oberkörper sollte nicht nach vorne abgeklappt werden, um sich z. B. nicht den aufwärtszielenden Knietechniken des Tai-Boxens auszuliefern Energie entwickeln Möglichst viel Energie zu entwickeln, ohne die Technik zu weitläufig zu machen, ist die hohe Kunst. Vergleicht man die Techniken des Boxens mit denen der Grundschule im Shotokan- Karate, so stellt sich die Frage, unter welchen Grundannahmen solche Techniken verbreitet worden sind. Im Karate scheint mir die Annahme zu existieren, der Gegner würde stehenbleiben, um sich treffen zu lassen, und ein einziger Treffer würde ausreichen. Mit Millionen von Boxern zweifele ich diese Annahmen für den Fall eines Kampfes an. Aber wie lässt sich Energie entwickeln, ohne sich durch sichtbare Vorbereitungen zu verraten: Abb Jab Das hintere Bein schiebt den gesamten Körper nach vorne. 37 medial: zur Körpermitte; lateral: zur Körperseite 38 Siehe Unterabschnitt Siehe Siehe (author?) [Reb94, Seite 90 Abbildung 170] oder Abbildung??. 3-37

162 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Das vordere Bein steht vor dem Körperschwerpunkt. Somit kann es nicht schieben. Siehe auch Abbildung Der Fuß zeigt dabei in Richtung des Knies ebenso nach vorne. Somit arbeitet das Knie in der anatomisch richtigen Richtung. Zumindest auf lange Distanz hebt sich die Ferse des hinteren Fußes. Ansonsten würde das Knie abdrehen. Das vordere Bein gleitet dabei ein wenig weiter vor. Somit geht der ganze Körper mit in den Schlag, die eingesetzte Masse wird erhöht. Der Körper senkt sich leicht ab (eigentlich eine Drehbewegung um den hinteren Fuß). Dieses Fallen wird in eine Vorwärtsbewegung umgesetzt. Dieses fühlt sich wie ein Hineinfallen oder Hineinsacken an. Die Hüfte schiebt sich nach vorne und dreht sich mit in den Stoß. Noch mehr Masse geht in den Schlag. Der Rücken ist nach vorne aufgespannt (kein Hohlkreuz). Die Kraftübertragung zur Hüfte ginge beim Hohlkreuz verloren. Auf lange Distanz schiebt sich die Schulter mit vor. Gleichzeitig hebt sie sich, um das Kinn zu schützen. Der Arm dreht hierbei nach innen (proniert). Die Reichweite wird hierdurch erhöht. Die Abbildung 3.18 zeigt den Einfluss, den das abstoßende Bein und die Hüftposition auf die Kraftentwicklung haben. Der Abstoß aus dem vorderen Bein (ganz links) und das zu starke Vorlehnen des Oberkörpers (2. von links) sind beides häufige «Fehler» in der Kraftentwicklung Schnell schlagen Geschwindigkeit ist relativ. Ein schneller Fauststoß ist nicht der, der eine intersubjektiv kurze Zeit dauert, sondern einer, bei dem der Gegner keine Zeit hat zu reagieren. Somit bietet sich die Übersicht für das Schnelligkeitstraining 41 an, um die Geschwindigkeit des Fauststoßes gegen den Gegner zu erhöhen. 41 Siehe

163 3.5. Schlag- und Tritttechniken 5 kg (50N) 15 kg (150N) 17 kg (170N) 20 kg (200N) Abb Einfluss der Hüfte auf die Kraftentwicklung Der Fauststoß muss im passenden Augenblick passieren. Die Wahrnehmung der Deckungslücken des Gegners muss trainiert werden. Zu schlagen ist nicht dann, wenn die Lücke vorhanden ist, sondern sobald sie entsteht. Dieses schafft einen entscheidenden Zeitvorteil. Der Gegner darf den Fauststoß nicht antizipieren können. Dieses kann auf unterschiedliche Weisen geschehen: Beim Fauststoß senden wir keine Signale aus («non-telegraph»). Wir senden viel zu viele Signale aus durch Täuschen oder durch Schlagen in Kombinationen. Unsere Bewegungsschnelligkeit kann insbesondere dadurch erhöht werden, dass wir «locker» schlagen, also unseren Schlag nicht durch die verspannten Antagonisten bremsen Einen Fauststoß vermitteln Um einen Fauststoß zu vermitteln, der all die aufgelisteten Teilbewegungen enthält, sind Erfahrungssituationen nötig, denn das aufgeführte Erklärungswissen dient der Analyse, nicht dem Erlernen der Bewegung.??? Ausformulieren! Vom Laufen auf der Stelle zum Kettenfauststoß Laufen mit Bremse (??? Abbildung) Beachtung der Wirbelsäule 3-39

164 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Hinterer Fuß Während die anderen Übungsschwerpunkte sich über Erfahrungssituationen erreichen lassen, ist dieses nicht bei Gesundheitsgefährdung erlaubt. Schulter ?????? Fragen zur Selbstkontrolle 1. Techniken sind ohne Bewegungsformen nicht möglich. Welche Elemente der Bewegungsformen finden sich in der Technik des Fauststoßes wieder (Siehe Abb. 3.19)? 3-40

165 3.5. Schlag- und Tritttechniken Optimiere die Ausführung Obwohl offensichtlich einer der Kämpfer erfolgreich einen Treffer setzt, gibt es bei beiden Kämpfern etwas zu optimieren. Finde Optimierungsmöglichkeiten - erstmal ohne dir die aufgelisteten Kategorien anzusehen, - danach anhand der gegebenen Kategorien! Kategorien: - Gesundheit in der eigenen Technikausführung - Gesundheit beim Anwenden (Eigensicherung) - Möglichkeit zur Energieentwicklung - Möglichkeit, nach einer Aktion weiterzuarbeiten Abb Korretur Fauststoß 3-41

166 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Waagerechter Faustschlag Faustschläge finden ihre Anwendung in näherer Distanz als die Fauststöße. Sie sind weniger geeignet, um große Distanzen zu überbrücken. Man kann den waagerechten (Hook), den aufwärts gerichteten (Uppercut) und den abwärts gerichteten (Overhead) Faustschlag unterscheiden. An dieser Stelle widmen wir uns dem Hook Körperschonend trainieren und anwenden Abb zu weit ausgeholt Zur Position der Faust gibt es unterschiedliche Auffassungen. Persönlich bevorzuge ich die senkrechte Faust, die den kleinen Finger nicht unnötig exponiert. Dieses geht sicherlich auf Kosten der Reichweite. Viel wichtiger ist aber das Mitdrehen der Füße, um nicht die Kniegelenke zu verdrehen 42. Viel Aufmerksamkeit sollte in der nahen Distanz der Eigensicherung zugeteilt werden, zumal der direkte Weg für den Gegner nicht schon durch die eigene Technik blockiert ist, wie dieses z. B. beim Kettenfauststoß passiert. Die Knie und Füße drehen mit und schützen dadurch ein wenig den Unterleib. Die freie Hand bildet die eigene Deckung Nicht für Konter anfällig sein Zwischen Aufladen und Ausholen besteht der Unterschied, dass die Deckung beim Aufladen erhalten bleibt. Abbildung 3.20 zeigt den ungünstigen Fall. Den Ellenbogen aufzustellen, erlaubt es, sich durch die Deckung des Gegners zu bohren. Eine Ohrfeige z. B. würde an einem Block hängenbleiben. Der Hook umgeht den Block 43.??? Abbildung Energie entwickeln Wieder einige Stichpunkte zu Energieentwicklung: 42 Siehe Abbildung Hierbei ist anzumerken, dass zu große Blöcke, die auch einen Hook aufhielten, sehr lange brauchen und gleichzeitig die eigene Deckung sehr stark öffnen. 3-42

167 3.5. Schlag- und Tritttechniken Meistens wird der Hook mit der vorderen Hand geschlagen. (Ansonsten sperrt die eigene Hüfte die Drehung). Druck kommt aus dem gleichseitigen Bein (aus dem in Bewegungsrichtung hinteren Bein). Knie und Füße drehen mit. Somit wird das Kniegelenk geschont und nur gemäß seiner Funktion belastet. Das in Bewegungsrichtung vordere Bein geht zu der Seite, wohin man sich dreht. Zusätzliche Körpermasse geht über diese Seitwärtsbewegung mit in den Schlag. Der Körper senkt sich leicht ab. Weiter Gewicht für den Schlag. Die Hüfte dreht sich rein. Noch mehr Gewicht in den Schlag. Der Arm bleibt etwas zurück, somit wird der Brustmuskel vorgespannt (prestretch). Über den Dehnreflex 44 werden mehr Muskelzellen am Schlag beteiligt. Der Oberkörper lehnt sich etwas mit in den Schlag. Und noch mehr Gewicht geht in den Schlag. Der Rücken ist aufgespannt (kein Hohlkreuz). Dieses verbessert die Kraftübertragung vom Körper auf den Arm. Der Arm wird während des Schlagens zum Körper herangezogen (dieses erhöht die Geschwindigkeit (Karussel oder Erhaltung des Massenträgheitsmomentes)).??? Korrektur: nicht auflisten, sondern Sequenz von Erfahrungssituationen.??? Prestretch überdenken! 44 Siehe

168 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Abb Fußstoß vorwärts (ungünstig und günstig) Fußstoß vorwärts Der Fußstoß vorwärts ist eine recht kräftige und schnell einzusetzende Waffe, die auch dazu geeignet ist, heranstürmende Gegner aufzuhalten. Trefferzonen für den Fußstoß vorwärts sind Brust/Bauch und der Oberschenkel (Variante Stoppfußstoß). Im Thai-Boxen ersetzt der Fußstoß vorwärts mit dem vorderen Bein den Jap Funktion des Fußstoßes vorwärts Heranstürmende Gegner stoppen (Stoppfußstoß) und somit die Distanz kontrollieren. Direkte Trefferwirkung durch Treffen von Leber, Knie oder Kopf Körperschonend trainieren und anwenden Dieses bedeutet den Standfuß nicht seitlich wegzudrehen und in der Lendenwirbelsäule nicht einzusacken.??? Bild richtig+falsch Lendenwirbelsäule 3-44

169 3.5. Schlag- und Tritttechniken Abb Fußstoß vorwärts (ungünstig) Schnell im Ziel sein Vielfach wird der Fußstoß vorwärts mit dem hinteren Bein getreten. Jedoch habe ich schon in Unterabschnitt dargestellt, dass dieses aus vielen Gründen unsinnig ist. Trete ich mit dem hinteren Bein, so ist die benötigte Distanz größer. Gleichzeitig dauert meine Gesamtaktion länger. Beides zusammen macht diese Variante meistens wirkungslos, bleibt dem Gegner doch viel zu viel Zeit zum Ausweichen.??? Bildreihe Das vordere Bein ist schneller im Ziel. Und wenn ich zusätzlich leicht abwärts trete, ist der Fußstoß auch weniger gut von dem Gegner einzufangen Energieentwicklung mit dem vorderen Fuß treten der Körper geht mit in den Stoß leicht abwärts treten der Körper fällt leicht mit hinein und das Bein ist schwerer einzufangen. Hüfte dreht nur leicht mit rein, um das Standbein nicht zu verdrehen der Oberkörper bleibt vorne mehr Körper geht mit in den Stoß. Nicht nach hinten abkippen beim Heben des Knies! Fragen zur Selbstkontrolle Die Abbildung 3.22 zeigt einen Fußstoß vorwärts. Verbessere diesen! Weiterführende Fragen Welche Gemeinsamkeiten haben Fauststöße und der Fußstoß vorwärts? 3-45

170 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Fußstoß seitwärts Der Fußstoß seitwärts hat eine größere Reichweite als der Fußstoß vorwärts. Er bedarf aber einer kleinen Vorbereitung.??? Abbildung Reichweite Körperschonend trainieren und anwenden Wichtig ist es, den Standfuß zu drehen. Er zeigt vollständig von dem Gegner weg. Dieses ermöglicht gleichzeitig, auch aus dem Standbein Druck zu machen.??? Abbildung Knieposition Schnell im Ziel sein Ungünstig ist die Variante, bei der zur Distanzüberwindung vorne gekreuzt wird. Günstiger ist es, hinten zu kreuzen oder aus der Drehung zu treten. Auch ist es möglich, ohne Schritte sich mittels eines Spagats in den Gegner zu schieben. Weiterhin gibt es Varianten, die das Trittbein wieder zurückziehen. Bei ihnen steht man nach den Tritt seitwärts zum Gegner. Es ist aber auch möglich weiterzudrehen, um im Anschluss an den Tritt sofort wieder frontal zum Gegner zu stehen. Gerade beim Treten aus der Drehung bietet sich diese Variante an.??? Abbildung Vergleich weitergedreht/zurückgezogen Energieentwicklung Schub aus dem abgedrehten Standbein Körperschonend Energie entwickeln können Körperschwerpunkt ist vor dem Standbein Voraussetzung für Kraftübertragung der Körpermasse Starke Aktion aus dem Oberschenkel (Gesäßmuskel arbeitet)??? Flächenvergleich Ferse zu Fußaußenkante 3-46

171 3.5. Schlag- und Tritttechniken Abb Highkick Schienbeintritt Der Schienbeintritt wird meist als Lowkick in die Beine des Gegners ausgeführt. Die treffende Fläche ist das Schienbein relativ kurz unterhalb des Kniegelenks. Trefferzone beim Gegner könnte direkt das Kniegelenk sein (dauerhafte Schäden), die Muskelansätze kurz oberhalb des Kniegelenks aber auch die kurze Rippe oder der Hals. Neben dem Lowkick existiert auch der Highkick, der den gleichen Wirkungspinzipien folgt, jedoch zum Kopf getreten wird. Der Schienbeintritt kann sowohl eher gradlinig als auch kreisförmig sein Ziel erreichen. Auch lässt er sich beliebig von abwärts bis aufwärts ausführen: abwärts, waagerecht oder aufwärts auf den Oberschenkel, aufwärts oder waagerecht auf die kurze Rippe, abwärts zum Hals oder Kopf (Highkick). Als Tritt mit kurzer Reichweite ist der Kopf gefährdet. Die Deckung (Arme oder Schulter) sollte unbedingt oben sein.??? Abbildung Trittdistanz Körperschonend trainieren und anwenden Direkt ins Knie zu treten, verbietet sich sowohl beim Training als auch im sportlichen Wettkampf. Auch der Lowkick verlangt, das Standbein mitzudrehen. Da der Schienbeintritt zumindest in der häufig trainierten runden Variante auf der Drehung des gesamten Körpers basiert, ist es nicht gesund, den Schienbeintritt in die Luft zu treten. Die gesamte Rotation müsste über das Kniegelenk des Standbeines gebremst werden. Für das Schattenboxen können spezielle Varianten genutzt werden.??? Abbildung Schattenbox-Varianten (1. In den Boden treten; 2. Bein nach oben umlenken) Schnell im Ziel sein Der Schienbeintritt ist ein eher langsamer Tritt. Nur in dichter Distanz lässt er sich ohne zu telegraphieren einsetzen. Meistens braucht er Vorbereitung, um wirkungsvoll zu treffen. Eine andere Möglichkeit ist es, Lücken anzugreifen, die der Gegner nicht kennt oder meint, abgedeckt zu haben. 3-47

172 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Energieentwicklung Rotation und/oder Vorwärtsbewegung des gesamten Körpers, die Hüfte öffnet sich und schiebt weiteres Gewicht hinein, des Bein wird nicht bedeutend gestreckt, sondern bleibt gebeugt, dieses ermöglicht eine direkte Kraftübertragung auf den Gegner. Fragen zur Selbstkontrolle Ein Schüler von Dir argumentiert, dass Schlagkraft wesentlich wichtiger wäre als Schnelligkeit. Argumentiere dagegen! Welche Gründe sprechen gegen den Fußstoß vorwärts mit dem hinteren Bein? Weiterführende Fragen??? 3-48

173 3.6. Hebel 3.6 Hebel Funktion der Hebel Auch hier gilt wieder die erste Frage der Funktion: Gelenke zerstören (Das Zerstören von Gelenken ist schneller als z. B. Würfe und ist weniger anfällig für Konter), den Gegner durch Schmerzen kontrollieren oder bewegen (insbesondere als Takedown). (Diese Kontrolle soll längere Zeit aufrecht erhalten werden, ist somit leichter angreifbar.) Auch bei den Hebeln sind Voraussetzungen zu berücksichtigen. Die eigenen Handlungsmöglichkeiten offen halten, die des Gegners einschränken Wirkungsprinzipien Hebel funktionieren über 4 Prinzipien: 1. Schwächung der gegnerischen Position (Gleichgewichtsbruch im Stand oder Haltegriff am Boden) Ist der Gegner nicht durch eine ungünstige Position geschwächt, so besitzt er Bewegungsspielraum und Kraftpotential, um die beiden folgenden Prinzipien anzugreifen Punkte (Der 3. Punkt ist manchmal kontrolliert durch Schwerkraft oder Massenträgheit) Sind keine drei Punkte kontrolliert, so kann der Gegner mitgehen und dadurch dem Hebel entkommen. 3. «Small circle» Genau genommen verstärkt «Small circle» nur die Wirkung von Hebeln, aber häufig wirken Hebel ohne «Small circle» wesentlich zu langsam und lassen sich kontern. 4. Separieren Muskeln arbeiten in Muskelschlingen. Gelingt es nicht, die Muskeln des Gegners, die gegen die Hebelrichtung arbeiten, zu separieren, also aus der Muskelschlinge zu isolieren, so ist der Hebel kaum möglich. Mit dem Gleichgewichtsbruch kann ein Muskel separiert werden, aber es ist nicht sichergestellt, dass dieses gleichzeitig 3-49

174 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN passiert. Erst im Bewusstsein, dass Separieren wichtig ist, kann man sich systematisch darum bemühen Erfahrungsposition für Hebelprinzipien Die Prinzipien für die Hebel lassen sich bei allen Hebeln wiederfinden, jedoch werden sie unterschiedlich stark deutlich. Werden die Prinzipien von den Schülern durchschaut, so stellen sie eine hervorragende Basis für alle Hebeltechniken und Konter von Hebeltechniken dar Punkte + Position (Haltegriff) Der Arm des am Boden liegenden Partners wird überstreckt. Bei der Demonstration ist darauf zu achten, nicht 3 Punkte zu kontrollieren und den Partner nicht mit einem Haltegriff zu binden. Der Demonstrationspartner darf nicht ausweichen und schlägt ab. Beim anschließenden Üben sollten die zu Beginn liegenden Partner ausweichen. Sie lernen also das Kontern. Der Hebelnde wird nun versuchen, einen dritten Punkt zu kontrollieren. Anfangs wird dieses nicht unbedingt über Haltegriffe geschehen. Mit zunehmendem Fortschritt werden die Gegenmaßnahmen stärker, sodass schließlich mit Seitstreckhebel oder im Reitsitz, in der Kreuzposition oder im seitlichem Haltegriff gehebelt wird.??? illustrierende Abbildungen! Position (Gleichgewicht)??? Small circle??? Fragen zur Selbstkontrolle??? Weiterführende Fragen Warum sind Hebel als Techniken für Frauen eines Frauenselbstverteidigungskurses wenig geeignet? 3-50

175 3.7. Würfe 3.7 Würfe Funktion von Würfen Wie alle Techniken dürfen Würfe keinen Selbstzweck erfüllen, sondern sind Mittel, um einen übergeordneten Zweck zu erfüllen. Schon die Existenz des Spruches «Block - Schock - Wurf» lässt vermuten, dass Würfe aus Gewohnheit praktiziert werden, ohne sich ihrer Funktion bewusst zu sein. Würfe erfüllen zwei wichtige Funktionen: Direkte Trefferwirkung Der Gegner wird durch das unsanfte Aufkommen auf den Boden körperlich beeinträchtigt. Dieses kann durch Knochenbrüche (insbesondere Fallen auf das Schultereckgelenk) oder Atemschwierigkeiten dadurch, dass man auf den Rücken fällt, erreicht werden. Indirekte Trefferwirkung Durch den Wurf erhält der Werfende eine günstige Ausgangssituation für den Bodenkampf. Wichtig ist es, sich dieser beiden Funktionen bewusst zu sein. Denn bringe ich meinen Gegner zu Boden, ohne dass ich mindestens eine der beiden Wirkungen erziele, so habe ich zwar geworfen, aber mein Gegner wird den Kampf gewinnen. Mein Wurf kann also gekontert werden, indem die Wirkungen aufgehoben werden. Im Wettkampf kann es sinnvoll sein, einen Wurf durchzuführen, ohne dass dieser in ein weitergehendes Kampfgeschehen eingebunden wird. Der Wurf dient hierbei nur zum Punktgewinn. Zusätzlich zu den durchgeführten Würfen sind auch angesetzte Würfe wirksam, sie destabilisieren den Gegner und machen eine Gegenwehr schwierig. Philippinische Kampfkünste nutzen z. B. diesen Effekt Prinzipien von Würfen Abb Kopfwurf??? Körperstatik (selbst nicht geworfen werden)??? Kontrolle und Einflussnahme (in Bewegung bringen, Gleichgewicht brechen, werfen) 3-51

176 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN 3.8 Waffen??? Entwurf, bedarf der Überarbeitung Das Trainieren mit Waffen ist in erster Linie eine Übungsform! Gehe nie davon aus, dass Du Dich gegen Waffen wehren kannst, LAUFE WEG! Vorteile der Waffen: 1. Reichweite 2. Geschwindigkeit 3. Schärfe, Durchdringung Gegenmaßnahmen Ausweichen durch Ausnutzen von Änderung von (Distanz und Winkel). Distanz und Winkel werden überlebenswichtig! Kontrolle des waffenführenden Arms Die wird erreicht durch: Aufnehmen und Weiterleiten Harter Block (nur, sobald man sich aus der Angriffsrichtung schon rausbewegt hat) zum Zerstören des Waffenarms Gunting "Entzahne die Schlange" gleichzeitige Störtechnik auf wirkungsvolle Ziele: Kopf (Schaltzentrale), Arm brechen (weitere Aktionen unterbinden, mit dem Arm greift der mich nicht wieder an), Knie zerstören (Massive Störung seiner Standfestigkeit/Beweglichkeit) 3-52

177 3.9. Boden (Haltegriffe) 3.9 Boden (Haltegriffe) Am Boden zu kämpfen bedeutet, jemanden am Boden zu kontrollieren, und sich gleichzeitig der Kontrolle durch den anderen zu entziehen Funktion der Haltegriffe Haltegriffe dienen dazu, den Gegner so weit zu kontrollieren, dass weitere Handlungen (z. B. Schläge, Würger, Hebel) möglich werden. Diese Haltegriffe, oder allgemeiner Positionen, sind notwendig! No submission without position! Prinzipien und Handlungsorientierungen Diese Kontrolle wird durch mindestens drei Prinzipien ermöglicht: Drehachse Befinden sich die Kämpfenden weitestgehend auf einer Linie, so ist es möglich, das gesamte System um die von ihnen gebildete Achse zu drehen. Raum Für Aktionen wird Bewegungsraum benötigt, sowohl, um sich selbst zum Partner auszurichten, als auch, um den Partner zu manipulieren. Gewicht Wenn möglich, lasse ich den Partner gegen mein Körpergewicht arbeiten und entziehe mich seinem Gewicht. Neben diesen Prinzipien existieren weitere, aber obige sind von entscheidender Bedeutung. Techniken des Bodenkampfes, also in erster Linie Haltegriffe, sind aus diesen Prinzipien abgeleitete Optimierungen. Aus diesen drei Prinzipien lassen sich Handlungsorientierungen für den Kämpfenden ableiten: Technik als Optimierung von Prinzipien «Drehachse» -> Sich sperrig machen. «Raum» -> Sich unangreifbar machen (wörtlich greifbar). «Gewicht» -> Sich schwer machen. 3-53

178 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Zuerst die Position sichern, dann spielen (hebeln, würgen, schlagen...). Diese allgemeingültigen Handlungsorientierungen lassen sich auch in den Techniken wiederfinden. Mit diesen Orientierungen lassen sich auch die entsprechenden Gegenmaßnahmen oder Konter herleiten. Hierbei wird versucht, dass der Gegner nicht alle Prinzipien einhalten kann. Der Bodenkampf ist also dynamisch, ständig muss die Position korrigiert werden. Der Ju-Jutsu-Gi ist für das Üben des Bodenkampfes nachteilig. Durch den besseren Griff spielt die Kraftfähigkeit eine zu große Rolle. Dynamik und Geschicklichkeit werden verdrängt. Die Orientierungen im Einzelnen: Sich sperrig machen sich steif machen sich breit machen und abstützen Lastarm verlängern Abb Keine Drehachse Abb Drehachse Diese Orientierung geht zurück auf das Wirkungsprinzip «Drehachse verhindern». Sie lässt sich in zwei weitere aufgliedern, zum einen sich-etwas-steif-machen (das Wort "etwas" deutet an, dass dieses nicht bedingungslos passiert, man denke an das Ju-Jutsu als "nachgebende Kunst") und zum anderen sich-breit-machen, die Stützfläche also groß halten. Abbildung 3.25 zeigt diese Unterorientierung "sich-breit-machen" sehr deutlich. Im Unterschied zu Abbildung 3.26 ist ein Kreuz erkennbar. Der Obenliegende versucht demnach, das Entstehen einer solchen Drehachse zu verhindern. Der Untenliegende versucht, eine solche Drehachse zu erzeugen, um das gesamte System beider Kämpfer umzudrehen. Schwerer zu erkennen ist, dass die Abbildung 3.25 einen extremen Drehversuch des Untermannes zeigt. Der Haltende verschiebt sein Gewicht etwas weiter nach außen, um über den vergrößerten "Lastarm" dieses wieder auszugleichen. Auch alle anderen Haltegriffe nutzen diese Orientierung. In der Kreuzposition steckt sie schon im Namen, im 3-54

179 3.9. Boden (Haltegriffe) Reitsitz muss man sie schon etwas suchen, aber wäre sie nicht da, würde man zur Seite umfallen Sich schwer machen Diese Orientierung geht zurück auf das Wirkungsprinzip «Gewicht». Die Kunst ist es, immer das eigene Körpergewicht auf den anderen wirken zu lassen. Dieses bedeutet, sich nicht auf dem Boden abzustützen, sondern immer auf dem Partner. Insbesondere bei Positionswechseln, bei denen die Kontrolle durch Raum und Drehachse möglicherweise nicht optimal ist, muss das eigene Gewicht eingesetzt werden, um nicht gänzlich die Kontrolle zu verlieren. Aber auch in Haltegriffen muss vermieden werden, dass unnötiges Gewicht auf dem Boden statt auf dem Partner aufliegt Sich unangreifbar machen Abb Aktionsraum genommen. Abb Aktionsraum geschaffen. Diese Orientierung geht zurück auf das Wirkungsprinzip «Aktionsraum nehmen». Auch diese Orientierung lässt sich wieder unterteilen. Wenn möglich, sperre ich alle Extremitäten des Gegners so weg, dass sie mich nicht angreifen können, so wie in Abbildung 3.27 gezeigt. Gelingt mir dieses aber nicht, so muss ich den Angriffspunkt entfernen, sodass der Angriff ins Leere läuft. Die Abbildung 3.28 zeigt einen Angriff mit dem Ellenbogen. Hierüber wird soviel Aktionsraum entstehen, dass schließlich das Knie mit angreifen kann. Hier könnte man den Angriffspunkt, also die linke Hüftseite, durch einen Wechsel des Haltegriffes in den Kesagatame wegnehmen, ohne die eigene Überlegenheit zu verlieren. wegsperren Angriffspunkt entfernen 3-55

180 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Ideen für das Training??? Fragen zur Selbstkontrolle Verdeutliche an selbstgewählten Haltegriffen das Prinzip «Drehachse»! Weiterführende Fragen??? 3-56

181 3.10. Abwehrtechniken 3.10 Abwehrtechniken Prinzipiell sind alle Techniken zur Abwehr geeignet, jedoch bezeichnet «Abwehrtechniken» nur solche, deren primäres Ziel nicht der Angriff des Gegners ist, sondern Atemitechniken abzuwehren Funktion der Abwehrtechniken Abwehrtechniken dienen dazu, den gegnerischen Angriff... aufzuhalten, umzuleiten oder ihm auszuweichen Rahmenbedingungen Bevor wir uns einigen Beispielen zuwenden, hier einige Voraussetzungen, unter denen die Techniken ihre Funktionen erfüllen sollen: Die Techniken sollen geeignet sein, um sich insbesondere gegen Kombinationen von Angriffen zu wehren. Die Techniken müssen schnell sein. Die Techniken sollen selbst keine unnötigen neuen Lücken verursachen.... die eigene Position verbessern und die des Gegners verschlechtern. Distanz und Winkel zum Gegner kontrollieren. Eigenes Gleichgewicht, kein Hohlkreuz, Gegenangriffe ermöglichen. Energie in Richtung Gegner aufbauen können. Den Gegner durch Schmerzen (Gunting) oder Gleichgewichtsstörung (Stopptechniken) bremsen Prinzipien Abwehrtechniken sind sehr vielfältig, wie die nachfolgende Auflistung zeigt, trotzdem lassen sich ein paar universelle Prinzipien herauskristallisieren. Angriffe nach unten werden mit den Beinen abgewehrt, Angriffe nach oben mit den Armen. 3-57

182 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Die Arme befinden sich ständig zwischen mir und dem Gegner. Die Abwehrtechniken werden mit Bewegungsformen kombiniert. Abwehrtechniken sind schnell und reißen keine großen Lücken in die Deckung. Abwehrtechniken funktionieren ohne Vorbereitung aus der Bewegung oder einer Vorkampfstellung. Abwehrtechniken ermöglichen einen gleichzeitigen Gegenangriff Techniküberblick Einteilungen nach Körperteilen, mit denen abgewehrt wird, sind üblich. Ich möchte eine Struktur vorschlagen, die von der Beeinträchtigung des Gegners ausgeht. Hierbei bleiben die Abwehrtechniken nicht für sich, sondern werden ggf. durch andere Techniken ergänzt. Bewegungsformen (Den gesamten Körper aus dem Weg nehmen.) z. B.: Schritte, Schrittdrehungen, Gleiten,... Bewegungen des ganzen Körpers brauchen viel Zeit, finden also Anwendung gegen langsamere Techniken (Tritte) auf große Distanz. 45 Achtung! Die Ausrichtung auf den Gegner sollte sichergestellt sein! Meidbewegungen (Das angegriffene Körperteil aus dem Weg nehmen.) z. B.: slip, duck, bop-and-weave,... Sie brauchen weniger Zeit, und funktionieren auch gegen Fauststöße und Faustschläge. Passivblöcke (Das angegriffene gefährdete Körperteil hinter weniger gefährdeten verstecken) z. B.: cover, shield (Schienbeinblock),... Bei Passivblöcken wird einfach vor das anvisierte, empfindliche Ziel etwas stabiles, ungefährdeteres, z. B. ein Arm, gehalten, sodass das eigentliche Ziel nicht mehr wirksam getroffen werden kann. Passivblöcke sind schnell und recht leicht zu erlernen. Handfegen (Den Angriff minimal umleiten) 45 Siehe 3.3. Auch ähnliches mit dem Unterarm und Handrücken z. B.: Handfegen innen und außen Handfegen leitet einen Angriff nur minimal um, sodass das anvisierte Ziel knapp verfehlt wird. 3-58

183 3.10. Abwehrtechniken Gunting (Gleichzeitig zur Abwehr erfolgt ein Angriff auf die angreifende Extremität) z. B.: mit Handfegen die angreifende Hand auf den Ellenbogen umlenken. Gleichzeitig zum Passivblock oder Handfegen den angreifenden Arm mit einem Schlag auf die Muskulatur angreifen. Die Wirkung des Gunting erstreckt sich nur auf die angreifende Extremität. Aktivblöcke (Das schützende Körperteil wird aktiv gegen den Angriff gebracht) z. B.: Unterarmblöcke oder Schild. Die Aktivblöcke erweitern die Passivblöcke um einen Schlag mit dem blockenden Arm. Der Bewegungsumfang vergrößert sich, Aktivblöcke brauchen also mehr Zeit. Gleichzeitig mit dem größeren Bewegungsumfang werden Lücken in der eigenen Deckung erzeugt, die ein Risiko darstellen. (Kein Boxer nutzt Aktivblöcke!) Wichtig ist, dass der blockende Arm sofort wieder in die Deckung zurückgeführt wird! Der Arm darf nicht in der Endposition verweilen! Stopp- oder Umleittechniken (Gleichzeitig zur Abwehr wird der gesamte gegnerische Körper gestoppt/umgeleitet) z. B.: Schulterstopp, Stoppfußstoß,... Im Gegensatz zum Gunting wirken sich die Stopptechniken auf den gesamten gegnerischen Körper aus. Die oben angerissenen Technikgruppen haben Repräsentanten im Bereich der Arme und der Beine. Ihre jeweiligen Prinzipien sind gültig in beiden Ebenen. Für die Anwendung der Abwehrtechniken ist es wichtig, sich der Situationen bewusst zu werden, in welchen die jeweilige Untergruppe eingesetzt werden kann. Neben der Beeinträchtigung des Gegners sind Timing und Distanz besonders bedeutsam Vermitteln von Abwehrtechniken Beim Vermitteln der Abwehrtechniken bietet sich eine bestimmte Reihenfolge an. Wir gehen davon aus, dass der Anfänger langsamer ist, ängstlicher und schlechter reagiert. Zunehmend wird er besser und kann sich so anderer Techniken bedienen. Die Reihenfolge weicht von der Reihenfolge im Prüfungsprogramm etwas ab. Ich betone an dieser Stelle also nochmals, dass es ein Prüfungsprogramm ist und kein Ausbildungprogramm. Die 3-59

184 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Abwehrtechnik Timing Distanz im Entstehen oder Durchführen Ausweichen im Treffen Fern Nah Treffen lassen Im Entstehen oder Durchführen im Treffen Stoppen selbst angreifen Weiterleiten Einsatz des ganzen Körpers Einsatz von Körperteilen Abb Ordnungen der Abwehren Reihenfolge im Prüfungsprogramm unterliegt auch einer gewissen Tradition und ist nicht ausschließlich funktional begründet! Vom Schutzreflex zum Passivblock Wenn sich etwas schnell dem Gesicht nähert, so sind mehrere Reflexe beobachtbar. Gegenangriff vorbereiten Schnelligkeit Die Augen werden durch den Lidschluss geschützt. Dieses ist ein unkonditionierter Reflex und wenig durch Training beeinflussbar! Das Gesicht wird abgewendet. Als konditionierter Reflex lässt sich dieser abstellen, so wie es z. B. Handballtorwarte tun. Die Arme können entweder versuchen, dieses Etwas wegzuhalten, was im Allgemeinen auch zu einer Rückwärtsbewegung im Oberkörper führt, oder aber die Arme gehen zum Schutz an den Kopf, und Kopf und Oberkörper kauern sich eher zusammen. Für die Selbstverteidigung ist es wichtig, nicht in eine Rücklage zu gelangen, da diese eigene Aktionen erschwert. Deshalb sollte möglichst früh und oft trainiert werden, den Kopf zu schützen und zu senken, sowie den Oberkörper vorne zu lassen, um Gegenangriffe starten zu können. Die Passivblöcke des Ju-Jutsu stellen hier eine optimale Lösung dar. 3-60

185 3.10. Abwehrtechniken Weiterhin ist es so, dass gerade Anfänger in ihren Reaktionen langsamer sind. Sowohl Bewegungsausführung als auch Antizipationsschnelligkeit 46 sind langsamer. Somit muss die reine Bewegungszeit der Techniken für Anfänger entsprechend kurz sein. Die Passivblöcke sind Basis der Abwehr. Sie müssen mit höchster Priorität geübt werden! Panikreaktion Die Schwierigkeiten beim Passivblock sind zum Ersten die Ängste, getroffen zu werden. Diese führen dazu, dass die Passivblöcke aufgegeben werden und die erste Reflexreaktion wieder auftritt. Deshalb sind die Passivblöcke mit zunehmend härterem Angriff zu üben. Aber immer wieder ist die Härte des Angriffs zu reduzieren, wenn Panikreaktionen auftreten. Reaktion bei Die zweite Hauptschwierigkeit ist die Reaktion. Deshalb sind Blöcke gegen zunehmend schnelle Mehrfachangriffe zu üben. Mehrfachangriffen Die Bedeutung der Passivblöcke führte auch dazu, sie in das Gelbgurtprogramm aufzunehmen. Das aktuelle Prüfungsprogramm sieht in den Passivblöcken den Ausgangspunkt aller Abwehrtechniken Von Passivblöcken zu Meidbewegungen Schon bald werden die Passivblöcke so weit beherrscht, das zusätzlich Meidbewegungen thematisiert werden können. Wichtig ist hierbei, dass die Blöcke immer noch ausgeführt werden und nur durch Meidbewegungen ergänzt werden. Die Meidbewegungen werden genutzt, um nicht mehr alle Kraft des Angriffs blocken zu müssen. Sowohl die Bewegung in den Schlag als auch aus dem Schlag verringern die Energie. Natürlich kann man auch abtauchen. Die Meidbewegungen dürfen nicht zu groß geraten, denn dadurch werden sie langsam. Auch hierbei spielen Ängste die entscheidende Rolle. Die Meidbewegungen dürfen nicht dazu führen, dass die eigene Position durch übermäßige Bewegungen, Hohlkreuz oder Abwenden von dem Gegner schlechter wird Handfegen Für geradlinige Angriffe bietet sich auch das Handfegen an. Im Gegensatz zu den Passivblöcken muss der Angriff aber zusätzlich als geradlinig erkannt werden. Dieses erfordert 46 Siehe

186 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Zeit, sodass das Handfegen in weiterer Distanz zum Einsatz kommt als die Passivblöcke. Durch die große Distanz werden nicht-geradlinige Angriffe zusätzlich erschwert. Erst durch diese gewonnene Zeit wird das klassische Handfegen ermöglicht. In naher Distanz funktioniert es über ständigen Kontakt zum Gegner, wie es z. B. im Wing-Tsun praktiziert wird. Eine schöne Variante ist das «Handfegen» mit dem Unterarm, da es weniger die eigene Deckung öffnet.??? Bilder: Handfegen + mit dem Unterarm Gunting Beim Gunting bleiben die Passivblöcke oder das Handfegen unverändert, aber die angreifende Extremität wird angegriffen. Neben dem Vorteil, den Schutz nicht aufgeben oder verändern zu müssen und den Gegner gleichzeitig angreifen zu können, kann das Gunting in größerer Distanz durchgeführt werden. Während der Angreifer den Körper treffen möchte, brauche ich nur die angreifende Extremität zu erreichen Vom Gunting zu Stopp- und Weiterleittechniken Bei vielen Abwehren bleibt der Gegner weitestgehend unbeeinflusst, erst mit den Aktivblöcken und in stärkerem Maße beim Gunting wird der Gegner beeinflusst. Die Stopptechniken lassen sich vielfach aus dem Gunting ableiten. Der Schutz bleibt erhalten, aber der Angriff muss früher als beim Gunting gegen den Körper geführt werden. Stopptechniken verhindern den Angriff im Entstehen. Weiterleittechniken versuchen, den Angriff so weit zu führen, dass der Angreifer dadurch ungünstiger steht oder Lücken in der Deckung entstehen Aktivblöcke Die Aktivblöcke sind zwar traditioneller Bestandteil des Ju-Jutsu, sind aber weniger geeignet, unter den eingangs genannten Voraussetzungen zu funktionieren. In Karatebüchern wird bei Technikbeschreibungen dargestellt, dass für einen Aktivblock ausgeholt werden muss. Dieses führt dazu, dass die Technik in «traditionell technisch sauberer Form» nur gegen sehr langsame und einzelne Angriffe funktioniert. Gleichzeitig wird der passive Schutz zu Gunsten eines langsamen Angriffs auf die angreifende Extremität aufgegeben. Zusätzlich kommen die Aktivblöcke der Panikreaktion vieler Menschen nahe, sich wild rudernd gegen Schläge zu erwehren. Ein interessantes alternatives Konzept zu den Aktivblöcken stellt das Gunting dar. 3-62

187 3.10. Abwehrtechniken??? Bilder: Panikreaktion + Aktivblock nach außen. 3-63

188 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Fragen zur Selbstkontrolle Die Abbildung zeigt zwei Karateblöcke. Kritisiere diese Techniken mit Bezug zu den Prinzipien der Abwehrtechniken! Weiterführende Fragen Warum sind Aktivblöcke als Techniken für Frauen eines Frauen-SV- Kurses ungeeignet? Abb Soto-Uke und Gedan-Barai 3-64

189 3.11. Sonstiges (Eigensicherung, Gleichgewicht,... ) 3.11 Sonstiges (Eigensicherung, Gleichgewicht,... ) Eigensicherung Die Eigensicherung soll gegnerische Aktionen (Gegentechniken) gegen mich verhindern oder zumindest erschweren. Dieses kann erreicht werden durch Einhaltung/Wahl von: Distanz/Winkel zum Gegner eigene Stabilität bei gleichzeitiger Instabilität des Gegners durch Hebel oder Haltegriffe, die den Gegner einschränken, Bewegungsformen oder Wahl einer Strategie/Taktik unterstützen die Eigensicherung. 3-65

190 KAPITEL 3. TECHNIKGRUPPEN Nervendrucktechniken Nervendrucktechniken werden mystifiziert, geheime Druckpunkte sollen existieren, die schwere, im Extremfall tödliche, Schädigungen verursachen Funktion der Nervendrucktechniken Zufügen von Schmerzen Problem: Adrenalinunabhängigkeit Beeinflussung des Nervensystems und darüber Muskeln, Organe, HKS Problem: Treffen der exakten Punkte mit dem passenden Druck, denn die Wirkungen sind teilweise druckabhängig. Nervendrucktechniken sind also im Wesentlichen Störungen durch Schmerzen, die Raum und Zeit für weitere Aktionen verschaffen Prinzipien und Rahmen Für Techniken mit «klassischer», längerer Einwirkdauer ist eine momentane Situationskonstanz erforderlich. Diese entsteht dadurch, dass ich den Gegner binde oder der Gegenr sich einschränkt, da er mich beschränken will. In sich ändernden Situationen bieten sich Schläge auf empfindliche Stellen an (z. B. Gunting) Vermitteln von Nervendrucktechniken Klassische, langsame Variante: keine Techniken (Bewegungsvorschrift)! empfindliche Punkte vermitteln oder entdecken lassen Erreichbarkeit der Punkte in unterschiedlichen Situationen erproben. Schnelle Variante: Einbau in die Abwehrtechniken 3-66

191 3.12. Sportmotorische Grundfertigkeiten 3.12 Sportmotorische Grundfertigkeiten 3-67

192

193 4 Lernen und Lehren Inhalte des Kapitels 4.1 Was ist Lernen? Sich-Bewegen lernen Der Lernprozess Vermittlungsmethoden Lernen in der Gruppe Leistungsmotivation Kleine Spiele Die Rolle des Trainers Unterrichtsplanung Spezielle Gruppen

194 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Und alles was wir brauchen, um Probleme zu lösen, haben wir bereits in uns. Du kannst einem Menschen nichts lehren. Du kannst ihm nur helfen, es in sich selbst zu finden. GALILEO GALILEI Definition Lernen Lernzieltaxonomie 4.1 Was ist Lernen? Lernen bezeichnet das individuelle Aneignen oder Erweitern von Kenntnissen sowie leiblichen und geistigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und auch Bewegungsgefühl. Lernen muss durch den Lernenden aktiv erfolgen, er muss sich um Erkenntnis, Fertigkeiten und Fähigkeiten bemühen und sie auf schon Bekanntes beziehen. Das Gelernte kann gemäß der Lernzieltaxonomie 1 von BENJAMIN BLOOM 2 unterteilt werden: 1. Wissen Der Lernende kann Kenntnisse oder auch Bewegungen nachvollziehen. 2. Verstehen Der Lernende versteht die Wirkung des Gelernten in einem größeren Zusammenhang. Er kann Bewegungen Nachmachen. 3. Anwenden Der Lernende kann das Gelernte konkret anwenden und auf neue Zusammenhänge übertragen. Er kann Bewegungen der Situation anpassen Analyse 4 Der Lernende versteht die Bedeutung der Elemente des Gelernten. Er kann Teilbewegungen auch in einem anderen Zusammenhang nutzen. 5. Synthese 5 Der Lernende kann Bekanntes zu etwas Neuem zusammenstellen. Er kann selbstständig Bewegungen entwickeln, die bekannte Teilbewegungen nutzen. 1 Taxonomie: Einteilung in ein System. 2 vgl. BLOOM 1956, S Siehe Analyse: Betrachtung der Bestandteile 5 Synthese: Zusammensetzen von zwei oder mehr Elementen. 4-2

195 4.1. Was ist Lernen? 6. Evaluation 6 Der Lernende kann Bekanntes nach eigenen und gegebenen Kriterien bewerten. Er wählt bewusst und unbewusst situativ angemessene Bewegungen. Die Lernzieltaxonomie von BLOOM ist zwar für kognitive Lernziele ausgelegt, sie lässt sich aber auf das Sich-Bewegen übertragen, so wie schon angedeutet wurde. Nicht nur, dass also unterschiedliche Qualitätsstufen von dem Gelernten existieren, es gibt auch Unterschiede in den Zielen des Gelernten: 1. Anwendungswissen besteht aus den Kenntnissen, die das Individuum braucht, um selbst tätig zu werden. Die eigenen Erfahrungen sind hierfür die einzige Quelle. Ein gutes Training sollte also reich an erfahrungsträchtigen Situationen sein. 2. Anleitungswissen besteht aus den Kenntnissen, die der Lehrer braucht, um dem Individuum beim Lernen zu helfen. Die eigenen Erfahrungen, aber auch Methodikliteratur sind mögliche Quellen. 3. Erklärungswissen besteht aus den Kenntnissen, die man braucht, um Zusammenhänge z. B. biomechanisch zu erklären. Merke: Erklärungswissen hilft dem Individuum nicht, Bewegungen zu erlernen! Sehr deutlich wird am Beispiel «Handstand», wie wenig das Erklärungswissen (Der Körperschwerpunkt muss über der aufgespannten Stützfläche sein) dem Individuum bei der Ausführung hilft. Die Hilfestellungen des Lehrenden müssen an den Erfahrungen des Individuums ansetzen und nicht bei Erklärungen. Erlebnisse sind noch keine Erfahrungen. Erst das Reflektieren des Erlebten macht aus einem Erlebnis eine Erfahrung. Kleine, kurze, kognitive Phasen (Gespräche) fördern dieses. 6 Evaluation: Bewertung oder Auswertung. 4-3

196 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Fragen zur Selbstkontrolle Was sind Anleitungs-, Erklärungs- und Handlungswissen? Was sind Unterschiede von «wissen», «verstehen» und «anwenden»? Weitergehende Fragen Warum sollte man den Lernenden auch Anleitungswissen vermitteln? Beurteile die Drillmethode (Karategrundschule) mit Zuhilfenahme der Lernzieltaxonomie! 4-4

197 4.2. Sich-Bewegen lernen 4.2 Sich-Bewegen lernen Im Folgenden wollen wir uns mit dem Neuerwerb und der Verbesserung von Bewegungen auseinandersetzen. Hierzu ist es sinnvoll, sich mit den möglichen Arten von Bewegungen auseinanderzusetzen, zu untersuchen, wie Bewegungen gelernt werden, und dann Methoden zu betrachten, die einen Bewegungserwerb oder eine Verbesserung optimal unterstützen. Zuerst folgen einige Begriffsdefinitionen. Bewegungen lassen sich nach verschiedenen Merkmalen klassifizieren: Geschlossene Bewegungen: Anfang, Verlauf und Ende einer Bewegung sind vorweg bekannt. Beispiele hierfür sind: Techniken des Ju-Jutsu, Turntechniken, Kata 7,... Offene Bewegungen: Der Anfang mag noch bekannt sein, aber Verlauf und Ende sind nicht vorherbestimmt. Situative Sportarten, wie Skilauf, Sportspiele oder Kampf sind offene Bewegungen. Bewegungsfertigkeiten: geschlossene Bewegungen, Techniken. Bewegungsfähigkeiten: Konditionelle oder koordinative Eigenschaften, die auf verschiedenste Bewegungen als Attribute Einfluss nehmen. Die Anforderungen an den Ausführenden lassen sich dann abstufen nach: 1. Einfache geschlossene Bewegung (Techniken aller Art) 2. Vorwegbestimmte Aneinanderreihung von geschlossenen Bewegungen (z. B. Kata, Turnkür, Duo-Kombinationen) 3. Spontane Aneinanderreihung von geschlossenen Bewegungen 4. Vollständig offene Bewegungen Diese Abstufung nutzt der Handlungskomplex 8, um mit schwierigen offenen Bewegungen umgehen zu können. Menschliches Handeln ist immer Problemlösen, so auch das Bewegen im Ju-Jutsu. Wie jedoch soll der Mensch das Problemlösen lernen, wenn ihm die Lösungen vorgegeben werden? Damit der Lernende die Sinnhaftigkeit einer Bewegung erfassen kann oder gar eigene Bewegungen entwickeln kann, ist es nötig, ihn Erfahrungen sammeln zu lassen. Um dieses zu unterstützen, ist es sinnvoll, seine Aufmerksamkeit zu lenken. Z. B. ihn verschiedene Fassarten ausprobieren zu lassen. Beim Üben erlebt er die Auswirkung und spätestens 7 Kata ist vergleichbar mit dem Versuch, Fußballspielen mit Torwandschießen zu erlernen. 8 Siehe Unterabschnitt

198 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN beim Nachfragen wird ihm bewusst, welche Variante funktioniert. Aus dem Erlebten wird eine Erfahrung. Fragen zur Selbstkontrolle Sind Fertigkeiten oder Fähigkeiten eher sportartspezifisch oder sportartübergreifend? Formuliere die Definition von offenen und geschlossenen Bewegungen in deiner eigenen Sprache neu! Warum sind geschlossene Bewegungen einfacher? Stelle offene und geschlossene Bewegungen gegenüber! Weiterführende Fragen Inwiefern nimmt der Handlungskomplex 9 Bezug zu offenen und geschlossenen Bewegungen? Stelle dar, warum die Drillmethode (Karategrundschule) nicht für offene Bewegungen geeignet ist! 9 Siehe

199 4.3. Der Lernprozess 4.3 Der Lernprozess Trotz der Lehrmethoden, der unterschiedlichen Techniken und des Wissensüberschusses des Trainers kann die lernende Person nur selbstständig lernen. Der Trainer kann nur Situationen durch Anweisungen oder Geräte schaffen, die das Lernen unterstützen. Der Lernprozess ist bestimmt durch die lernende Person. Alle Prozesse laufen in ihr ab. Lehrmethoden schaffen nur Situationen, in denen sich das Individuum selbst mit der jeweiligen Bewegung auseinander setzen kann. Bewegungen werden aber nicht nur einmal erlernt, sondern werden in unterschiedlichen Könnensstufen immer weiter verfeinert. Diese Könnensstufen nennt man Lernphasen. Diese Lernphasen können uns helfen, die lernende Person besser in ihrer Entwicklung zu unterstützen. selbstständig Lernen Lernsituationen Lernphasen Mit zunehmenden Wiederholungen von Bewegungsabläufen ergeben sich Verbesserungen. Der erreichte Fortschritt lässt sich in drei Lernphasen aufteilen: 1. Grobformstufe 2. Feinformstufe 3. Feinstformstufe Die Grobformstufe Eine Bewegung in der Grobform ist gekennzeichnet durch: übermäßigen und teilweise falschen Krafteinsatz, verkrampfte Ausführung, Pausen innerhalb der Bewegungsausführung, geringe oder schwankende Bewegungsgenauigkeit, nicht konstante Leistung. verkrampft, unsicher Eine Technik wird in der Grobform gekonnt, wenn die Bewegung unter optimalen Bedingungen ausgeführt werden kann. Schon geringe Variationen der gewohnten Situation können zu einem Versagen führen. Das Wichtigste für den Übenden ist: Zeit zum Üben, Entwickeln eines Bewegungsgefühls, Beginn individueller und situativer Anpassung z. B. Fassarten, gleichzeitige Meidbewegungen oder individuelle Vorbereitungen von Techniken. Gefühl entwickeln 4-7

200 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Miteinander lernen Lernen, miteinander zu üben, dabei weder den Partner unter- noch überfordern. Zu frühes und zu bereitwilliges Nachgeben begünstigt, dass Techniken nur figural aber nicht funktional nachvollzogen werden. (Achtung: Nicht Techniken mit Gewalt verhindern oder durchsetzen!) Verstehen, wodurch eine Bewegung funktioniert. Bewusstsein für geeignete Anwendungssituationen einer Technik entwickeln. Diese Punkte kann die Lehrperson dem Lernenden nicht einfach geben, sondern sie muss es ihm durch Zeit zum Üben und für eigene Erfahrung ermöglichen diese, selbstständig zu erarbeiten. Hinweise und Korrekturen sind auf wichtige Bewegungselemente zu beschränken. Sie müssen nacheinander auf schon gemachten Erfahrungen aufbauen Die Feinformstufe Bewegungen in der Feinformstufe sind gekennzeichnet durch: Automatisierung unter idealen Bedingungen, aber bei Störungen fällt die Bewegung wieder in die Grobformstufe zurück. Die Bewegung wird differenzierter ausgeführt. Während des Ausführens der Bewegung existiert ein Bewegungsgefühl, das zur Fehlerkorrektur herangezogen werden kann. Der Lernende spürt, wenn etwas nicht passt. Da der Bewegungsablauf wesentlich besser gekonnt wird und ein Gespür für die Bewegung besteht, kann der Lernende grobe Fehler schon selbst erkennen und beseitigen. Eine Korrektur von außen ist aber immer noch nötig, um ein Einschleifen von falschen Bewegungsprogrammen zu vermeiden 11. Nun ist für den Lernenden wichtig: Das Verständnis für die Bewegung anhand von Prinzipien zu entwickeln. Mit vielen Varianten der Bewegung, eine vielseitige Verfügbarkeit zu erarbeiten. Dieses impliziert eine verstärkte individuelle Anpassung. Aktives Schaffen und bewusstes Nutzen von geeigneten Situationen für eine Technik 12. Komplexeres Verhalten als Partner basierend auf den Methoden für spezifisches Koordinationstraining 13. Diese erfordert viele Ideen und Lernsituationen von der Lehrperson. 10 Siehe Siehe Siehe Siehe

201 4.3. Der Lernprozess Die Feinstformstufe Die Bewegung wird in vielen Situationen beherrscht, kann beliebig variiert und kombiniert werden und ist resistent gegen Störungen. Für die Bewegung wurde ein Bewegungsgefühl entwickelt, welches unabhängig vom Bewegen abgerufen werden kann. Dieses ermöglicht es mir, dieses Bewegungsgefühl zu beschreiben. Trotzdem: Eine Bewegung wird nie so gekonnt, dass weiteres Üben überflüssig ist. Über unterschiedlich gesetzte Schwerpunkte (z. B. konditionelle oder koordinative Fähigkeiten) oder das Training mit Handikaps wird die Bewegung immer weiter verfeinert und die zugehörigen Attribute verbessert. In der Feinstformstufe sind Techniken sehr störunanfällig. Um dieses zu erreichen, ist ein Blick auf den Handlungskomplex 14 sinnvoll, damit Störungen durch Gegner besser kompensiert werden können. Die MÜR 15 für offene Bewegungen bietet weitere Ansätze und Trainingsideen Kritik am Konzept der Lernphasen Der Begriff Stufe legt nahe, dass sich die Bewegungsqualität in solch markanten Sprüngen vollzieht. Dieses stimmt ebensowenig wie die Annahme, dass Lernen und Bewegungsqualität gleichmäßig voranschreiten würden. Sprünge durch Aha-Momente, aber auch Rückschritte sind möglich. Dennoch liefern die Lernphasen gute Anhaltspunkte, um das Bewegungslernen gezielt zu fördern. 14 Siehe Unterabschnitt Siehe auch Abschnitt

202 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Grobform Feinform Feinstform Erfüllung der nur unter günstigen Bedin- bei günstigen Bedin- Unter erschwerten Bewegungs- gungen, gungen leicht erhöhte Bedingungen mit großer aufgabe geringe messbare Leis- Leistung, unvollkom- Sicherheit, tung men bei ungünstigen hohe und höchste Leis- Bedingungen tung Güte der Grundstruktur erkennbar, voll ausgeprägt Beherrschung der Bewe- Bewegungs- undifferenzierte Ausfüh- unter Standard- gung auch bei Störungen ausführung rung, bedingungen verkrampft Bewegungs- kaum bewusst, weitgehend ausgebildet Fein differenziert, empfindungen vorwiegend visuell und bewusst große bewusst wahrgenommen, kinästhetische Anteile ausgeprägte Verbindung zur Sprache Bewegungs- verschwommen, visu- mit Einzelheiten und variabel, kreativ, voraus- vorstellung ell bestimmt, räumlich Empfindungen ausge- ahnend geprägt prägt, dynamische und zeitliche Anteile (Kraft und Geschwindigkeit) Bewegungs- Rückmeldung von außen, Korrektur durch eigenes antizipierte Anpassung an korrektur sehr störanfällig Empfinden und Wahrneh- verschiedenste mung, nur anfällig gegen Situationen, große und ungewohnte Stabilität auch bei massi- Störungen ven Störungen Fragen zur Selbstkontrolle Ordne eigene Fertigkeiten den Lernphasen zu. Welche müssten am dringendsten weitergebracht werden? Weitergehende Fragen Warum ist es ungünstig, hauptsächlich Handlungsketten (feste Kombinationen) zu trainieren? Verbinde die Lernphasen mit der Lernzieltaxonomie! 4-10

203 4.3. Der Lernprozess Bewegungsanpassung Vielfach wird auch der Begriff «Fehlerkorrektur» genutzt, dieser ist aber bei unserer Technikauffassung ungeeignet. Die Begriffe «falsch» und «richtig» bedeuten passend und nicht passend in einem System. Ob eine Bewegung nun den strengen Leitbildern einer Kampfkunst genügt, ist weniger wichtig als die Frage, ob eine Bewegung geeignet ist, die Oberhand zu gewinnen oder zu behalten. Sie muss der Situation, dem Handelnden und dem Gegner angemessen sein. Der Begriff Bewegungsanpassung statt Fehlerkorrektur soll diesem gerecht werden. Beim Üben werden Bewegungen an vermutete Gegner und Situationen angepasst. Aber auch das Anpassen selbst muss geübt werden 16. Verbessern der Die Bewegungsanpassung geht von der Funktion der Bewegung aus. Die äußere Erscheinung Funktion, nicht ist der Funktion untergeordet. Dieses setzt bei dem Lehrenden voraus, von des Aussehens! außen auf die Funktion und das Funktionieren der Bewegung des Lernenden schließen zu können. Einiges an Bewegungserfahrung und Hineinversetzen in den Übenden sind hierfür notwendig. Die Reihenfolge von Korrekturen wird durch die Schwerpunkte bestimmt, unter denen trainiert wird 17. Einzig unstrittig ist: Gesundheitliche Risiken sofort abstellen! Wie schon anfangs in Kapitel 4 dargestellt war, ist der Lernprozess keineswegs so zu verstehen, dass Menschen gleich einem Roboter programmiert werden können und auch, wenn sie sich alle Korrekturpunkte gemerkt haben, sind sie meist nicht in der Lage, mehrere Korrekturen gleichzeitig anzugehen. Schon drei Korrekturen auf einmal sind meist zu viel! Eine Korrektur zur Zeit anbringen! Ebenso ist es nicht nötig, die Fehler des Übenden zu benennen, vielmehr ist es angebracht, angemessenes Bewegen durch direkte Korrektur oder noch besser durch Aufgaben zum eigenständigen Erfahren zu fördern. Nicht ungünstige Bewegungen benennen, sondern Hinweise für angemessenes Bewegen geben! 16 Siehe Siehe

204 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Da Bewegungen nur durch Bewegen 18 gelernt werden können, wäre es ideal, statt verbalen Korrekturen neue Übungen anzuleiten. Diese Übungen gehen vom Hauptproblem 19 aus und verdeutlichen die Funktion und Wirkungsweise der Bewegung genauer. Übungen variieren statt nur zu korrigieren! Um den Übungsprozess effektiver werden zu lassen, ist es förderlich, den Lernenden zu befähigen, selbst seine Bewegungen zu korrigieren. Hierzu muss die Bewegung leiblich erlebt, reflektiert und verstanden werden. Verstehen hat unmittelbar etwas mit «begreifen» zu tun, Bewegungen müssen gespürt, ja förmlich angefasst werden. Dieses ist wesentlich effektiver als mechanische und figurale Beschreibungen 20. Zum Erfassen der Bewegung ist auch das Lernen aus Unterschieden möglich. Günstige und ungünstige Bewegungen werden von dem Lernenden leiblich erfahren und ihre Unterschiede von dem Lernenden selbst beschrieben. Abschließend sollte die günstige Ausführung wiederholt werden, um das Bewegungsgefühl zu konservieren 21. Wurde eine Bewegung als Lösung eines Problems (problemorientierung) erfahrungsorientiert selbst entdeckt, so kann das Individuum die eigene Bewegung korrigieren 22. Soll das Individuum jedoch eine Bewegungsnorm erfüllen, so ist eine Korrektur von außen über einen Istwert-Sollwert-Vergleich nötig. Bewegungen erfahren, erproben und verstehen lassen! Sind aber die Bewegungen verstanden, ist es nicht mehr notwendig, lange Vorträge zu halten. Markante präzise Schlagworte können eine Selbstkorrektur anregen. Z. B. reicht es häufig, einen fragenden Blick zu korrekturwürdigen Stellen zu werfen, und der Übende erinnert sich wieder an schon verdeutlichte Zusammenhänge. 18 Nicht-motorisches Bewegungslernen beruht auf dem Effekt des Vorstellens und Mitbewegens (??? Ennenbach). Nicht-motorisch meint «ohne sich zu bewegen». Also lassen sich Bewegungen doch erlernen mit Abschauen oder nur durch reine Vorstellung. Dieses klappt jedoch nur, wenn Anknüpfpunkte zu schon bekannten Bewegungen existieren. Diese bekannten Bewegungen müssen aber schon so gut gekonnt werden, dass ein Bewegungsgefühl existiert, an das angeknüpft werden kann. 19 Siehe FRITZ NADLER sagt hierzu: «Immer werden Deine Schüler ganz bestimmte eigene Vorstellungen und eine ihnen eigene Art der Ausführung von Techniken haben; diese sollten jedoch stets der zu erlernenden Technik so nahe wie möglich kommen. Zwinge sie daher niemals in eine feste Schablone; erziehe vielmehr zum Mitdenken.»[Nad76, S.12]. Hierbei ist anzumerken, dass die individuellen Techniken deshalb den gelehrten so nahe sein sollten, weil sie die gleiche Funktion erfüllen. 21 Siehe Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Individuum dieses will. Viele sind es nicht gewohnt, selbst an Bewegungen zu experimentieren, sondern erwarten Korrekturen von außen. 4-12

205 4.3. Der Lernprozess Wichtigstes Hilfmittel für Bewegungkorrekturen ist der Partner, der über sein Verhalten rückmeldet, ob eine Bewegung gelungen ist. Es ist kontraproduktiv, wenn der Partner zu freiwillig mitgeht oder permanent sperrt. Partner als rückmeldender Trainer! Orientierungen für mögliches komplexeres Angreiferverhalten kann dem Abschnitt für spezifisches Koordinationstraining 23 entnommen werden. Das dosiert komplexer werdende Angreiferverhalten ist notwendig, um von figuralen Imitationen zu funktionalen Anwendungen zu gelangen, ohne den Übenden zu überfordern. Hierdurch werden individuelle und situative Anpassungen gefördert. Bewegungskorrektur auf einen Blick 1. Oberstes Ziel: Gesundheit erhalten 24 (Gesundheit beim Üben ist wichtiger, als die Eigensicherung!). 2. Eine Korrektur zur Zeit. 3. Bewegungsanweisungen oder Hinweise geben, statt Fehler zu benennen. 4. Statt zuviel zu korrigieren, eine andere Übung wählen. 5. Mehr Erfahrungen sammeln lassen, als sehr lange Erklärungen zu geben. 6. Das Bewegen auch vom Partner korrigieren lassen. 7. Individuelles einzeln korrigieren und Allgemeines in der Gruppe korrigieren. 8. Viele Übungen mit ähnlichen Bewegungen und unterschiedlichen Schwerpunkten machen lassen. 9. Auch mal Bewegungen führen und fühlen lassen (Helfende Hand). 10. Bewegungen beschreiben lassen. 11. Angemessen zum Lernstand korrigieren (Feinheiten nur bei Profis). Fragen zur Selbstkontrolle Welche Fehler stelle ich zuerst ab? Warum nur einen Fehler auf einmal korrigieren? Warum hilft es nicht, einen Fehler zu benennen? 23 Siehe Siehe

206 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Weitergehende Fragen Warum ist es effizienter, wenn das Individuum sich selbst korrigieren kann, als wenn es auf Rückmeldungen von außen angewiesen ist? Warum sind Bewegungsbeschreibungen weniger effektiv als gezielte neue Übungen? (Beziehe dich auf die Lernphasen 25 ) Warum korrigiere ich «Gesundheit vor Eigensicherung»? In «Badminton in der Schule» 26 finden sich folgende Korrekturhinweise für einen Aufschlag. Stelle dar, warum diese Hinweise schlecht sind! Fehler: «Der Federball wird nicht getroffen. Üben am Ballpendel Lehrer gibt akustische Hilfe Trockenübungen ohne Ball» 25 Siehe Abschnitt [Lem99, S. 13] 4-14

207 4.3. Der Lernprozess Bewegungslernen nach der Schematheorie Die Schematheorie ist ein Modell für Bewegungslernen und Bewegungssteuerung. Sie muss sich natürlich durch eigene Erfahrungen bestätigen lassen. Die Schematheorie geht von einer Speicherung von Programmen für Bewegungsklassen aus, zu deren Durchführung keine bewusste Steuerung der Bewegung notwendig ist. Unbekannte Bewegungen können durch ihre Ähnlichkeit zu bekannten Bewegungen vorausgeplant werden. Bewegungsklasse bezeichnet eine Menge von Varianten einer Bewegung, die entscheidende Kernelemente gemeinsam haben. Wir werden das prüfen: Programme für Bewegungsklassen Eine unbewusste Ausführung von Bewegungen erleben wir jeden Tag. Eine Speicherung von einzelnen Bewegungsausführungen wäre sehr speicherintensiv, ist somit unwahrscheinlich. Für die Speicherung von Bewegungsklassen spricht, dass verwandte Bewegungen ohne zu üben ausgeführt werden können. Wurde der Hüftwurf geübt, so können viele eine Variante wie Hüftfegen spontan durchführen. Die Schematheorie geht von zwei gespeicherten Schemata aus, die durch vorher durchgeführte Bewegungen ständig verbessert werden. Variantenreiche Bewegungsformen erweitern und verallgemeinern die gespeicherten Programme. Die beiden gespeicherten Schemata sind das Wiedergabeschema und das Wiedererkennschema. Das Wiedergabeschema übernimmt die Steuerung einer Bewegung anhand der schon gemachten Erfahrung mit Bewegungen. Ihm ist es möglich, auch bisher nicht realisierte Bewegungen zu steuern. Über das Wiedererkennschema sind Korrekturen der Bewegungen möglich (auch ein Programmwechsel ist möglich), allerdings mit einer Verzögerung, die im Bereich von 0,2 Sekunden liegt. Es vergleicht die erwarteten Sensorinformationen des Wiedererkennschemas mit den tatsächlich gelieferten. All dieses braucht Zeit. Somit gilt: Wiedergabeund Wiedererkennschema Korrekturen brauchen Zeit. Langsame Bewegungen lassen sich fast beliebig verändern, während schnelle Bewegungen, einmal gestartet, kaum beeinflussbar sind (z. B.: der Fauststoß lässt sich kaum auf den bewegten Kopf umlenken). Ein Programmwechsel ist klar möglich (z. B.: unvorhergesehener Sturz wird mit Fallschule aufgefangen). Programmwechsel Wenn man annimmt, dass die Schematheorie das Bewegungslernen recht gut beschreibt, können wir aus ihr mehrere Konsequenzen für die Praxis ableiten. So folgt aus der Speicherung von Programmen für Bewegungsklassen: 4-15

208 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Vielseitiges Lernen von Bewegungen einer Klasse ist günstig, um die Bewegung in vielen Situationen parat zu haben. Dieses entspricht dem Überlernen, das nach der methodischen Übungsreihe notwendig ist, um die Feinstformstufe zu erreichen. Da Bewegungsprogramme gespeichert werden, ist es wichtig, dass die Bewegungen gelingen. Bewegungen können beim Üben scheitern, doch dazu später. Mini-Programme für Bewegungen in Kombinationen sind einer willentlichen Zusammenstellung überlegen, da die Verzögerung für die willentliche Steuerung entfällt. Mögliche Situationsänderungen, also Partner-/Gegnerreaktionen, sind ständig zu berücksichtigen. Diese Überlegungen deckt die Theorie des Handlungskomplexes ab Gründe für das Scheitern einer Bewegung Doch nun zu den möglichen Gründen für das Scheitern einer Bewegung: Programmlänge zu groß: Kann z. B. heißen, eine Kombination ist zu lang, um fließend ausgeführt zu werden. Das dann gespeicherte Programm enthält somit auch das nicht beabsichtigte Stocken der Bewegung. Programmbreite zu groß: Hier sind zu viele Bewegungen gleichzeitig auszuführen, also müssen einige Bewegungen weggelassen werden. Vorzugsweise keine Elemente der Minimalkriterien 28. Parameteranforderungen sind zu hoch: Konditionelle Voraussetzungen sind nicht vorhanden. Diese müssen trainiert oder kompensiert werden. Meistens fehlen Kraft oder Schnelligkeit. Situationsvielfalt zu groß: Durch unterschiedliche Partnerreaktionen, kann eine Bewegung scheitern. Dies ist meist bei offenen Bewegungen der Fall. Durch den Handlungskomplex lassen sich aber auch diese Bewegungen in ihrer Vielfalt einschränken. Somit werden sie auch trainierbar und beherrschbar. Neben diesen Gründen gibt es weitere, die in der Schematheorie nicht berücksichtigt werden. Ängste, bewusste Bewegungssteuerung, Motivation, Nervosität,... können ebenso eine Bewegung zum Scheitern verurteilen. 27 Siehe Abschnitt Siehe

209 4.3. Der Lernprozess Fragen zur Selbstkontrolle Was sind die möglichen Gründe für das Scheitern einer Bewegung gemäß Schematheorie? Weitergehende Fragen Was kann von einer Lehrmethode gefordert werden, damit sie das Bewegungslernen gemäß Schematheorie optimal unterstützt? Welche weiteren Gründe für das Scheitern einer Bewegung gibt es? Wie werden die Gründe für das Scheitern einer Bewegung bei der Methodischen Übungsreihe angegangen? 29 Welche Vermittlungsmethode nutzt die Übertragung von einer gekonnten Bewegung zu ähnlichen Bewegungen? Differenzielles Lernen Im Gegensatz zur Schematheorie, die versucht Probleme im Lernen aus dem Weg zu räumen, werden beim differenziellen Lernen 30 systematisch zusätzliche Probleme geschaffen. Die Vorstellung vom Lernen ist anders als bei der Schematheorie, das leiblich Verstehen von Bewegen und Bewirken steht beim differenziellen Lernen im Vordergrund. Ansatzpunkte für die Theorie sind zwei Aspekte, die in klassischen Theorien gerne ausgeblendet werden: 1. Bewegungen lassen sich nicht identisch wiederholen. 2. Bewegungen sind individuell verschieden. Hiervon ausgehend wird gefordert, Bewegungen dadurch zu erlernen, dass keine Wiederholungen stattfinden, sondern immer neue Situationen geschaffen werden. Das «Einschleifen» von Bewegungen, das in klassischen Theorien zu finden ist und sich im Ju-Jutsu als zu erlernende Grundform wiederfindet, wird abgelehnt Siehe Vergl.? ] 31 Schöllhorn belegt seine Aussagen anhand empirischer Untersuchungen z. B. beim Torschuss und beim Kugelstoßen (Vergl? ]). 4-17

210 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN 4.4 Vermittlungsmethoden Lernen heißt selber lernen Selbstständigkeit fördern fertigkeitsorientiert Nachdem wir eine Theorie zum Bewegungslernen betrachtet haben, beschäftigen wir uns im Folgenden mit Methoden, die ein optimiertes Lernen ermöglichen sollen. Eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zu einem guten Trainer ist, dass ich nicht für jemanden lernen kann, sondern ich muss Situationen schaffen, in denen meine Teilnehmer selber lernen können. Lernen ist ein aktiver Prozess, der von dem Lernenden zu leisten ist. Als Bestätigung dieses Ansatzes dient das Beispiel einer lernunwilligen Person. Egal, was ich tue, es wird nicht klappen! Als unmittelbare Folge hieraus ergibt sich, dass ich einen Schwerpunkt auf die Selbstständigkeit meiner Teilnehmer legen sollte. Dieses ist zwar anfangs schwerer und aufwendiger, als dem Individuum ausdrücklich zu sagen, wie es sich bewegen soll, aber auch beim Techniktraining gilt, dass nur individuelles Training optimales Training ist 32. Diese Erkenntnis sollte bei allen Lehrmethoden im Hinterkopf behalten werden. Die klassischen Methoden sind fertigkeitsorientiert. Das bedeutet: Fest umschriebenes Lernziel (meist eine Bewegungsfertigkeit), Entwicklung der notwendigen Voraussetzungen (Kondition), Entwickeln der meist visuellen Bewegungsvorstellung (Medien / Vormachen / Beschreiben), Üben von Teilabschnitten oder ganzheitlich mittels Anweisungen, Verbessern der Fertigkeiten bzw. Teilelemente mittels Korrektur von außen. (z. B. Zuruf «jetzt» zur Verbesserung des Timings) Handeln ist Problemlösen Fazit: dem Lernenden werden Lösungen vorgegeben, die er lediglich nachvollzieht. Schwierigkeiten werden ihm aus dem Weg genommen, um schneller zu einer richtigen 33 Lösung zu kommen. Die Lehrmethoden, die sich anbieten, sind: methodische Übungsreihe, Ganzheitsmethode, Drillmethode. Wenn menschliches Handeln Problemlösen ist, wie soll dann jemand Problemlösen(!) lernen, wenn ihm alle Lösungen vorgegeben werden? 32 Siehe auch Unterabschnitt «Richtig» bedeutet in ein System passend. Ob jedoch dieses System zur Lösung der aktuellen Situation, angewendet von einem speziellen Individuum, taugt, ist nicht sichergestellt. Z. B. ist ein Judowurf nur bedingt für die Selbstverteidigung geeignet. 4-18

211 4.4. Vermittlungsmethoden Techniken sind Lösungen von Bewegungsproblemen. Demnach sollten sie möglichst selbst entwickelt werden, um sie und ihre Prinzipien zu verstehen. Neuere Ansätze sind problemorientiert 34. Das bedeutet: problemorientiert Bewusstsein über das Bewegungsproblem, Eigenständige Auseinandersetzung mit einer Bewegungssituation, Erproben und Experimentieren im Hinblick auf ein bestimmtes Bewegungsproblem, Bezug zu eigenen Erfahrungen, subjektivem Befinden, individuellem Könnensstand, 35 Handelnde Auseinandersetzung und Reflexion im Wechsel; eigene Gestaltung der Lernsituation durch Veränderung der Bewegungsbedingungen und damit immer zielgerichtetere Lösungen. Ein Lernen dieser Art setzt individuelles Engagement voraus, erfordert handelnde Auseinandersetzung, kritische Reflexion sowie Phantasie. Umwege sind nicht ausgeschlossen. Somit ist dieses scheinbar nicht die schnellste Art des Lernens. Das eigenständige Lösen von Bewegungsproblemen fördert gleichzeitig mit dem Verständnis für Bewegungen auch die Möglichkeit, sich selbst und andere zu korrigieren. Somit holt das Individuum auf lange Sicht den anfänglichen Zeitverlust mehr als auf, denn ohne die Möglichkeit zur Selbstkorrektur wäre es auf den Meister angewiesen, dieser jedoch verteilt seine Aufmerksamkeit auf alle Schüler. Aus diesen Unterscheidungen folgt auch die Unterscheidung der Rolle der Lehrperson in vermittelnd und lehrend. Lehren bedeutet, zu Lernendes direkt vorzugeben. Vermitteln bedeutet, eigenständiges Lösen zu fördern. Eigenkorrektur Vermitteln vs. Lehren Fragen zur Selbstkontrolle Was ist der Unterschied von «vermitteln» und «lehren»? (Berücksichtige die Positionen von Meister und Schüler!) Was bedeutet: «Lernen ist ein aktiver Prozess»? Weitergehende Fragen Auf welchen Lernstufen gemäß der Lernzieltaxonomie 36 lernen die Schüler, sobald Inhalte «vermittelt» werden? Auf welchen Stufen lernen sie, wenn «gelehrt» wird? 34 siehe auch Vergl. [Chr48] 36 Siehe

212 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Methodenüberblick Im Folgenden werden einige Lehrmethoden angeschnitten. Viele dieser Methoden bereichern den Unterricht und sorgen für Abwechslung. Trotzdem sollte man nicht die Orientierung 37 verlieren Lernmethoden Das Lernziel (meist eine Bewegungsfertigkeit, die auch im Vordergrund steht) wird durch Vormachen und Nachmachen erreicht. Die unterschiedlichen Beispiele unterscheiden sich lediglich in der Übungsabfolge und der Organisation. Beispiele für Lernmethoden sind: Methodische Übungsreihe (MÜR): Bewegung wird in funktionale Teile zerlegt. Teillernmethode: Einzelne Teile werden gelernt und dann zusammengesetzt. Die Teile bauen nicht aufeinander auf wie bei der MÜR. Ganzheitsmethode: eine Bewegung ist so einfach, dass sie direkt nachgemacht werden kann. Drillmethode (Karate-Grundschule): über geeignete Ordnungsformen und Trainingshilfsmittel werden höchste Wiederholungszahlen erreicht. Vorteile: Fertigkeiten können in kurzer Zeit vermittelt werden. Es ist möglich, große Gruppen zu unterrichten. Die Lernenden müssen mitmachen, weil sie andernfalls auffallen. Nachteile: Abhängigkeit vom und Begrenzung durch das Bewegungsvorbild der Lehrperson. Prinzipien und Zusammenhänge werden kaum vermittelt. Die Lernenden sind weder kreativ noch selbstständig (dadurch möglicherweise langweiliges Training). Es besteht die Gefahr des blinden Nachmachens. Kaum Chancen, die Körperwahrnehmung der Lernenden zu fördern, wie dieses in der Feinformstufe gefordert wird 38. Die Gesamtausbildung kann darunter leiden. 37 siehe auch Siehe

213 4.4. Vermittlungsmethoden Anwendung: Schaffen von Grundfertigkeiten (zumindest vom äußeren Schein). Automatisierung von schon gekonnten Fertigkeiten. Große oder schwer zu handhabende Gruppen. Wenn wenig Zeit zur Verfügung steht Arbeitsmethode Das Lösen von Bewegungsproblemen/-aufgaben führt zum Erlernen von Bewegungsfertigkeiten. Eigenes Handeln und Kreativität führen über individuelle Wege zum Ziel. Die Lehrperson lenkt die Kreativität durch das Schaffen von günstigen Lernsituationen. Vorteile: Betonung und Förderung der Eigenständigkeit des Schülers. Bewegungsaufgabe wirkt motivierend. Fördert Gruppendynamik und Sozialverhalten. Die Lehrperson kann sich einen Überblick über den Leistungsstand verschaffen. Nachteile: Anfangs scheinbar großer Zeitaufwand. Arbeit in großen Gruppen schwierig. Kein Bewegungsvorbild. Enttäuschung, wenn Bewegungsaufgabe nicht gelöst wird. Man sollte mögliche Probleme antizipieren und geeignete Hilfen für die Lernenden parat haben, ohne konkrete Lösungen vorzugeben. Um die Lernenden nicht mit der Vielfalt möglicher Lösungen zu überfordern oder um gezielteres Forschen zu ermöglichen, sind kurze strukturierende Informationen sinnvoll. Beispiele solcher Informationen sind: wichtige Punkte, die bei den Lösungen beachtet werden sollten (z. B. Bewegungsfluss, Eigensicherung, Distanzüberwindung, Kontrolle), Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Lösungen. Anwendung: Kleine Gruppen. Große Gruppen in kleinen Gruppen differenziert 39 arbeiten lassen. 39 Siehe auf Seite

214 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN individuelle Lösungen oder Varianten erwünscht. Motivation durch Methodenwechsel Exemplarische Lösungen Eine Bewegungsfertigkeit wird mit den vorhergegangenen Methoden als Beispiel erarbeitet. Die Prinzipien der Fertigkeit werden genutzt, um Varianten dieser Fertigkeit zu erarbeiten, die gleichen Prinzipien folgen. Die Varianten können insbesondere mit der Arbeitsmethode erlernt werden. Vorteile: Verständnis für die Fertigkeit entsteht über ihre Funktionsprinzipien, die auch verdeutlicht werden. Die Varianten können von der Gruppe selbstständig erarbeitet werden. Diese Methode greift wieder auf die Schematheorie zurück. Denn Fertigkeit und Variante befinden sich innerhalb einer Bewegungsklasse. Die Methode ist eine Variante der Arbeitsmethode, vermeidet jedoch mögliche Misserfolge, stellt aber weniger Ansprüche an die Kreativität der Lernenden. variierend wiederholen "Amerikanischer" oder "philippinischer" Drill Ich möchte diese Trainingsform eindeutig abgrenzen von der Drillmethode! Geübt werden sich wiederholende Bewegungsflüsse mit Partner. Während einer Wiederholung dieses Flusses werden idealerweise die Rollen vertauscht. Am Anfang stellt dieser Drill eine festgelegte Kombination dar, doch schon sehr bald sollten "Verzweigungen" eingebaut werden. Durch den Partner sind die Wiederholungen nie identisch, sondern immer leicht angepasst. Beide bemühen sich um eine günstige Position für ihre Aktionen. Mit dem Verbessern der eigenen Position wird die Position für den Partner schlechter. In diesem ewigen Kampf werden die Bewegungen immer leicht korrigiert. Den Drill kann man als "Vorspiel" bei einer methodischen Spielreihe nutzen. Vorteile: Sehr hohe Wiederholungszahlen, aber trotzdem Flexibilität im Handeln. Nachteile: Setzt selbstständiges Arbeiten voraus! Als "Vorspiel" sind spielerische Grundfertigkeiten Voraussetzung! 4-22

215 4.4. Vermittlungsmethoden Lernen durch Lehren Lernende, denen der Lerninhalt schon in groben Zügen bekannt ist, sollen diesen an andere weitergeben. Fragen: Welches sind mögliche Anwendungsbereiche? Welches sind Vorteile dieser Methode? Welches sind Nachteile der Methode? Sequenz von Erfahrungssituationen Obwohl die Sequenz von Erfahrungssituationen auf den ersten Blick einer methodischen Übungsreihe ähnelt, sind die Unterschiede grundsätzlich und bedeutsam. Die Übungsreihe geht von einer Eindeutigkeit der Bewegung und des Weges sowie von einem Lernen durch «Nachmachen» aus. Die Sequenz von Erfahrungssituationen geht davon aus, dass jedes Individuum: ein passendes Bewegen durch Erfahrungen erlernen muss, einen individuellen Weg hierfür benötigt, da limitierende Faktoren individuell unterschiedlich sind. Hierin finden sich 2 der 3 Anpassungen wieder (individuelle und situative Anpassung). Vorteile: Das Individuum lernt im Zusammenhang von Bewegen und Bewirken. Das Individuum lernt funktionales Sich-Bewegen. Nachteile: Hohe Anforderungen an den Trainer. Anwendung: Kleine oder sehr selbstständig arbeitende Gruppen Spiele Obwohl Spiele zweckfrei sein sollten, lassen sie sich als Verpackung des Lernens nutzen. Besonders sind Spiele geeignet, um 4-23

216 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN das Anpassen von Handlungen an unterschiedliche Personen und sich ändernde Situationen zu üben (Anwendung von Techniken auf unterschiedliche Personen und in sich ändernden Situationen), unterschiedliche Situationen selbstständig lösen zu lernen (Handlungsfähigkeit erlernen) und um Kondition und Koordination zu trainieren (erhöhte Motivation durch den Konkurrenzgedanken). Vorteile Anpassung von Handlungen 40 wird geübt. Spielerisches Lernen ist also auch sehr gut für Fortgeschrittene geeignet. Nachteile Das, was gelernt wird, ist für die Lernenden weniger ersichtlich, denn oftmals erwarten die Lernenden konkrete Techniken. Fragen zur Selbstkontrolle Erläutere die folgenden Begriffe am Beispiel der Arbeitsmethode: problemorientiert, vermitteln. Weitergehende Fragen Begründe den Einsatz unterschiedlicher Lehrmethoden auf den Ebenen Motivation, soziales Lernen, Bewegungslernen. Stelle methodische Übungsreihe und Arbeitsmethode gegenüber! Argumentiere mit der Lernzieltaxonomie 41! «Ein Kampfkünstler braucht 3 Personen, um zu lernen: einen Schüler, einen Partner und einen Meister.» Erläutere, wie sich dieser Ausspruch von DAN INOSANTO auch in der Vermittlungsmethode wiederfindet! 40 Man beachte den Unterschied von Bewegung und Handlung, siehe???

217 4.4. Vermittlungsmethoden Methodische Reihe Was ist eine Methodische Reihe? Definition: Methodische Reihe (MR) Eine methodische Reihe ist eine auf konkrete Ziele ausgerichtete Übungsfolge. Ziel kann eine Bewegungsfertigkeit, eine Bewegungsfähigkeit oder ein Spiel (bzw. eine offene Bewegung) sein. Eine Übungsfolge ist eine Aneinanderreihung von Übungen, beliebig, mit oder ohne konkretem Ziel, mit beliebiger Reihenfolge. Das Wort "methodisch" bedeutet, dass die Übungen aufeinander aufbauen und ein Ziel verfolgen 42. methodisch = zielgerichtet Wo setze ich die methodische Reihe ein? Zerlegen von Die MR ist angebracht, wenn Bewegungen erlernt, motorische Eigenschaften verbessert oder ein Spiel erlernt werden sollen und diese Ziele zu gefährlich oder zu komplex sind, um sie ganzheitlich zu erlernen. Der geplante Weg folgt vier Grundsätzen: schwierigen Übungen Grundsätze der Übungsreihe vom Bekannten zum Unbekannten vom Einfachen zum Komplexen vom Leichten zum Schwierigen vom Sicheren zum Risikoreichen Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die jeweiligen Übungen gelingen, so wie in der Schematheorie 43 gefordert wird Was ist eine Methodische Übungsreihe (MÜR)? Definition: Methodische Übungsreihe Eine methodische Übungsreihe ist eine MR mit einer Bewegungsfähigkeit oder Fertigkeit als Ziel. Eine MÜR weist folgende Form auf: Vorbereitende Übungen Vorübungen Zielübung Erweiterungen der Zielübung 42 methodos: Weg zu etwas 43 Siehe

218 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Unter "vorbereitenden Übungen" sind Übungen gemeint, die notwendige konditionelle Eigenschaften (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer... ) schaffen. Ist einmal das Ziel gemeistert, wird also die Zielübung in der Grobform beherrscht, so ist es unbedingt nötig, die Zielübung zu konservieren. Dieses erfordert ein Überlernen. Das bedeutet aber kein ständiges Wiederholen unter gleichartigen Voraussetzungen (Karate-Grundschule), sondern Variation von Bedingungen (Generalisation, Variation, Kombination, Komposition) 44. Um die Anwendbarkeit von gelernten Fertigkeiten innerhalb von offenen Bewegungen zu erhöhen, ist ein Blick auf den Handlungskomplex 45 sinnvoll. Unter den MÜRn muss zwischen Fertigkeit oder Fähigkeit als Ziel unterschieden werden. Wie kommt man auf Vorübungen? MÜR mit motorischer Fertigkeit als Ziel Welches Konzept 46 man für die MÜR wählt, ist abhängig von der wahrscheinlichen Ursache des Scheiterns eines ganzheitlichen Herangehens. Die MÜR greift direkt die Gründe des Scheiterns einer Bewegung auf, die die Schematheorie 47 aufführt. Konzept der verminderten Lernhilfe (Parameteranforderungen sind zu hoch, auch Situationsanforderungen zu groß) Als Lernhilfe sind Geländehilfen oder Hilfestellungen gemeint, die z. B. die Kräfteverhältnisse ändern. Der Schüler wird durch diese Lernhilfe in die Lage versetzt, die ganze Zielübung durchzuführen. Dieses ist wichtig, da die Bewegung einer gelungenen Übung besser gespeichert wird. Sodann wird die Lernhilfe schrittweise abgebaut, bis schließlich die Zielübung unter Regelbedingungen absolviert werden kann. Konzept der graduellen Annäherung (Programmbreite zu groß) Als graduelle Annäherung wird eine stufenweise Formveränderung verstanden. Die jeweilige Vorübung entspricht somit weitgehend der Zielübung, beinhaltet aber gewisse Eigenschaften oder Tätigkeiten der Zielübung noch nicht. Diese Vorübungen werden immer komplexer, bis die Zielübung erreicht ist. Konzept der Aufgliederung in funktionelle Teileinheiten (Programmlänge zu groß) Die Zielübung wird in kleine, motorisch beherrschbare Teile zerlegt, die sodann einzeln geübt werden. Schließlich werden diese Teile zur Zielübung zusammengesetzt. Längere komplexe Bewegungen werden somit überschaubar gelehrt. Es besteht die Gefahr einer funktionellen und zeitlichen Trennung der Teile auch in der Zielübung. Somit bedarf es 44 Siehe Siehe Konzept bezeichnet einen Plan oder eine Idee. 47 Siehe

219 4.4. Vermittlungsmethoden dann einer gezielten Übung dieser Grenzstellen. Beispiel: Der Hüftwurf wird zergliedert in Eingang, Aufladen, Werfen. Die Grenzstelle Eingang-Werfen ist besonders anfällig für Kontertechniken, also wird Eingang und gleichzeitiges Ziehen geübt. Negativbeispiele zur Konzeptwahl Die Wahl des passenden Konzeptes zur erkannten Hauptschwierigkeit ist sehr bedeutsam für den Lernerfolg. Einige Negativbeispiele sollen dieses verdeutlichen: 1. Salto-vorwärts: Zerlegung in Teileinheiten 2. Fauststoß-vorwärts: Zerlegung ein Teileinheiten 3. Lange Technikkette: Graduelle Annäherung (nur die Beinarbeit) 4. Schwierigkeit, sich auf neue Situationen einstellen zu können: Graduelle Annäherung durch einen leichten, überrennbaren Partner MÜR zur Verbesserung von motorischen Grundeigenschaften Diesmal sind nicht Fertigkeitsstufen, sondern Dosierungsstufen gefragt. Für Kampfsport sind besonders diese Konditionselemente interessant: motorische Reaktionsschnelligkeit motorische Aktionsschnelligkeit motorische Kraftschnelligkeit Für diese MÜR ist es wichtig, dass... keine technischen Schwierigkeiten auftreten, keine gleichbleibenden Wiederholungen (egal, ob am Limit oder nicht) gemacht werden, techniknah trainiert wird. Die Verbesserung von motorischen Grundeigenschaften wird intensiver im Kapitel "Trainingslehre" abgedeckt. Anmerkung: Als mögliches Trainingsmittel für Schnelligkeit nennt FETZ Erleichterungen der Übungen Spielreihen Definition Spielreihe: Eine methodische Spielreihe ist eine methodische Reihe mit einem Spiel als Ziel. (Spiel steht stellvertretend für offene Bewegungen, also auch Selbstverteidigung oder Ski-Fahren.) Die Spielreihen weisen eine ähnliche Struktur auf, wie die MÜR: 4-27

220 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Vorbereitende spielerische Grundformen Vereinfachte Spielformen des Zielspiels Zielspiel Erweiterungen des Zielspiels Die vorbereitenden spielerischen Grundformen beinhalten die Grundfertigkeiten (z. B. Treten, Schlagen, Werfen). Die vereinfachten Spielformen müssen schon den Grundcharakter des Zielspiels beinhalten (z. B. treffen und selber nicht getroffen werden). Über Variation der Regeln aus eigenem Antrieb der Übenden oder als neue Regel, wird der Spielende immer weiter zum Zielspiel gebracht. Eine Erweiterung des Zielspiels ist z. B. das Spielen mit einem Handikap. Andere Fähigkeiten werden somit verstärkt trainiert! Anmerkung: Methodische Reihen setzen die Beherrschung der jeweils vorangehenden Übungen voraus. Die Geschwindigkeit im Vorgehen ist dementsprechend an die Übenden anzupassen. Die Prinzipen der MÜR werden kaum so klar getrennt in der Praxis vorkommen. Mehrere Übungen zum gleichen Schwerpunkt sind sinnvoll, da die Übenden immer wieder motiviert werden. Vereinfachte Spielformen entwickeln Auch hier ist wieder das Problem, vereinfachte Formen zu entwickeln, in denen die Individuen spielend lernen können. Hierzu zumindest einige Grundideen: Langsame Zunahme der Komplexität der Spielformen Möglichkeiten anfangs einschränken (nur spezielle Techniken oder nur eine Hand... ) und Regeln vereinfachen. 1-zu-1 Abwechelndes Angreifen verhindert das Überlaufen des Partners und ermöglicht stressfreieres Spielen. Spielen in Zeitlupe, verminderter Krafteinsatz Wohl die schwierigste Form der Vereinfachung, weil sie eine große Disziplin der Spielenden voraussetzt. Die vorgestellten Grundideen lassen sich natürlich kombinieren! Auch ist es sinnvoll, häufiger und auf unterschiedlichen Wegen spielend zum Zielspiel zu gelangen. 4-28

221 4.4. Vermittlungsmethoden Kritik an der methodischen Übungsreihe Auf den ersten Blick wirkt das Konzept der methodischen Übungsreihe sehr plausibel. Auch die Verzahnung mit der Schematheorie spricht für sie. Trotzdem gibt es einige Kritikpunkte: Vereinfachung Durch die Zergliederung, wird das Kernproblem weitestgehend umgangen. Der Kern der Bewegung kann vielleicht erlernt werden, aber er wird nicht zwingend bewusst wahrgenommen. Somit sind bewusste Übertragungen zu anderen Bewegungen vs. an Problemen lernen und eine eigenständige Korrektur nicht mehr möglich. Auch die Rolle des aktiven Trainingspartners als Trainer kann nur vermindert wahrgenommen werden. Diese Punkte werden durch eine Problemorientierung gezielt angegangen. Die Rolle der Lehrperson ist auch für ein selbstständiges Lernen nicht förderlich. Die Übungsreihe ist eher eine Lehrmethode als eine Vermittlungsmethode. Auch einige Gründe für das Scheitern von Bewegungen werden nicht aufgegriffen: Motivation, soziale und psychische Gründe werden ausgeblendet. Die Teilnehmer werden als Objekte betrachtet, die zu funktionieren haben. Das Lernen von Bewegungen wird als mechanischer Vorgang aufgefasst, eine Bewegung muss nur oft genug wiederholt werden. Menschliches Lernen jedoch basiert auf Erfahrungen 48. Erfahrungssituationen Trotzdem ist die methodische Übungsreihe ein wichtiges und wertvolles Hilfsmittel des Trainers. Sie lehrt ein systematisches Analysieren von Bewegungen und erlaubt der Lehrperson Probleme zu antizipieren. Diese könnten auch problemorientiert angegangen werden. Eine Alternative zur methodischen Übungsreihe stellt eine Sequenz von Erfah- Sequenz von rungssituationen dar. Diese Sequenz besitzt die gleiche Struktur wie die MÜR, aber statt Übungen, also Bewegungsanweisungen, werden Erfahrungssituationen aneinandergereiht. Diese Erfahrungssituationen sind gekennzeichnet durch: Arrangements, die einzelne Bewegungselemente erfahrbar machen (Störeinflüsse etwas mindern). Durch die Arrangements werden Bewegungen selbstständig erprobt. Das Erproben geschieht bewusst. Dieses befähigt schon sehr früh, sich selbst zu korrigieren. Gemeinsames Reflektieren in der Gruppe fördert die Wahrnehmung und bestätigt eigene Erfahrungen. Der Zusammenhang von «Bewegen und Bewirken» sollte leiblich erfahren werden. Siehe 4.1. Erfahrungssituationen 4-29

222 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Beispiele für methodische Übungsreihen Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie man die Theorien anwenden kann, und wie im Zusammenhang mit Schematheorie und Lernphasen sinnvolle Vorübungen entstehen können. Fauststoß Als erstes sollte man die Technik für sich selbst beschreiben oder durchführen, um dann auf Minimalkriterien und Gütekriterien 49 zu kommen. Minimalkriterien: Faust, Armstrecken, Körper geht nach vorne. (Achtung auf die Gesundheit, insbesondere Kniegelenk) Gütekriterien: Hüftdrehung, Eigensicherung, Schlagkraft, Meidbewegung, Geschwindigkeit, Ansatzlosigkeit... Danach überlegt man sich, welche Art der Überforderung bei Anfängern auftreten wird. Die Art der Überforderung ist in diesem Falle die Programmbreite, welche somit die «Graduelle Annäherung» als Prinzip der MÜR nahelegt. So, und wie kommt man nun zu Vorübungen? Fangen wir einfach mit der Bewegung an, die wohl alle hinbekommen, und nehmen dann immer mehr Elemente der Minimalkriterien und später der Gütekriterien hinzu. 1. Einfach auf der Stelle laufen (Faust schon geschlossen). 2. Die Arme beim Laufen weiter nach vorne führen. 3. Diese Bewegung im langsamen Vorwärtslaufen ausführen. 4. Darauf achten, dass die Hüfte und nicht der Oberkörper führt. 5. Die Betonung einzelner Schläge führt zu einer verstärkten Hüftrotation. Die bisherigen Übungen vermitteln nicht wirklich die Technik, sondern sie ermöglichen und leiten die Imitation der Bewegung. Mit Erfahrungssituationen gilt es nun, die Technik individuell zu funktionalisieren. Energieentwicklung Beinarbeit (Aus welchem Bein kommt der Schub?) Oberkörperneigung (vorgeneigt oder aufrecht?) Stellung der Wirbelsäule (leicht eingerollt oder Hohlkreuz?) Schnelligkeit Siehe

223 4.4. Vermittlungsmethoden Volleyball (als Beispiel einer offenen Bewegung) Jeder weiß, für Volleyball brauche ich einige Techniken: Baggern, Pritschen, Schmettern, Aufgabe... Aber genau so klar ist auch, dass jemand, der nur diese Techniken gelernt hat, nicht zwangsläufig Volleyball spielen kann. Also überlegen wir uns, was muss ich üben und trainieren lassen. 1. Zuerst einmal Techniken (Baggern, Pritschen, Schmettern, Angabe), also vorbereitende spielerische Grundformen. 2. Dann fangen wir mit kleinen Spielformen an, die schon Anwendungen der grob erlernten Techniken darstellen. Wichtig: hierbei wird die jeweilige Technik verfeinert und auch ein Stück weit individualisiert. Langsam wird die Handlungsfähigkeit im Spiel Volleyball gefördert. Auch hierbei gelten die Prinzipien vom... zum.... a) Volleyball nur mit Pritschen und einem leichten, langsamen Ball. b) Volleyball nur mit Pritschen und Baggern und einem leichten, langsamen Ball. c) Tja - dann, nach einer Weile kann ich endlich Volleyball spielen?! Naja, ein wenig. 4. Um die Handlungsfähigkeit weiter zu verbessern, muß ich immer wieder einzelne Elemente betonen, ich erschwere also Volleyball etwas, erweitere also mein Zielspiel. Die Parallelen von Volleyball und Ju-Jutsu sollten jedem einleuchten, bleibt natürlich das Problem, geschickte und interessante Vorspiele zu finden. Aber hierdurch zeichnet sich auch ein gutes Stück Erfahrung und Einfallsreichtum ab. Fragen zur Selbstkontolle Erkläre den Aufbau der MR für offene und geschlossene Bewegungen! Welches sind die übergeordneten Prinzipien der MR? Ordne den folgenden Begriffen Techniken mit passender Hauptschwierigkeit zu und begründe die Wahl: funktionelle Teileinheiten, graduelle Annäherung, verminderte Lernhilfe! Weitergehende Fragen Erkläre die "Verzahnung" von MR und Schematheorie! 4-31

224 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Methodische Hilfsmittel und Ordnungsformen Der Kern der methodischen Übungsreihe war das Vereinfachen einer Technik, damit die Ausführung dieser Bewegung gelingt (Speicherung von gelungenen Programmen gab die Schematheorie vor!). Manchmal braucht man hierfür Hilfsmittel. Ein einfaches Hilfsmittel ist ein Partner, der sich nicht wehrt. Ein Erreichen der Feinstformstufe setzt ein "Überlernen" voraus. Dieses Überlernen erfolgt nicht durch viele gleichförmige Wiederholungen, sondern durch ein variantenreiches Training. Trotzdem sind hohe Wiederholungs- zahlen das Wichtigste! Dieses kann nicht zuletzt durch den Einsatz von Hilfsmitteln und insbesondere durch geeignete Übungsformen und Ordnungsformen erreicht werden. Eine hohe Motivation ist auch abhängig von einem abwechslungsreichen, erlebnisreichen und interessanten Training. Übungen gleicher Zielsetzung werden mit Hilfsmitteln wesentlich spannender. Hilfsmittel und Ordnungsformen können genutzt werden, um... variabel üben macht den Meister. Motivation zu erzeugen durch: Attraktion des Hilfsmittels selbst, das Gelingen von Bewegungen, erhöhte Anforderungen (insbesondere bei Training mit Waffen); koordinative Fähigkeiten zu trainieren; konditionelle Fähigkeiten zu trainieren; das Training gefahrloser zu machen; das Verständnis für eine Bewegung oder Bewegungsklasse zu fördern; Bewegungen zu korrigieren; Die Hilfsmittel können unterschiedlicher Natur sein: akustisch (insbesondere Sprache): Bewegungen beschreiben und korrigieren, Bewegungen initiieren oder begleiten, Lernende loben / motivieren. visuell: Vorbilder nutzen, um ein Bewegungsbild zu erzeugen oder das eigene Bewegungsbild zu korrigieren, um Bewegungen räumlich zu verdeutlichen. Eigenes Bewegungsvorbild Bildreihen Video Bodenmarkierungen 4-32

225 4.4. Vermittlungsmethoden taktil: Bewegungen führen oder begleiten Ziele geben Mehr oder weniger Gewicht zum Bewegen geben. organisatorisch: Aufstellungen so wählen, dass gefahrlos trainiert werden kann. Aufstellungen wählen, dass alle sehen und üben können Aufstellungen wählen, dass intensiv geübt werden kann. Einen kleinen Schwerpunkt möchte ich an dieser Stelle auf die ominösen Ordnungsformen setzen. Jedem von uns sind klassische Ordnungsformen bekannt: Reihe, Linie, Kreis, Schachbrettmuster,... Diese Ordnungsformen sind großteils Relikt der Sporttradition in Deutschland. Bis heute hat der Schulsport auch immer den Zweck, die Wehrtüchtigkeit zu erhalten. Als System für die Exekutive bringt auch das Ju-Jutsu zum Teil solch militärisch anmutende Formen mit. Aber Ordnungsformen können und sollten auch anders aufgefasst werden. Mit ihnen lässt sich ein intensives Training ermöglichen, viele Partnerwechsel herbeiführen, spielerisch Techniken erlernen oder auch nur schon Gelerntes vertiefen. Beispiele: Gasse im "Zickzack" hintereinander mit Aufgaben durcharbeiten; Stehbock-Laufbock mit Techniken zur Befreiung;... Abb. 4.1 Ordnungsformen Besondere Beachtung kommt insbesondere in schwierigen Gruppen der Position des Lehrenden zu. Sie sollte so gewählt werden, dass sie gleichzeitig den Blick auf die gesamte 4-33

226 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Gruppe als auch auf einzelne ermöglicht. Somit muss der Lehrende sich am Rande der Gruppe aufhalten. Keine Lernenden sollten sich hinter dem Lehrenden aufhalten. Von hier kann er auch individuelle Hilfe leisten. Fragen zur Selbstkontrolle Behauptung: Alles kann fürs Training genutzt werden! - Aufgabe: Überlegt, was steht in der Turnhalle und wofür kann ich es nutzen. Behauptung: Eine sehr intensive und vielseitige Übungsform ist ein Bewegungsfluss, bei dem Techniken und Gegentechniken aneinander gereiht werden und durch eine ungerade Anzahl von Techniken ein Partnerwechsel innerhalb des Bewegungsflusses stattfindet. - Aufgabe: Finde Vorteile und Nachteile dieser Trainingsform.??? Abbildung Turnhalle, um Geräten Verwendungen zuzuordnen Weiterführende Fragen Nenne Gründe für und gegen Partnerwechsel! Beziehe Dich auf Bewegungslernen und Gruppenbildung. Gibt es Phasen, in denen sich die Partnerwechsel eher anbieten und in denen er vermieden werden sollte? Training am Sandsack (heavy bag) Der Sandsack ist ein gutes Hilfsmittel, um ohne Partner Schlagkraft und Geschwindigkeit zu trainieren. Um ihn bestmöglich zu nutzen, müssen jedoch einige Dinge beachtet werden: Um Verletzungen an den Handgelenken zu vermeiden, sollte mit Handbandagen trainiert werden. Der Sandsack schlägt nicht zurück Fehler in der Eigensicherung, der Haltung, Ausrichtung und der Beinarbeit werden nicht bestraft! Der Sandsack lässt sich im Gegensatz zum Makiwara (senkrecht stehende Schlagbretter im Karate, die aus einer Richtung getroffen werden können) aus verschiedenen Winkeln treffen. Der Sandsack ermöglicht es, um ihn zu kreisen. Distanzwechsel sind ebenso zu üben. Fassen wir alles kurz zusammen 50 : 50 Vergl. [Ino80] 10 ff. 4-34

227 4.4. Vermittlungsmethoden Der Sandsack lebt nur durch Deine Vorstellung! Umkreise ihn, wechsle Distanzen und schütze Dich vor möglichen Gegenangriffen! Training mit Handpratzen (focus gloves) Handpratzen sind sicherlich mit die vielseitigsten Hilfmittel 51. Sie können ein Training unterstützen, dass einen Lernenden schon dicht an einen Kampf heranführt. Handpratzen leben davon, dass sie bewegt werden. Der Pratzenhalter kann sich selbst bewegen und den Schlagende mit den Pratzen aber auch mit den Beinen angreifen. Somit können wesentliche Nachteile des Sandsacks vermieden werden. Eine besonders wichtige Rolle spielt der Pratzenhalter. Er muss Fehler des Schlagenden bemerken und im Idealfall durch dosierte Angriffe aufzeigen, so z. B. Deckungslücken erfahrbar machen. Der Pratzenhalter sollte jedoch die eigene Tätigkeit als Trainigszeit nutzen. Körperhaltung und aufmerksames Beobachten von Bewegungen des Schlagenden können und sollten geübt werden Bildreihen und Lehrvideos Bildreihen und Lehrvideos werden insbesondere verwendet, wenn strikte Techniken gelehrt werden. Die (bewegten) Bilder lassen einen Vergleich zum eigenen Bewegungsbild zu. Jedoch gehen Kraftverläufe, Muskelspannungen, Sinneseindrücke und bei den Bildreihen auch die Dynamik verloren 52. Zusätzlich werden die Bewegungen aus der Außensicht gezeigt und müssen erst in die Innensicht des Lernenden übersetzt werden. Um diese Defizite zu minimieren, muss die Aufgabenstellung die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die fehlenden Aspekte lenken: Wie fühlt sich eine gelungene Ausführung an? Wie fühlt es sich an, wenn sie an einer spezifischen Stelle scheitert? Hat die Bewegung einen bestimmten Bewegungsrhythmus? Zu welchem Zeitpunkt müssen bestimmte Teilbewegungen begonnen werden? Videoanalyse??? 51 Vergl. [Ino80] 115ff. 52 «Die Bewegung ist zur Strecke gebracht worden.» siehe (author?) [zl87, S. 18] 4-35

228 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Die Präsentation Nun ist das Training methodisch fundiert aufgebaut und durch Hilfsmittel bereichert. Aber trotzdem gibt es noch weitere Möglichkeiten, es interessanter zu gestalten, zum Beispiel durch Variationen in folgenden Kategorien: extrinsische und intrinsische Motivation Auftreten (Sprache, Mimik, Gestik): laut, leise, betont deutlich, aggressiv, anfeuernd, mitleidend... Sozialform: einzeln, paarweise oder in Gruppen trainieren. Raumausnutzung: an einer Stelle oder raumgreifend sich bewegen. Hilfsmittel nutzen: auch wenn es keine neuen Erkenntnisse bringt, so motivieren Hilfsmittel. Aktivitätsform: mit dem ganzen Körper dabei sein, oder sich auf einzelne Bereiche beschränken. Konzentration: hoch konzentriert arbeiten, Bewegungen automatisieren oder auch nur spielen. All diese Tricks dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht unser primäres Ziel ist zu animieren. Animation bedeutet, dass immer der Animateur da ist, damit überhaupt etwas stattfindet, Selbstständigkeit ist nicht erwünscht. Wir wollen über die Motivation anregen, aus eigenem Antrieb, aus eigenem Interesse sich mit dem Ju-Jutsu auseinanderzusetzen und sich selbstständig weiter zu entwickeln. Die Motivation, die wir ins Training mit einbringen, bezeichnet man als "extrinsische", das eigene Interesse als "intrinsische" Motivation. Zwei Beispiele für Präsentationen: Beim Üben fällt auf, dass viele die gleichen Schwierigkeiten haben. Zusammenrufen und LEISE den Trick verraten, wie es funktioniert. Dieses erweckt den Eindruck, ein Geheimnis würde verraten. Das Training beginnt mit konditionell belastenden Übungen, bei denen die Übenden von einer Hallenseite zur anderen laufen müssen. Die neue Technik (im Stehen), bei der sie viel probieren müssen, wird auf der fast zu kleinen Mattenfläche geübt. Die Übenden sollen durch die Ordnungsform mitbekommen, dass sie sich auf einen Punkt konzentrieren müssen. 4-36

229 4.5. Lernen in der Gruppe 4.5 Lernen in der Gruppe Eine Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Teile. Wie dieses funktionieren kann, zeigt die Abbildung 4.2. Gruppen können als Ganzes ein Eigenleben entwickeln, eine Gruppendynamik. Stärke und Zusammenhalt lassen die Individuen über sich hinauswachsen. Einzelne Mitglieder stellen ihre eigenen Interessen freiwillig zum Wohle der Gruppe zurück und übernehmen unterschiedliche Rollen. Gruppenanpassung bezeichnet die beidseitige Annäherung von Individuum und Gruppe. Abb. 4.2 Mehr als die Summe der Teile Gruppendynamik Gruppenanpassung Verschiedene Gruppen Unterschiedliche Gruppen lassen sich voneinander unterscheiden: Primärgruppe (Familie) Sekundärgruppen Alle Gruppen außerhalb der Familie (z. B. Schule, Verein,... ) Bezugsgruppe: Sekundärgruppe, die durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet / für bestimmte Menschen von Bedeutung ist (z. B. Punker) Formelle oder aufgabenorientierte Gruppe: Zweckgebunden, haben ein Ziel (z. B.: Ämter, Schule, Sportgruppe... ) Informelle oder sozial-emotional orientierte Gruppe: Sympathiegruppen (z. B. Clique) Nicht alle Individuen der Gruppe besitzen den gleichen Einfluss auf die Gesamtheit der Gruppe. Häufig wird unterschieden in: Macher (Alpha) Helfer (Beta) Mitläufer (Gamma) Opfer (Omega) 4-37

230 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Häufig ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die Rollenverteilung zu verschaffen. Gruppenarbeit und kooperative Spiele sind hierfür besonders geeignet. Da Individuen in vielen verschiedenen Gruppen gleichzeitig Mitglied sind, überlagern sich ihre Rollen. Hinzu kommen auch noch geschlechterspezifische Eigenarten des Individuums (die anerzogenen und angeborenen Anteile hieran sind immer noch umstritten). Die Standardrolle, die das Individuum meist inne hat, muss nicht zwangsläufig der Rolle in einer Situation angemessen sein: Beispiel: Macher als Person, Mitläufer in der Situation. Einmischen ins Training Phasen der Gruppenbildung Da eine Gruppe eine Eigendynamik und somit auch eine Entwicklung besitzt, lassen sich unterschiedliche Phasen ausmachen: 1. ( Vorbereitungsphase ) 2. Anfangs- und Orientierungsphase 3. Machtkampfphase 4. Vertrautheitsphase 5. Differenzierungsphase 6. Endphase Anfangs- und Orientierungsphase Die Gruppe trift das erste Mal zusammen. Unsicherheit und Distanz zu den anderen überwiegen. Aufgabe des Trainers: Möglichkeiten zum Kennenlernen schaffen und positive Erlebnisse ermöglichen. Insbesondere positive Gruppenerlebnisse schaffen Machtkampfphase Die eigene Rolle innerhalb der Gruppe wird ausgetestet. Es können sich Kleingruppen mit Sympathien / Antipathien bilden. Aufgabe des Trainers: Den Gruppenmitgliedern die Möglichkeit geben, Fähigkeiten und Stärken zu zeigen, auftretende Rivalitäten ansprechen, ohne Einzelne bloßzustellen. 4-38

231 4.5. Lernen in der Gruppe Vertrautheitsphase Wertschätzung und Vertrautheit innerhalb der Gruppe entsteht. Neue Gruppenmitglieder werden ungern zugelassen. Wir-Gefühl Aufgabe des Trainers: Ablaufende Prozesse transparent machen, Konflikte im Ansatz erkennen und mit der Gruppe aufarbeiten. Verantwortung schrittweise delegieren und Eigenverantwortlichkeit zulassen Differenzierungsphase Diese Hochphase der Gruppe ist durch einen starken Zusammenhalt und hohe Leistungsfähigkeit und Stabilität innerhalb der Gruppe gekennzeichnet. Neue Gruppenmitglieder können zugelassen werden. Aufgabe des Trainers: Nur moderierend eingreifen, fördern der Selbstständigkeit der Gruppe. Differenzierung innerhalb der Gruppe nutzen, um die gesamte Gruppe dadurch zu fördern Endphase Auflösen der Gruppe, weil ihr Ziel erreicht ist: bei einer terminierten Gruppenaktivität (Trainer-Ausbildung). bei einer nicht terminierten Gruppenaktivität (Verein). Aufgabe des Trainers: Lässt die Einzelnen ihre Wege gehen, bietet Hilfe für abgelaufenen Prozess, angemessenen Abschluss schaffen Gruppen führen Im Rahmen unterschiedlicher Phasen von Gruppen haben wir Aufgaben des Trainers identifiziert. Wie jedoch diese Aufgaben erfüllt werden sollen, wurde noch nicht gesagt. LEWIN untersuchte 1939 in den USA die Lehrer-Schüler-Interaktionen und identifizierte die 3 bekannten Führungsstile: Autoritärer Stil Demokratischer Stil Laissez-faire Abb. 4.3 Führungsstile 4-39

232 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN SCHAEFER kritisierte 1959 diese Einteilung 53. Das Verhalten eines konkreten Lehrers lässt sich nicht eindeutig den 3 vorgeschlagenen Stilen zuordnen! SCHAEFER identifizierte vor allem 2 wirksame Dimensionen: autoritativer Führungsstil emotionale Wärme/Kälte (x-achse) Kontrolle vs. freizügiges Verhalten (y-achse) Durch diese Dimensionen lassen sich die Führungsstile weiter spezifizieren. So steht dem autoritären (Kontrolle und emotionale Kälte) der autoritative (Kontrolle und emotionale Wärme) Führungsstil gegenüber. HOFER untersuchte 1991 die Verhaltensstile von Lehrern und konnte 4 Dimensionen benennen: Emotion: Wärme/Kälte Planung/Kontrolle Initiative und Abwechslung Klarheit und Verständlichkeit Die Diskussion um Führungsstile mündet fast zwangsläufig auch in der Frage nach offenem vs. geschlossenem Unterricht. Diese dichotome 54 Einteilung ist nicht gerechtfertigt: Es lassen sich unterschiedliche Ebenen identifizieren: organisatorische Ebene inhaltliche Ebene thematische Ebene Unterricht ist nicht offen oder geschlossen, sondern er wird für eine Zeit auf einer bestimmten Ebene geöffnet und auch wieder geschlossen. Zu große Freiheit kann zur Verunsicherung führen. Folgerungen: Man muss nicht überall gleich perfekt sein, sondern kann seine Fehlbarkeiten kompensieren. Beispiel: lustiger, abwechslungsreicher, aber dem Schüler nicht sofort klarer Unterricht... Weder Psychologie noch Pädagogik liefern allgemeingültige Rezepte. 53 LEWIN, der 1939 aus Deutschland emigrierte, wollte den demokratischen Stil bevorzugen und die USA von Hitler-Deutschland abgrenzen. 54 dichotom: zweiteilig, es gibt keine dritte Möglichkeit. 4-40

233 4.5. Lernen in der Gruppe Gefragt ist das Einfühlungsvermögen. Die vorgestellten Theorien liefern nur Ansätze zur Selbstreflexion. Kaum ein Lehrer kann auf Kommando seinen Führungsstil beliebig wechseln. Also sollte man so, wie man im Ju-Jutsu an seinem Gespür im Kampf arbeitet und seine Kämpfe im Nachherein analysiert, auch den Umgang mit Gruppen üben und analysieren! Fragen zur Selbstkontrolle Welches sind die wichtigsten Maßnahmen des Lehrenden in einer Gruppe, die das erste Mal zusammenkommt? Welches sind Maßnahmen in der sozialen Ebene? Welche Maßnahmen sollten in der fachlichen Ebene ergriffen werden? Welche Maßnahmen sind für die Motivation förderlich? Charakterisiere unterschiedliche Gruppen, die unterschiedliche Führungsstile erlauben. Welche Maßnahmen sind über das Ju-Jutsu hinaus sinnvoll und geeignet, den Gruppenzusammenhalt zu fördern? Weitergehende Fragen Stelle dar, inwieweit die Phase, in der sich eine Gruppe befindet, das Bewegungslernen beeinflusst (z. B. anhand der Lernphasen 55 )! 55 Siehe

234 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN 4.6 Leistungsmotivation Durch unterschiedliche Wünsche der Teilnehmenden und durch unterschiedliche Trainer lässt sich sicherlich schon vieles im Zusammenhang mit Motivation begründen. An dieser Stelle möchte ich aber noch etwas tiefer in mögliche Ursachen für geringe oder hohe Leistungsmotivation einsteigen. Erfolg durch eigenes Können, Bemühen oder Zufall? Was motiviert mich? Ganz einfach: Etwas gelingt oder ich gewinne. Ist es wirklich so einfach? Steht die Motivation aus einem Gelingen nicht in einem Zusammenhang mit der Schwierigkeit? Und ist das Gewinnen nicht umso motivierender, je mehr man sich darum bemühen musste? Ist das zufällige Gewinnen motivierend? Hierbei kommt das Subjekt ins Spiel, wie schätzt es die Schwierigkeit einer Aufgabe ein und wem spricht es den Erfolg zu, sich selbst oder dem Zufall? Noch eine letzte Frage: Starte ich eine Unternehmung ohne Erfolgsaussicht? Zwischen Erfolgszuversicht und Angst zu scheitern Gründe für Misserfolg Aus den einleitenden Fragen lässt sich nach ATKINSON das Diagramm 4.4 aufstellen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist abhängig von internalen und externalen Faktoren. Aber all diese Faktoren werden durch das Individuum bewertet. Dieses erklärt für sich genommen aber nicht warum Menschen motiviert auch schwierige Dinge angehen. EDELMANN 56 zerlegt hierzu die intrinsische Motivation weiter. Diagramm 4.5 zeigt die 3 Ebenen der intrinsischen Motivation. Die Neugierde repräsentiert die kognitive Ebene (ich will wissen, wie etwas funktioniert), der Anreiz die emotionale Ebene (ein Salto ist eine reizvolle Bewegung). Wie reagiert das Individuum darauf, dass trotz einer hohen subjektiven Erfolgsaussicht die Unternehmung misslingt? Individuen schreiben die Verantwortung unterschiedlichen 56 [Ede00] Erfolgswahrscheinlichkeit Neugier Tüchtigkeit Aufgabenschwierigkeit Motivation intrinsisch Anreiz Erfolgserwartung Fähigkeit Anstrengung extrinsisch Belohnung Zwang Abb. 4.4 Subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit Abb. 4.5 Motivation 4-42

235 4.6. Leistungsmotivation Schuldigen zu. Eher weniger motivierte Individuen geben sich selbst die Schuld, es konnte einfach nicht. Für die Überheblichen war immer irgendetwas anderes schuld und für den Rest heißt es, sie haben sich nicht genügend angestrengt. WEINER 57 fasst mögliche Attribuierungen, also die Ursachenzuschreibung, wie internal external in Tabelle 4.1 gezeigt zusammen. Internal stabil Fähigkeit Schwierigkeit bedeutet, dass das Individuum sich selbst variabel Anstrengung Zufall die Ursache zuschreibt. External hingegen Tabelle 4.1 Attribuierung bedeutet, dass das Individuum keinen Einfluss hatte. Stabil bedeutet, dass das Ergebnis sich reproduzieren lässt, also wiederholbar und nicht zufällig eintritt. Variabel bedeutet, dass das Ergebnis sich ändern kann. Sehr vereinfacht könnte man die jeweiligen Attribuierungen 3 Grund-Charakteren zuordnen: Die Attribuierung von Erfolg und Misserfolg stellt einen großen Faktor für die Leistungsmotivation des Individuums dar, denn, wenn man hierzu auch noch die Erfolgsaussichten hinzunimmt, so gibt es zumindest einen interessanten Effekt: Der Pessimist wählt Aufgaben, die viel zu schwer sind, um sich in seinem Scheitern zu bestätigen Leistungsmotivation im Training Doch wie kann ich dieses Wissen nun im Training anwenden? Individuelle Ziele stecken und stecken lassen. Aufgaben stellen, die reizvoll aber leistbar sind. Zwischendurch den Lernerfolg verdeutlichen. Das eigene Bemühen als Ursache für den Erfolg herausstellen. In neuen Themen sind noch keine negativen Attribuierungen vorhanden. Bei diesen neuen Themen lässt sich ein Erfolg als Folge von Bemühen und Können herausstellen. 57 [Wei94] Optimist Realist Pessimist Erfolg Eigenes Können Eigenes Bemühen ausnahmsweise Glück Misserfolg ausnahmsweise Pech Eigene Faulheit Eigene Unfähigkeit Tabelle 4.2 Charaktere und Attribuierung 4-43

236 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Nicht ständig Neues, sondern auch Altes neu verpacken, um das Bemühen und Können herauszustellen. Fragen zur Selbstkontrolle Warum ist es ungünstig, dass ein Sportler seinen Erfolg auf sein Glück zurückführt? Warum ist es wenig günstig, dass ein Sportler seinen Erfolg auf sein Können zurückführt? Weitergehende Fragen Ju-Jutsu ist eine «Do»-Sportart. Stelle dar, welches der Attribute «Glück», «Bemühen» oder «Können» dazu passt. 4-44

237 4.7. Kleine Spiele 4.7 Kleine Spiele Spielen sollte zweckfrei und nur für den Moment des Spielens bedeutsam sein. Spielen unterscheidet sich somit von der Arbeit, die notwendig ist für das Leben, und dem Kampf, bei dem das eigene Leben aufs Spiel gesetzt wird 58. Somit ist der Ju-Jutsu Wettkampf ein Spiel und die Selbstverteidigungssituation wird zu einem Kampf. Große Spiele sind Spiele mit einem festen, meist großen Regelwerk. Bei kleinen Spielen sind die Regeln änderbar und sollten geändert werden, um zu den Spielenden zu passen. Das Regelwerk der großen Spiele richtet sich nach den Weltbesten, muss also nicht zu unseren Spielenden passen. Ein großes Regelwerk ist aber gut geeignet, Vergleiche durchzuführen. Ziel solcher Wettkämpfe (also Sport im engeren Sinne) ist die Ermittlung des Besten. Individuell angepasste Regeln sollen hingegen jedem Spielenden die Freude am Spiel ermöglichen. Dieses wird dadurch erreicht, dass... Große und kleine Spiele Regeln anpassen jeder die Chance hat zu gewinnen, jeder aktiv am Geschehen teilhat. Diese beiden Aspekte, also die Abhängigkeit des Ergebnisses vom eigenen Bemühen, sind leistungsmotivierend 59 und erklären den großen Ehrgeiz, mit dem Spiele gespielt werden, obwohl ihr Ergebnis nur für den Moment des Spieles relevant ist. Kleine Spiele sollen an die Spielenden angepasst werden. Ein Überblick über Regelkategorien ist behilflich beim Verkünden der Regeln und beim Anpassen der Regeln: Ziel des Spiels Raumregel Zeitregel Materialregeln Handlungsregeln Personalregeln Besondere Regeln zur Sicherheit Betrachtet man Spiele nicht als feststehende Regelsätze, sondern fasst ähnliche Spiele zusammen, so lassen sich folgende Grundtypen identifizieren: Rückschlagspiele Fangspiele Staffeln 58 Vergl. [? ] Seite??? 59 Siehe

238 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Abwerfspiele Kooperationsspiele Kampfspiele Ziel- und Torschussspiele Geschicklichkeitsspiele Diese Grundideen schließen einander nicht aus, sondern lassen sich auch kombinieren, so ist eine Staffel normalerweise langweilig, kombiniert mit einem Kooperationsspiel, z. B. «Memory» und zusätzlich mit Abwerfen ist sie spannend. Fragen zur Selbstkontrolle Was unterscheidet kleine Spiele von großen Spielen? Nenne je fünf Beispiele für kleine und große Spiele! Weitergehende Fragen Ordne verschiedene kleine Spiele den Phasen der Gruppenbildung zu (siehe 4.5)! 4-46

239 4.8. Die Rolle des Trainers 4.8 Die Rolle des Trainers Der Trainer hat vielfältige Aufgaben, sowohl für den Verein / Verband als auch gegenüber den Lernenden. Er sollte nicht zwischen den Lernenden und dem Sport stehen, sondern einen Zugang schaffen. Nicht wir als Trainer oder Ju-Jutsu als Sport sind wichtig, sondern in erster Linie der Lernende. Hierdurch ergeben sich drei Aufgabenbereiche: Lehrer Sache Schüler Abb. 4.6 Sache-Lehrer-Schüler Organisatorische Aufgaben (Strategische Kompetenz) Sich um Hallenzeiten bemühen. Trainingshilfsmittel beschaffen. Schnittstelle zum Verein / Verband. Interesse wecken für Prüfungen und Lehrgänge sowie darauf vorbereiten. Die Entwicklung des Vereins/Verbands planen und umsetzen.... Soziale Aufgaben (Schaffen eines angenehmen Umfeldes) Gemeinschaftsaktionen unterstützen. Integration aller Lernenden fördern. Spannungsfreie Atmosphäre schaffen, frei von Abwertungen anderer, hinderlichem Konkurrenzverhalten und Bevorzugung und Benachteiligung. Erziehung zur Fairness. Sozialkompetenz der Lernenden fördern.... positive Gruppendynamik Fachliche Aufgaben (Fach-, Methoden- und Vermittlungskompetenz) Schaffen von erlebnisreichen und motivierenden Situationen. Begeisterung für das Ju-Jutsu fördern. Die Lernenden durch Fordern fördern. 4-47

240 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Selbst- und Sachkompetenz der Lernenden schaffen. (Verständnis für den Sport, die eigenen Fähigkeiten und mögliche Gefahren) Eigenständigkeit fördern. Sich selbst fachlich auf dem neuesten Stand halten.... Doppelseitige Erschließung Das Verhältnis von Teilnehmer, Ju-Jutsu und Trainer lässt sich durch das Diagramm 4.6 verdeutlichen. Ziel des Trainers ist, einen direkten Zugriff des Lernenden auf das Ju-Jutsu zu ermöglichen. Hierbei ist es wichtig, dass diese Beziehung nicht einseitig ist, sondern auch der Lernende das Ju-Jutsu beeinflusst. Dieses wird z. B. durch die Individualisierung der Techniken bewirkt, durch die Tätigkeit als Trainer und durch aktive Mitarbeit in den Verbänden und Vereinen. Um dieses alles leisten zu können, ist Folgendes wichtig: Sich seiner Schwächen bewusst zu werden und sich als Persönlichkeit zu akzeptieren. Selbstkritisch zu sein, d.h. eigene «Fehler» aber auch Stärken zu erkennen. Dankbar für Kritik aus den Reihen der Lernenden zu sein. Die Selbstdarstellung ständig zu kontrollieren, also keine Rolle spielen oder eine Maske aufsetzen, sondern ehrlich und offen auch die eigenen Schwächen eingestehen. DENN DAS IST EINE STÄRKE! Mit Einfühlungsvermögen sich um ein Verständnis der Erlebnis- und Gedankenwelt der Lernenden zu bemühen. Die eigenen Erwartungen an die Übenden anzupassen. Die Lernenden als sich entwickelnde Individuen zu achten, ihnen gegenüber ehrlich zu sein, mit Lob und Kritik. Insbesondere die für das Training notwendigen Beziehung zu den Lernenden zuzulassen, aber auch wieder loslassen zu können. Nicht nur den sportlichen Erfolg sondern auch die zwischenmenschliche Interaktion zu beachten. Auf Mimik, Gestik, Körperhaltung und Tonfall zu achten. Nicht zwangsläufig steht der Trainer immer im Vordergrund, trotzdem bemüht er sich, Situationen zu schaffen, um das Gruppengefühl zu stärken. Die Fachkompetenz (Sportart, Methodik, Didaktik) weiter auszubauen und aufzufrischen. Vorbild zu sein

241 4.8. Die Rolle des Trainers Fragen zur Selbstkontrolle Das Diagramm 4.7 stellt ein anderes Verhältnis von Schüler, Lehrer und Sache dar. Erläutere, warum dieses Diagramm nicht dem angestrebten Verhältnis entspricht! Sache Lehrer Abb. 4.7 Anderes Verhältnis Schüler 4-49

242 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Trainieren als Trainer Viele Trainer sind genau wie ihre Teilnehmer Hobbysportler. Auch sie haben nur begrenzt Zeit und so kommt meist das eigene Training zu kurz. An dieser Stelle möchte ich einige Tipps geben, wie man doch etwas für sich lernen kann klar, es ist sicher nicht optimal, aber besser als gar nichts. Trainieren von motorischen Grundeigenschaften Koordination und Kondition lassen sich meist auch mittrainieren. Die Reizsetzung erfolgt dabei durch den selbstgewählten Anspruch. Das soll z. B. heißen, ich versuche meine Reaktionsfähigkeit zu verbessern, indem ich mich wirklich darum bemühe und nicht nur das Nötigste tue. Aus Fehlern lernen Meistens schauen sich die Lernenden Fehler bei mir ab. Durch das Beobachten der Lernenden kann ich häufige Fehler sehen und mein eigenes Bewegungsbild entsprechend korrigieren. Aus typischem Verhalten lernen Natürliches Verhalten kann manchmal sehr nachteilige Folgen haben (z. B. Wegdrehen bei einem Angriff). Ich korrigiere mein eigenes Bewegungsbild und versuche, solche Reaktionen als Angreifer zu nutzen. Einzelkorrektur Im Rahmen der Einzelkorrektur kann ich mit jedem Lernenden trainieren, ich kann seine Energie spüren und lerne auf seine Aktionen angemessen zu reagieren 60. Schwerpunkte setzen Ich kann mit Übungsformen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die Lernenden arbeiten an einem Fauststoß, ich kümmere mich um die Bewegungslehre. Die Inhalte sind also gleich, ich gebe mir aber ein anderes Thema. Meist setzen die hier vorgeschlagenen Tricks voraus, dass die Lernenden nicht alles nur abschauen, sondern eigenständig trainieren können. Somit ist ihre Selbstständigkeit nicht nur ihr Gewinn sondern auch meiner. 60 Sie auch Abschnitt

243 4.9. Unterrichtsplanung 4.9 Unterrichtsplanung Im Folgenden möchte ich ein paar Hintergründe aber auch konkrete Hinweise für die Unterrichtsplanung geben Methodik und Didaktik Didaktik bezeichnet in vieler Literatur "Was" und Methodik "Wie" unterrichtet wird. Klar sein sollte, dass Methodik und Didaktik voneinander abhängen, dass eine Methode auch schon Inhalt sein kann. Somit wird Didaktik auch als Überbegriff genutzt und Methodik ist ein Teil der Didaktik 61. Zwei weitere wichtige Begriffe sind "Inhalt" und "Thema". Inhalt bezeichnet das, was tatsächlich und sichtbar gemacht wird, während Thema eher das Ziel angibt. Ein Beispiel: Inhalt ist Volleyballspiel, Thema könnte sein: Gruppenzusammenarbeit stärken, einfach nur trainieren oder Taktiken kennenlernen. Inhalt Thema Didaktische Überlegungen Was sind sinnvolle Inhalte und Themen des Unterrichts? Der Pädagoge KLAFKI 62 nennt hierzu 4 positiv zu beantwortende Fragen: Ist es bedeutend für die Gegenwart? Ist es bedeutend für die Zukunft? Ist es für die gesamte Gruppe geeignet und motivierend? (Ich persönlich bevorzuge Interesse weckend.) Ist es beispielhaft? (Werden Prinzipien so klar, dass selbstständig Transfer geleistet werden kann?) Eigentlich selbstverständliche Fragen, doch schauen wir uns mal bei einigen bekannten Inhalten im Ju-Jutsu um: Schulterwurf gegen Stockschlag von oben Der Bewegungsaufwand ist bei einem Schulterwurf gegen einen auch nur halbwegs ernsthaften Stockschlag wesentlich zu hoch! Der Stockschlag muss hierfür gebremst und in einer falschen Distanz ausgeführt werden. 61??? Hilbert Meyer 62 SIEHE [WOL63, SEITE 135] 4-51

244 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Aktivblöcke bei Anfängern Aktivblöcke sind im Gegensatz zu Passivblöcken schlechter gegen Mehrfachangriffe geeignet Minuten Aufwärmprogramm Hier werden 45 Minuten verschenkt, in denen wichtige Dinge wie z. B. Ausweichen geübt werden könnten! Es gibt tatsächlich Gründe, um manches dieser Art als Inhalt zu wählen. Diese Gründe sollten aber den Lernenden bekannt gemacht werden, denn nur so erkennen sie möglicherweise einen Sinn darin. Die Themen des Unterrichts lassen sich drei Kompetenzfeldern zuordnen: Sachkompetenz Dieses bedeutet nicht nur, dass die Lernenden Techniken ausführen können, sondern, dass sie Techniken verstehen, dass sie Methoden kennen, um selbstständig zu üben. Selbstkompetenz Seine eigenen Grenzen aber auch die eigenen Fähigkeiten zu kennen, bedeutet, sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten besser bewegen zu können, keine Angst vor machbaren neuen Bewegungen zu haben und ebenso Gefahren zu erkennen und sich gegebenenfalls zu weigern. Dieses kann auch bedeuten, seinem eigenen Gefühl bei einer Übung zu vertrauen und nicht auf die Anweisungen des Lehrenden bei fragwürdigen oder individuell ungeeigneten gymnastischen Übungen zu hören. Sozialkompetenz Üben geht immer besser und schneller miteinander. Dieses Miteinander bedeutet aber auch, gezieltes und gewolltes Sperren und Kontern einbauen zu können. 64 Auch wenn es uns primär um die Sachkompetenz geht, ist es sinnvoll, manchmal andere Schwerpunkte zu setzen. So ist in einer guten, vertrauten Gruppe (Sozialkompetenz ist aufgebaut) ein intensiveres Training möglich als in einer Gruppe, die sich noch in der Machtkampfphase 65 befindet. 63 Siehe Siehe auch

245 4.9. Unterrichtsplanung Methodische Überlegungen Da im Abschnitt 4.4 einige Lehrmethoden angesprochen werden, kommen an dieser Stelle "nur" einige Grundsätze zur Wahl der Methoden. Handlungsorientierung Da Lernen nur selbstständig erfolgen kann, ist es unabdingbar, selbst zu handeln. 66 Dieses umfasst offensichtlich das motorische Handeln. Aber auch das geistige Handeln muss gefördert werden, man muss sich seiner Handlungen bewusst werden. Eine Bewegung muss verstanden werden, ihre Prinzipien müssen deutlich werden. Ein Beispiel: Armstreckhebel zu Boden wird ausgeführt mit Druck bei der Schulter statt kurz über dem Ellenbogengelenk. Das Funktionsprinzip ist nicht klar. (Trainiert man dann mit "Fallobst", wird es noch nicht einmal auffallen) Falsch: «Du drückst am Schultergelenk, das ist falsch!» 67 Ungünstig: hingehen und sagen, dass beim Ellenbogengelenk zu hebeln sei. Besser: Funktionsprinzip kurz erklären (kein Roman!) und handelnd erproben lassen. Erfahrungsorientierung Um sich seiner Handlungen bewusst zu sein, müssen sie wahrgenommen und erfahren werden. Situationen, in denen die Wirkung unterschiedlicher Ausführungen erlebt werden kann, fördern eine bewusste Wahrnehmung der angemessenen Bewegung. Kurze Gespräche sind sinnvoll, um Erlebtes bewusst zu machen und zur Erfahrung zu erheben. Ein Beispiel: Unser Schüler von oben vergisst recht schnell wieder, am Ellenbogen zu drücken. Erlebnis Erfahrung Also wurde das Funktionsprinzip immer noch nicht erfahren! Ungünstig: wieder hingehen, korrigieren, Übungsform geben, die das Drücken auf den Ellenbogen betont. Besser: eine Erfahrungssituation schaffen, die das Funktionsprinzip verdeutlicht, insbesondere auch in der leidenden Position. Problemorientierung Um mit schwierigen Situationen oder Techniken umgehen zu können, ist es sinnvoll, seinen Feind, also das Problem, zu kennen, um es gezielt angehen zu können. 66 vergl. [Mey94, Seite 214 ff.] 67 Siehe

246 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Ein Beispiel: Unser Schüler von oben scheint "lernresistent" zu sein, es klappt immer noch nicht. Sein Problem ist ihm nicht klar. Ungünstig: «Auch du lernst es noch, aber bitte, drücke am Ellenbogen.» (Ständiges verbales Wiederholen hilft nicht!) Besser: Partner anweisen nicht mehr mitzuspielen, sondern den Arm leicht(!) anzuwinkeln. Hierbei darauf hinweisen, das rohe Gewalt keine Lösung ist. Methoden lernen Die Wahl der Methoden wird ebenso durch äußere Begebenheiten und mögliche Hilfsmittel bestimmt. Aber Methoden müssen auch erlernt werden. Nicht jede Gruppe ist es gewohnt, selbstständig zu arbeiten. Die Selbstständigkeit im Lernen ist zwingende Voraussetzung für ein optimales Trainieren. An dieser Stelle wird die Methode selbst zum Thema (der Inhalt kann ja immer noch der Fauststoß sein). Prüfungsprogramm vs. Curriculum Ein Curriculum für das Ju-Jutsu Curriculum bezeichnet einen Lehrplan. Es geht also darum, was mache ich wann mit meiner Gruppe. Fälschlicherweise wird häufig das Prüfungsprogramm als Curriculum verstanden. Lediglich Inhalte, die dort auftauchen, wurden trainiert. Das "neue" Ju-Jutsu- Prüfungsprogramm kommt diesem noch weiter entgegen und enthält viele Elemente, die man auch schon vorher hätte trainieren sollen. Es entwickelt sich also auch weiter zu einem Curriculum. Trotzdem gibt es Inhalte, die man trainieren sollte, die nicht im Programm erwähnt werden. Auch ist es fraglich, ob denn die Reihenfolge so ideal ist. Doch welche Inhalte sind nicht ausdrücklich im Prüfungsprogramm genannt? Z. B.: Trainieren von Konditions- und Koordinationselementen Exkurse in andere Sportarten Strategie und Taktik Meidbewegungen (werden erwähnt! Aber richtig thematisiert? Wohl nicht.) Körperstatik Energieentwicklung... Teilnehmerorientierung Neue Ansätze für den Unterricht gehen davon aus, dass sowohl Thema als auch Inhalt im Dialog mit den Lernenden erst hervorgebracht werden. Dieses ist in Übereinstimmung mit der Auffassung vom Lernen als Selbsterarbeiten. Zudem kann ein Curriculum, das 4-54

247 4.9. Unterrichtsplanung im DJJV oder NJJV einheitlich ist, keine Gruppenstrukturen und individuellen Wünsche berücksichtigen oder nutzen. Das Prüfungsprogramm lässt sich gut für eine langfristige Planung einsetzen (über Jahre hinweg), da viele Trainierende Gürtelgrade anstreben. Mittelfristig lassen sich aber auch andere Schwerpunkte, z. B. aus aktuellen Anlässen, setzen (Lehrgänge, Gasttrainer, Prüfungen, Vorführungen). Letztendlich hängt alles an einer Frage: Was ist Ju-Jutsu 68? Trotzdem ist klar, dass didaktische Entscheidungen bewusst gefällt werden müssen. Ich entscheide mich aus guten Gründen für meine Inhalte und Themen Einflüsse auf die Themenwahl Gruppe Gruppe in aktueller Zusammensetzung, besondere Individuen Gruppenstärke Ziele und Wünsche Können und Erfahrungen Ju-Jutsu Ju-Jutsu als Hilfsmittel für das Individuum Ju-Jutsu als System überlieferter Techniken Prüfungen, Wettkämpfe Unterschiedliche Bewegungskonzepte Äußere Bedingungen Raum Zeit Material Fragen zur Selbstkontrolle Was unterscheidet «Ju-Jutsu als Hilfmittel» von «Ju-Jutsu als System von Techniken»? Weiterführende Fragen??? 68 Siehe Kapitel??. 4-55

248 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Planung einer Lerneinheit An dieser Stelle möchte ich ein Planungsschema anregen, dass helfen soll, eine Lerneinheit fundiert zu planen Lerngruppenbeschreibung Ausgangspunkt einer jeden Planung ist die Gruppe, denn schließlich wollen wir unsere Teilnehmenden fördern. In der Lerngruppenbeschreibung können folgende Fragen beantwortet werden: Welches Verhältnis haben die Teilnehmenden untereinander und zu mir? Gibt es Untergruppen? Gibt es besonders zu berücksichtigende Personen? Was ist der Könnensstand der Gruppe (Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz)? Welches sind die nächsten zu erreichenden Ziele? Sachanalyse Worum geht es und wie funktioniert es? Kurz im Allgemeinen, ausführlicher für die geplante Stunde. Welche Bedeutung hat der Inhalt in einem umfassenderen Zusammenhang? Welche Bedeutung hat es für die Zukunft? Welche Bezüge bestehen zu anderen Techniken? Unter welchen Rahmenbedingungen wird es angewendet? Welche Prinzipien gibt es und welche Konzepte zur Nutzung der Prinzipien gibt es? Welches sind häufige Schwierigkeiten? (Zu erwartende Probleme erkennen!) Didaktische Reduktion Hier geht es darum, die sicherlich umfassende und komplexe Sache für die Stunde und die Gruppe zu reduzieren. Am Ende der Reduktion sollten wenige wesentliche Punkte verbleiben. Warum ist das Geplante für die Gruppe bedeutsam? Warum bleiben manche Aspekte aus der Sachanalyse unberücksichtigt? 4-56

249 4.9. Unterrichtsplanung Ist die didaktische Reduktion gelungen, so gilt es, viele Übungsformen für die wenigen Schwerpunkte zu finden. Schließlich müssen Lernziele formuliert werden. Es ist kein Lernziel, dass die Lernenden etwas machen, Lernziele sind das, was sie dabei Lernen. Beispiel: FALSCH: Die Lernenden sollen den Partner mit einem Hüftwurf werfen. RICHTIG: Die Lernenden sollen die Funktionsprinzipien des Hüftwurfs verstanden haben und anwenden können. Es ist sinnvoll, Lernziele gemäß der Lernzieltaxonomie 69 anzugeben. Einen Hüftwurf zu kennen, ist weniger, als ihn anwenden zu können Methodische Entscheidungen Da wir nun wissen, welche Themen wir mit welchen Lernenden aus welchen Gründen behandeln wollen, müssen wir uns entscheiden, wie wir dieses anstellen wollen. Besonderheiten der Lerngruppe und der reduzierten Sache müssen in den Entscheidungen berücksichtigt werden Verlaufsplanung Ziel der Verlaufsplanung ist es, einen Überblick über die Stunde zu geben. Einzelne Übungen sind aufzuführen und Ziele, Fehler und geplante Hilfen aufzuzeigen. Die Planung des Verlaufs sollte in einer Tabelle mit folgenden Überschriften erfolgen: Zeit Inhalt Ziele Material, Sozialform Bemerkungen, erwartete Fehler, mögliche Hilfen Beispiel Das folgende Beispiel ist bewusst knapp gehalten. Der offene Zugang zum Thema gibt hierfür die Möglichkeit. Bei Technikbeschreibungen kann z. B. die Sachanalyse länger werden. Der Teil mit Beschreibung, Analyse, Reduktion und Entscheidungen sollte maximal 2 Seiten umfassen. 69 Siehe

250 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Abb. 4.8 Unterrichtsentwurf: Analysen 4-58

251 4.9. Unterrichtsplanung Abb. 4.9 Unterrichtsentwurf: geplanter Verlauf 4-59

252 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Aufbau einer Lerneinheit Der Körper muss besonders auf die körperlich belastenden Lerneinheiten des Ju-Jutsu vorbereitet werden Aufwärmen Ziele des Aufwärmens: Verletzungen am Bewegungsapparat vorbeugen; Konditionelle Fähigkeiten ausschöpfbar machen (Umstellen der Energieversorgung); Koordinationsfähigkeit vorbereiten; psychologische Leistungsbereitschaft erhöhen Dieses wird erreicht durch: 15 Min. aufwärmen Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems (HKS). Einstimmen der Muskeltätigkeit und des Stoffwechsels (Muskeltemperatur auf 38.5 C bis 39 C erhöhen, reicht bis zu 45 Min. vor) Einstellung neuronaler Steuerprozesse (Nervenimpulsleitgeschwindigkeit erhöhen, Optimierung des Muskeltonus) Gelenke anpassen (Verdicken des Knorpels) Das Aufwärmen muss aktiv erfolgen. Passives Erwärmen (heiß Duschen, Einreiben, Massieren) täuscht die Erwärmung nur vor, denn sie ist nur äußerlich und wird sofort über den Blutkreislauf reguliert 70. Die Erwärmungszeit sollte 15 bis 20 Min. umfassen. Sie muss der jeweiligen konditionellen Verfassung des Sportlers und äußeren Bedingungen (Klima, zu erwartende Belastung) angepasst sein. Ist z. B. eine Ausdauerleistung zu erwarten, ist eine Dehnung und Einstimmung auf die folgenden Bewegungen der Temperaturerhöhung vorzuziehen. Für einen Marathon wärmt man sich anders auf als für einen Sprint. Achtung: Erster Schweiß heißt nicht zwangsläufig, dass die notwendige Temperatur erreicht ist! Nach intensivem Dehnen ist eine Kräftigung erforderlich, um eine sichere Führung der Bewegung zu gewährleisten! Aufwärmen sollte mit Rücksicht auf das spätere Training bzw. den Wettkampf kein Ausdauertraining und kein Krafttraining sein! 70 Siehe

253 4.9. Unterrichtsplanung Koordination und geistige sowie körperliche Aufnahmefähigkeit sind meist notwendig für den folgenden Hauptteil. Funktionelles Aufwärmen umfasst allgemein: Ganzkörperbelastung - Herz-Kreislauf-System (HKS) anpassen. Gymnastische Übungen - Muskeltemperatur und Tonus - Dehnung. Sportartspezifische Handlungen - Koordination verbessern - Muskeltonus wieder erhöhen Abwärmen oder "cool-down" Ziel des Abwärmens: Regenerationsvorgänge einleiten und beschleunigen. Psychologische Leistungsbereitschaft wieder herstellen. Das "cool-down" bedeutet nicht, die anfänglich weggelassenen Konditionselemente Kraft und Ausdauer nachzuholen, sondern den erhöhten Muskeltonus wieder zu normalisieren. Dehnübungen entspannen die Muskulatur. Ist die Muskeltemperatur schon wieder abgesunken, so wird ein gezieltes leichtes Erwärmen wieder notwendig. Daraus ergibt sich für das Abwärmen folgender Ablauf: Leichte Ganzkörperbelastung, um das HKS wieder zu normalisieren, ist nötig, um dehnen zu können und Stoffwechselprodukte abzutransportieren. Gymnastische Übungen (speziell Dehnung, aber kürzer gehalten), Verspannungen und Disbalancen beseitigen, Muskeltonus senken. Entspannung: Übungen, um belastete Muskulatur zu entspannen, auch die Haltemuskulatur, Atemübungen, geistige Verarbeitung des Geschehens Allgemeiner Stundenverlaufsplan Einführendes Gespräch was erwarten die Teilnehmer und was erwartet sie; Rücksichtnahme auf Wünsche - speziell gesundheitsfördernde. 4-61

254 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Aufwärmen Allgemeine Erwärmung (mindestens 1/6, besser 1/3 der Muskulatur einsetzen!!!) langsam anfangende, sich steigernde allgemeine Belastung zur HKS- Anregung (also Übungen wie Laufen, Hopserlauf, Skippings, Fersen anheben, Knie hochziehen, Seilspringen, Vor-Zurück, Pendelschritt, Hampelmann, Skilanglauf, Auslagenwechsel, Sprungläufe) Spezielle Erwärmung (Einstellung auf die kommende Belastung) Lokale dynamische Übungen zur Erwärmung ausgewählter Muskelpartien, z. B.: Schattenboxen, leichtes Treten usw. Wichtig NICE AND EASY, also Koordination, flüssigen Ablauf und NICHT Kraft in den Vordergrund stellen! Wichtige Muskelgruppen dehnen evtl. nach CHRS-Methode (anspannen, halten, entspannen, dehnen). Individuelle Erwärmung (den Sportler als Individuum berücksichtigen) Dehnen bzw. kräftigen von Problembereichen. Dieses erfordert genaue Kenntnisse von den eigenen Schwächen und den geeigneten Übungen. Hauptteil 1 Wenn Koordination geschult werden soll, dann jetzt! Also jetzt neue Techniken. Schnelligkeit. Komplexe Abläufe und Kombinationen. Hauptteil 2 evtl. erneutes Anregen des HKS und Lockern. Weniger Koordination als in Teil 1 Wiederholung, Dehnung, Ausdauer, Kraft (diese Konditionselemente sind nicht problemlos zu kombinieren). Abwärmen Allgemeines Abwärmen ausreichende, leichte Ganzkörperbelastung, die an Intensität nachlässt. Spezielles Abwärmen 4-62

255 4.9. Unterrichtsplanung Gezielt an die Belastungen im Hauptteil anschließend, dehnen. Auch Massagen und Sauna sind möglich. Individuelles Abwärmen Wieder die Problemstellen des einzelnen Sportlers kräftigen, dehnen oder massieren. Entspannung Atemübungen in Entspannungspositionen Anspannen - Entspannen von beanspruchter Muskulatur Entspannung der Haltemuskulatur Abschlussgespräch Zusammenfassen des Gemachten. Möglichkeit, um von beiden Seiten Kritik zu äußern (sowohl positive, als auch negative). Fragen zur Selbstkontrolle Ordne folgende Begriffe begründet den einzelnen Abschnitten einer Übungsstunde zu! Sparring Tritte erlernen Prüfungsvorbereitung Bodenkampf Fallschule Kettenfauststoß Was bedeutet die Trennung in "allgemein", "speziell" und "individuell"? Warum wird nach Hauptteil 1 und 2 unterschieden? Weiterführende Fragen Warum sollte man die Schnelligkeit als einziges Element der Konditionselemente im Hauptteil 1 trainieren? Ausdauer und Kraft sollen im Hauptteil 2 trainiert werden. Welche Reihenfolge ist sinnvoll? 4-63

256 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN 4.10 Spezielle Gruppen Kinder- und Jugendtraining Was kann JJ für Kinder tun? Trainer, die Kinder und Jugendliche unterrichten, müssen über fundierte pädagogische, psychologische und methodische Kenntnisse verfügen. Ist das Kinder- und Jugendtraining auf gezielten Leistungsaufbau (z. B. Wettkampf) hin angelegt, muss sich der Jugendtrainer zusätzlich Spezialkenntnisse über die körperlichen Wachstumsprozesse und die entsprechenden Veränderungen des Bewegungsapparates und des Stoffwechsels aneignen. Bei der Gestaltung des Kinder- und Jugendtrainings sind die Grundsätze der Ganzheitlichkeit und Entwicklungsgemäßheit des Trainingsprozesses von entscheidender Bedeutung. Das heißt, dass es nicht vorrangig darauf ankommt, was Kinder und Jugendliche leisten können, sondern was der Sport für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen leisten kann. Kinder- und Jugendlichentraining ist kein Erwachsenentraining in verkleinerter Form, sondern ein vielseitiges Lern- und Reizangebot, das sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen und an den sensitiven Phasen eines langfristigen Trainingsaufbaus orientiert. Wachstum Proportionen Akzeleration Retardation Biologische Grundlagen des langfristigen Trainingsaufbaus Wachstumsvorgänge sind nicht nur oberflächliche Formveränderungen, die mit Größenund Volumenzunahme einhergehen, sondern gleichzeitig qualitative Veränderungen, die z. B. die Festigkeit der Knochensubstanz beeinflussen. Darüber hinaus ist Wachstum kein Prozess, der mit gleichbleibender Geschwindigkeit abläuft. Wachstum ist ein Vorgang, der sich in Schüben vollzieht. Dabei ist zu beachten, dass sich nicht alle Teile des Skeletts zur gleichen Zeit und im gleichen Verhältnis entwickeln. So sind Kopf und Rumpf bei Kleinkindern im Verhältnis zu den übrigen Extremitäten groß und wachsen in der Folge langsamer als Arme und Beine. Darüber hinaus wachsen die entfernteren Körperteile z. B. Hände und Füße früher als die dem Rumpf näheren Extremitäten. Da Wachstum ein individueller Prozess ist, weicht das biologische Alter eines Jugendlichen oft erheblich von dessen kalendarischem Alter ab. In Gruppen Gleichaltriger kann die Differenz zwischen den biologisch jüngsten und ältesten Jugendlichen bis zu 6 Jahre betragen. In dem Zusammenhang unterscheidet man die Vorgänge der Akzeleration (Entwicklungsbeschleunigung) und der Retardation (Entwicklungsverzögerung). Der akzelerierte Jugendliche ist biologisch älter als kalendarisch, während es sich beim retardierten Jugendlichen umgekehrt verhält. 4-64

257 4.10. Spezielle Gruppen Um die körperlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesse nicht zu stören, gelten für die Belastung des passiven Bewegungsapparates folgende Grundsätze: Kein Hanteltraining bzw. keine Überkopfarbeit vor und während der Pubertät Keine einseitigen Belastungen, insbesondere kein einseitiges Tragen Keine länger andauernden statischen Belastungen Keine abrupten Belastungswechsel Die strikte Einhaltung dieser Grundsätze soll jedoch nicht bedeuten, dass dem Kind keine angemessenen Reize zur Kräftigung gegeben werden sollen. Die Trainingsreize sollten jedoch umfangreich sein und nicht über den submaximalen Bereich hinausgehen. Ein spezielles Muskeltraining wird sowieso erst mit Beginn der Pubertät Wirkung zeigen (vermehrte Testosteronausschüttung bei Jungen). Für die Belastung des Stoffwechsels gilt, dass anaerobe Belastungen in Verbindung mit Laktatbildung im Kindertraining vermieden werden sollten??? warum???. Im Rahmen des Jugendtrainings kann die anaerobe Kapazität schrittweise im langfristigen Training aufgebaut werden, wobei die Labilität der Stoffwechselfunktionen besonders in der ersten puberalen Phase berücksichtigt werden sollte. Demgegenüber bewirken Belastungen im aeroben Bereich ausgeprägte Anpassungen des jugendlichen Organismus. Die Trainierbarkeit von Kindern ist im aeroben Bereich vergleichbar mit der von Erwachsenen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Kind gleich hohe Leistungen erzielen sollte und dass die gleichen Trainingsmethoden verwendet werden sollten! Vor Aufnahme eines Leistungstrainings ist das Kind bzw. der Jugendliche in jedem Fall sowohl in orthopädischer als auch in internistischer Hinsicht von einem Fachmann (z. B. Sportarzt) zu untersuchen Alters- und Entwicklungsstufen Um einen differenzierten Überblick über die inhaltlichen und methodischen Erfordernisse der verschiedenen Entwicklungsabschnitte zu geben, werden im folgenden die Alters- und Entwicklungsstufen einzeln dargestellt. Bei der Ausweisung spezieller Entwicklungsphasen muss jedoch berücksichtigt werden, dass Entwicklung ein Prozess ist, der individuell verläuft und nicht in Schemata eingeordnet werden kann. Die Beschreibung einzelner Entwicklungsabschnitte soll eine Hilfe bei der Einordnung von Entwicklungsprozessen sein. Die Entwicklungsstufen bauen aufeinander auf und ihre Übergänge sind fließend. Die Altersangaben sind bei Mädchen ab der Pubertät um ein Jahr vorzudatieren. Der Abschluss der zweiten puberalen Phase erfolgt bei Mädchen ca. 2 Jahre früher. 4-65

258 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Mädchen / Jungen Säuglingsalter 1. Lebensjahr Kleinkindalter Lebensjahr Frühes Schulkindalter Lebensjahr Mädchen Spätes Schulkindalter (vorpuberale Phase) Lebensjahr Pubeszenz (1. puberale Phase) Lebensjahr Adoleszenz (2. puberale Phase) Lebensjahr Maturität (Vollreife, Erwachsenenphase) Jungen Spätes Schulkindalter (vorpuberale Phase) Lebensjahr Pubeszenz (1. puberale Phase) Lebensjahr Adoleszenz (2. puberale Phase) (20.) Lebensjahr Maturität (Vollreife, Erwachsenenphase) 18. (20.) -... Da der Einstieg in den Ju-Jutsu-Sport in der Regel erst mit dem 7. Lebensjahr vollzogen wird, werden die ersten beiden Entwicklungsstufen hier nicht behandelt Frühes Schulkindalter (erster Gestaltwandel) Motto: Spielen Gegenüber den vorherigen Entwicklungsstadien tritt nun eine deutliche Veränderung der Gestalt auf. Die Extremitäten wachsen schneller als der Rumpf. Die typischen Körperbauproportionen des Kindes (großer Kopf, langer Rumpf und kurze Extremitäten) verändern sich zu erwachsenentypischen Verhältnissen. Der Körperschwerpunkt sinkt etwa auf Höhe des Beckengürtels. Das Herz-Kreislauf-System und der Atmungsapparat vergrößern sich entsprechend dem Körperwachstum. Dies hat eine Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme und eine damit verbundene bessere Ausdauerleistungsfähigkeit zur Folge. Gekonnte Bewegungen wie Laufen, Werfen, Fangen werden zunehmend ökonomisiert und überflüssige Mitbewegungen fallen weg. Ein Rückgang der hohen motorischen Aktivitäten des Kleinkindes ist zu beobachten. Vielmehr ist der motorische Anspruch auf komplexe Aktivitäten gerichtet, die mehrere Bewegungen vereinen und in hohem Maße Ansprüche an die Geschicklichkeit stellen. Aufgrund des Gestaltwandels sind Dehnungs- und Haltungsschäden erkennbar, die durch gut dosierte Dehnungs- und Kräftigungsübungen kompensiert werden können. 4-66

259 4.10. Spezielle Gruppen Spätes Schulkindalter Kennzeichnend für diese Entwicklungsphase ist die sehr gute motorische Lernfähigkeit und, dadurch vorausgesetzt, eine weitere Verbesserung der Koordination von Bewegungen. Hierfür ist die Verlangsamung des Wachstums verantwortlich, die dem aktiven Bewegungsapparat Zeit gibt, sich optimal dem passiven Bewegungsapparat anzupassen. Daraus resultieren Steuerungsfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie Geschicklichkeit und Gleichgewichtsfähigkeit. Man spricht in dieser Phase vom besten Lernalter, ein Alter, in dem Kinder auf Anhieb lernen können. Kinder können während dieser Zeit sehr viele Bewegungserfahrungen sammeln und vor allem bekannte Bewegungen optimieren sowie neue, spezielle Bewegungen in ihren Bewegungsschatz übernehmen. Man sollte auch in dieser Entwicklungsphase ein forciertes, überbeanspruchendes Krafttraining vermeiden, da das Skelettsystem noch nicht voll ausgereift ist. Geschlechtsspezifisch ist in der Entwicklung jetzt wie auch zuvor schon ausgeführt ein Unterschied erkennbar. Während in den Jahren zuvor Mädchen und Jungen problemlos miteinander trainierten, bilden sich jetzt vermehrt Jungen- und Mädchengruppierungen. Motto: Koordination Pubeszenz (zweiter Gestaltwandel) Bezeichnend für diesen Entwicklungsabschnitt ist sowohl die physische als auch die psychische Reifung. Da besonders in dieser Phase die physische Reifung mehr hormonell zu verstehen ist und damit auch psychische Konsequenzen zur Folge hat, spricht man von einer ersten Reifephase. Bevor überhaupt die Entwicklung der sichtbaren Geschlechtsmerkmale beginnt, werden im Hypothalamus (einer im Zwischenhirn gelegenen Hirnstruktur) sogenannte «releasing factors» (freisetzende Faktoren) gebildet, die auf die Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse, einwirken. Diese Drüse bildet auf die Geschlechtsdrüsen gerichtete Hormone. Damit die Zusammenhänge im Laufe der weiteren Entwicklungsphasen deutlich werden, soll im Folgenden genauer auf die hormonelle Entwicklung eingegangen werden. Die von der Hypophyse gebildeten gonadotropen Hormone, das auf die Geschlechtsdrüsen wirkende follikelstimulierende Hormon (FSH) und das Luteinisierungshormon (LH), sorgen für die vermehrte Produktion der Sexualhormone. Das Testosteron ist das wichtigste der männlichen Sexualhormone (Androgene), das von den Testes, den Hoden, in den Zellen zwischen den Leydigschen Zwischenzellen, den Hodenkanälen, gebildet wird. Geringe Mengen Androgene bildet auch die Frau im Ovar, dem Eierstock, sowie in den Nebennieren aus. 4-67

260 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Die Testosteronbildung der Jungen steigt kurz vor der Pubertät etwa um das 10-fache an, was das Wachstum der primären Geschlechtsmerkmale (Penis, Hoden, Samenleiter, Prostata, etc.) vorantreibt. Ebenfalls ist die hohe Testosteronkonzentration bei der Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale anregend beteiligt. Diese äußerliche Entwicklung ist am Stimmbruch (einer Längenzunahme der Stimmbänder) erkennbar sowie am Beginn des Bartwuchses und der Achsel- und Schambehaarung. Des weiteren wird eine deutliche Entwicklung des Schultergürtels erkennbar. Das Testosteron ist ein anaboles (also ein aufbauendes) Hormon und fördert die Proteinsynthese (Eiweißbildung). Bedenkt man nun die für den Muskelaufbau wichtige Funktion des Eiweißes, so wird deutlich, dass die entwicklungsbedingt frühreifen Mädchen nun körperlich durch die Jungen eingeholt und später noch überholt werden. Zusammen mit weiteren Wachstumshormonen verknöchert der Knochenapparat zunehmend. Das Körperlängenwachstum endet etwa 3 bis 5 Jahre später. Dieser spezielle, testosteronindiziert gesteigerte Längenzuwachs ist für die Pubeszenz typisch. Die Extremitäten wachsen wiederum mehr als der Rumpf, ähnlich wie im frühen Schulkindalter. Koordinative Leistungsschwankungen, bedingt durch die veränderte Geometrie, treten auf. Das optimale Zusammenspiel des aktiven und passiven Bewegungsapparates wird durch veränderte Hebelbedingungen gestört. Neue Bewegungsabläufe werden nur schwer erlernt, und bereits gelernte Bewegungen nur schwer mit gleicher Qualität oder Leistung gezeigt. Die Entwicklung der Mädchen verläuft annähernd analog zur Entwicklung der Jungen. Die Östrogene und Gestagene gehören zu den weiblichen Sexualhormonen, wobei die Hormone Östron und Östradiol, die jeweils im Ovar gebildet werden, zu den wichtigsten Vertretern der Östrogene gehören. In den Testes werden ebenfalls geringe Mengen Östrogene und Gestagene gebildet. Die Gebärmutter und die Gebärmutterschleimhaut wachsen, und zu den primären Geschlechtsmerkmalen werden auch die äußerlich sichtbaren sekundären Merkmale (wie die weibliche Brust) entwickelt. Im Gegensatz zu den Jungen, die durch die erhöhte Testosteronproduktion «breite Schultern» bekommen, bildet sich bei den Mädchen das Becken «typisch weiblich» aus. Außerdem tritt eine geschlechtsspezifische Verteilung des Depotfetts auf. Die Achsel- und Schambehaarung sowie die Ausbildung des äußeren Genitals werden durch androgene Hormone hervorgerufen. Während nach 1 bis 2 Jahren der sichtbaren Entwicklung der Geschlechtsmerkmale die erste Menstruation eintritt, kommt es schließlich wiederum nach etwa 1-2 Jahren unter Östrogeneinfluss zum Schließen der Epiphysenfugen, d. h. das Knochenwachstum endet. Im Gegensatz zu den Jungen, die in dieser Phase ein relativ großes Körperlängenwachstum aufweisen, haben Mädchen keine vergleichbar großen koordinativen Leis- 4-68

261 4.10. Spezielle Gruppen tungsschwankungen. Außerdem weisen Mädchen in dieser Phase eine sehr gute Entwicklungsfähigkeit der allgemeinen aeroben Ausdauer auf. Gründe für die gute Ausdauerleistungsfähigkeit ist bei Mädchen die Weiterentwicklung des Herz-Kreislauf-Systems und des Atmungsapparates. Das hieraus bedingte maximale Sauerstoffaufnahmevermögen kann motivativ genutzt werden. Das Krafttraining sollte wiederum, durch die relativ zum Skelettwachstum geringer entwickelte Muskulatur, nur dosiert eingesetzt werden. Es sollte nur bei guter technischer Ausführung und unter entsprechender Aufsicht durchgeführt werden. 71 Charakteristisch für diese Entwicklungsphase ist die sogenannte Pubertätspsyche. Sie äußert sich durch erhebliche Stimmungsschwankungen und psychische Labilität. Einerseits treten Minderwertigkeitskomplexe auf andererseits deutliches Geltungsstreben Adoleszenz Charakteristisch für diese letzte Entwicklungsstufe ist die deutliche Abnahme des Längenwachstums. Zunächst wächst jedoch der Rumpf noch mehr als die Extremitäten, bis dann später der für den Erwachsenen typische Körperbau erreicht ist. Die geschlechtsspezifische Differenzierung wird noch stärker ausgeprägt. Bei den Jungen entwickeln sich unter dem Einfluss des Testosterons die Schulterbreite und Skelettmuskulatur sowie das Herz weiter. Die Mädchen entwickeln frauentypische Proportionen. Im Gegensatz zu den vorpuberalen Phasen, in denen die Fähigkeit für Koordination, sportartspezifische Technik und Schnelligkeit gebildet werden, lässt sich speziell in dieser letzten Phase die Ausdauer und Kraft besonders fördern. Bei exakter Führung und Betreuung der Belastungen können bei Jugendlichen körperliche Anpassungserscheinungen und Leistungssteigerungen entwickelt werden, die mit denen Erwachsener vergleichbar sind, ohne dass die Jugendlichen dabei Schaden nehmen. Da die Trainierbarkeit der allgemeinen aeroben Ausdauer in diesem Alter relativ hoch ist, geht man davon aus, dass eine maximale Ausdauerleistungsfähigkeit nur dann erreichbar scheint, wenn im Adoleszenzalter ein entsprechendes Training der Ausdauerbelastungen erfolgte. Motorische Stabilität und eine optimale Bewegungsqualität sorgen für gute sportliche Leistungsfähigkeit, die vermehrt vom Umfang, der Intensität und der Qualität des Trainings abhängt. 71 Motto: Motivation 4-69

262 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Alter Beweglichkeit Koordinationsfähigkeit Schnelligkeit Kraft??? Schnellkraft (Jungen) Schnellkraft (Mädchen) Ausdauer Tabelle 4.3 Optimales Alter der Entwicklung motorischer Hauptbeanspruchungsformen Sensitive Phasen Die Tabelle zeigt auf, in welchem durchschnittlichen Lebensalter sich einzelne koordinative und konditionelle Fähigkeiten optimal trainieren lassen. Achtung: obwohl sich Kraftfähigkeiten recht früh, bedingt durch den erhöhten Testosteronspiegel, entwickeln lassen, ist von einem intensiven Krafttraining abzusehen, da der Körperbau noch nicht abgeschlossen ist. Die im Hinblick auf die inhaltliche und methodische Gestaltung des Trainingsprozesses wichtigen «sensitiven Phasen» nach W. M. WOLKOW sind in der Tabelle 4.3 zusammengestellt. Unter «sensitiver Phase» versteht man den Zeitraum, in dem eine motorische Fähigkeit am günstigsten zu trainieren ist. Wird die entsprechende Phase durch spezifisches Training nicht genutzt, können die sich im Sinne der optimalen Leistungsentwicklung ergebenden Defizite gar nicht mehr oder nur noch mit großem Aufwand ausgeglichen werden Altersgemäßes Kinder- / Jugendtraining Wenn man sich die Erkenntnisse aus dem Bereich der Entwicklungsphasen im Training mit Kindern bzw. Jugendlichen zu Nutze macht, werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit folgende Schwerpunkte bilden: Frühes Schulkindalter durch Spiel- und Bewegungsaufgaben Reize setzen selbstständiges Erproben zum «Spielen miteinander» und Wettkämpfen finden Grundfertigkeiten üben (laufen, springen, rollen, klettern,... ) Beweglichkeit und Koordination fördern Technik: Grobform 4-70

263 4.10. Spezielle Gruppen Spätes Schulkindalter Beweglichkeit und Koordination fördern kein bloßes Aneinanderreihen von verschiedenen Bewegungsabläufen Wettkampfspiele vielseitiges Fördern Schnelligkeitsentwicklung Techniktraining viel Übung Technik: Grobform und Feinform (hier werden die Weichen für eine erfolgreiche Sportkarriere gestellt!) Erste puberale Phase vorhandene motorische Fertigkeiten an verbesserte physische Leistungsfähigkeit anpassen Aufrechterhaltung eines hohen koordinativen Niveaus taktische Ausbildungsinhalte beim Wettkampftraining Geduld und Motivation fördern Auseinandersetzung mit den Jugendlichen Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitstraining ausgeprägtes Techniktraining Training aller sportmotorischen Fertigkeiten Anforderung an körperliche Unterschiede anpassen (hier kann positives Trainerverhalten dazu beitragen, dass sich langfristig das Sportinteresse der Jugendlichen stabilisiert) Zweite puberale Phase vorhandene Bewegungsdefizite beheben und Bewegungsfehler korrigieren Automatisierung von Bewegungsabläufen optimale Anpassung der persönlichen Voraussetzungen an ideale Bewegungsvorbilder (= persönlicher Stil) Training muss in Intensität und Umfang dem Erwachsenentraining entsprechen (behutsames Heranführen!) Techniktraining Konditionsförderung (insbesondere Kraft) regelmäßiges Üben 4-71

264 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Technik: bis zur Feinstform (Achtung: es gibt Jugendliche bei denen sich die Entwicklungsabläufe verzögern, unter Umständen aber langfristig stabiler verlaufen, also: Keine vorzeitige Selektion! Die allgemeine Entwicklung hängt von der Häufigkeit und Qualität des Trainings ab!) Fragen zur Selbstkontrolle: Was kann Ju-Jutsu für die Kinder und deren Entwicklung leisten? 4-72

265 4.10. Spezielle Gruppen Frauen-Selbstverteidigung Gehen sie nicht unbekleidet aus - das regt Männer an. Gehen sie nicht bekleidet aus - irgendwelche Kleidungsstücke regen immer Männer an. Gehen sie abends nicht alleine aus - irgendwelche Situationen regen immer Männer an. Gehen sie nicht mit einer Freundin aus - einige Männer werden durch die Mehrzahl angeregt. Gehen sie nicht mit einem Freund aus - einige Freunde können auch vergewaltigen; oder sie treffen einen Vergewaltiger, der erst ihren Freund angreift und dann sie. Bleiben sie nicht zu Hause - Eindringlinge und Verwandte sind potenzielle Täter. Seien sie niemals Kind - einige Täter werden durch die ganz Kleinen gereizt. Seien sie nie alt - einige Vergewaltiger stürzen sich auf alte Frauen. Verzichten sie auf Nachbarn - die vergewaltigen häufig Frauen. Verzichten sie auf Vater, Großvater, Onkel oder Bruder - das sind die Verwandten, die junge Frauen am häufigsten vergewaltigen. Um sicherzugehen - verzichten sie auf ihre Existenz. 72 Halten wir fest: Belästigt zu werden, ist kein Fehler der Frau! Trotzdem fragt sich eine betroffene Frau, was sie falsch gemacht haben könnte [Här 5] 73 Dieses deckt sich erstaunlich gut mit der negativen Attribuierung aus dem Abschnitt über Leistungsmotivation (Abschnitt 4.6) 4-73

266 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Legitimation von Frauen-SV-Kursen Wir trainieren über Jahre hinweg Ju-Jutsu und behaupten nicht, uns perfekt verteidigen zu können. Ein Frauen-SV-Kurs geht über 10 Doppelstunden. Wie soll eine Frau in der kurzen Zeit lernen, sich verteidigen zu können? Um die Wirksamkeit aber auch die Ausrichtung der Frauen-SV-Kurse zu begründen, ist ein Blick auf offizielle Statistiken sinnvoll. Die Polizei in Hannover hat über die Jahre 1991 bis angezeigte Überfälle (abgebrochene und durchgeführte) und die jeweilig geleistete Gegenwehr statistisch erfasst. Aus dieser Statistik der Polizei ergibt sich folgendes: Gegenwehr führte bei über 90% dazu, dass der Mann abgelassen hat. Ca. 50% der Täter waren den Frauen bekannt. Ca. die Hälfte der Angriffe passiert an öffentlichen Orten. Nur ein verschwindend geringer Teil der Angriffe wurde von mehreren Personen oder mit Waffen getätigt. vernachlässigbar und viel zu schwer beherrschbar. Aus diesen Statistiken lässt sich feststellen: Es lohnt sich, sich zu wehren! Diese Frauen hatten keinen Frauen-SV-Kurs durchlaufen (nur eine hatte Karate- Training). Trotzdem haben sie sich nur mit dem Willen erfolgreich verteidigen können. 90% der Selbstverteidigung/Selbstbehauptung passiert im Kopf! Auch die nächste Statistik macht Mut für einen Frauen-SV-Kurs: Wuttäter Machttäter Triebtäter/Sadisten 30% 67% 3% körperlich heftig mehr drohen Gewalt erotisiert als schlagen spontan Überfall geplant geplant und Opfer ausgesucht Täter ist wütend & depressiv Täter ist eher ängstlich Täter handelt ritualisiert & zwanghaft verfügbares Opfer verletzliches Opfer ausgesuchtes Opfer Tabelle 4.4 Täterprofile 4-74

267 4.10. Spezielle Gruppen Knapp 70% der Fälle lassen sich schon durch ein selbstbewusstes Auftreten vermeiden. Jedoch reicht dieses nicht für weitere Fälle aus. Selbstbewusstsein lässt sich aber nicht einfach dadurch aufbauen, dass der Trainer sagt, die Frauen müssten selbstbewusster sein. Wir als Kampfsportler sind Experten für das Sich-Bewegen. Also sollten wir unser Wissen nutzen, und das Selbstbewusstsein vom leiblichen Erleben von Stärke und Fähigkeiten aufbauen. Auch Übungen, die keine Zweikampfsituationen enthalten, sind geeignet, um ein Bewusstsein von Stärke zu schaffen. Von einem Psychologen erwarten wir, dass er sich dem Problem anders nähert, zumindest würden wir skeptisch sein, wenn er insbesondere Kampfkunsttechniken verwendet. Ziel eines Frauen-SV-Kurses muss es also sein: den Verteidigungswillen der Frau aufzubauen, die Möglichkeiten zu einer massiven Gegenwehr zu geben, hierdurch das Selbstbewusstsein der Frau zu stärken Wie funktioniert die Frauen-SV Um diese Frage strukturiert zu beantworten, vergleichen wir körperliche Eigenschaften einer Frau mit denen eines potentiellen Täters und betrachten situative Begebenheiten. Kämpferprofil von Frau und Mann (potenzieller Täter 74 ) Körpergewicht: 65kg 85kg Körpergroße: 165cm 185cm Kraft: 2 Liegestütze 20 Liegestütze Verhaltensmuster: zurückhaltend und nett bedrängend, aggressiv Reichweite... Hieraus leiten wir Empfehlungen für das Training ab: statistische körperliche Unterlegenheit der Frau kein Kräftemessen durch Schieben..., sondern Schlagen, Treten... statistische körperliche Unterlegenheit der Frau kein S.D.A. 75 (ein Schlag wird nicht reichen!). nur 10 Doppelstunden Training keine komplizierten Techniken. nur 10 Doppelstunden Training kein A.B.D. / H.I.A 76 (Fallen zu stellen oder Hände zu blockieren sind etwas für Fortgeschrittene!) 74 Siehe Unterabschnitt Siehe Siehe

268 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Somit gilt: A.B.C. ist DIE Strategie für die Frau! (die Techniken müssen insbesondere durch Schmerzen ablenken) P.I.A. ist hier nur eine planvolle Variante von A.B.C. für Fortgeschrittene. Situation eines Angriffs 77 unerwartet (Zeit & Ort), geängstigt (Ort: dunkle Gasse) oder gehemmt (im Bekanntenkreis), auf sich gestellt, nicht vorbereitet (aufgewärmt und Sportbekleidung tragend),... Auch hieraus leiten wir Empfehlungen für das Training ab: Die Frau ist geschockt in dieser Stresssituation ist das Nachdenken schwer keine kompliziert zu merkenden Abfolgen. Situation ist nicht vorhersehbar universell anwendbare Verteidigungshandlungen üben. schnelle Flucht ist nicht möglich (ungeeignete Kleidung; insbesondere hohe Schuhe) massive körperliche oder psychische Beeinträchtigung des Gegners. (bei Machttätern reicht meist der Ansatz/Wille schon aus.) Situation ist durch den Mann bestimmt (die Frau ist das Opfer). Diese Rollenverteilung gilt es mit allen Mitteln umzudrehen. Opfer/Täterrolle umdrehen! Um die Rolle trotz körperlicher und situativer Nachteile umzudrehen, hilft es, selbst einen massiven, überraschenden Gegenangriff zu starten. Schalter umlegen: sich überraschend und massiv wehren! 77 Siehe Abschnitt

269 4.10. Spezielle Gruppen Ist Selbstbehauptung kein Thema? Vielfach wird die Selbstbehauptung und Gewaltdeeskalation oder Gefahrenvermeidung bei der Frauen-SV betont. Wir stellen diese Aspekte in den Hintergrund. Dieses lässt sich wie folgt begründen: Die Frau ist weder durch Kleidung noch Ort schuld an einem Übergriff. Gefahrenvermeidung ist zwar richtig, führt jedoch immer auch zu Ängsten. Diese sind im Vorfeld dringend zu vermeiden! (Gefahrenvermeidung bietet die Möglichkeit, sich selbst die Schuld zu geben 78. Insbesondere schüchterne und zurückhaltende Frauen nehmen dieses Angebot gern an, bestätigt es doch ihre eigenen Ängste!) «born victims» 79 sind gekennzeichnet durch Angst und Unsicherheit. Unser Training soll gerade diese Frauen Erfolg und Stärke erfahren lassen. Erfolg und Stärke sind zurückführbar auf Anstrengung 80 und Willen der Frau. Sie sind kein zufälliges Ergebnis. Selbstbehauptung setzt voraus, dass die Frau selbstbewusst ist. Sich selbst bewusst zu sein, bedeutet, die eigenen Fähigkeiten zu kennen. Unser Konzept schafft Situationen, in denen die Frau sich ihrer Fähigkeiten bewusst wird. Hierdurch wird die Frau selbstbewusster, weniger ängstlich und weniger zurückhaltend. Die Frau fällt durch Selbstbewusstsein aus der Rolle des Opfers heraus! Dieses Selbstbewusstsein aufzubauen, dauert ein paar Doppelstunden. Auf diesem Selbstbewusstsein bauen später Aufgaben für den Alltag auf, die im folgenden Unterabschnitt dargestellt werden Konkrete Inhalte In den vorhergehenden Abschnitten haben wir Grundlegendes für die Technik- und Strategieauswahl dargestellt, sowie die Situation beleuchtet. Es ist Zeit, den Kurs mit konkreten Inhalten zu füllen. Weitere Strategien Bisher hatten wir: 78 Wieder die erwähnte negative Attribuierung aus der Leistungsmotivation (Abschnitt 4.6). 79 geborene Opfer 80 Siehe

270 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN A.B.C., Schalter umlegen, «mind drop» (Ablenken) insbesondere durch Schmerzen. Weitere Möglichkeiten, die Verteidigungschancen zu steigern: Ebenenwechsel steigert die Wahrscheinlichkeit zu treffen und die Abwehr wird schwieriger; Waffen auf den Gegner ausrichten (Zentrumslinie ausrichten); unsportlich kämpfen (kratzen, spucken... ). Diese Punkte finden sich auch im Abschnitt 2.8 wieder. Dort sind weitere Punkte aufgeführt, aber für die Frauen-SV ist hier weniger mehr, also wenige Punkte, die auch umgesetzt werden können. Technikauswahl Die Techniken müssen zu den Strategien passen: Hohe Wiederholungszahlen und einfach zu erlernen Kettenaktionen (Kettenfauststöße, Kettenohrfeigen... ) Ebenenwechsel Techniken für oben und unten (Handtechniken und Beintechniken) Vitale Ziele angreifen Beste Erfahrungen haben wir mit Kettenfauststoß/Kettenhandballenstoß und Knieschlägen gemacht. Natürlich braucht eine Frau auch mildere Mittel, um sich zaghaften Belästigungsversuchen zu erwehren. Hierzu nutzen wir aber die gleichen Techniken, nur in anderen Intensitäten oder auf andere Ziele: Knieschlag in die Genitalien Knieschlag auf den Oberschenkel. Handballenstoß auf die Nase Wegschieben am Kiefer (Kopfsteuerung). Bisher haben wir in unser Betrachtung aber eine Technik völlig vernachlässigt: Einsatz der Stimme, um... Öffentlichkeit zu erzeugen, Gegner einzuschüchtern und vor allem sich selbst zu motivieren. Vielfach ist eine Situation schon durch den Einsatz der Stimme geklärt: 4-78

271 4.10. Spezielle Gruppen Alle in der Straßenbahn schauen auf den Belästiger. Das potentielle Opfer (ängstlich und zurückhaltend) wächst über den vermeintlichen Täter hinaus, der nur eine schwächere Person suchte (insbesondere Machttäter). Schreien, Schlagen und Treten lassen vielleicht eine Art Flow-Erlebnis entstehen, indem die Frau ohne zu denken (an Angst, oder eigene und fremde Verletzungen) einfach handelt und eigene Schmerzen nicht wahrnimmt (Augen zu und durch). Für den Bereich des Kämpfens am Boden nutzen wir auch noch den Genickdrehhebel (der Täter braucht die Hände ja für die Tat). Taktiken Wirkungsvolle Techniken sind uns aus dem Ju-Jutsu bekannt. Die Auswahl geeigneter Techniken wurde im vorhergehenden Unterabschnitt getroffen. Die erfolgversprechendsten Strategien haben wir auch schon herausgestellt. Bleibt die Frage, wie verbindet eine Frau die Techniken zur Realisierung unserer Strategien? Der Handkomplex liefert uns Antworten: Zentrale Position: eigene Zentrumslinie ausgerichtet («Waffen ausrichten»), um Kettenhandballenstoß und Knie einsetzen zu können. (Vorschlag: 5x Kette + 5x Knie... ; dieses nennen wir «starten») Eingänge: Nutzen: * Umklammerungsansätze: Waffen ausrichten und starten. * Umklammerungen: Loswackeln + Griffe in Genitalien, dann Waffen ausrichten und starten. * Griffe: kein alleiniges Grifflösen(!) sondern schlagen und dabei rauswinden, dann Waffen ausrichten und starten. * Ohrfeige (unspezifischer Schlag): doppelter Passivblock, dann Waffen ausrichten und starten. * Boden: Waffen ausrichten und starten oder Genickhebel. Schaffen: 4-79

272 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN * Distanz zu aufdringlichem Täter schaffen (Schritt zurück, Hand dazwischen und NEIN!) Wird die Distanz unterschritten, so muss die Sperrhand hierfür beiseite geschlagen werden. Dieses ist das Zeichen für Waffen ausrichten und starten. Ausgänge: Täter wendet sich ab, somit noch 1-2 Knietechniken, danach weglaufen. Trainingsmethoden Das Training sollte motivierend und körperlich fordernd sein, da auch Nicht- Sportlerinnen teilnehmen. Abwechslungsreich hinsichtlich Ordnungsformen 81 und Materialien sollten immer wieder änhnliche Situationen durchgespielt werden (wäre ohne die Abwechslung langweilig). Häufige Partnerinnenwechsel sind anzuraten. Da am Anfang Berührungsängste zwischen den Teilnehmerinnen bestehen können, bieten sich kleine Spiele und Ordnungsformen mit erzwungenem Partnerinnenwechsel an. Hierdurch soll die Zentrale Handlung (Waffen ausrichten und starten) immer und immer wieder nicht situationskonstant, sondern variabel 82 geübt und somit zur Feinform gebracht werden. Selbstbehauptung Übungen zum Einsatz der Stimme und zur Abgrenzung machen den Anfang: Chinesische Mauer (über störende, laute Gruppe Nachrichten hinwegschreien), Schimpfworte immer lauter werdend gegeneinander schreien, Heranstürmende durch Schreien stoppen (Überraschung, Gestik, Mimik, Lautstärke), Schreien + Schlagen. Durch intensive leibliche Betätigung gewinnen die Frauen an Selbstbewusstsein. Dieses lässt sich auch zur Selbstbehauptung aufbauen. Hierzu geben wir gerne «Hausaufgaben»: Schreien beim Autofahren (unbeobachtet aus sich herausgehen). Wirkung von gesenktem Haupt (100% ausweichen) und erhobenen Hauptes (50% ausweichen) beim Gehen durch die Stadt erfahren. Wege im Gedränge durchsetzen (0% ausweichen); wenn er nicht ausweicht, ramme ich ihn (Wille). Vordrängler an der Supermarktkasse zusammenpfeifen, zumindest nicht vorlassen. Platz schaffen an der Supermarktkasse, wenn Leute zu dicht auffahren. 81 Siehe Abschnitt Siehe Abschnitt

273 4.10. Spezielle Gruppen Ein paar Worte zu Waffen In der Frauen-SV könnten auch Waffen für die Verteidigung eine Rolle spielen: Schnitt- und Stichwaffen, Schlagwaffen (eher selten), Elektoschocker, Gas (CS oder Pfefferspray) Schusswaffen (eher selten). Für alle Waffen gilt, dass sie im Angriffsfall schnell verfügbar sein müssen, sie müssen sich also schon in der Hand befinden! Mit einem Vorurteil möchte ich aufräumen: Es ist nicht möglich, einer Frau ein Messer wegzunehmen! Vorausgesetzt: die Frau will es einsetzten! Doch meist fehlt der Wille, eine Waffe einzusetzten; im Allgemeinen scheuen sich Frauen schon, jemanden zu schlagen. Zusätzlich muss der Umgang mit der Waffe intensiv geübt werden, Schnitte und Stiche müssen schnell geführt werden, das Gas muss in die richtige Richtung in der richtigen Distanz bei Berücksichtigung des Windes und der Raumgröße eingesetzt werden. Fassen wir schnell die Gründe zusammen, die dagegen sprechen, Waffen im Rahmen eines Frauen-SV-Kurses zu thematisieren: Es fehlt der Wille, eine Waffe einzusetzen, um den Gegner zu verletzen. Die Waffe ist nicht sofort verfügbar. Der Umgang mit der Waffe muss ebenso trainiert werden. Trotzdem ist der Einsatz von Waffen sinnvoll, sofern sie zufällig verfügbar sind. Der heiße Kaffee, der Kugelschreiber oder auch einfacher Sand sind wirkungsvolle Waffen Unbedingt zu berücksichtigen Die Art der Präsentation und die Härte der Mittel richtet sich auch nach der Zielgruppe (Mädchen oder Frauen). Rollenspiele können schon erlebte, unangenehme Situationen wieder hervorrufen und Blockaden erzeugen, wenn sie nicht gelöst werden können. In solchen Fällen ist eine professionelle psychologische Beratung notwendig. 4-81

274 KAPITEL 4. LERNEN UND LEHREN Fragen zur Selbstkontrolle Warum sind Armstreckhebel und Hüftwurf wenig für einen Frauen-SV-Kurs geeignet? Warum ist eine Ohrfeige sehr gut für einen Frauen-SV-Kurs geeignet? Weitergehende Fragen Warum ist Judo keine gute Basis für die Frauen-SV? Warum ist «normales» Ju-Jutsu-Training (orientiert am Prüfungsprogramm) nicht ideal für die Frauen-SV? Was sind positive Aspekte für die Frauen-SV am «normalen» Ju-Jutsu-Training? 4-82

275 5 Trainingslehre Inhalte des Kapitels 5.1 Sportliche Leistungsfähigkeit Trainingsprinzipien Krafttraining (KT) Ausdauertraining (AT) Schnelligkeitstraining (ST) Beweglichkeitstraining Gymnastikformen Einige Übungen

276 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Die Trainingslehre befasst sich mit der gezielten Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Diese gezielte Verbesserung war schon den Griechen der Antike bekannt. Der Legende nach soll MILON VON KRETON täglich einen heranwachsenden Stier eine Treppe emporgetragen haben. Mit dem steigenden Gewicht des Stieres wuchs auch die Kraft MILONS. Dieser war nachweislich 6-facher Olympiasieger im Ringen ab dem Jahre 540 v. Chr. Begriffserklärungen: Trainingsziele umfassen die Einflussfaktoren auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Trainingsinhalte sind die durchzuführenden Übungen. Trainingsmittel sind die Hilfsmittel. Trainingsmethoden sind planmäßige Verfahren oder Vorgehensweisen, mit denen die Übungen ausgeführt werden. 5.1 Sportliche Leistungsfähigkeit Konditionelle Fähigkeiten Koordinative Fähigkeiten Technische Fertigkeiten Veranlagung Leistungsfähigkeit Aktuelle Konstitution Psychische Fähigkeiten Abb. 5.1 Sportliche Leistungsfähigkeit Kognitive Fähigkeiten Soziale Fähigkeiten Die sportliche Leistungsfähigkeit ist von vielen Faktoren abhängig, die alle verbessert werden müssen, um sie zu erhöhen. Bewegungsfertigkeiten sind geschlossene Bewegungen, die sich z. B. mit der methodischen Übungsreihe trainieren lassen. Koordinative Fähigkeiten sind nicht technikgebunden, sondern spiegeln sich genau wie die konditionellen Eigenschaften als Attribute in den Techniken wieder. 5-2

277 5.1. Sportliche Leistungsfähigkeit Soziale Fähigkeiten sind im Kampf oder Spiel eher für Mannschaftssportarten entscheidend, aber auch die Reaktion auf Jubel des Publikums kann dazu gezählt werden. Beim Üben sind sie aber auch im Ju-Jutsu unverzichtbar. 5-3

278 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Konditionselemente Unter Kondition versteht man die Zusammenfassung aus: Kraftfähigkeiten (Maximalkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer, Reaktivkraft) Schnelligkeitsfähigkeiten (Reaktionsschnelligkeit, Beschleunigungsfähigkeit, Bewegungsschnelligkeit) Schnelligkeit ist sehr stark von einer guten Koordination abhängig, ist also die Grenze zu den Koordinationselementen. Ausdauerfähigkeiten (Kurz-, Mittel- und Langzeitausdauer) Beweglichkeit (Gelenkbeweglichkeit, Dehnungsfähigkeit) Kraftfähigkeiten «Kraft im Sport ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse mit Muskelkontraktionen Widerstände zu überwinden (konzentrische Arbeit), ihnen entgegenzuwirken (exzentrische Arbeit) oder sie zu halten (statische Arbeit).» [MG98, Seite 40] Kämpfen erfordert jede in der Literatur unterschiedene Kraftfähigkeit. Das Training der einzelnen unterschiedlichen Kraftfähigkeiten ist im Abschnitt 5.3 dargestellt. Maximalkraft: Hebel durch Gegenhalten als letzte Möglichkeit verhindern, im Bodenkampf sich befreien oder gegen eine Befreiung ankämpfen. Kraftausdauer: insbesondere Bodenkampf, aber auch Akrobatikelemente aus der Capoeira. Reaktivkraft: Ausholbewegungen in Form eines «Prellens» bei der Capoeira, im Kali oder bei Tritten im Thai-Boxen. Schnellkraft und Explosivkraft: Schläge und Tritte, Wurfansätze. Anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass nicht die Kraftfähigkeit der einzelnen Muskeln entscheidend ist, sondern die Anwendbarkeit in komplexeren Bewegungen Ausdauerfähigkeiten "Ausdauer hinsichtlich sportlicher Betätigungen ist die Fähigkeit, einer sportlichen Belastung physisch und psychisch möglichst lange widerstehen zu können (d.h. eine bestimmte Leistung über einen möglichst langen Zeitraum aufrecht erhalten zu können) und/oder sich nach sportlichen (psychophysischen) 5-4

279 5.1. Sportliche Leistungsfähigkeit Belastungen möglichst rasch zu erholen." [MG98, Seite 110] Auch hier gebe ich nur einen kurzen, später weiter ausgeführten Überblick: anaerobe Ausdauer: insbesondere rundenbasierte Kämpfe, also zum Beispiel Boxen und Thai-Boxen, aber auch andere Kämpfe, sobald sie nicht zu frühzeitig beendet werden, somit auch Judo und Ringen. aerobe Ausdauer: Im Kampf weniger gefragt, aber als Grundlage für das Training unverzichtbar. lokale Ausdauer: sobald das Regelwerk Aktionen primär auf wenige Muskelgruppen beschränkt, zum Beispiel im Boxen auf die Arme (klar kommt die Kraft aus den Beinen, trotzdem ermüden die Arme, weil die Beine noch wesentlich länger durchhalten könnten) Beweglichkeitsfähigkeiten "Als motorische Fähigkeit der Bewegungsspielraum der Gelenke, bei der Ausführung von Bewegungen oder der Einnahme bestimmter Haltungen." [GS97, Seite 123] Nicht nur spektakuläre Tritte sondern auch auch verschlungene Befreiungen im Bodenkampf fordern ein hohes Maß an Beweglichkeit. Hat man eine hohe Beweglichkeit, fließen Bewegungen einfacher, der eigene Körper steht dem Kämpfer nicht mehr im Weg Schnelligkeitsfähigkeiten "Koordinativ-konditionell determinierte Leistungsvoraussetzung, um in kürzester Zeit auf Reize zu reagieren bzw. Informationen zu verarbeiten sowie Bewegungen oder motorische Handlungen unter erleichterten und/oder sportartspezifischen Bedingungen mit maximaler Bewegungsintensität ausführen zu können, wobei durch eine sehr kurze Belastungsdauer eine Leistungslimitierung durch Ermüdung ausgeschlossen wird." [GS97, Seite 131] Schnelligkeit ist die vermeintlich entscheidende Fähigkeit. Handlungen müssen schnell ausführt werden und die Aktionen des Gegners müssen schnell wahrgenommen werden. 5-5

280 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Die visuelle Wahrnehmung ist langsamer als die taktile. Als Beispiel hierfür dient der Fauststoß. Seine Ausführungszeit liegt ideal unter 0,1 Sekunden, also unterhalb der Reaktionszeit der meisten Menschen. Anhand kleinster vorbereitender Bewegungen lässt sich aber dennoch ein Fauststoß antizipieren, es sei denn, einleitende Bewegungen werden unterdrückt oder verschleiert. Beides lässt sich häufig im Boxen beobachten. Um die Langsamkeit der visuellen Wahrnehmung zu vermeiden, suchen einige Kampfkünste den direkten Kontakt, da anhand der taktilen Wahrnehmung schneller reagiert werden kann. Weil dieses leider für beide Seiten gilt, versuchen sie gleichzeitig, eigene verräterische Bewegungen zu minimieren. Wing Tsun 1 ist hierfür ein Beispiel Koordinationselemente In einiger Literatur werden die Koordinationselemente bei den Konditionselementen subsumiert. Ich halte sie aber für so wichtig, dass ich ihnen einen Extraabschnitt widme. Unter Koordination wird die Steuerung von Bewegungen in Zeit und Krafteinsatz verstanden. Dieses geschieht unter Berücksichtigung der Rückmeldungen der Sinnesorgane. Koordination macht also die konditionellen Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit) erst verwertbar. Man unterscheidet ein allgemeines und ein spezielles Koordinationsvermögen. Die allgemeine Koordination wird in folgende koordinative Fähigkeiten unterschieden. Dorfkrug ohne «F» Kinästhetische Differenzierungsfähigkeit Unterschiedlicher Gebrauch von Kraft und Geschwindigkeit. Orientierungsfähigkeit Positionen im Raum, Mitspieler, Gegner, Antizipation von Bewegungen. Reaktionsfähigkeit Angemessen auf äußere Einflüsse eingehen. Kopplungsfähigkeit Bewegungen sowohl hintereinander als auch überlagert ausführen können. Rhythmisierungsfähigkeit Anpassen an fremde Bewegungsrhythmen und eigene finden. Umstellungsfähigkeit Sich einer neuen Situation anpassen können. 1 Chinesisches System, das der Legende nach von einer buddhistischen Nonne im fünfzehnten Jahrhundert gegründet wurde. Kennzeichnend für das Wing Tsun ist, dass sofort der Körperkontakt gesucht wird, die Hände an denen des Gegners «kleben» bleiben. 5-6

281 5.1. Sportliche Leistungsfähigkeit Gleichgewichtsfähigkeit Balance unter verschiedenen äußeren Bedingungen halten Training der allgemeinen Koordination Die koordinativen Fähigkeiten können als Bewegungsklassen im Konzept der Schematheorie 2 aufgefasst werden. Allgemeine koordinative Fähigkeiten sind sportartunabhängig. Übungen anderer Sportarten können also genutzt werden. Kleine spielerische Aufgaben gegen die eigene Ungeschicklichkeit oder Geschicklichkeit eines Partners sind geeignete Übungen. Die Lernfähigkeit von Koordination ist vom Alter abhängig. Im Alter von 8 bis 12 Jahren ist sie am höchsten. Trotzdem ist Koordination noch bis ins hohe Alter trainierbar. Da koordinative Fähigkeiten bei allen Techniken und Bewegungen hineinspielen, lohnt es sich, nicht nur die jeweilige Fertigkeit zu trainieren, sondern auch das Techniktraining als Anlass für ein Koordinationstraining zu nehmen. Fragen zur Selbstkontrolle Was sind die Konditionselemente? Wofür brauche ich die im Ju-Jutsu? Was sind die Koordinationselemente? Wofür brauche ich die im Ju-Jutsu? Weitergehende Fragen Diskutiere 3 die Frage, ob Konditionsfähigkeiten oder Koordinationsfähigkeiten wichtiger sind! 2 Siehe Diskutieren heißt, Argumente für beide Seiten gegenüber zu stellen. 5-7

282 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Spezifische Koordination Während bisher Koordination unabhängig von der Sportart gesehen wurde, soll dieser Abschnitt sich der Ju-Jutsu-spezifischen Koordination widmen. Das Training der spezifischen Koordination soll die Anwendbarkeit und somit Qualität von Techniken verbessern. Es ist prinzipiell untrennbar mit dem Techniktraining verbunden, hier jedoch sollen technikübergreifend Kategorien für das Training vorgestellt werden. Zeitdruck Präzisionsdruck Komplexitätsdruck (Schwierigkeiten beim Hintereinander-Ausführen von Bewegungen) Organisationsdruck (Schwierigkeiten beim gleichzeitigen Ausführen von mehreren Bewegungen) Belastungsdruck (Schwierigkeiten beim Bewegen unter konditioneller Belastung) Variabilitätsdruck (Schwierigkeiten durch Umgebung und Situation) Um mit diesen Anforderungen zurechtzukommen, ist das Individuum auf seine Wahrnehmung angewiesen: visuell akustisch taktil kinästhetisch 4 vestibulär 5 Auch in diesen Kategorien ergeben sich Möglichkeiten, die Anforderungen an das Individuum zu steuern. Schon im Anfängertraining werden Konzepte für spezifische Koordination angewendet. Alle unnötigen Anforderungen an den Lernenden werden zurückgeschraubt. Auch die Wahrnehmung wird von anfangs visuell zu taktil und kinästhetisch geändert. 4 Die kinästhetische Wahrnehmung ist der «Bewegungssinn», an dem viele Wahrnehmungsorgane beteiligt sind (Siehe 6.5.3). 5 Die vestibuläre Wahrnehmung ist die Wahrnehmung des Gleichgewichts mittels des Gleichgewichtsorgans im Innenohr. 5-8

283 5.1. Sportliche Leistungsfähigkeit Fragen zur Selbstkontrolle In vielen Vereinen wird die Fallschule bei jedem Training vorangestellt. Welcher Druck ist geeignet, um die Fallschule weiter zu verbessern? Gib Beispiele für das Training des Bodenkampfes unter verschiedenen Drücken! Weitergehende Fragen Begründe, warum das situationskonstante Üben von geschlossen Bewegungen nicht geeignet ist, um diese bis zur Feinstform zu perfektionieren! Wie können unterschiedliche Drücke das Üben unterstützen? Wie kann das Training der spezifischen Koordination den Übergang von geschlossenen zu offenen Bewegungen unterstützen? 5-9

284 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.2 Trainingsprinzipien Einige Prinzipien gelten für alle Arten von sportlichem Training, werden hier also gesondert betrachtet Superkompensation (Prinzip der Belastung) Training durch Anpassung Erholung ist notwendig Die Superkompensationstheorie versucht Leistungssteigerung zu erklären. Unter Leistungsfähigkeit kann sowohl Ausdauer als auch Kraft gemeint sein. Vom Ausgangsleistungsniveau nimmt die momentane Leistungsfähigkeit ab. Dieses lässt sich unter anderem mit dem Erschöpfen von Energiereserven erklären. Nach Beendigung des Trainings werden die Reserven wieder aufgefüllt und/oder Muskulatur wird aufgebaut und/oder eine Leistungsfähigkeit Ausgangsniveau Reizintensität Trainingsreiz Zeit Regenerationszeit Abb. 5.2 Superkompensation Verbesserung der Energieversorgung durch neue Blutgefäße findet statt und/oder Bewegungen werden erlernt. Durch diese Verbesserungen steigt die Leistungsfähigkeit über das Ausgangsleistungsniveau hinaus. Dieses mehr an Ausgleich wird Superkompensation genannt. Findet dann kein weiteres Training statt, sinkt die Leistungsfähigkeit auf Dauer sogar unter die Ausgangsleistungsfähigkeit. Besonders interessant ist die Regenerationszeit, denn diese muss optimal gewählt werden, um besten Leistungszuwachs zu erreichen. Auf lange Sicht erreicht man so eine Leistungssteigerung. Ein Übertraining ist die Folge von einer zu kurzen Regenerationszeit. Der Körper wird ständig überfordert und hat keine Zeit sich zu erholen. Die Regenerationszeit beträgt für einzelne Muskeln 48 Stunden, für das Herz-Kreislauf- System 24 Stunden. Die Zeiten können nicht bedeutend verkürzt werden. Sie können sich aber drastisch bei zu starker Belastung, insbesondere bei Untrainierten, verlängern. Bestes Maß ist das eigene Empfinden, das aber erstmal aufgebaut werden muss. Neben der Regenerationszeit spielt die Reizintensität eine große Rolle. Hierzu existiert die Reizstufenregel. 5-10

285 5.2. Trainingsprinzipien Reizstufenregel (Prinzip des trainingswirksamen Reizes) Die Reizstufenregel setzt sich mit der Stärke von Reizen und deren Trainingswirksamkeit auseinander. Während eines Trainings werden auf den Körper durch quantifizierbare Belastungen Reize ausgeübt. Diese wirken sich in einer individuellen Beanspruchung aus. Zuerst einige Begriffe: Belastungsumfang (Menge der Einzelbelastungen, also z. B. Zeit oder Gesamtgewicht) Belastungsdauer (meist Zeit, manchmal auch Wiederholungen) Belastungsstärke oder Belastungsintensität (ergibt sich aus Belastungsdauer und Belastungsumfang) Belastungsdichte (Relation zwischen Pausen und Belastungen) Aus solchen Belastungen ergeben sich dann auch Reizumfang, Reizdauer, Reizintensität und Reizdichte. Nicht jeder Reiz ist im Sinne der Superkompensation trainingswirksam. Als Beispiel lässt sich eine Treppe anführen. Anfangs macht sie noch Mühe, wird dann aber ganz selbstverständlich. Ewig stärker oder ausdauernder werden die Beine dadurch jedoch nicht. Durch die Belastungsnormative ist uns ein Mittel an die Hand gegeben, was Belastungen vergleichbar macht. Der Mensch hingegen wird durch eine solche Belastung beansprucht. Beanspruchung ist die individuelle Wirkung einer objektiven Belastung. Der Trainingsreiz geht also immer von der Beanspruchung aus! Aber mit Gefühl kann man leider keine konkreten Hinweise geben. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Leistungsfähigkeit eines untrainierten und eines trainierten Menschen (100% der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Menschen sind natürlich auch noch unterschiedlich). Der trainierte Mensch kann von seiner höheren Leistungsfähigkeit auch noch einen größeren Teil bewusst einsetzen. Um einen trainingswirksamen Reiz zu setzen, reichen dem Untrainierten schon 40%, während der Trainierte schon über 70% seiner Leistungsfähigkeit aufbringen muss. Die wird nun immer größer. Genauso wird der Anteil an eben dieser Leistungsfähigkeit auch größer, der aufgebracht werden muss, um weiterhin eine Leistungssteigerung zu erreichen. Somit wird der Trainingsaufwand mit zunehmenden Leistungszuwachs auch immer größer und reicht immer weiter an die autonom geschützten Reserven heran. An dieser Stelle steigt die Bereitschaft, um einen stärkeren Trainingsreiz setzen zu können, mittels Doping die autonomen Reserven anzugreifen. Aber: Diese Reserven sind nicht ohne Grund geschützt. Werden sie angegriffen, so wird (!) der Köper geschädigt! Beanspruchung Belastung autonom geschützte Leistungsreserven Grenzen der Anpassung 5-11

286 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Weitere Prinzipien Prinzip der ansteigenden Belastung (immer mehr Training und Intensität, folgt aus Reizstufenregel) Prinzip der kontinuierlichen Belastung (regelmäßig trainieren, folgt aus der Superkompensation) Prinzip der Periodisierung (folgt aus den beiden vorhergegangenen, also Planung lang-, mittel-, kurzfristig) Prinzip der wechselnden Belastung (folgt aus den Abhängigkeiten der sportmotorischen Fähigkeiten untereinander, bedeutet Schwerpunkte setzen.) Prinzip der richtigen Belastungsfolge (erst Koordination, dann anaerobe, schließlich aerobe Beanspruchung) Prinzip der individuellen und spezifischen Steuerung des Trainings (folgt aus den veranlagungsbedingten Faktoren, also nur individuelles Training ist optimales Training) Zwischen Theorie und Praxis Beanspruchung Belastung Körpergefühl entwickeln Bei all den Prinzipien und allen Methoden, allen Versuchen und allen Ergebnissen darf der Mensch nicht vergessen werden. Der Mensch ist keine Maschine, die einfach nur funktioniert. Ein und die gleiche Belastung hat unterschiedliche Beanspruchungen eines Menschen zur Folge, je nachdem, ob er gesund oder krank, ausgeschlafen oder schon vorermüdet ist. Somit sollte ein Ziel des Trainings das Entwi- Trainingstheorie Erfahrungen Subjektive Gebrauchstheorie des Tariners Spezielles Allgemeine der Sportart Erfahrungen Abb. 5.3 Theorie in Anwendung ckeln eines guten und differenzierten Körpergefühls sein, um selbstständig Beanspruchungen steuern zu können. Da jeder Mensch anders ist, spielt auch die persönliche Erfahrung eine entscheidende Rolle für das Training. Dieser Zusammenhang läßt sich mit dem Diagramm 5.3 verdeutlichen. Die genannten Prinzipien entstammen der Sportwissenschaft, die sich um möglichst große Objektivität bemüht, diese Objektivität jedoch bedeutet, dass nicht das einzelne Subjekt sondern nur allgemeingültige Aussagen getroffen werden, die wiederum erst auf Stimmigkeit für das Individuum überprüft werden müssen. Dieses findet sich auch im 5-12

287 5.2. Trainingsprinzipien Unterschied von Belastung und Beanspruchung wieder. Die Beanspruchung lässt sich nicht objektiv ermitteln, sodass der Trainierende hier Rückmeldungen geben muss. Auch wenn subjektive Erfahrungen einen immer größeren Stellenwert einnehmen, so heißt dieses nicht, dass alles, was man bisher gemacht hat, richtig und gut ist! Also Neues probieren und Altes hinterfragen! 5-13

288 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.3 Krafttraining (KT) Muskulatur ist die Grundlage aller menschlicher Bewegung. Also was liegt dann näher, als mit Krafttrainig (KT) Muskeln zu trainieren? Grundbegriffe im Krafttraining Absolutkraft (AK) Gesamtes Kraftpotential eines Muskels, mit Elektrostimulation zu ermitteln. Die AK ist nicht willkürlich nutzbar. Maximalkraft (MK) Willkürlich erreichbares Kraftpotential eines Muskels. Nur ein gewisser Prozentsatz der Muskelzellen eines Muskels kann willkürlich gleichzeitig arbeiten. Die Maximalkraft kann durch Hypertrophie- und IK-Training gesteigert werden. Stabilizer Muskeln, die nur ein Gelenk überspannen und insbesondere für Haltearbeit ausgerichtet sind, stabilisieren die Gelenke und machen Kraft erst verfügbar. Diese Muskeln sind tiefer gelegen als die Mobilizer 6. Mobilizer Muskeln, die mehrere Gelenke überspannen und für schnelle Arbeit ausgelegt sind, bewirken das Bewegen. Müssen Mobilizer die Funktion von Stabilizern übernehmen, so ist mit verringerter Leistung zu rechnen. Intramuskuläre Koordination (IK) Fähigkeit, mehr Muskelzellen im Muskel gleichzeitig anzusprechen, also die Differenz zwischen AK und MK gering zu halten. Intermuskuläre Koordination Ursprünglich Zusammenspiel zwischen Agonist und Antagonist, aber auch allgemeines Zusammenspiel verschiedener Muskeln. Isometrische Belastung Haltearbeit, fördert den Querschnitt und wird benötigt um Muskelgruppen speziell anzusprechen (Rehabilitation), eine Kapillarisierung wird nicht gefördert, ebenso findet auch kein Aufbau der Koordination statt. Konzentrische oder dynamische Belastung Fördert Koordination und Ausdauer, muss aber umfangreicher trainiert werden. 6 Vielleicht ist dieses auch ein Hinweis auf den Begriff «innere Kampfkunst». 5-14

289 5.3. Krafttraining (KT) Exzentrische oder negativ dynamische Belastung Bessere Kraftentwicklung, aber keine Koordinationsschulung, außerdem verletzungsträchtig und Verursacher von Muskelkater Warum Krafttraining? Kraft stellt die Grundlage für jede Bewegung dar, insbesondere für jede sportliche Bewegung. Kraft ist also Grundvoraussetzung. Durch Krafttraining werden sowohl aktiver als auch passiver Bewegungsapparat gefördert. Da aber der passive Bewegungsapparat sich wesentlich langsamer anpasst, ist speziell im Anfängerbereich eine allgemeine mäßige Belastung zu wählen, die mehr in Richtung Ausdauer und Koordination geht. Da Muskulatur immer benötigt wird, ist das Hypertrophietraining und vorangegangenes Kraftausdauertraining Grundlage jeden Muskeltrainings. Bei entsprechendem Training passt sich zuerst die Koordination an 8. Erst danach passt sich der Muskel an. Die Anpassung des passiven Bewegungsapparates geht wesentlich langsamer (die Gelenke, Knorpel, Sehnen und Bänder werden nur schlecht, bzw. nur indirekt durchblutet). Also ist im Anfängerbereich lange ohne große Gewichte zu trainieren, damit sich die passiven Bewegungsorgane anpassen können. Auch als Prävention und Rehabilitation ist Krafttraining ein unverzichtbares Mittel. Die Stabilisierung des gesamten Körpers und die Stützung und Führung von allen Bewegungen wird durch ein Muskelkorsett gewährleistet Erfolgreiches Krafttraining Da Erfolg als Art und Grad der Zielerreichung definiert werden kann, müssen vor einem Training Ziele gesetzt werden. Das Training unterscheidet sich je nach gesteckten Zielen. Ein mögliches Ziel des Krafttrainings im Ju-Jutsu könnte die Unterstützung der Ju- Jutsu-Techniken bei gleichzeitiger Gesunderhaltung des Individuums sein. Dieses Ziel ist eigentlich nicht scharf genug definiert, fehlen doch Möglichkeiten der Erfolgskontrolle und die Terminierung. Für den Breitensportler ist es aber akzeptabel. 7 Siehe Kinder, die prinzipiell kein KT effektiv betreiben können (das männliche Sexualhormon Testosteron fehlt bis zur Pubertät), können nach einigem Üben plötzlich Liegestütze. Dieses liegt nicht am Muskelaufbau, sondern an der erlernten Koordination. 5-15

290 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Gesunderhaltung des Individuums Training stellt eine Belastung dar. Diese Belastung gilt es so zu dosieren, dass eine Anpassung (form follows function) stattfindet, ohne dass Dysbalancen oder Fehlbelastungen zustande kommen. Krafttraining sollte im Allgemeinen ein Muskelwachstum beinhalten und kann somit einen Beitrag zur Gewichtskontrolle 9 leisten. Krafttrainig sollte die im Ju-Jutsu-Training vorhandenen Belastungen ergänzen. Häufig wird z. B. der Brustmuskel im Ju-Jutsu genutzt, während die Antagonisten wie z. B. Trapezius und Rhomboidus wenig genutzt werden. Krafttraining muss also insbesondere diese Muskeln ansprechen. Neben der Kraft, die über das Gelenk auf ein Körperteil aufgebaut werden kann, muss auch die Stabilität des Gelenkes selbst sichergestellt werden. Dieses kann durch das Training der Stabilizer erreicht werden. Normales Krafttraining spricht im Wesentlichen die Mobilizer an. Das Stabilisieren der Gelenke muss aber in Bewegungen erfolgen, somit reicht ein statisches Training nicht aus Unterstützung der Ju-Jutsu-Techniken Normales Krafttraining isoliert Muskeln im Training. In der Anwendung werden Muskeln aber im Zusammenspiel mit anderen Muskeln gebraucht. Die Anwendung lässt sich durch funktionelles Krafttraining fördern Allgemeines zum Krafttraining Anfänger trainieren mit dem eigenen Körpergewicht Umfang und Intensität des Krafttrainings richtet sich nach dem Trainingszustand. Bei Ungeübten ist ein umfangsbetontes allgemeines Training erforderlich, der Schwerpunkt liegt mehr auf Koordination und Ausdauer, da dieses die Voraussetzungen für alles Weitere sind. Anfänger werden mit dem eigenen Körpergewicht belastet, die Phase sollte nicht zu schnell übergangen werden. Es muss sich erst ein Muskelkorsett ausbilden, und der passive Bewegungsapparat muss sich anpassen können. Je trainierter man ist, desto spezieller werden dann die Kraftübungen. Trotzdem dürfen sich muskuläre Disbalancen nicht einstellen, also auch das kräftigen, was zum Bremsen, zum kontrollierten Ausführen wichtig ist! Für das Krafttraining gelten einige Grundsätze. Sie verhindern, dass sich der Muskel zu schnell an die Beanspruchung gewöhnt und somit Trainingserfolge langsamer erreicht werden: 9??? 5-16

291 5.3. Krafttraining (KT) verschiedene Übungen für den gleichen Muskel nutzen; Belastungswechsel: auch mal extrem wenig Gewicht, dann etwas mehr als gewohnt; Tempowechsel: mal langsamer, mal schneller arbeiten; positiv und negativ dynamische Belastungen wählen; trainiert werden erst die großen Muskeln, dann die kleinen; ca. 3-6 Muskelgruppen während eines Trainings ansprechen. Da beim Krafttraining immer mehr Gewicht benötigt wird, ist besonders auf eine korrekte Bewegung zu achten, um speziell die Wirbelsäule und die Knie nicht zu schädigen. Also beim Bankdrücken auch den Bauch anspannen, um ein Hohlkreuz zu vermeiden. Übungen im Stand sind besser als im Sitzen oder Liegen, da die Bein-, Bauch und Rückenmuskulatur auch angepasst wird, es darf aber kein Hohlkreuz zum Ausweichen genutzt werden. Allgemein sind Kraftübungen langsam auszuführen, also mit bewusster muskulärer Führung. Nur so ist eine Fehlbelastung von Bändern, Sehnen und Gelenken zu vermeiden. Nach einem Krafttraining kann gedehnt werden. Im Allgemeinen braucht ein Muskel 48 Std., um sich zu erholen. Der Muskelkater 10 ist ein gutes Zeichen, um den Erholungsund Aufbauzustand eines Muskels bewerten zu können. Ist ein Muskelkater vorhanden, so hat sich der Muskel noch nicht wieder regeneriert und auch ein Aufbau hat noch nicht stattgefunden. Ein Übertraining sollte vermieden werden, also ist mit einem Muskelkater kein erneutes Krafttraining sinnvoll. Saubere Bewegungen, auf Knie und Wirbelsäule achten Muskelkater noch nicht wieder trainieren Funktionelles Krafttraining (Schlingentraining) Im Krafttraining wird meist danach gestrebt, einzelne Muskeln mit verschiedenen Übungen gezielt und isoliert zu trainieren. Aber sportliche Bewegungen laufen über Muskelschlingen und leben vom Zusammenspiel verschiedenster Muskeln. In neueren Untersuchungen wurden die Muskelaktivitäten verschiedener Muskeln einer mehrgelenkigen Übung ermittelt. Hierbei ergab sich, dass die Verhältnisse der Aktivitäten keinesfalls bei den Probanden gleich oder vergleichbar waren. Desweiteren heißt auch doppelte Belastung keinesfalls überall eine doppelte Aktivität der Muskeln, was aus einer einfachen Vorstellung zu erwarten wäre. Daraus könnte man folgern, dass mehrgelenkige Übungen keinesfalls für ein gezieltes Krafttraining geeignet sind, jedoch ist die Umkehr passender, dass ein Training einzelner, isolierter Muskeln nicht geeignet ist, komplexe Bewegungen wie Ju-Jutsu-Techniken besonders wirkungsvoll zu unterstützen. Ein funktionelles Krafttraining baut auf sportartspezifischen Bewegungen auf, die durch zusätzliche Gewichte, kontrolliert langsame Bewegungen oder hohe Wiederho- 10 Siehe

292 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE lungszahlen zu einem Krafttraining ausgebaut werden. Wichtig ist dabei eine gesundheitsschonende Ausführung und ein Ausgleich, damit keine Dysbalancen entstehen. Gerade in der letzten Zeit sind durch das Kettlebell- und Clubbelltraining alte Übungen wiederentdeckt worden, die das funktionelle Krafttraining bereichern Ausgleich der Belastungen durch das Ju-Jutsu Krafttraining eignet sich sehr gut als Ausgleich zum Ju-Jutsu, um muskulären Dysbalancen entgegenzuwirken. Insbesondere die innere Bauchmuskulatur, der Kapuzenmuskel, der Rautenmuskel und die Außenrotatoren der Rotatorenmanschette sind als Ergänzung sinnvoll Propriozeptives Training der «stabilizer» Gemäß des biologischen Gesetzes «form follows function» muss man genau das machen, woran sich der Organismus anpassen soll. Die «stabilizer» sind Muskeln, die dem Stabilisieren des Gelenke dienen. Sie überspannen meist nur ein Gelenk. Propriozeption ist die Eigenwahrnehmung der Gelenke. Bei Bewegung der Gelenke erregen die in den Bändern eingelagerten Sensoren direkt über das Rückenmark die Muskeln so, dass einer möglichen Fehlbelastung entgegen gewirktwird. Ein solches Training muss also langsam ausgeführt werden und die Bewegungen können komplex sein. Weiterhin sollte die Übung «wacklig» sein, ggf. muss die Übung durch Luftkissen oder wacklige Untergründe erschwert werden Methoden zur Muskelquerschnittsvergrößerung Das Training nach diesen Methoden wird auch Hypertrophietraining genannt. Hypertrophie bezeichnet das Wachstum, in diesem Fall das Dickenwachstum der Muskulatur. Nötig sind submaximale Kontraktionen 11 bis zur Erschöpfung. Die Belastung ist so groß zu wählen, dass nach Sek., also noch während der alaktaziden 12 Energiebereitstellung, der Muskel erschöpft ist. Hieraus ergibt sich die nötige Belastung mit 80-90% der Maximalkraft bei 8-12 Wiederholungen. Es ist nicht nötig, in Tests die Maximalkraft zu ermitteln. Nach ein bis zwei Sätzen lässt sich das benötigte Gewicht ermitteln. Zusammenfassend ergibt sich folgender Aufbau einer Übungseinheit für einen Muskel: 11 Wiederholungen ohne maximale Beanspruchung. Also sind mehr als eine Wiederholung möglich. 12 Energiegewinnung ohne die Produktion von Milchsäure (Laktat). Hierzu kann der Sauerstoff im Muskel gespeichert sein oder bei Ausdauerbelastungen über den Blutkreislauf herantransportiert werden. 5-18

293 5.3. Krafttraining (KT) 3-6 Sätze aufgeteilt auf 1-3 Übungen, 8-12 Wiederholungen, max. 3 min Pause zwischen den Serien. Um den Muskel noch weiter zu belasten, existieren weitere Tricks: Erzwungene Wiederholungen (forced reps) Der Partner ermöglicht weitere Kontraktionen bei minimaler Hilfestellung. Negative Wiederholungen (negative reps) Einfache Belastung auf dem Hinweg, zusätzliches Gewicht (bis 125% MK) erzwingt den Rückweg. Die Wirkungsweise lässt sich mit dem Muskeldehnungsreflex 13 erklären, durch den mehr Muskelzellen als die willkürlich aktivierbaren angesprochen werden, um den Muskel zu schützen. Super-Serie (super set) verschiedene Interpretation: mit einer Serie den Agonisten, sofort danach den Antagonisten trainieren. 2 Serien mit verschiedenen Übungen für einen Muskel 2 Serien mit kleiner Pause (25 Sek.). Wiederholungen mit nicht maximalem Belastungswinkel (burns) Eine Wiederholung wird nicht in der Ausgangsposition begonnen und nicht in die Endposition weitergeführt, der Muskel wird also nur in günstigen Winkeln belastet. Somit sind weitere Wiederholungen und damit ein Mehr an Beanspruchung möglich. Mogelnde Wiederholungen (cheatings) Mit Ausweichbewegungen werden zusätzliche Muskelgruppen angesprochen. Somit sind weitere Wiederholungen möglich. (ACHTUNG: Schummeln darf keine Schädigung nach sich ziehen!) Vorermüdung 2 Muskeln werden mit einer Übung trainiert. Einer davon wird mit einer anderen Übung vorermüdet Training der intramuskulären Koordination Mit dem Training der intramuskulären Koordination (IK-Training) minimiert man die Kraftdifferenz zwischen AK und MK. Bei gleichbleibender Muskelmasse steht also mehr 13 Siehe

294 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Kraft zur Verfügung. Gearbeitet wird mit maximaler Belastung, also %, und mit vollständigen Pausen. Hieraus ergeben sich: 3-5 Sätze, maximal 5 Wiederholungen, Pause von über 3 min. IK-Training setzt eine schon ausgebildete Muskulatur und korrekte Bewegungsausführung wegen des hohen Gewichtes voraus. Das IK-Training ist für Anfänger ungeeignet! Training der Schnellkraft Für schnelle Techniken ist sowohl intermuskuläre als auch intramuskuläre Koordination wichtig. Bei komplexen Techniken überwiegt die intermuskuläre Koordination. Aber besonders bei einfachen azyklischen Bewegungen ist die intramuskuläre Koordination wichtig. Somit sind effektive Trainingsmethoden für Schnellkraft das IK-Training und das Reaktivkrafttraining. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass durch Hypertrophietraining zwar Schnelligkeit abgebaut wird, aber das nach dem Aussetzen des Hypertrophietrainings die schnellen Muskelfasern vermehrt aufgebaut werden, sodass ca. 4 Wochen später ein merklicher Zugewinn an Schnelligkeit zu verzeichnen ist 14. Bis noch vor kurzer Zeit wurde zum gezielten Aufbau die folgende Methode verwendet: 2-3 Übungen pro Muskel, 3-5 Serien, 5-10 Wiederholungen in maximaler Geschwindigkeit gegen geringes Gewicht, gefolgt von vollständigen Pausen. Je nach Gewicht unterscheidet man intensive (50-70%) oder extensive (20-50%) Schnellkraftmethode. Die Wirkung der Schnellkraftmethode konnte nicht belegt werden. In vielen Lehrbüchern wird die Schnellkraftmethode nicht mehr aufgeführt Kraftausdauer Unter Kraftausdauer versteht man die Resistenz eines Muskels gegen Ermüden. Man arbeitet zügig gegen geringes Gewicht (20-50%): 14??? Verweis 5-20

295 5.3. Krafttraining (KT) 3-6 Sätze aufgeteilt auf 1-3 Übungen ca. 20 Wiederholungen, max. 1-2 Min Pause. Das Kraftausdauertraining steigert nicht nur die Kapillarbildung im Muskel, sondern es fördert auch den passiven Bewegungsapparat. Knorpel werden dicker und gleitfähiger, Sehnen, Bänder und Knochen stabiler. Es sollte also somit auch zur Vorbereitung für das Maximalkrafttraining betrieben werden (6 Wochen Kraftausdauer, dann Maximalkraft). Zusätzlich können beim Kraftausdauertraining Bewegungen gefahrloser geübt werden, da weniger Gewicht genutzt wird. Koordinativ anspruchsvolle Kraftübungen sollten durch Kraftausdauertraining vorbereitet werden Reaktivkrafttraining Als Reaktivkraft bezeichnet man die Kraft, die benötigt wird, um einen Dehnungszyklus wieder in eine Beschleunigung, also einen Verkürzungszyklus umzukehren. Reaktivkraft ist eine Kombination von exzentrischer und konzentrischer Kraft bei explosiver Ausführung. Ein Beispiel für Reaktivkrafttraining ist ein Niedersprungtraining, also etwas herunterspringen, um anschließend wieder hochzuspringen. Sowohl die exzentrischen Bewegung als auch die explosive Ausführung machen dieses Training sehr belastend für den gesamten Bewegungsapparat. Von einem Muskelkater ist auszugehen. Dauerhafte Verletzungen sind bei Trainierten möglich, bei Untrainierten wahrscheinlich. Dieses Training ist also für Beginner nicht angemessen. Trainiert wird wie folgt: 2-3 Übungen pro Muskel, 3-5 Sätze mit Wiederholungen, bis zu 10 (!) Minuten Pause. Durch die Bewegungsstruktur ergeben sich teilweise Belastungen von über 100% der willkürlich nutzbaren Leistung! Höchste Belastung Bewegungsapparates Nicht für Anfänger geeignet des Beispiel für eine kurze Einweisung ins Krafttraining Im Folgenden gebe ich eine paar Anregungen, um jemanden schnell in ein selbstbestimmtes Krafttraining einzuweisen. Die Einweisung kann mit einer Einzelperson in einer Stunde ablaufen. Für ein Training sind zumindest 2 weitere Faktoren unabdingbar, Pausen (damit der Körper sich Erholen und Aufbauen kann 15 ) und eine vernünftige Ernährung (damit der 15 Siehe Unterabschnitt Training Pausen Ernährung 5-21

296 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Kraftausdauer vor Hypertrophie Periodisierung Agonist und Antagonist trainieren Körper das bekommt, was er braucht, also 70% bis 80% Kohlenhydrate, 20% bis 30% Eiweiß, kaum Fett außer essenzielle und für die Aufnahme von Vitaminen notwendige). Kommen wir also zum Training. Damit auch der passive Bewegungsapparat mit seiner Anpassung nicht zurückbleibt, beginnt ein Krafttraining mit einer Phase der Kraftausdauer. Innerhalb der 2-3 Monate erwirbt man die Fertigkeiten, die Übungen sauber und gesundheitsschonend auszuführen. Gleichzeitig erarbeite ich mir die Fähigkeit, mehr Energie dem Muskel zur Verfügung stellen zu können. Das Aussehen wird definierter, man sieht einzelne Muskeln. Hierdurch gestärkt wende ich mich die nächsten 2-3 Monate einem Hypertrophietraining zu, Muskeln wachsen, die Maximalkraft nimmt zu. Nach dieser Phase fange ich wieder mit der 1. Phase an. Jetzt kann man auch mit neuen Übungen ausdauerorientiert anfangen. Bleibt noch die Frage, welche Muskeln ich trainieren soll. «Mann» guckt meist in den Spiegel und trainiert die Muskeln, die er erblickt. Das wären Brust, Bauch, Bizeps, Latissimus und manchmal Beinstrecker. Wird ein solches Training dann einige Zeit durchgezogen, ergibt sich meist die Körperstruktur eines «Semiprimaten». Die Schultern fallen nach vorn, der Rücken wird rund, die Arme lassen mehr einen Affen als einen Menschen erahnen. Zu allem Überfluß schaut Mann nicht gerne immer nach unten, also wandert der Kopf nach oben, Verspannungen und Kopfschmerzen sind vorprogrammiert. Um diesen beschriebene Dysbalancen vorzubeugen, trainiere ich in Blöcken, die auch den jeweiligen Gegenspieler beinhalten: 1. Bauch - unterer Rücken 2. Beinstrecker - Beinbeuger 3. Brust - Trapezius 4. Latissimus - Delta 5. Bizeps - Trizeps Trainiere ich jeden dieser Blöcke mindestens 2 mal pro Woche, so sind Dysbalancen schon fast ausgeschlossen. Das Krafttraining ist natürlich eingebettet in einen äußeren Rahmen: 1. Aufwärmen (15 Minuten bei geringer bis mittlerer Intensität) 2. Belastung (also Krafttraining) 3. Abwärmen (den Kreislauf nochmals in Gang bringen) 4. Dehnen Mit dieser Einweisung und auch ein paar Übungen sollte ein förderndes und fordendes Training schon fast selbstständig geplant werden können. 5-22

297 5.3. Krafttraining (KT) Anmerkungen zum Krafttraining Diese Zusammenstellung ist keinesfalls vollständig, Abweichungen sind sogar schon unter den genannten Quellen vorhanden. Sie soll lediglich eine Orientierung geben und muss den aktuellen Erkenntnissen entsprechend angepasst werden. Fragen zur Selbstkontrolle Erkläre die Begriffe Maximalkraft und Absolutkraft! Was ist die physiologische Wirkung von Kraftausdauertraining? Was ist die physiologische Wirkung von Hypertrophietraining? Warum sollte dem Hypertrophietraining ein Kraftausdauertraining vorangehen. Weiterführende Fragen Erkläre den Einfluss von IK-Training und Hypertrophietraining auf die Maximalkraft! Bewerte Risiko und Nutzen von IK-Training und Reaktivkrafttraining für einen Hobbysportler und eine Leistungssportlerin! 5-23

298 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.4 Ausdauertraining (AT) Einige Begriffe Ausdauer: Die Fähigkeit, Ermüdungen zu widerstehen. Es kann sich um geistige, sensorische, emotionale oder physische Ermüdung handeln. Die Trainingslehre befasst sich hauptsächlich mit der physischen Ermüdung. Globale Ausdauer: Ausdauer, bei der mehr als 1/6 der Muskelmasse beteiligt ist. Begrenzender Faktor ist hierbei das Herz-Kreislauf-System (HKS). Lokale Ausdauer: Ausdauer eines einzelnen Muskels. Der begrenzende Faktor ist hierbei meist die Kraftausdauer des Muskels. Aerobe Ausdauer: Ausdauer, die erbracht wird, ohne das Laktat produziert wird. Somit steht hinreichend viel Sauerstoff für den Stoffwechsel zur Verfügung. Anaerobe Ausdauer: Ausdauer, die erbracht wird, während Laktat produziert wird. Es steht also nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung. Allgemeine Ausdauer: Sportartübergreifende Ausdauer. Spezielle (spezifische) Ausdauer: Diese Ausdauer ist z. B. auf die Rundenzeiten begrenzt. Vollständige Pause: (auch echte Pause) Rückgang der Pulsfrequenz auf die, die vor der Belastung existierte. Lohnende Pause: umfasst 1/3 der Zeit der vollständigen Pause. Der Körper hat sich also von der Belastung zwar noch nicht vollständig aber größenteils erholt (man traut sich die Belastung ein weiteres Mal zu). Es existiert ein grober Richtwert bezüglich der Herzfrequenz von 120 Schlägen pro Minute, ab dem eine erneute Belastung begonnen wird. Würde statt einer lohnenden eine vollständige Pause gemacht, so würde die Trainingsintensität wesentlich verringert. Das Ausdauertraining beschäftigt sich mit der Verbesserung der Energiegewinnung bzw. Energiebereitstellung. Durch das Ausdauertraining werden einige Organe angepasst: Atmung und Lunge: (Nur bei Jugendlichen Zunahme des Lungenvolumens) ansonsten Verbesserung der Atemeffektivität durch Stärkung der Atemmuskulatur und Vergrößerung der Atemtiefe. 5-24

299 5.4. Ausdauertraining (AT) Herz: Stärkung der Herzmuskulatur (Boxerherz), Zunahme des Herzvolumens. Blut: Zunahme der Blutmenge und Zunahme des Hämoglobingehalts (Rote Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren). Kapillarisierung: kleinste Blutgefäße in der Muskulatur werden vermehrt, bis zu 40% mehr! Wiederholungsmethode (Verbesserung der Kurzzeitausdauer) Reizintensität: % Reizdauer: 30s bis etwa 90s Pause: Vollständig Reizumfang: 1-6 Wiederholungen Wichtigste Wirkung: Vergrößerung der Energiereserven intensive Intervallmethode Reizintensität: 80-90% Reizdauer: 40s bis etwa 180s Pause: Vollständig. Reizumfang: Wiederholungen Wichtigste Wirkung: Herzmuskulatur stärken extensive Intervallmethode Reizintensität: 60-80% Reizdauer: 30s bis etwa 15min Pause: Unvollständig aber lohnend. Reizumfang: Wiederholungen Wichtigste Wirkung: Kapillarisierung und anaerobe Kapazität Dauermethoden Reizintensität: 70-95% Reizdauer: >30min Pause: keine Reizumfang: 1 mal 5-25

300 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Wichtigste Wirkung: Extensiv: Fettstoffwechseltraining / Intensiv: Vergrößerung der Glykogenspeicher und Verbesserung der Glykogenverwertung. 5-26

301 5.5. Schnelligkeitstraining (ST) 5.5 Schnelligkeitstraining (ST) Einige Begriffe: Schnelligkeit Fähigkeit, Bewegungen schnell auszuführen, Ansteuerung der Muskulatur aber auch Kraft sind entscheidend. Zyklische Schnelligkeit Sich wiederholende Bewegungen schnell ausführen können, wobei die Bewegungsphasen miteinander verschmelzen. Azyklische Schnelligkeit Einzelne separate Bewegungen schnell ausführen können «Das» Training der Schnelligkeit existiert nicht! Um jemanden schneller zu machen, muss man genauer untersuchen, warum er langsam ist. Nehmen wir das Beispiel eines 100-Meter-Sprinters: Der 100-Meter-Sprint lässt sich in mehrere Phasen unterteilen, die unterschiedlich trainiert werden müssen. 1. Reaktionsphase Training der Reaktionsschnelligkeit 2. Beschleunigungsphase Training der Antrittsschnelligkeit (Intramuskuläre Koordination übergehend in Schnellkraft) 3. Phase der Beibehaltung der Geschwindigkeit Training der Aktionsschnelligkeit (insbesondere Trittschnelligkeit und anaerobe Ausdauer) Deutlich wird die enge Verbindung der Schnelligkeit mit dem Kraft- und Ausdauertraining auf der einen und den Koordinationselementen auf der anderen Seite. Da die Schnelligkeit koordinativ belastend ist, sind höchste Intensitäten, aber vollständige Pausen notwendig. Der Umfang darf nicht zu groß werden, sodass die Ausführungsgeschwindigkeit nicht unter einer Ermüdung leidet. Als klassische Methoden für ein Schnelligkeitstraining könnten zählen: Training der Reaktionsschnelligkeit: Gekonnte Bewegungen schnell auf ein Zeichen hin ausführen, die Wahrnehmung für diese Zeichen trainieren (bei Spielen z. B. schnelleren Ball verwenden) Training der Aktionsschnelligkeit: Um eine Verbesserung der intermuskulären Koordination zu erreichen, muss die 5-27

302 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Grundtechnik beherrscht werden! Leichte Abwandlungen werden trainiert, um das Muskelzusammenspiel weiter zu verbessern 16. Training der azyklischen Schnelligkeit: siehe auch Krafttraining: Reaktivkrafttraining oder IK-Training. Letztendlich setzt sich die Schnelligkeit eines Sportlers aus vielen Teileigenschaften zusammen. 1. Handlungsschnelligkeit Schnellstmöglich und effektiv handeln, unter Nutzung der technischen, taktischen, konditionellen und koordinativen Möglichkeiten. 2. Aktionsschnelligkeit Aufzufassen als angewandte Bewegungsschnelligkeit 3. Reaktionsschnelligkeit Schnell auf Situationen reagieren können. 4. Bewegungsschnelligkeit Zyklische und azyklische Bewegungen schnell ausführen können 5. Entscheidungsschnelligkeit Schnell aus einer Vielzahl an Alternativen wählen können. 6. Antizipationsschnelligkeit Schnelles Erahnen von Situationen. 7. Wahrnehmungsschnelligkeit Schnell Information über die Sinnesorgane wahrnehmen können. Die «klassische» Auffassung von Schnelligkeit geht davon aus, dass der Weg zwischen zwei Punkten in der kürzest möglichen Zeit zurückgelegt wird. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Auffassung lässt aber außer Acht, dass wir die Schnelligkeit in einer Zweikampfsituation brauchen. Für unseren Gegner gelten die gleichen Schnelligkeiten wie für uns, somit muss er unsere Bewegung wahrnehmen und unser Vorhaben antizipieren. Die Wahrnehmung lässt sich jedoch täuschen, sodass eine objektiv langsame Bewegung für unseren Gegner schnell wirkt. Beim Training der Schnelligkeit muss darauf geachtet werden, unterschiedliche Bereiche der Schnelligkeit zu trainieren. Ein Training der Bewegungsschnelligkeit ist nicht ausreichend. 16 Siehe auch «graduelle Annäherung» in Unterabschnitt

303 5.5. Schnelligkeitstraining (ST) Fragen zur Selbstkontrolle Was sind zyklische und azyklische Schnelligkeit? Was wird im Ju-Jutsu insbesondere gebraucht? Weiterführende Fragen Ein Sportler möchte schneller schlagen und fragt deshalb nach einem IK-Training für den Trizeps. Welchen Rat gibst du? Kommentiere folgende Übung in Hinblick auf das Schnelligkeitstraining: Ein Partner, der mit dem Rücken zu uns steht, soll sich auf Zuruf umdrehen und auf eine Pratze schlagen, die wir ihm hinhalten. 5-29

304 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.6 Beweglichkeitstraining Was ist Beweglichkeit? Beweglichkeit ist die Fähigkeit, den Bewegungsraum (BR), den die passiven Strukturen (Knochen und Bänder) ermöglichen, möglichst weit zu nutzen. Die passiven Strukturen dürfen nicht verändert werden. Die Nutzung des Bewegungsraumes wird durch die Dehnungsspannung, die Toleranz gegenüber der Dehnungsspannung und der Muskellänge begrenzt. Wozu braucht man Beweglichkeit? Gute Beweglichkeit verringert die Notwendigkeit, über möglicherweise schädigende Ausgleichsbewegungen benötigte Positionen einzunehmen 17. Sie stellt das kontrollierte Bewegen in einem größeren Bewegungsumfang sicher. Dehnen senkt nicht den Muskeltonus Entwicklung des Beweglichkeitstrainings Bis ca gab es kaum systematisierte Konzepte zum Dehnen. Gedehnt wurde meist dynamisch mit teils sehr großen Bewegungsamplituden («Balistisches Dehnen»). Nun begann eine «dogmatische Phase», in der dieses Dehnen kritisiert wurde. Das passive, statische Dehnen und später weitere statische Methoden wurden propagiert. Begründet wurde dieses damit, dass der Muskel-Dehn-Reflex beim dynamischen Dehnen verhindert, dass sich der Muskel entspannt und somit gedehnt wird. Ab ca wurden in mehreren Versuchen bisherige Behauptungen widerlegt. Es kann weder ein Dehnrückstand 18 festgestellt werden, noch kann mit den statischen Dehnmethoden der Dehnreflex des Muskels ausgetrickst werden. Ebenso wurde widerlegt, dass sich die Spannung im Muskel über Dehnen wirksam verringern lässt. In aktuellen Versuchen konnte ein Längenwachstum der Muskulatur bestätigt werden, indem ein Muskel im gedehnten Zustand immobilisiert wurde. Dieses Längenwachstum ist vollständig reversibel. Die beim Krafttraining und manchmal auch beim Dehnen beobachtbare Zunahme der Dehnspannung lässt sich vermutlich auf die Zunahme der Titinfilamente zurückführen, die wie eine Feder wirken und den Muskel wieder in die optimale Arbeitslänge zurückziehen. Auch wenn die Wirkung des Dehnens auf den Muskel nicht abschließend geklärt ist, ist ein Dehnen für den Sport aus funktioneller Sicht sinnvoll, um schädliche Ausgleichsbe- 17 z. B. ist es möglich, mit einer tiefen Kniebeuge Gewichte mit geradem Rücken zu heben. 18 Dehnrückstand: ein Muskel, der gedehnt wurde, zieht sich nicht mehr auf seine ursprüngliche Länge zurück. Dieses passiert nur dann, wenn der Muskel auf über 200% gedehnt wird, was nur in Versuchen an isolierten Muskeln geschehen kann und auf eine Zerstörung der funktionellen Einheiten hinweist. [KW99] 5-30

305 5.6. Beweglichkeitstraining wegungen zu vermeiden. Nachgewiesen werden konnte eine Verlagerung des optimalen Bereiches durch Belastungen in anderen Bereichen. Dieses folgt dem allgemeinen biologischen Gesetz «die Funktion bestimmt das Organ» Methoden des Dehnens Die folgenden Dehnmethoden beruhen auf Erfahrung von Aktiven, ihre bisherigen wissenschaftlichen Begründungen wurden widerlegt, ihre Wirksamkeit konnte aber in Untersuchungen zum Teil bestätigt werden. Die Dehnmethoden können auch kombiniert werden. In Hinblick auf untersuchte Effektivität ist insbesondere die Kombination von Anspannung und aktiv statischem Dehnen (CR-AC) zu erwähnen Dynamisches Dehnen (DD) Das dynamische Dehnen wurde mit Aufkommen des Stretching verteufelt. Mittlerweile ist es aber wieder rehabilitiert und ist eine sehr wirkungsvolle Dehnmethode. In die Dehnposition wird mit leichten Wippbewegungen gearbeitet Wiederholungen Passives, statisches Dehnen (SD) langsam, ohne Schmerzen, zum Ende der passiven Bewegungsamplitude dehnen Sek. halten Pause von Sek., andere Muskeln dehnen, z. B. den Antagonisten. 3-5 mal wiederholen. Ist der Dehnungsreflex ausgeschaltet, so lässt der Zug nach ca. 4 Sek. nach, sobald der Zug ganz nachlässt, weiter dehnen nicht federn oder wippen, konzentrieren auf die Dehnung, ruhig atmen und bewusst entspannen Aktives, statisches Dehnen (AC) anfangen wie beim passiven, statischen Dehnen dann aktiv den Antagonisten anspannen (über die reziproke Hemmung wird der Agonist entspannt) Sek. halten 5-31

306 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE gleichlange Pause 2-3 mal wiederholen konzentrieren auf Dehnung, ruhig atmen und bewusst den Muskel entspannen, den Antagonisten anspannen Anspannungs - Entspannungs - Dehnen (CR) Muskel langsam in Endstellung dehnen 6-10 Sek. isometrisch anspannen 10 Sek. in neuer Endposition dehnen 2-3 mal wiederholen, konzentrieren auf Dehnung, bewusst während der 10 Sek. entspannen, ruhig atmen Wirksamkeit der Dehnmethoden Die Frage, welche Dehnmethoden die effektivste ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es müssen die Ziele unterschieden werden, die erreicht werden sollen. Anwendung Kurzzeitwirkung, passiver BR AC CR-AC DD CR SD Kurzzeitwirkung, aktiver BR CR-AC AC CR, DD SD Langzeitwirkung, passiver BR CR-AC CR DD SD AC Langzeitwirkung, aktiver BR CR-AC DD AC SD CR Eine kurzzeitige Wirkung hält bis zu 30 Minuten vor. Langfristige Dehnerfolge sind nur bei wiederholtem regelmäßigen Dehnen zu erhoffen. Neben der reinen Wirksamkeit des Dehnens sind auch die Nebenwirkungen auf andere konditionelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Das statische, passive Dehnen (SD) senkt nachweislich kurzzeitig die Kraft und die Schnelligkeit von Muskeln, während das dynamische Dehnen keinen Einfluss auf die Schnellkraft hat. Langfristige Auswirkungen sind bisher nicht zuverlässig untersucht Welche Muskeln dehnen, welche kräftigen? Durch das Widerlegen der Möglichkeit, den Muskeltonus durch das Dehnen zu senken, ist das Dehnen wenig geeignet, muskuläre Dysbalancen zu beseitigen. Ein Krafttraining für den Antagonisten des vermeintlich verkürzten Muskels ist zu bevorzugen. Durch Training, habituelle Haltung und Arbeit werden insbesondere folgende Muskeln trainiert: 5-32

307 5.6. Beweglichkeitstraining Top Ten der häufig gut trainierten Muskeln Hintere Unterschenkelmuskulatur Vordere Oberschenkelmuskulatur Hintere Oberschenkelmuskulatur Vordere Hüftmuskulatur Innere Hüftmuskulatur Hintere Hüftmuskulatur Rückenmuskulatur Seitliche Rumpfmuskulatur Brustmuskulatur Schultergürtelmuskulatur Gleichzeitig werden folgende Muskeln meist zu wenig beansprucht: Liste der zu kräftigenden Muskeln Kapuzenmuskel (M. trapezius) - aufsteigender und mittlerer Anteil Vorderer Sägemuskel (M. serratus anterior) Äußerer schräger Bauchmuskel (M. obliquus externus abdominis) Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis) Vorderer Schienbeinmuskel (M. tibialis anterior) Alle Gesäßmuskeln (M. gluteus medius, minimus, maximus) Strecker der Wirbelsäule (Brustwirbelsäule) (tief) (M. erector spinae) Sämtliche Fußmuskeln 5-33

308 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.7 Gymnastikformen Schädliche Bewegungsformen Training und nochmehr Training ist das Mittel, um weiter zu kommen. Aber gerade bei intensivem Training ist es wichtig, Verletzungen und langfristige Schäden zu vermeiden. Moderne Trainingsmethoden sollten solchen Verletzungen vorbeugen. Eine moderne Trainingslehre verhindert die langfristigen Schäden. Das Argument, gewisse Übungen haben wir schon immer gemacht, ist nicht schlüssig, um eine Übung zu rechtfertigen, denn schädliche Wirkungen einzelner Übungen können sich, zuerst unbemerkt, über Jahre hinweg addieren. Einige Menschen können potentiell krankmachende Übungen ausführen, ohne je eine Beeinträchtigung dadurch zu erfahren. Bei anderen reichen schon wenige Wiederholungen aus, um langfristige oder gar irreparable Schäden am Bewegungsapparat hervorzurufen. Um eine Übung hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Folgen beurteilen zu können, bieten sich 3 Schritte an: 1. Was soll die Übung bezwecken? 2. Welche Nebenwirkungen auf den passiven Bewegungsapparat hat sie? (Werden die Gelenke ihrer Funktion entsprechend eingesetzt?) 3. Welche Nebenwirkungen auf den aktiven Bewegungsapparat hat sie? (Wird auch wirklich der Zweck erfüllt?) Krankmacherübungen Abbildung 1 zeigt eine Überlastung des Kniegelenks. Durch das Aufliegen auf der Wade wird das Kniegelenk auseinandergehebelt. Abbildung 2 zeigt ein Schädigung der Kniebänder und der Menisken. Das Kniegelenk ist für keine Seitwärtsbewegung ausgelegt. Die Bänder sollen das Knie stabilisieren, dürfen also nicht gedehnt werden. Abbildung 3 zeigt, wie ein zu starkes Hohlkreuz erzwungen wird. Abbildung 4 zeigt, wie die Lendenwirbelsäule zu stark in die Lordose 19 gezogen wird. Abbildung 5 zeigt, wie durch Schwung der Beine die Bauchmuskeln nicht mehr gehalten werden können, und der Hüftbeuger die Wirbelsäule zu stark in die Lordose zieht. Abbildung 6 zeigt eine Überlastung der Halswirbelsäule. Die Wirbel werden fast durch das gesamte eigene Körpergewicht schief zusammengepresst. 19 Siehe

309 5.7. Gymnastikformen Abb. 5.4 Krankmacherübungen 5-35

310 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE 5.8 Einige Übungen Im folgenden einige Übungen, die sich in der Praxis bewährt haben Übungen zum Kräftigen??? Ganzkörperübungen??? Übungen zum Dehnen??? 5-36

311 5.8. Einige Übungen Kräftigungsübungen für die Bauchmuskulatur Abb. 1 Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominus) (Abb.1 & Abb.2) Vorgebeugt den Rücken einrollen und wieder strecken. Der Bauch bleibt dabei immer angespannt. Wichtig ist es einzurollen und nicht in der Hüfte abzubeugen! Abb. 2 Innere (unterer) Bauchmuskeln (M. obliquus internus abdominis) (Abb.3) Auf dem Boden liegend die Hüfte senkrecht leicht anheben. Die Arme dürfen dabei auch neben dem Körper liegen. Die Bezeichnung "unterer" Bauchmuskel, die häufig zu findet ist, beruht darauf, dass beide inneren Bauchmuskeln angespannt werden. Das Spannungsgefühl ist dadurch im unteren Bauch. Abb. 3 Gerader Bauchmuskel und innere Bauchmuskeln: (M. rectus abdominis, M. obliquus internus abdominis) (Abb. 4) Ein aufgerolltes Handtuch liegt ungefähr auf Höhe des Beckenkamms. Die Position ist richtig, sobald beim Einrollen des Oberkörpers man instabil auf der Rolle liegt. Zusätzlich zum Einrollen des Oberkörpers (vergleichbar zu Abb. 1 und Abb. 2) kippt hierbei auch noch die Hüfte nach oben (vergl. Abb. 3) Abb. 5 Abb. 4 Innerer & äußerer Bauchmuskel (M. obliquus externus abdominis & M. obliquus internus abdominus) (Abb. 5 und Abb. 6) Den Oberkörper verdrehend einrollen. Dabei arbeiten der äußere und der gegenüberliegende innere Bauchmuskel. Die Übung mit dem Theraband ist wesentlich einfacher und besser steuerbar. Bei der Übung mit der Bank darauf achten, dass das obere Bein vorne ist. Abb. 6 Claudia Weber & Lasse Ristig Abb. 5.5 Gymnastik

312 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Kräftigungsübungen für die Hüftmuskulatur Adduktoren (M. lastissimus dorsi) (Abb.1 & Abb.2) Funktion: Heranführen (Adduktion) des Beines. Abb. 1: Den Petziball mit den Oberschenkeln zusammendrücken. Hierbei die Füße mitbewegen, sonst wird das Kniegelenk verdreht. Abb. 2: Das getreckte, angespannte Bein gegen den Zug heranführen. Es ist auch möglich, das Theraband über dem Kniegelenk ansetzen zu lassen. Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abduktoren (mittlerer und kleiner Gesäßmuskel) (M. gluteus medius, M. gluteus minimus) (Abb.3 & Abb.4) Funktion: Wegführen (Abduktion) des Beines. Abb. 3: Gegen den Druck des/der Partners/in nach innen werden die Oberschenkel nach außen geführt. Abb. 4: Gegen den Zug das gestreckte und angespannte Bein nach außen führen. Abb. 4 Abb. 6 Beinbeuger (Ischiokrurale Muskeln: M. bizeps femoris, M. semitendinosus, M. semimembranosus) (Abb. 6) Funktion: Beugen des Kniegelenks (Flexion) und Strecken der Hüfte (Extension). Abb. 6: Durch beugen der Beine den Oberkörper zu den hintergehakten Fersen über die Matte ziehen. Die Schwierigkeit der Übung kann erhöht werden, indem die Hüfte angehoben wird. Claudia Weber & Lasse Ristig Abb. 5.6 Gymnastik

313 5.8. Einige Übungen Kräftigungsübungen für die Hüftmuskulatur Großer Gesäßmuskel (M. gluteus maximus) (Abb. 5) Funktion: Steckung der Hüfte (Extension), wird bewirkt durch z.b. das Nachhintenführen des Beines (Retroversion). Gleichzeitig Außenrotation des Beines in der Hüfte. Abb. 5: Das gestreckte und gespannte bein gegen den Zug von unten nach oben führen. Der Medizinball und die Abwätsneigung des Oberkörpers bewirkt, dass der Arbeitsweg des Muskels größer wird. Das Anheben des gestreckten Beines sollte nicht dazu verleiten, ins Hohlkreuz zu gehen. Abb. 5 Beinstrecker (M. quadriceps femoris) (Abb.7) Funktion: Das Knie strecken. Abb. 7: Kniebeugen bei hochgehaltenem Gewicht. Die Beine sollten immer leicht gebeugt bleiben. Knie und großer Zeh zeigen in die gleiche Richtung. Kein Hohlkreuz bilden. Das oben getragene Gewicht erhöht die Wahrnehmung des eigenen Leibes und verdeutlicht auch die Wirbelsäulenposition. Nur in besonderen Fällen sollten die Knie auf weniger als 90 Grad gebeugt werde. Abb. 7 Beinstrecker & großer Gesäßmuskel (M. gluteus maximus, M. quadriceps femoris) (Abb. 8) Variation:Kniebeugen im Ausfallschritt bei hochgehaltenem Gewicht. Die Last wird bei dieser Übung vornehmlich vom Gesäßmuskel des vorderen Beines getragen, im Gesatz zu den normalen Kniebeugen, bei denen das Gewicht auf beide Seiten des Gesäßmuskels verteilt wird. Zur Ausführung siehe Beinstrecker. Abb. 8 Claudia Weber & Lasse Ristig Abb. 5.7 Gymnastik

314 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Kräftigungsübungen für die Rückenmuskulatur Langer Rückenstrecker (M. erector spinae) (Abb.1 & Abb.2) Vorgebeugt den unteren Rücken einrollen und Abb. 3 Abb. 1 Abb. 5 Abb. 4 Breitester Rückenmuskel (M. lastissimus dorsi) (Abb.3) Den fast gestreckten Arm möglichst weit hinter den Rücken ziehen. Pronation des Armes (Daumen zeigt anfangs nach oben und wird im Verlauf in die Bewegungsrichtung gedreht). Kapuzenmuskel oben (M. trapezius) (Abb. 4 & Abb. 5) Die Schultern nach oben-hinten ziehen. Die Schulterblätter dabei maximal zusammenführen. Kapuzenmuskel mitte (M. trapezius) (Abb. 6) Die Ellenbögen schräg aufwärts nach hinten ziehen. Dabei die Schulterblätter zusammenführen. Nicht die Ellenbögen senken! Ein Bein steht vorne. Nicht zu stark nach hinten lehnen. Kapuzenmuskel unten & Rautenmuskel (M. trapezius, M. rhomboideus) (Abb. 4) Nach hinten ziehen. Dabei die Schultern mit nach hinten nehmen. Die Ellenbögen und Schulterblätter versuchen zusammenzuführen. Abb. 6 Abb. 7 Körperrückseite: (M. biceps femoris, M. glutaeus, M. erector spinae, M. rhomboideus, M. trapezius) (Abb. 8) Hüfte anheben und senken. Aus den Schultern "herauskommen". Beine nicht passiv gestreckt lassen. Abb. 8 Claudia Weber & Lasse Ristig Abb. 5.8 Gymnastik

315 5.8. Einige Übungen Kräftigungsübungen für Schulter und Oberarm Abb. 1 Zweiköpfiger Oberarmmuskel & Oberarmmuskel (M. bizeps brachii, M. brachialis) (Abb. 1 & Abb. 2) Funktion: Arm beugen (Flexion), den Arm leicht heben (Abduktion), Supination(lat. Nachobenwendung). Die Übung in Abb. 1 trainiert insbesondere im fast gebeugten Winkel. Der Arm wird von der Waagerechten zur Schulter gebeugt. Der Ellenbogen stützt in der Seite. Die Übung in Abb. 2 trainiert insbesondere im fast gestreckten Winkel. Hier sollte der Unterarm auch nur vom fast gestreckten Winkel in die Waagerechte geführt werden. Deltamuskel (M. deltoideus) (Abb. 3) Funktion: Arm bis in die Waagerechte heben (Abduktion). Den fastgestreckten Arm von hinter dem Rücken bis in die Seithalte haben. Die Kreuzführung des Therabandes stellt sicher, dass schon am Anfang der Bewegung genug Zug entsteht. Die Drehposition des Armes spricht unterschiedliche Bereiche des Muskels an. (Handfläche nach oben: vordere Teil, Daumen nach unten, hinterer Teil.) Rotatorenmanschette (Innenrotation: M. subscapularis, M. teres major) (Außenrotation: M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor) Abb. 2 Funktion: Drehen des Oberarmes, fixieren der Schulter & des Schulterblatt. Insbesondere die Muskeln, die die Außenrotation bewirken sollten trainiert werden. Die einwärtsrotierenden Muskeln werden von vielen Bewegungen (Schlag- und Wurfbewegungen) schon mittrainiert. Den gebeugten Arm von vor dem Bauch bis zur Seite um den fixierten Oberarm drehen. Das Theraband sollte von schräg vorne ziehen, damit auch in der Endposition noch Zug wirkt. Abb. 3 Abb. 4 Claudia Weber & Lasse Ristig Abb. 5.9 Gymnastik

316 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Kräftigungsübungen für Schulter und Oberarm Abb. 5 Abb. 7 Brustmuskel Abb. 6 (M. pectoralis major) (Abb. 5, Abb. 6 & Abb. 7) Funktion: der Arm wird von der Seite (Anteversion) bzw. von oben (Adduktion) nach vorne geführt. Auch der Brustmuskel lässt sich in unterschiedlichen Winkelbereichen trainieren. Abb. 5: Die Arme werden aus der gezeigten Startposition unter Gegendruck weiter zusammengeführt. Diese Variante trainiert besonders bei schon fast zusammengeführten Armen. Abb. 6: Die Arme werden aus der Seithalte nach vorne geführt. Diese Variante trainert insbesondere in der seitlichen Position. Abb.7: Bei den Liegestützen, die den Brustmuskel trainieren sollen, sind die Arme breit aufgesetzt, im Gegensatz zu Abb. 9. Dreiköpfiger Oberarmmuskel (M. triceps brachii) Funktion: Arm strecken. Abb. 8: Gegen den Zug den Arm strecken. Hierbei nicht ins Hohlkreuz gehen. Abb.9: Liegestützen mit eng am Abb. 8 Körper geführten Ellbogen. Abb. 9 Claudia Weber & Lasse Ristig Abb Gymnastik

317 5.8. Einige Übungen Komplexe Kraftübungen Bauch, Brust, Latissimus Bauch, Trapezius, Rhomboideus Achtung, bei der Übung darf kein Hohlkreu z entstehen. ggf. darf die Übung nicht oder nicht so tie f ausgeführt werden! Rückenstrecker, Beinbeuger Abb Gymnastik

318 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Abb Gymnastik

319 5.8. Einige Übungen Abb Gymnastik

320 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Übungen für die Stabilizer (Coretraining) Die folgenden Übungen sollten mit mäßiger Geschwindigkeit ausgeführt werden, damit bei einer Bewegung andere Muskeln ständig stabilisieren müssen. Die Übungen und auch die Bezeichnung «Coretraining» gehen auf Frank Hintze und Till Müglich zurück. 5-46

321 5.8. Einige Übungen Oberschenkel parallel Blick zu den Händen!! Füße und aufgesetztes Knie sind auf einer Linie! Die Knie schweben konstant 2 cm über dem Boden! Abb Coretraining

322 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Auf einem Bein stehen und langsam drehen! (Gefahr der Knieschädigung) Auf einem Bein stehen und langsam drehen! (Gefahr der Knieschädigung) Abb Coretraining

323 5.8. Einige Übungen Auf dem Bauch liegen, die Füße müssen fest am Boden bleiben! Nicht aufrichten, sondern einrollen! Füße und unterer Rücken bleiben am Boden. Die Fersen fallen etwas nach innen, der Rücken ist durch Spannung im Gesäßmuskel geschützt. Im Liegestütz abwechselnd die Arme heben, ohne den Körper zu verschieben oder zu drehen. Abb Coretraining

324 KAPITEL 5. TRAININGSLEHRE Abwechselnd ein Bein heben, ohne die Hüfte kippen zu lassen. Je weiter die Beine auseinander stehen, desto schwieriger ist die Übung. Die Füße bleiben fest am Boden, eine Hüftseite bleibt in der Luft. Abwechselnd zu einer Seite aufrollen. Natürlich die Hüfte auch wechseln. Abb Coretraining

325 6 Anatomie und Physiologie Inhalte des Kapitels 6.1 Orientierung am menschlichen Körper Aktiver Bewegungsapparat Passiver Bewegungsapparat Herz-Kreislauf-System Nervensystem Wahrnehmung Gefährdete Punkte Ernährung Doping Neues aus der Wissenschaft

326 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Anatomie 1 ist die Wissenschaft vom Aufbau von Organismen, somit auch die vom Menschen. Strukturen der Körper und ihr Zusammenspiel werden untersucht. Die Physiologie beschäftigt sich mit den chemischen und physikalischen Prozessen innerhalb des Organismus. Auch wenn es offensichtlich ist, dass der Aufbau unseres Körpers und seine Methoden der Energiegewinnung den entscheidenden Beitrag zur Bewegung liefern, so ist es nicht notwendig, diese Zusammenhänge zu wissen, um sich zu bewegen. Kinder bewegen sich ohne anatomische und physiologische Kenntnisse ebenso wie viele Erwachsene. Trotzdem kann das Wissen um unseren Körper viel zu einem bewussteren, schonenderen und wirkungsvolleren Umgang mit unserem Leib beitragen. Unser Ziel ist es, eine Vorstellung von unserem Körper zu vermitteln, die uns beim Bewegen helfen kann. Ziel dieses Kapitels ist es zu verstehen, wie und mit welchen Teilen die Bewegung unseres Körpers gelingt. Welche Bewegungen unser Körper ermöglicht und mit welchen Bewegungen wir unserem Körper schaden. Für das Training ist es wichtig zu verstehen, wie wir unseren Körper gesunderhalten. Die gleichen anatomischen und physiologischen Kenntnisse können wir in einer Auseinandersetzung gegen unseren Gegner verwenden. 1 gr.: ανα, aná: auf; τωµη, tomé: Schnitt 6-2

327 6.1. Orientierung am menschlichen Körper 6.1 Orientierung am menschlichen Körper Um sich über den menschlichen Körper unterhalten zu können, ist es wichtig, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, eine einheitliche Terminologie 2 zu haben. Die Abbildung 6.1 zeigt die Bezeichnungen für Achsen, Ebenen, Richtungen und Positionen. Abb. 6.1 Achsen, Ebenen, Richtungen und Positionen 2 Terminologie bezeichnet die Gesamtheit der Begriffe und Benennungen einer Fachsprache. 6-3

328 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE 6.2 Aktiver Bewegungsapparat Unter dem aktiven Bewegungsapparat versteht man das am Körper, was das Bewegen bewirkt. Dieses sind in erster Linie die Muskeln. Aber auch wenn die Muskeln einzig die Bewegung verursachen, so sind Energieversorgung, Muskelsteuerung und Wahrnehmung unmittelbar und aktiv mit an diesem Geschehen beteiligt. Knochen, Bänder und Sehnen hingegen sind nur passiv beteiligt Aufbau von Muskeln Die kleinste funktionelle Einheit des Muskels ist das Sarkomer. Dieses setzt sich aus den Aktin- und Myosinfilamenten sowie den Z-Scheiben zusammen. Die Myosinfilamente ziehen sich mit Hilfe der Myosinköpfchen an den Aktinfilamenten entlang. Dieses geschieht an beiden Seiten. In einem einzelnen Zyklus kann sich der Muskel um ca. 1% verkürzen. Das Sarkomer kann sich über mehrfache Kontraktionen auf ca. 50% 3 der Ausgangslänge verkürzen. Die Myosinfilamente sind an den Z-Scheiben befestigt, die gleichzeitig auch Bestandteil der benachbarten Sarkomere sind. Mehrere dieser Einheiten werden zu den langen Myofibrillen zusammengefasst, von denen meh- Abb. 6.2 Muskulatur rere in einer Muskelfaser (Muskelzelle) enthalten sind. Diese werden wiederum zu Muskelfaserbündeln und schließlich zum Muskel zusammengefasst. Es gibt unterschiedliche Typen von Muskelfasern. Typ 1 ist langsam (slow twitch fiber), ausdauernd, aber nicht sehr kräftig. Typ 2 ist schnell (fast twitch fiber), schnell ermüdend, 3??? Teilweise finden sich auch 30%, sowie 70% für glatte Muskulatur. Abb. 6.3 Aktin, Myosin, Sarkomer 6-4

329 6.2. Aktiver Bewegungsapparat aber kräftig. Ihre Verteilung ist genetisch bestimmt, lässt sich aber durch spezielles Training beeinflussen, wobei es wohl nicht möglich ist, langsame in schnelle Fasern umzuwandeln 4. Es wird nur der intermediäre 5 Typ 2C erreicht, einer der drei Untertypen des Typs 2. Der Typ 2A ist der eigentliche schnelle Typ. Die anderen beiden sind von ihren Eigenschaften zunehmend am langsamen Typ 1 dran.??? Geschwindigkeit von Innervation und Kontraktion? Die Verbindung von Muskel und Knochen und damit die Kraftübertragung übernehmen die Sehnen Arbeit von Muskeln Obwohl jede einzelne funktionelle Einheit (Sarkomer) sich nur zusammenziehen kann und alle Sarkomere einer Muskelfaser sich bei Innervation 7 gleichzeitig und voll kontrahieren 8, kann ein Muskel dennoch verschiedene Arten von Kontraktionen hervorbringen. Durch das Taktverhältnis von Anspannung und Entspanung kann sich ein Muskel mit unterschiedlicher Kraft und Geschwindigkeit zusammenziehen. Auch ist es möglich, Bewegungen zu bremsen. Arbeitsweisen der Muskulatur: 9 Muskeltonus: Spannung des Muskels. isotonisch (gleiche Spannung): die Spannung des Muskels, mit der der Körper den Widerstand überwindet, verändert sich nicht. isometrisch (gleichen Maßes): der Muskel wirkt gegen einen Widerstand, ohne ihn zu bewegen, ganz gleich, wie sehr er angespannt ist. auxotonisch (verschiedengespannt): es verändert sich die Spannung und der Widerstand. Das geschieht in den meisten Fällen der Muskelarbeit. isokinetisch (gleichschnell): der Widerstand wird mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit überwunden. konzentrisch: der Muskel überwindet den Widerstand und wird dadurch kürzer. exzentrisch oder negativ-dynamisch: Der Muskel wird trotz Anspannung gedehnt. Im Krafttraining finden sich Trainingsmethoden, die einen voll angespannten Muskel dehnen, indem sie ihn mit mehr Gewicht belasten, als der Muskel halten kann. 4 Deswegen gilt in der Leichtathletik die Regel: Zum Sprinter wird man geboren, zum Marathonläufer wird man gemacht. 5 intermediär: dazwischenliegend. Der Typ 2C liegt von seinen Eigenschaften zwischen Typ 1 und Typ 2A. 6 Siehe Innervation: Anregung, Leitung der Reize durch die Nerven zu den Organen. 8 Alles-oder-Nichts-Prinzip 9 Zitiert aus: [Wik05b] 6-5

330 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Muskelkater Durch die Arbeitsweise der Sarkomere ist insbesondere die exzentrische Arbeitsweise für den Muskel stark belastend und kann zu Muskelkater führen. Die Verbindungen der Myosinköpfchen mit dem Aktin sind so stabil, dass der Versuch sich zusammenzuziehen, obwohl der Muskel verlängert wird, Schäden insbesondere in den Z-Scheiben verursachen kann. 160% 106% 94% 64% Effektive Lastarmlänge 52% 100% Kraft Länge 0% 0% 100% 160% Abb. 6.4 Einfluss des Winkels Abb. 6.5 Einfluss der Kontraktion Die Kraft, die ein Muskel aufbauen kann, ist nicht nur von der Zahl der gleichzeitig innervierten Muskelzellen 10 sondern auch vom Gelenkwinkel und dem Zustand der Sarkomere abhängig. Die Hebelgesetze legen fest, in welchem Winkel die Muskeln am effektivsten arbeiten, wie in Abbildung 6.4 dargestellt ist. Gleichzeitig spielt auch der Überlappungsgrad von Aktin- und Myosinfilamenten eine Rolle bei der Kraftentwicklung, wie Abbildung 6.5 zeigt. Fragen zur Selbstkontrolle Wie arbeitet der Bizeps bei den abgebildeten Übungen???? ABBILDUNGEN Die Schutzreflexe der Muskulatur Zwei Arten von Rezeptoren registrieren Muskellänge und Spannung. Zwischen den kontraktilen Elementen liegen parallel im Muskel die Muskelspindeln 11, in den Sehnen, d.h. am Muskelansatz, die Golgi-Sehnenorgane 12. Bei zu starker Belastung von Muskeln und Sehnen lösen die Rezeptoren Hemmimpulse aus, um Muskeln und Sehnen vor zu großer Belastung zu bewahren. Dabei unterscheidet man folgende Schutzreflexe: 10 Siehe «Intramuskuläre Koordination»??? 11 Siehe Siehe

331 6.2. Aktiver Bewegungsapparat 1. Dehnungsreflex: Die Muskelspindeln registrieren eine Längenänderung, über α-motoneurone im Vorderhorn des Rückenmarks wird eine Muskelkontraktion bewirkt, um eine weitere Verlängerung des Muskels zu verhindern. Der Reiz, also die Dehnung der Muskelspindeln, lässt nach. 2. Reziproke Hemmung des Antagonisten: Der Reiz der Muskelspindel wird über eine Nervenzelle auch an die α- Motoneurone des Antagonisten weitergeleitet. Also wird bei Anspannung des Beugers der Strecker entspannt. Ohne diesen Reflex wären Bewegungen zu energieaufwendig, da Agonist und Antagonist sich gegenseitig behindern würden. 3. Eigenhemmung: Bei zu starker Spannung im Muskel werden die Golgi-Sehnenkörper aktiviert. Hierdurch wird die Muskelkontraktion gehemmt, um den Muskel vor zu großer Spannung zu schützen. 4. Postisometrische Hemmung: Nach einer isometrischen (keine Längenänderung) Anspannung des Muskels kommt es zu einer kurzdauernden Muskelentspannung. Dieser Reflex wird nicht über Muskelspindel oder Golgi-Sehnenkörper ausgelöst, sondern durch zusätzliche Reflexvorgänge auf Rückenmarksebene Energiebereitstellung Energiebereitstellung anaerob aerob alaktazid laktazid ATP, KrP Anaerobe Glykolyse Aerobe Glykolyse Lipolyse + Betaoxidation Abb. 6.6 Arten der Energiebereitstellung Abb. 6.7 Energiebereitstellung Für seine Arbeit muss der Muskel chemische Energie in mechanische umwandeln. Hierbei wird das ATP (Adenosintriphosphat) in ADP (Adenosindiphosphat) umgewandelt. Alle Vorgänge im Körper die Energie zur Aufrechterhaltung aller Lebensvorgänge 6-7

332 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE aerobe Energiegewinnung oder Muskelarbeit verbrauchen, werden durch ATP angetrieben, denn ATP ist die universelle Energiewährung der Zelle. Aber ATP muss auch produziert werden, deshalb bedeutet Energiebereitstellung Produktion von ATP. Das ATP ist also eine Art Energiepuffer. Dieser Kurzzeitpuffer wird duch den Rückgriff auf andere Energieformen immer wieder aufgefrischt, wie Abbildung 6.6 zeigt. Die ATP-Vorräte im Körper sind schnell erschöpft, sie reichen nur für etwa 2 Sekunden. Danach wird ATP durch Kreatinphosphat 13 (KrP) wieder aufgefüllt. KrP ist nach etwa 20 Sekunden ebenfalls verbraucht. Es dient auch nur als Puffer zur Überbrückung, bis die eigentlichen Energiequellen Glycolyse und Citratcyclus anspringen können, die etwas Zeit brauchen, da es sehr komplexe Mechanismen sind. Die Hauptlieferanten für Energie sind Kohlenhydrate (werden als Glykogen gespeichert und bei Bedarf in Glycose zum Verbrauch umgewandelt (Glykolyse)) und Fette (Lipolyse). Die Abbildung 6.26 zeigt unterschiedliche Arten der Energiebereitstellung, die bei unterschiedlichen Beanspruchungsformen auftreten. Die Energie, die der Körper für die Produktion des ATP braucht, bezieht er aus der Verbrennung der Nahrung. Die Hauptlieferanten für Energie, die Kohlenhydrate und Fette, werden mit Sauerstoff zu CO 2 und H 2 O verbrannt. Der Sauerstoff wird über das Blut zu den Zellen transportiert. Kohlenhydrate werden als Glycogen in Muskel und Leber gespeichert und bei Bedarf zu Glucose (Traubenzucker) abgebaut, um in der Glycolyse in Energie umgewandelt zu werden. Die Energie, die dabei frei wird, dient zur Produktion von ATP, welches in Bewegungsenergie umgesetzt werden kann. Ein Teil davon wird als Wärme frei. Das dabei entstandene CO 2 wird vom Blut wieder abtransportiert und über die Lunge ausgeatmet. Diese Art der Energiegewinnung wird aerobe Energiegewinnung genannt. Fordert das Gehirn mehr Leistung, wird die Sauerstoffzufuhr durch Steigerung von Atemfrequenz, Herzfrequenz und Schlagvolumen des Herzens gesteigert. Dabei ist das Herz- Kreislauf-System der begrenzende Faktor für den Sauerstofftransport. Steigt die Leistungsanforderung eines Muskels oder des Körpers insgesamt weiter, kann die Produktion von ATP auf diesem Wege nicht mehr weiter gesteigert werden. Jetzt schaltet der Muskel oder der Körper eine zusätzliche Energiequelle zu, die keinen weiteren Sauerstoff benötigt. Da der Muskel über den Blutzucker und eigene Reserven verfügen kann, wird 13 Kreatin ist in der letzten Zeit in der Diskussion, ein wirksames Präparat für den Muskelaufbau zu sein. Auch wenn gewisse Erfolge verzeichnet werden, ist die Wirksamkeit, objektiver betrachtet, sehr gering. Der Speicher in der Zelle lässt sich um ca. 25% erhöhen. Bei trainierten Menschen ist dieser Effekt vermutlich noch geringer, weil der Ausgangsgehalt an Kreatinphosphat schon erhöht ist. Eine Gewichtserhöhung ist vermutlich bedingt durch vermehrte Wassereinlagerung und nachweislich nicht ausschließlich über Muskelmasse realisiert. Eine ständige Supplementierung birgt die Gefahr der negativen Rückkopplung, also des Herunterregulierens des Normalgehaltes. 6-8

333 6.2. Aktiver Bewegungsapparat der Zucker jetzt nicht mehr verbrannt, sondern über die Milchsäuregärung in Milchsäure umgewandelt. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit der alkoholischen Gärung der Hefe bei der Weinherstellung. Dabei werden aus einem Molekül Glucose zwei Moleküle Milchsäure (Lactat) erzeugt. Dieser Mechanismus hat zwei Vorteile. Er läuft schnell an und liefert zusätzliche Energie in Form von 2 ATP pro Molekül Glucose ohne Sauerstoff zu benötigen. Deswegen heißt diese Art der Energiegewinnung anaerobe Energiegewinnung. Die Glycolyse kann sehr schnell angefahren und sehr stark gesteigert werden. Danach mündet sie in den Citratcyclus, der nur mit Sauerstoff funktioniert. Als Ausweg zweigt hier die Milchsäuregärung ab. Allerdings gibt es auch zwei Nachteile. Diese Art, Energie zu gewinnen, ist sehr ineffizient. Über den aeroben Weg würden aus einem Molekül Glucose 38 ATP entstehen. Die Milchsäure übersäuert zunehmend die Muskulatur (Lactatwert). Diese Übersäuerung ist auch der begrenzende Faktor. Mit zunehmender Milchsäureproduktion sinkt die Arbeitsfähigkeit der Muskulatur. Die Folgen sind Muskelermüdung z. B. schwere Beine, danach schmerzt und brennt die Muskulatur und versagt schließlich. Dies beschreibt eine lokale Übersäuerung der Muskulatur (Krafttraining). Betrifft die Energieanforderung den ganzen Körper, äußert sich die Übersäuerung in einem hohen Lactatwert im Blut. Die Lactatmessung klärt, wie weit ein Sportler bereits auf die Milchsäuregärung zur Energiegewinnung zurückgreifen muss. Milchsäure ist aber eine Sackgasse im Stoffwechselweg. Nur Leber und Herzmuskel können Milchsäure weiter verwerten. Der Körper ist mit der Milchsäure eine Sauerstoffschuld eingegangen. Dieser «Kredit» muss jetzt durch «Nachverbrennung» zurückgezahlt werden. Dies äußert sich in verstärkter Atmung nach der Anstrengung, um die Milchsäure durch Verbrennung wieder abzubauen. Beispiele sind z.b. ein 100 m Lauf oder eine Wettkampfsituation. Die aerobe Energiegewinnung ist der Normalfall bei länger andauernder oder geringer Belastung. Die Belastungsintensität ist so, dass man sich bei der Bewegung noch unterhalten kann. Alle Energie, die benötigt wird, wird direkt durch die Verbrennung mit Sauerstoff gewonnen. Alle Ausdauersportarten (Langstreckenlaufen, normales Training,...) werden aerob betrieben. Wenn die Sauerstoffzufuhr wegen der Intensität der Belastung nicht ausreicht, wird die zusätzliche Energieversorgung für diese Bewegungen anaerob betrieben. Beim Krafttraining kann das auch für einzelne Muskeln gelten. Der Körper greift zuerst auf die Zuckervorräte zurück, da er diese schnell und leicht mobilisieren kann. Dauert die Belastung länger als Minuten, gehen die Kohlenhydratvorräte im Muskel und in der Leber langsam zuende. Jetzt greift der Körper auf die Milchsäure anaerobe Energiegewinnung Muskelermüdung Übersäuerung Sauerstoffschuld 6-9

334 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE gespeicherten Fettvorräte zurück, um diese zu verbrennen. Die Fette werden erst angetastet, wenn die Kohlenhydrate verbraucht sind. Zusammengefasst stehen folgende Stoffwechselprozesse zur Verfügung: Anaerob-alaktazid: KrP + ADP Kr + ATP Anaerob-laktazid: Glucose Laktat + ATP Aerobe Glykolyse: C 6 H 12 O 6 + 6O ADP+38P i 6CO 2 + 6H 2 O+38AT P Aerobe Lipolyse: freie Fettsäuren + O 2 CO 2 + H 2 O+AT P Beispiel Energiequellen Bemerkungen 100 m ATP Kreatinphosphat (75%) Anaerobe Glycolyse (Lactat) ATP reicht für 2-4 sek. Kreatinphoshat reicht für 8-10 sek. anaerobe Glycolyse < 2 min m Citratcyclus und Atmungskette 42 km Citratcyclus, Atmungskette und Fettsäureverbrennung Kreatinphoshat reicht nicht. Anaerobe Glycolyse reicht auch nicht. Da die ATP-Erzeugung in der Atmungskette langsamer läuft, ist die Laufgeschwindigkeit langsamer. Das gesamte Glycogen (400 g) reicht nicht aus Eine reine Fettsäureverbrennung würde noch langsamer ATP frei setzten (Marathon in 6 h) Deshalb werden sowohl Kohlenhydrate als auch Fette als Energiequellen genutzt Tabelle 6.1 Energieverbrauch bei unterschiedlichen Leistungsanforderungen Fragen zur Selbstkontrolle??? 6-10

335 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Weiterführende Fragen??? 6-11

336 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Die Skelettmuskeln Die Muskulatur lässt sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten einteilen. Die glatte Muskulatur ist nicht willkürlich steuerbar und findet sich im Bereich der inneren Organe. Der Herzmuskel nimmt eine Sonderrolle eine. Er besitzt ein eigenes Nervensystem, ist wie die Skelettmuskulatur quergestreift 14 aber nicht willkürlich steuerbar. Die Skelettmuskeln sind quergestreift und unterliegen der willkürlichen Steuerung. Sie ermöglichen die Bewegung des Menschen. Neben der zytologischen 15 Betrachtung liegt im Bereich der Skelettmuskeln eine funktionale Betrachtung nahe: Agonist: (gr.: αγωνισ τηζ, agonistís: der Tätige, Handelnde, Führende) Muskel, der etwas tut. Synergist: (gri.: σ υνεργια, synergía - Zusammenarbeit) Muskel, der dem Agonisten hilft. Antagonist: (gri.: ανταγωνισ τηζ, antagonistís - wörtlich der Gegenhandler) Muskel, der gegen den Agonisten arbeitet. (Da Muskeln sich nur zusammenziehen können, ist für die umgekehrte Bewegung oder das Bremsen einer Bewegung der Antagonist zuständig.) Adduktor: (lat.: adducere = hinführen, hinziehen) Muskel, der ein Körperteil zum Menschen heranzieht. Abduktor: (lat.: abducere = wegführen, wegziehen) Muskel, der ein Körperteil vom Menschen wegführt. Flexor: (lat.: flexio = Biegung) Muskel, der ein Gelenk beugt. Extensor: (lat.: extendere = ausstrecken) Muskel, der ein Gelenk streckt. Rotator: (lat.: rotare = im Kreis drehen) Muskel, der Körperteile gegeneinander verdreht. Mobilizer: Muskeln, die im Allgemeinen mehrere Gelenke überspannen und unser Bewegen bewirken. Stabilizer: Muskeln, die ein Gelenk überspannen und das Gelenk stabilisieren. Neben der Bewegung sind die Skelettmuskeln auch für die Haltung verantwortlich. Vergleichbar mit der Takelage eines Schiffes halten die Muskeln den Menschen im Schwerefeld aufrecht. Hierzu müssen die Muskeln in einem Gleichgewicht zueinander stehen. Ein Ungleichgewicht wird als muskuläre Dysbalance bezeichnet. Diese bewirkt Fehlhal- tungen und Fehlstellungen von Gelenken, die erhöhten Verschleiß und Reizungen insbe- muskuläre Dysbalance 14 Dieses kommt durch die regelmäßige Anordnung der Myofibrillen zustande. So liegen Z-Scheiben neben Z-Scheiben. 15 Die Zytologie erforscht den Aufbau und die Funktion von Zellen. 6-12

337 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Abb. 6.8 Muskeln des Menschen 6-13

338 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE sondere von Gleitflächen verursachen. Gleichzeitig werden durch Fehlhaltungen Verspannungen und muskuläre Schmerzen provoziert. Agonisten und Antagonisten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Krafttraining kann Dysbalancen vorbeugen, die einseitigen Belastungen aus dem Sport oder der Arbeit entspringen. Folgende Auflistung zeigt zusammengehörige Muskelpartien: Bauch Unterer Rücken Beinstrecker Beinbeuger Brustmuskel Rautenmuskel und Trapezmuskel Deltamuskel breitester Rückenmuskel Bizeps Trizeps Hüftbeuger Gesäßmuskel Sehr viele Bewegungen im Ju-Jutsu benutzen den Brustmuskel, sodass zumindest Rautenund Trapezmuskel über Krafttraining angepasst werden müssen. Auch der Hüftbeuger wird bei vielen Tritttechniken genutzt, sodass dieser gedehnt und sein Gegenspieler, der Gesäßmuskel, gekräftigt werden muss. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Ein Sportkamerad fällt durch eine gebeugte Haltung auf, was rätst du ihm? 2. Eine Sportkameradin hat ein auffälliges Hohlkreuz, was rätst du ihr? 3. In beiden Hauptteilen des Trainings wurden Schläge und Stöße aus dem Boxen trainiert. Welche Muskeln lässt du zum Ausgleich beim Abwärmen trainieren? Weiterführende Fragen??? 6-14

339 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Abb. 6.9 Muskelnamen zuordnen 6-15

340 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Muskeln und ihre Funktion Ordne den Muskeln ihre Funktion zu! Beachte Doppelfunktionen! Großer Gesäßmuskel (M. gluteus maximus) Großer Brustmuskel (M. pectoralis major) Breitester Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) Deltamuskel (M. deltroideus) Zweiköpfiger Oberarmmuskel (M. biceps brachii) Beinstrecker (M. quadriceps femoris) Dreiköpfiger Oberarmmuskel (M. triceps brachii) Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis) Trapezmuskel (M. trapezius) Streckmuskel der Wirbelsäule (M. erector spinae) Wadenmuskeln (innen + außen) (M. gastrocnemius (caput mediale/laterale)) Beinbeuger (M. bizeps femoris) Vorführen der Schulter und des Armes Strecken der Wirbelsäule Zurückführen des Beines Innenrotation der Schulter Heranführen des Armes Strecken des Beines Strecken des Armes Heben oder Wegführen des Armes Beugen des Armes Beugen des Beines Innenrotation der Schulter Beugen des Fußes Einrollen der Wirbelsäule Einwärtsführen des Armes (wird meist als Strecken bezeichnet) Zurückführen der Schulter und des Armes Abb Muskeln ihre Funktion(en) zuordnen 6-16

341 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Verletzungen von Muskeln Muskelkater Der Begriff Muskelkater wird auf den Begriff Muskelkatarrh zurückgeführt. Katarrh meint eigentlich eine Entzündung der Schleimhäute. Wurde der Muskelkater früher noch mit Milchsäure (Laktat) in Verbindung gebracht, so ist diese Theorie heute nicht mehr haltbar. Vielmehr handelt es sich vermutlich um kleinste Risse innerhalb der Muskelzellen (Risse in den Z-Scheiben), bei deren Reparatur Wasser in den Muskel gelangt, welches dann zu einem Dehnungsschmerz der Muskeln führt 16. Die Risse selbst verursachen keine Schmerzen, denn die Schäden sind intrazellulär und in den Muskelzellen befinden sich keine Nervenzellen. Diese Schäden sind häufig verursacht durch exzentrische Belastungen, z. B. bei neuen, schlecht gekonnten Bewegungen (verkrampfte Ausführung), und bei negativ-dynamischem Krafttraining, z. B. Reaktivkrafttraining. 17 Neben den Rissen in den Z-Scheiben tritt bei sehr starken Belastungen, z. B. Marathon, ebenso Muskelkater auf, der aber nicht auf Bremsbewegungen zurückgeführt werden kann. Biopsien 18 haben gezeigt, dass die Schäden in der Zelle wesentlich stärker sind und sich nicht nur auf die Z-Scheiben beschränken. Die Schädigungen sind vermutlich stoffwechselbedingt, jedoch nicht abhängig von Laktat, welches nicht besonders stark bei einem Marathonlauf gebildet wird 19. Einfache Beispiele machen deutlich, dass die Laktat-Theorie falsch ist: Muskelkater Übersäuerung Muskelkater tritt insbesondere bei ungeübten Sportlern auf, Laktat aber auch bei trainierten. Belastungen, die viel Laktat entstehen lassen (400-m-Lauf), verursachen weniger Muskelkater als Krafttraining, was weniger Laktat hervorruft. Insbesondere bei erzwungenen exzentrischen Übungen 20 entsteht wenig Laktat aber sehr häufig Muskelkater. Die Laktatkonzentration ist während der Belastung am höchsten, der Muskelkater kommt aber erst am nächsten Tag. Muskelkater ist also ein Muskelschaden. Er ist eine Mikroverletzung durch Überbelastung des Muskels, sodass der Muskel während des Schmerzes nicht wieder in gleicher Art belastet werden sollte. Eine erneute Belastung verursacht eher neue Schäden, als dass der 16 Vergl. [Wik07a] und [Bön02]. 17 Vergleiche [Bön02, Seite A372] 18 Biopsie: Untersuchung von Material (Gewebe), das dem lebenden Organismus entnommen wurde. 19 Vergleiche [Bön02, Seite A373] 20 Siehe Abschnitt

342 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Muskel repariert würde. Die Schäden am Muskel sind innerhalb der Zelle, genauer in den Sarkomeren 21, werden also ohne Narbengewebe repariert. Dehnen vor und nach dem Training kann den Muskelkater nicht verhindern 22. Symptome Belastungsschmerz Druckschmerz Abnahme der Beweglichkeit, Steifheitsgefühl Tritt ca. 24 Stunden nach der Belastung auf. Hält ein bis vier Tage an. Ursachen Zu hohe Belastung für den (schlechten) Trainingszustand Ungewohnte (meist exzentrische) Muskelbelastung (Bremsbewegungen) Extreme, den Stoffwechsel erschöpfende Leistungen Behandlung Sanfte, streichende Massagen nehmen den Schmerz aber nicht die Muskelschäden, starke Massagen können jedoch weitere Verletzungen verursachen. Leichte aerobe Belastungen nehmen den Schmerz und verbessern geringfügig die Regeneration, da mit der verstärkten Durchblutung das angesammelte Wasser abtransportiert wird. Intensives Aufwärmen vor erneuter Belastung (nicht jedoch den gleichen Muskel belasten) verbessert die Leistungsfähigkeit des Muskels, sodass dieser weniger schnell überlastet wird. Dehnen und Kräftigen machen keinen Sinn, sie verursachen womöglich weitere Schäden! Muskelkater sind die Schmerzen, die während der Reparatur (Wasseransammlung) entstehen. Die Schäden lassen sich durch erneute Belastung nicht beheben, die Schmerzen, also die Symptome, lassen sich jedoch mindern Muskelkrampf Ein Muskelkrampf (Spasmus) ist eine ungewollte starke Muskelanspannung. Sie lässt sich nicht willkürlich wieder lösen. Der Muskel lässt sich jedoch durch den Antagonisten und äußere Hilfe wieder strecken, aber nicht entspannen. 21 Siehe Siehe? ] 6-18

343 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Symptome Schmerzhafte, anhaltende, nicht willkürliche und nicht lösbare Muskelkontraktion. Ursachen Oft zu wenig getrunken, daher Mineralstoffdefizit, insbesondere Magnesiummangel! Behandlung/Sofortmaßnahme: Magnesium zuführen Muskelanspannung des Antagonisten und Dehnen des Agonisten öffnen ein wenig die Blutgefäße des verkrampften Muskels. Leichte Massage bringt Flüssigkeit in den Muskel. Flüssigkeitsdefizit/Magnesiumdefizit ausgleichen (Mineralwasser reicht meist!). Um die Energie des ATPs 23 für die Bewegung nutzen zu können, ist Magnesium notwendig. Ohne Magnesium blockieren die Myosinfilamente an den Aktinfilamenten und können sich nicht mehr lösen Muskelzerrung Eine Zerrung ist eine Überdehnung eines Muskels. Die Muskelzellen werden dabei nicht zerstört. Mikrorisse in den bindegewebshaltigen Umfassungen der Muskelfaserbündel, also den Faszien, werden als Ursache diskutiert. Der Muskel reagiert mit punktuellem Schmerz beim Überdehnen und bei Druckbelastung auf betroffene Bereiche im Anschluss. Symptome Erhöhter Muskeltonus, Gefühl wie bei einem Krampf Ursachen Sofortmaßnamen und Behandlung 25 Sofortmaßname: ca. 20 Minuten großflächig kühlen (nimmt Schmerzen) Anspannungs-Entspannungs-Dehnen 23 Siehe Siehe Vergleiche [Wag01] 6-19

344 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Infiltration z. B. von Traumeel(R), um lokal den Stoffwechsel anzuregen und Entzündungen zu mindern Traumeel(R) ist ein homöopathisches Komplexpräparat. An den folgenden Tagen zunehmende Bewegung/Beanspruchung sowie Reizstrom und Anspannungs-Entspannungs-Dehnen Muskelfaserriss Ein Muskelfaserriss ist eine Verletzung der Muskelzellen, die Heilung erfolgt mit der Bildung von Narbengewebe, ist also nie vollständig. Es sind nur einzelne Muskelfasern betroffen. Symptome Plötzlicher, stichartiger Schmerz nach kurzem Ermüdungsgefühl Manchmal sichtbare Einblutung ins Gewebe Beim Abtasten lässt sich eine Faserunterbrechung spüren. Ursachen Ungenügendes Aufwärmen Ungenügende Koordination Zu plötzliche Belastung Sofortmaßnahmen 26 PECH-Regel (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern) Die Stärke des Einblutens entscheidet bedeutsam über die Heilungsdauer. Nicht Dehnen! Regeneration Regeneration unter Beachtung der Wundheilungsphasen Innnerhalb der ersten 3 Tage physikalische Therapien (Reizstrom und Lymphdrainage... ) und leichtes Dehnen (ist das nicht schädlich???) Ab dem 4. Tag zunehmend bewegen und beanspruchen. Die Heilung kann nach DR. MÜLLER-WOHLFAHRT 27 durch Einnahme von 26 Vergleiche [Wag01] 27 Vergleiche [MW01] Wobenzym(R) oder Regazym(R) positiv beeinflusst werden. 6-20

345 6.2. Aktiver Bewegungsapparat Muskelabriss Der gesamte Muskel oder ein sehr großer Teil ist gerissen. Symptome Deutliche sichtbare Beulen der Muskelstümpfe Ursachen Massive Überlastung Äußere Gewalteinwirkung Behandlung Längere Immobilisation und ggf. Operation Fragen zur Selbstkontrolle Was ist ein Muskelkater? Was ist ein Muskelkampf? Wieso sind Muskelfaserrisse «schlimmer» als Muskelkater und Muskelkrämpfe? Was beinhaltet die PECH-Regel? Weiterführende Fragen Welche Belastungen lassen Laktat entstehen, welche verursachen den Muskelkater? Was genau ist bei einem Muskelkater geschädigt? Welche Maßnahmen lassen sich ergreifen, um einen besonders körperlich anstrengenden Tag zu überstehen? 6-21

346 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE 6.3 Passiver Bewegungsapparat Alles, was direkt am Bewegen beteiligt ist, ohne die Bewegung selbst hervorzubringen, gehört zum passiven Bewegungsapparat. Die Muskeln sind über Sehnen mit den Knochen verbunden. Knochen können sich gegeneinander mittels Gelenken bewegen. Die Reibeflächen von Gelenken sind durch Knorpel gleitfähig und gepuffert. Die Gelenkkapsel produziert die Gelenkschmiere und hält sie beim Gelenk. Bänder verbinden Knochen mit Knochen und stabilisieren dadurch Gelenke. Knochen stützen und schützen den Körper. Sehnen verbinden Muskeln mit Knochen und sorgen für die Kraftübertragung. Bänder halten die Knochen der Gelenke in ihrer Position. Knorpel sind die Gleit- und Dämpfungsflächen der Gelenke. Gelenkkapsel umschließt ein Gelenk und bildet die Gelenkschmiere. Gelenkschmiere erhöht die Gleitfähigkeit und versorgt das Gelenk mit Nährstoffen. Die Gelenke sind neben den Muskeln recht anfällig für Verletzungen. Aufgrund der wesentlich geringeren Stoffwechselrate ist der Heilungsprozess bei Gelenksverletzungen wesentlich langsamer als bei Muskelverletzungen. Zu einigen Gelenken sind auch Funktionstests mit angegeben. Diese Funktionstests sollen helfen, mögliche Probleme zu erkennen. Wir sind aber keine Ärzte, und sollten dem Trainierenden bei Störungen empfehlen, einen Arzt zu konsultieren. Abb Skelett 6-22

347 6.3. Passiver Bewegungsapparat Knochen Das menschliche Skelett besteht je nach zählweise aus 208 bis 214 Knochen (lat. Os) (die Zahl von Kleinknochen in den Füßen und der Wirbelsäule variieren). Bei Kindern sind die Knochen noch nicht gefestigt 28. Sie werden erst durch das fort- Kalzium festigt schreitende Einlagern von Kalzium im Laufe des Erwachsenwerdens den Knochen gefestigt. Die Knochen bilden das Gestütz des Menschen. Sie schützen wichtige Teile (Gehirn im Schädelknochen). Erst Knochen ermöglichen die Bewegungen, die wir kennen, denn sie sind Ansatzpunkt der Muskeln. Dabei müssen Knochen recht widersprüchliche Eigenschaften gleichzeitig erfüllen. Sie müssen so- Abb Knochen wohl leicht als auch stabil sein. Sie sollten sich auch an wachsende Belastungen anpassen können. Knochen sind lebendes Gewebe Knochen bestehen zu ca. einem Drittel aus organischen und zu zwei Dritteln aus anorganischen Substanzen. Das anorganische Kalziumphosphat ist für die Härte und Stabilität verantwortlich 29, der organische Anteil sorgt für die Elastizität, ohne die der Knochen schon bei geringen Belastungen brechen würde 30. Bindegewebsfasern durchziehen den gesamten Knochen. Sie haben nur eine geringe Stoffwechselrate, was die langsame Anpassung an Belastungen erklärt. Als lebendes Gewebe wird der Knochen durchblutet. Auch verlaufen Nerven im Knochen und insbesondere in der Knochenhaut (Periost), wie man beim Tritt gegen das Schienbein sicherlich schon gespürt hat. Die Knochen sind häufig Hohlkonstruktionen (insbesondere im Knochenschaft) oder bestehen aus schwammartigen Strukturen (spongiöser Knochen). Beides reduziert das Gewicht, ohne die Stabilität zu sehr zu gefährden. Knochen sind lebendes Gewebe, sie passen sich an Belastungen an. Handwerker und Astronauten belegen dieses. Die Handknochen des Handwerkers sind verstärkt. Die Kno- 28 Siehe Osteoporose bezeichnet eine Art des Kalziummangels, bei dem der Knochen an Stabilität verliert. 30 Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) bezeichnet eine Krankheit, bei der das Bindegewebe im Knochen gestört ist und somit die Elastizität fehlt. 6-23

348 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE chen des Astronauten hingegen werden abgebaut, fehlt doch die Wirkung der Schwerkraft der Erde Sehnen Sehnen (lat. Tendo) sind die bindegewebigen Enden von Muskeln. Die meisten Sehnen verbinden Knochen und Muskeln. Aber auch Muskelbäuche werden miteinander verbunden, so z. B. beim Bauchmuskel. Sehnen sind nicht durch eigene Blutgefäße versorgt, sondern werden durch Diffusion versorgt. Bewegung ist hierfür förderlich. Dieses erkärt auch die geringe Stoffwechselrate, die eine langsamere Anpassung an Beanspruchungen bedingt. Sehnen sind äußerst belastbar. Eine gesunde Sehne reißt nicht durch eigene Arbeit. Vorschädigungen, Querbelastungen oder Schläge auf die gespannte Sehne sind Ursache für Schäden. Auch Cortison schwächt das Bindegewebe. Meistens findet der Riss als Ausriss des Ansatzes am Knochen (Apophyse) statt. Ein vollständiger Riss muss operiert werden, denn der Muskel zieht die Sehne vom Knochen weg. Die Sehnen des Menschen sind nicht dehnbar (1%), denn sie dienen der Kraftübertragung vom Muskel auf den Knochen. Eine dehnbare Sehne würde die Kraftkopplung zum Knochen träge machen, Bewegungen ließen sich weniger präzise und schnell steuern. In die Sehnen sind die Golgi-Sehnenorgane 31 eingelagert, die einen Teil der Bewegungswahrnehmung beisteuern Verletzung von Sehnen Sehnenscheidenentzündung (lat. Tendovaginitis) Aufgrund von Überbelastungen kann es zu vermehrter Reibung in den Sehnenscheiden kommen und somit zu einer nichtinfektiösen Sehnenscheidenentzündung. Sehnenriss Nur bei Vorschädigung, z. B. durch bindegewebsschwächende Medikamente (z. B. Cortison), oder durch heftige Querbelastung können Sehnen reißen. Dieses ist zumeist mit einem lauten Knall verbunden. Am häufigsten reißt die Achillessehne. 31 Siehe

349 6.3. Passiver Bewegungsapparat Bänder Ein Band (lat. Ligamentum ) verbindet Knochen mit Knochen. Es beschränkt die Beweglichkeit des zwischen diesen Knochen befindlichen Gelenks auf ein funktionelles Maß und hält die Gelenke zusammen. Deswegen ist es nicht sinnvoll, Bänder zu dehnen! Bänder sollen stabilisieren! => NICHT DEHNEN! Bänder bestehen aus Bindegewebe. Sie haben eine geringe Stoffwechselrate und brauchen dementsprechend lange zur Reparatur oder zum Aufbau. In Bändern befinden sich auch Gelenksensoren 32, die einen Teil der Bewegungswahrnehmung ausmachen. Die Bewegungswahrnehmung ist nach Bandverletzungen gestört und muss wieder trainiert werden (propriozeptives Training) Verletzungen von Bändern Bänderdehnung und Bänderriss Beide Verletzungen unterscheiden sich im Grad der Risse, sind aber strukturell gleich. Der Schweregrad lässt sich wie folgt einteilen 33 : Grad I: Nur wenige Fasern sind gerissen - Gelenk weiterhin stabil Grad IIa: Weniger als 50% der Fasern sind gerissen - Gelenk weiterhin stabil Grad IIb: Mehr als 50% der Fasern sind gerissen - Gelenk instabil Grad III: Alle Fasern sind gerissen - Gelenk instabil Die Symptome einer Bandverletzung sind der manchmal sogar von Außenstehenden hörbare Knall, die Schmerzen bei der Provokation der vom Band zu blockierenden Bewegung, die häufig sichtbare Einblutung (Rotfärbung) und das Anschwellen des betroffenen Gelenks. Zur Diagnose sind Röntgenaufnahmen wenig geeignet, denn Bandstrukturen sind nicht sichtbar. Ist das gesamte Band durchtrennt, lassen die Schmerzen recht schnell wieder nach. Somit werden lediglich mögliche Knochenbrüche auf der gegenüberliegenden Seite und knöcherne Abrisse erkennbar. Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und Magnetresonanztomographie (MRT) sind hingegen geeignete bildgebende Verfahren. Als Erstmaßnahme ist die PECH-Regel geeignet. Als regenerative Therapie sind konservative Maßnahmen, wenn möglich, zu bevorzugen. Tapeverbände und Orthesen 34 kön- 32 Siehe Vergleiche (author?) [Wik08] 34 Orthesen sind mechanische, medizinisches Hilfsmittel, die zur Unterstützung von eingeschränkt funktionstüchtigen Körperteilen dienen. 6-25

350 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE nen das Band entlasten und somit kann das Band selbstständig wieder zusammenwachsen. Durch diese Maßnahmen entfällt eine vollständige Immobilisation des Gelenks und die Muskulatur atrophiert weniger, sodass der Ausgangszustand schnell wiederhergestellt wird. Da bei Bandverletzungen die im Band liegenden Gelenksensoren geschädigt werden, ist ein propriozeptives Training nötig, um das Gelenk wieder zu stabilisieren. Häufige Bandverletzungen sind folgende: Außenbandriss des Sprunggelenks Seitenbandriss am Knie Kreuzbandriss am Knie Gelenkkapselriss im Daumengrundgelenk (Seitenbandruptur des Daumens) Bänderriss der Handwurzel Gelenkkapsel Die Gelenkkapsel (lat. Capsula articularis) umhüllt ein echtes Gelenk und sorgt somit dafür, dass die Gelenkflüssigkeit an ihrem Ort bleibt. Die innere Haut (lat. Stratum synoviale) ist für die Bildung und Reinigung der Gelenkflüssigkeit zuständig. In die äußere Haut (lat. Stratum fibrosum) sind auch Bänder eingelagert, die das Gelenk weiter stabilisieren Gelenkflüssigkeit Die Gelenkflüssigkeit (lat. Synovia) enthält Hyaluronsäure, Fetttröpfchen, Proteine, Glukose, Wasser sowie Abwehrzellen. Sie ernährt den Gelenkknorpel und schmiert die Gelenkflächen (Hyaluronsäure). Gelenkflüssigkeit kommt auch in Sehnenscheiden und Schleimbeuteln vor Knorpel Knorpel sind druck- und biegeelastisches Bindegewebe. Die Interzellularsubstanz besteht bis zu 70% aus Wasser und ist arm an Gefäßen und Nerven. Dieses führt zur schlechten Regenerationseigenschaft und dazu, dass Knorpelverletzungen nicht direkt gespürt werden. 6-26

351 6.3. Passiver Bewegungsapparat Hyaliner 35 Knorpel Dieser Knorpel neigt zu Kalkeinlagerungen und durch die hohen mechanischen Belastungen häufig zur Degeneration. (Gelenkknorpel, Rippenknorpel,... ) Elastischer Knorpel Keine Neigung zur Verkalkung. (Ohrmuschel,... ) Faserknorpel Enthält weniger Zellen aber mehr kollagene Faserbündel. (Bandscheiben, Schambeinfuge) Binde- und Stützgewebe Der Körper besitzt vier Grundgewebetypen: Muskelgewebe, Nervengewebe, Epithel sowie Binde- und Stützgewebe. Das Binde- und Stützgewebe findet sich in allen Körperteilen. Sein Anteil ist aber in den Teilen des passiven Bewegungsapparates am größten. Das Bindegewebe besteht aus ortsfesten Zellen und beweglichen Zellen, die größtenteils dem Abwehrsystem zuzuteilen sind. Die ortsfesten Zellen liegen nicht dicht. In diesem Zwischenraum liegt die Extrazellularmatrix, die sich je nach Aufgabe unterschiedlich zusammensetzt.??? Bindegewebe und Wundheilung Prellung (lat. Contusio) Eine Prellung oder Kontusion ist eine Schädigung durch stumpfe Gewaltanwendung von außen ohne Schädigung der Haut. Es kommt zu Schwellungen (Ödemen) und durch Blutaustritt aus beschädigten Kapillaren zu einem Bluterguss (Hämatom). Prellungen im Bereich von Muskeln sind zwar schmerzhaft aber ungefährlich im Vergleich zu Prellungen von inneren Organen. Fragen zur Selbstkontrolle??? Weiterführende Fragen??? 35 hyalin: durchsichtig. Der hyaline Knorpel hat eine milchig blaue Farbe. 6-27

352 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Gelenke Gelenkkaspel versorgt den Knorpel Gelenkführung Gelenke (lat. Articulatio) lassen erst das Bewegen des Menschen zu. Unter hohen Belastungen müssen sie ein Leben lang arbeiten können. Obwohl sie auf Haltbarkeit ausgelegt sind, kommt es durch intensive Beanspruchung natürlich zu Abnutzungserscheinungen. Um diese so gering wie möglich zu halten, ist ein genauerer Blick auf die Gelenke sinnvoll. Stoßen Knochen direkt aufeinander, so ist dieses sehr reibungsintensiv und schmerzvoll 36. Gelenke besitzen deshalb Knorpelschichten, die aufeinander gleiten können. Diese Flä- Abb Gelenk chen sind nicht gehärtet, sondern sind weicher und puffern Stöße gleichzeitig mit ab. Klar, dass diese Pufferfunktion auf Dauer den Knorpel sprichwörtlich «platt» macht. Dieses bemerkt man z. B. daran, dass man nach dem Schlafen ca. 2 cm größer ist als am Abend. Ebenso wird deutlich, dass der Knorpel sich wieder erholen kann. Hierfür braucht der Knorpel Energie und Aufbaustoffe. Direkt durchblutet ist er nicht, sodass einzig aus der Gelenkschmiere Nährstoffe in den Knorpel diffundieren können. Verstärkt werden kann diese Versorgung durch wechselnde Druckbelastungen des Knorpels, also durch Bewegen der Gelenke. Die Gelenkschmiere wird von der Gelenkkapsel gebildet, mit Nährstoffen angereichert und von Stoffwechselabfallprodukten wieder gereinigt. Erst Gelenke ermöglichen die uns bekannten Bewegungen. Unterschiedliche Gelenktypen lassen sich unterschiedlichen Freiheitsgraden zuordnen. Jedoch ist es nicht alleine der knöcherne Aufbau, der Zahl und Umfang der Freiheitsgrade bestimmt, sondern die Beweglichkeit von Gelenken hängt insbesondere von der Führung ab: Knochenführung (z. B. Hüftgelenk) Bänderführung (z. B. Kniegelenk, siehe Abb. 6.15) Muskelführung (z. B. Schultergelenk, siehe Abb.??) Die Frage nach der Funktion von Gelenken erübrigt es für uns, Gelenke und ihre Freiheitsgrade auswendig zu lernen. Gelenke ermöglichen Bewegungen, die über Muskeln bewirkt werden. Alle Freiheitsgerade eines Gelenks lassen sich über zugehörige Muskeln ausnutzen. Wenn keine zugehörigen Muskeln existieren, so ist ein Gelenk für diese Bewegungsrichtung nicht ausgelegt. Wird das Gelenk trotzdem in diesen Richtungen bewegt, so entstehen Schäden dadurch, dass stabilisierende Bänder gerissen/gedehnt werden oder das Gelenk auseinandergehebelt wird. Auch in allen ermöglichten Richtungen ist der Bewegungsraum begrenzt. Der Bewegungsraum, der aktiv nur durch die Muskeln am Gelenk ermöglicht wird, ist der aktive 36 Als Erkrankung: Artrose 6-28

353 6.3. Passiver Bewegungsapparat Bewegungsraum. Mit Unterstützung z. B. durch einen Partner ist mehr Bewegung möglich. Dieser passive Bewegungsraum ist immer größer als der aktive. Der passive Bewegungsraum wird durch die Dehnfähigkeit der Antagonisten, begrenzende Bänder oder die Gelenkkonstruktion eingeschränkt. Neben falschen Bewegungsrichtungen und übertriebenem Bewegungsraum können auch ständige, einseitige Bewegungen Gelenkschäden verursachen. Gezielte funktionelle Gymnastik kann diesen Schäden vorbeugen. aktiver und passiver Bewegungsraum Beispiele für falsche Bewegungsrichtungen Kniegelenk: seitwärts beugen und verdrehen. Fingergelenke: seitwärts beugen und verdrehen. Handgelenke: verdrehen. Ellenbogengelenk: seitwärts beugen Beispiele für Bewegungsradien Das Handgelenk kann sich ca. 90 strecken (Dorsalextension) und ca. 70 Beugen (Palmarflexion). Zur Kleinfingerseite ist eine Abwinklung der Hand von circa 40 möglich (Ulnarabduktion oder Ulnardeviation). Zur Daumenseite kann die Hand ungefähr 20 abgewinkelt werden (Radialabduktion oder Radialdeviation). Das Hüftgelenk besitzt drei Hauptachsen. Dadurch kann das Gelenk bis zu 15 Grad gestreckt werden, d. h. das Bein wird nach hinten bewegt (Retroversion). Hebt man das Bein nach vorne an, ist eine Beugung des Hüftgelenkes bis zu 120 Grad möglich (Anteversion). Bis zu 40 Grad kann man das Bein zur Seite vom Körper wegführen (Abduktion), bis zu 10 Grad zum Körper heranführen (Adduktion). Außerdem besteht die Möglichkeit einer Drehung nach außen (Außenrotation) von 35 Grad und einer Innenrotation von 15 Grad. Neben den echten Gelenken gibt es auch unechte Gelenke. Die unechten Gelenke sind nicht durch eine Gelenkkapsel umgeben und die beteiligten Knochen sind ohne Gelenkspalt direkt miteinander verbunden. Die knorpeligen (z. B. Brustbein-Rippen) oder bindegewebigen (z. B. Nähte der Schädelknochen, Elle-Speiche) Knochenverbindungen ermöglichen eine geringe Beweglichkeit Gelenkverletzungen Auskugeln 6-29

354 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Abb Schulterluxation Auskugeln ist der umgangssprachliche Begriff für Luxation (lat. luxare verrenken) und bezeichnet eine starke Verschiebung der an einem Gelenk beteiligten Knochen. Die Verschiebung ist so stark, dass die stabilisierenden Bänder und die Gelenkkapsel geschädigt werden. Meist gehen die Knochen nicht wieder von selbst in die Ausgangslage zurück, sondern müssen durch einen Therapeuten repositioniert werden. Verstauchung Verstauchen ist der umgangssprachliche Begriff für Distorsion (lat. Verdrehung). Im Gegensatz zur Luxation werden die Knochen nicht dauerhaft verschoben. Die Schäden an Gelenkkapsel und Bändern können jedoch ebenso stark sein. Neben einer Schwellung tritt häufig auch ein Bluterguss auf. Mehrfache Verstauchungen und Luxationen gefährden die Stabilität des Gelenks. Arthrose Arthrose bezeichnet eine degenerative Gelenkerkrankung durch Abnutzung oder Trauma (Unfall). Bewegungen des Gelenkes sind schmerzhaft und eingeschränkt. Die Knorpel des Gelenks werden aufgerieben. Später ist auch der Knochen betroffen. Eine Arthrose ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht heilbar. Das Fortschreiten kann lediglich verlangsamt werden. Im fortgeschrittenen Stadium kann eine Arthrose zu einer Arthritis werden. Arthritis Eine Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung. Unterschieden werden infektiöse und nicht-infektiöse Erkrankungen. Die nicht-infektiösen sind rheumatische Erkrankungen (Autoimmunerkrankungen). Eine Arthritis muss von einem Therapeuten behandelt werden. 6-30

355 6.3. Passiver Bewegungsapparat Das Kniegelenk Eines der meistbelasteten Gelenke des menschlichen Körpers ist das Kniegelenk. Es wird durch das eigentliche Kniegelenk (Articulatio genus) zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein, sowie dem Kniescheibengelenk (Articulatio femoropatellaris) zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen gebildet. Fast unser ganzes Körpergewicht ruht auf diesem Gelenk. Seine Belastung reicht von gleichmäßigem langen Druck beim Stehen bis zum schlagartigen Belastungswechsel mit einem Vielfachen des Abb Kniegelenk Körpergewichtes beim Laufen und Springen. Um so verwunderlicher ist der Aufbau des Kniegelenks. Prinzipiell stoßen zwei Kugeln aufeinander. Die entstehende Kontaktfläche wäre für diese Belastungen viel zu klein. Halbmondförmige Knorpelstücke mit keilförmigem Querschnitt dienen hier als Druckverteiler. Dieses sind die Menisken. Sie können 25% der Belastung übernehmen. Die Menisken sind nur im äußeren Drittel durchblutet, was die Regeneration des inneren Teils stark einschränkt. Zwei Kugeln würden aber auch voneinander runtergleiten, würden sie nicht über insbesondere Bänder an ihrem Platz gehalten werden. Die Seitenbänder verhindern ein seitliches Wegknicken. Die Kreuzbänder verhindern, dass sich der Unterschenkel nach vorne oder hinten gegenüber dem Oberschenkel verschiebt (Schubladeneffekt). Ist das Kniegelenk gebeugt, so sind Außenband und Innenband entspannt. Der Unterschenkel kann nun gegenüber dem Oberschenkel rotieren. Im ganz gestreckten Zustand erzwingen die Kreuzbänder eine leichte(!) Außenrotation des Unterschenkels. 6-31

356 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Häufige Verletzungen des Kniegelenks Beim Kniegelenk werden häufig die Elemente des passiven Bewegungsapparats geschädigt. Hierzu gehören insbesondere die Innenbänder, die Menisken und die Kreuzbänder. Da das Innenband mit der Kapsel und dem Meniskus verwachsen ist, gehen häufig Meniskusschäden mit Innenbandschäden einher. Abb Seitwärtsbelastung Fehlbelastungen der Kniegelenke Das Kniegelenk wird durch folgende einzelne oder kombinierte Belastungen geschädigt: 1. Seitwärtsbelastung des Kniegelenks, siehe insbesondere Innenbanddehnungen 2. Strecken des verdrehten Kniegelenks Meniskus- und insbesondere Innenbandschäden 3. Harte, wenig abgefederte Landungen nach Sprüngen Meniskus- und Kreuzbandschäden Funktionstests des Kniegelenks Mittels einfacher kleiner Griffe lassen sich Schäden am Kniegelenk feststellen. Diese Tests folgen einer allgemeinen Struktur: 1. Der Patient bewegt selbstständig das Bein. Schmerzen können im aktiven und passiven Bewegungsapparat vorliegen. 2. Der Patient bringt mit dem Unterschenkel Druck gegen die Hand auf. Das Gelenk bewegt sich dabei nicht. Wenn jetzt Schmerzen entstehen, so sind im Wesentlichen Muskeln geschädigt oder Sehnen. Natürlich können auch Schäden der Kniescheibe vorliegen. 3. Ohne aktive Beteiligung wird nun das Gelenk bewegt. Hiermit werden die Bänder und die Menisken getestet (Provokationstests). a) Seitwärtsbelastungen des Unterschenkels am gestreckten Bein testen die Seitenbänder. b) Am gebeugten Bein wird der Unterschenkel nach vorne und hinten gezogen / geschoben (Schubladentest). Hiermit werden die Kreuzbänder getestet. c) Beim gebeugten Bein wird unter Druck der Unterschenkel gegen den Oberschenkel verdreht. Hiermit werden die Menisken provoziert. 6-32

357 6.3. Passiver Bewegungsapparat Rehabilitative Maßnahmen 1. Verbesserung der Versorgung (ab 7. Tag nach Verletzung???) Als Bestandteile des passiven Bewegungsapparates sind alle genannten Strukturen schlecht mit Nährstoffen versorgt. Bewegung ohne Belastung (leichtes Radfahren, Kraul-Schwimmen) verbessern die Versorgung spürbar. 2. Wiederaufbau der abgebauten (atrophierten) Muskulatur (ab. 21. Tag nach Verletzung???) Langsam zunehmende Belastung der gelenkumgebenden Muskulatur. 3. Wiederaufbau der Propriozeption 37 Ein spezielles propriozeptives Training verbessert die verlorengegangene Feinsteuerung der gelenkumgebenden Muskulatur. Hierzu werden leichte (zunehmend schwerer werdende) Kraftübungen mit instabilen Gewichten/Untergründen durchgeführt. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Finde für die beiden ersten Fehlbelastungen des Kniegelenks Beispiele aus dem Ju-Jutsu! 37 Siehe

358 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Linkes Kniegelenk von hinten Ordne die Begriffe den gekennzeichneten Teilen der Grafik zu! vorderes Kreuzband Wadenbein hinteres Kreuzband Innenband Außenband Außenmeniskus Innenmeniskus Oberschenkelknochen Schienbein Abb Bestandteile des Kniegelenks 6-34

359 6.3. Passiver Bewegungsapparat Die Wirbelsäule Die menschliche Wirbelsäule (lat. columna vertebralis) besteht aus 7 Hals- (Zervikalwirbel), 12 Brust- (Thorakalwirbel) und 5 Lendenwirbeln (Lumbalwirbel). Zwischen diesen Wirbeln befinden sich die Bandscheiben, die eine Puffer- und Gleitfunktion haben. Die Pufferfunktion der Bandscheiben wird ergänzt durch die doppelte S-Form, die zusätzliches Federn ermöglicht. Die Bögen nennen sich in der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule Lordose und in der Brustwirbelsäule Kyphose. Durch alle Wirbel (lat. vertebra) zieht sich der Wirbelkanal, in dem das Rückenmark liegt. Aus seitlichen Löchern in der Wirbelsäule treten die peripheren Nerven aus. Schäden in der Wirbelsäule sind durch eine mögliche Schädigung dieser Nerven besonders gefährlich. Der Aufbau aus vielen Einzelgelenken ermöglicht vielfältige Bewegungen der Wirbelsäule. Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsneigungen sind ebenso möglich wie Rotationen. Die Wirbelsäule ist für diese Bewegungen ausgelegt, keine von ihnen ist per se schädlich. Eher ist es so, dass vielfältige Bewegungen nötig sind, um die Bandscheiben ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Jedoch können schwungvolle Kombinationsbewegungen und Bewegungen mit stauchendem Zusatzgewicht die Bandscheiben schädigen. Verspannungen der Wirbelsäule, die einerseits dem Schutz der verspannten Stelle dienen, haben dann zur Folge, dass noch gesunde Bereiche ihre Funktion übernehmen müssen. Hier besteht die Gefahr einer Überlastung, sodass sich die Probleme ausweiten. Lordose Kyphose Fehlhaltungen Neben spontanen Schäden, gibt es Fehlhaltungen der Wirbelsäule, die sich über lange Zeit herausgebildet haben. Insbesondere die seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (Skolio- Abb Wirbel v.d.s. Abb Wirbel v.o. 6-35

360 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE se) und der Rundrücken sind häufiger auftretende Fehlhaltungen. Während die Skoliose schwer therapierbar ist, kann bei einem Rundrücken und bei einem Hohlkreuz Krafttraining helfen. Häufige Verletzungen der Wirbelsäule Verletzungen der Wirbelsäule sind sehr kritisch, da sie das Rückenmark und die austretenden Nerven gefährden. Sensationen (Kribbeln, leichte Schmerzen, Taubheit), die sich in der Peripherie bemerkbar machen, müssen nicht in dem betroffenen Bereich liegen, sondern können auch von einer Irritation der Nerven herrühren, die den Wirbelkanal verlassen. Es lassen sich bestimmte Bereiche der Peripherie Bereichen der Wirbelsäule zuordnen. Abbildung «korrespondierende Wirbel» zeigt einige dieser Zusammenhänge. Fehlbelastung der Wirbelsäule Wie in Abschnitt??? dargestellt, werden Knorpel durch Druck und Zugbelastungen mit Nährstoffen versorgt. Jedoch können durch Druck und Beugung Bandscheibenvorfälle provoziert werden. Besonders dynamische Übungen und Übungen mit hohen Gewichten oder helfenden anderen Muskeln sind extrem gefährlich. Bei diesen Übungen wirken dann äußere Kräfte auf die Wirbelsäule. Übungen hingegen, bei denen nur die eigenen Bauch oder Rückenmuskeln arbeiten, sind weitestgehend ungefährlich, wobei ruckartige Bewegungen zu vermeiden sind. Das eigene Körpergewicht ist aber ein Zusatzgewicht! Übungen, bei denen ein Zug auf die Wirbelsäule wirkt, sind viel besser, weil die Bandscheiben nicht sprichwörtlich herausgedrückt werden. Die Abbildung «Belastungen der Wirbelsäule» zeigt unterschiedliche Belastungen der Wirbelsäule. Links ist eine «normale» Krümmung zu sehen. Wenn Wirbel blockiert sind, übernehmen andere ihre Funktion. Dieses kann zu Überlastungen führen (2. von links). Wenn die Wirbelsäule unter Zug stark gebeugt ist (2. von rechts), ist dieses relativ ungefährlich im Gegensatz zur starken Beugung bei Druckbelastung (rechts). Neben dem Bandscheibenvorfall kann das Aufeinanderstoßen von Wirbeln zu Entzündungen führen. Diese entzündeten Stellen werden immobilisiert und die Überlastung angrenzender Stellen ist wahrscheinlich. Solche Entzündungen entstehen langfristig. Bandscheibenvorfälle können spontan bei Fehlbelastung entstehen. Funktionstests der Wirbelsäule??? Rehabilitative Maßnahmen??? 6-36

361 6.3. Passiver Bewegungsapparat Korrespondierende Wirbel Brustwirbelsäule Halswirbelsäule Lendenwirbelsäule C5: Delta, Bizeps C6: Bizeps, Handstrecker C7: Fingerstrecker, Handbeuger Th1: Fingerbeuger Th2: Finger spreizen Th3: Lunge Th4: Galle Th5: Leber Th6: Magen Th7: Bauchspeicheldrüse Th8: Milz Th9: Nebennieren Th10: Nieren Th11: Nieren, Harnleiter Th12: Hüftbeuger L1: Hüftbeuger L2: Hüftbeuger, Bauch, Blinddarm L3: Hüftbeuger, Blase, Knie L4: Fußstrecker, Ischiasnerv L5: Fußbeuger Belastungen der Wirbelsäule Normale Beugung Bei angrenzender Versteifung Starke Beugung mit Zug Abb Korrespondierende Wirbel und Fehlbelastungen Starke Beugung unter Druck 6-37

362 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Fragen zur Selbstkontrolle Beschreibe die in Abbildung «Belastungen der Wirbelsäule» dargestellten Belastungen der Wirbelsäule! Weitergehende Fragen??? 6-38

363 6.3. Passiver Bewegungsapparat Das Schultergelenk Schultereck-Schlüsselbein-Gelenk (Articulatio acromioclavicularis) Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk (Articulatio sternoclavicularis) Subacromiale Gleitlager Schlüsselbein (Clavicula) Schultereck (Acromium) Gleitfläche der Bizepssehne Brustbein (Sternum) Schultergelenk (Articulatio humeri) Abb Schultergelenk Oberarmknochen (Humerus) Schulterblatt (Scapula) scapulo-thorakale Gleitlager (Schulterblatt auf Rippen) Das Schultergelenk ist wohl das beweglichste Gelenk. Es ermöglicht eine Vielzahl an Freiheitsgraden für Armbewegungen. Diese Freiheit kommt aber nicht durch ein einziges Gelenk zustande, sondern 5 Gelenke und 4 Knochen bilden gemeinsam «das Schultergelenk»: Schultergelenk zwischen Humerus und Scapula Schultereck-Schlüsselbein-Gelenk oder Acromioclaviculargelenk Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk oder Sternoclaviculargelenk subacromiale Gleitlager zwischen Acromium und Humerus scapulo-thorakale Gleitlager Die große Beweglichkeit des Schultergelenks bedingt, dass das Gelenk weder durch Knochen, noch durch Bänder geführt werden kann. Es ist muskulär geführt. Häufige Verletzungen des Schultergelenks Impingement-Syndrom Das Impingementsyndrom (eng. impingement: Zusammenstoß) oder Engpasssyndrom lässt sich vereinfacht als ein zu kleiner Spalt zwischen Hume- 6-39

364 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE rus und Acromium auffassen. Meist ist die Rotatorenmanschette oder der Schleimbeutel gereizt. Ursachen hierfür können im falschen Training (Übertraining der Muskeln, die den Oberarm heben) oder häufiges Arbeiten über Kopf sein). Durch spezielle Übungen für die Rotatorenmanschette kann der Spalt wieder vergrößert werden und die Schmerzen lassen nach.??? Abbildungen??? verbotene Übungen. Tendinitis der Bizepssehne Eine Entzündung der Sehne (Tendinitis) des Bizeps kann dadurch zustandekommen, dass der Platz für die Sehne durch Krafttraining der Muskeln, die den Oberarmkopf nach vorne bewegt (z. B. Brustmuskulatur), verengt wird. Durch Training der Muskulatur, die den Oberarmkopf wieder nach hinten bewegen, lässt sich dieses vermeiden.??? Abbildung??? verbotene Übungen Funktionstests des Schultergelenks??? Rehabilitative Maßnahmen??? Fragen zur Selbstkontrolle Warum muss das Schultergelenk muskulär geführt werden? Weitergehende Fragen??? 6-40

365 6.3. Passiver Bewegungsapparat Das Sprunggelenk Das Sprunggelenk ist ein Oberbegriff für das obere und das untere Sprunggelenk. Es verbindet den Unterschenkel mit dem Fuß. Das obere Sprunggelenk (OSG oder Knöchelgelenk, lat. Articulatio talocruralis) verbindet Schienund Wadenbein mit dem Sprungbein. Das untere Sprunggelenk (lat. Articulatio talocalcaneonavicular) verbindet Sprungbein und Fersenbein (hinteres unteres Sprunggelenk) und Sprungbein, Fersenbein und Kahnbein (vorderes unteres Sprunggelenk). Das Sprunggelenk ist eines der meist belasteten Gelenke des menschlichen Körpers und mit einem Anteil von 20 Prozent aller Sportverletzungen ist es das am häufigsten verletzte Gelenk. Häufige Verletzungen des Sprunggelenkes Supinationstrauma Knickt der Fuß unter hoher Belastung nach innen um (Supination), so können die Abb Sprunggelenk Außenbänder des oberen Sprunggelenks geschädigt werden. Je nach Schweregrad spricht man von einer Verstauchung oder einem Bänderriss. Die Erstmaßnahme entspricht der PECH-Regel. Die Rehabilitation erfolgt in der Regel konservativ (ohne Operation) mit Unterstützung von Schienen oder Tapeverbänden. Bei der Therapie sind die allgemeinen Empfehlungen zur Bindegewebsheilung zu beachten. Da eine Bandverletzung vorliegt, sollte ein propriozeptives Training erfolgen, um die Stabilität wiederherzustellen. Achillessehnenruptur Die Achillessehne (lat. Tendo calcaneus Achilles) verbindet die Wadenmuskulatur mit dem Fersenbeinhöcker (Tuber calcanei). Sie ist eine der stärksten Sehnen des menschlichen Körpers. Ein Riss (Ruptur) der Achillessehne tritt nur bei Vorschädigung auf. Seitwärtsbelastung und bindegewebsschwächende Medikamente können hierzu beitragen. 6-41

366 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Meist lässt sich eine Ruptur durch eine tastbare Lücke wenige Zentimeter über dem Fersenbein diagnostizieren. Es ist nicht mehr möglich, auf Zehenspitzen zu gehen. Die Rehabilitation erfolgt meist konservativ. Nach einer 6-wöchigen Immobilisation bei langsam abgebauter Spitzfußstellung kann der Fuß wieder bewegt werden. Die Achillessehne kann bis zu 90% der ursprünglichen Leistungsfähigkeit wieder erlangen. Dieses reicht auch für Leistungssport. Fragen zur Selbstkontrolle Welche Bewegungen oder Gefahrenstellen können zu einem Supinationstrauma im Training führen? Ein Sportkamerad kommt nach einem Bänderriss im OSG wieder zum Training. Was kann er trainieren? Gib Hinweise in Abhängigkeit von der Zeit nach dem Riss! Weitergehende Fragen??? 6-42

367 6.4. Herz-Kreislauf-System 6.4 Herz-Kreislauf-System Grundkenntnisse über das Herz-Kreislauf-System (HKS) können einen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper und den Körpern unserer Trainierenden ermöglichen. Gleichzeit kann das Wissen aber auch als Waffe gegen unsere Gegner eingesetzt werden. Lungenkreislauf linker Vorhof rechter Vorhof Aufgaben des Blutkreislaufes Die Körperzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Abbauprodukte abtransportieren, z. B. CO 2. Botenstoffe (Hormone) transportieren, z. B. Adrenalin. Wasserhaushalt Temperaturregulation insbesondere über die Haut. Beim Sport muss die bei der Arbeit frei werdende Wärme (bis 38 C) abtransportiert werden. Damit die Temperatur in den Muskeln, im Zentrum und im Gehirn nicht zu stark ansteigt, wird das Blut zur Haut transportiert und über die Verdunstungskälte des Schweißes gekühlt. Immunsystem... linke Herzkammer rechte Herzkammer Venen Arterien Körperkreislauf Abb Blutkreislauf Anatomie des HKS Zentrale Pumpenstation (Herz), bestehend aus rechtem und linken Vorhof und rechter und linker Kammer Vom Herzen wegführende Gefäße nennt man Arterien, die hinführenden Venen. Kreislauf: peripheres, venöses Blut obere und untere Hohlvene rechter Vorhof und Kammer Lunge linker Vorhof und Kammer Hauptschlagader Arterien kleinste Gefäße (Kapillaren) Gas-/Stoffaustausch Venen Kleiner Kreislauf oder Lungenkreislauf: Herz - Lunge - Herz Großer Kreislauf oder Körperkreislauf: Herz - Organe - Herz 6-43

368 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Physiologie Blut: ca. 5 Mill. rote Blutkörperchen pro 1/1000 ml Gesamtblut = ca. 8% des Körpergewichtes bzw. ca. 80 ml pro kg Körpergewicht Herzzeitvolumen (HZV) = Herzfrequenz * Schlagvolumen, d.h. ca. 70 Schläge pro Minute * ca. 70 ml pro Schlag = ca. 5 l/min Trainingswirkung auf Herz und Kreislauf Steigerung Herzzeitvolumen Schlagvolumen Herzgröße Sauerstoffaufnahmevolumen Zahl der roten Blutkörperchen max. Atemminutenvolumen Vitalkapazität (Lungenkapazität in Abhängigkeit von Körpergröße, Gewicht und Alter) Senkung Herzfrequenz (z. B. Ruhepuls von Boris Becker: 36) Das Lungenvolumen lässt sich nur bei Kindern (bis ca. 10 Jahre) steigern. Bei Erwachsenen wird nur die Atemtiefe gesteigert. Das Herz kann nur während seiner Ruhephase durchblutet werden, da bei Herzaktivität die eigenen Blutgefäße durch die Kontraktion mit zusammengedrückt werden. Eine niedrigere Herzfrequenz verbessert also die Herzdurchblutung des Herzmuskels und verringert die Belastung von Venen und Arterien Grundlagen der Blutdruckregulation Die Blutdruckregulation läuft im Wesentlichen über das Herz und die Gefäße: Herz: Frequenz und Schlagvolumen, abhängig vom Symphaticus und Parasympathicus (Nervus Vagus). Gefäße: eng für hohen und weit für niedrigen Blutdruck, abhängig unter anderem von Sympathicus und Parasympathicus und lokalen Faktoren. 6-44

369 6.4. Herz-Kreislauf-System Der Blutdruck kann durch folgende Faktoren (einzeln oder in Kombination) gesenkt werden: Verminderung der zirkulierenden Blutmenge Dieses passiert z. B. bei starken inneren und äußeren Blutungen. Verminderung der Herzleistung z. B. bei ungewollt heftiger Reizung (Handkantenschlag) des Parasymphathicus bei Schlag auf den Sinus Carotis, der direkt an der Halsseite bei der Gabelung der Halsschlagader liegt. (plötzliches) Weitstellen der Gefäße Die gesamte Blutmenge kann in den Venen versacken. Dieses kann schon passieren, wenn nach einem Lauf plötzlich stehengeblieben wird. Gegenmaßnahme des Körpers ist die Zentralisation des Kreislaufes, also die sympathoadrenerge Reaktion (Engstellung der Gefäße und Steigerung der Herzfrequenz). Diese vorerst sinnvolle Kreislaufzentralisation wirkt sich aber bei längerer Dauer ungünstig aus: Minderdurchblutung durch Engstellung Strömungsverlangsamung in der Peripherie (insbesondere Arme und Beine) Zusammenklumpen von Blutplättchen und roten Blutkörperchen Gerinnung (Thrombenbildung) / Gefäßverschluss Sauerstoffversorgung betroffener Organe wird zu stark vermindert Kreislaufzusammenbruch mit teilweise irreversiblen Organschädigungen Schock Als Schock wird eine akute Unterversorgung lebenswichtiger Organe mit Sauerstoff verstanden. Von den vielen möglichen Schockarten wollen wir uns auf die kampfkunstrelevanten konzentrieren. Dieses ist an erster Stelle der hypovolämische 38 Schock. Beim hypovolämischen Schock besteht ein absoluter Blutvolumenmangel. Durch inne- absoluter Blutvolumenmangel re (z. B. schwerste Schläge auf innere Organe) oder äußere Verletzungen (insbesondere Schnitt und Stichverletzungen) steht dem Blutkreislauf nicht mehr genug Blut zur Verfügung. Hierdurch wird das Gehirn unterversorgt. Beim neurogenen Schock überreagiert das vegetative Nervensystem. Insbesondere durch psychische Einflüsse (panische Angst) aber auch Angriffe auf Nervengeflechte (Sinus Caroticus) wird das vegetative Nervensystem dazu veranlasst, die Blutgefäße weit 38 Hypo bedeutet unter im Gegensatz zu hyper (über). Hypovolämisch bedeutet somit zu wenig Volumen. 6-45

370 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE relativer Blutvolumenmangel zu stellen, so dass das Blut in der Peripherie (insbesondere in den Beinen) «versackt». Hierdurch entsteht ein relativer Mangel, sodass das Gehirn unterversorgt wird. Schockzustände sind an folgenden Zeichen feststellbar: Schneller, aber schwacher Puls (Versuch, die Unterversorgung zu beheben) kalter Schweiß Angstzustände blasse oder bläuliche Hautfarbe (Minderdurchblutung der Haut) Bewusstseinsstörung bis hin zur Bewusstlosigkeit. Besteht ein Schockzustand über längere Zeit, so können irreversible Organschäden hervorgerufen werden. Die Maßnahmen der Schockbekämpfung stellen die Ursache des Schocks ab: hypovolämischer Schock Blutung stillen und mit Blutkonserven/Blutplasma den Verlust ausgleichen. neurogener Schock Schocklage (Beine hoch), um versacktes Blut wieder zurück zum Herzen fließen zu lassen. Fragen zur Selbstkontrolle Was passiert bei einem hypovolämischen Schock? Was passiert bei einem neurogenen Schock? Was bedeuten absoluter und relativer Blutmangel? Weiterführende Fragen??? 6-46

371 6.5. Nervensystem 6.5 Nervensystem Das Nervensystem ist für die Reizaufnahme, Reizweiterleitung und Reizverarbeitung sowie die Steuerung von Organen und somit auch Muskeln zuständig. Das Nervensystem setzt sich beim Menschen wie folgt zusammen: Zentrales Nervensystem (ZNS) Gehirn (lateinisch: Cerebrum, griechisch: encephalon) Das Gehirn ist die Hauptzentrale für willkürliche und komplexere unwillkürliche oder instinktive Entscheidungsprozesse. Das Gehirn ist im Schädel gut und relativ sicher verpackt. Rückenmark (lateinisch: Medulla spinalis 39 ) Das Rückenmark verläuft innerhalb der Wirbelsäule und ist der «Ausläufer» des Gehirns. Im Rückenmark laufen die Nervenfasern zusammen. Die Nerven treten aus den Wirbellöchern aus der Wirbelsäule aus. Jedem Organ ist das jeweilige Wirbelloch fest zugeordnet, sodass Schäden bei diesen Nervenaustritten sich häufig als «Sensationen» der zugehörigen Organe bemerkbar machen 40. Peripheres Nervensystem Rezeptoren (lateinisch: recipere = aufnehmen) Die Rezeptoren sind für die Reizaufnahme zuständig. Diese werden dann zum ZNS weitergeleitet. Effektoren (lateinisch: efficere = bewirken) Die Effektoren leiten die Befehle des ZNS an die Organe (Muskeln) weiter. Vegetatives Nervensystem Das vegetative Nervensystem oder autonome Nervensystem (ANS) ist für die lebenswichtigen Grundfunktionen (z. B. Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel) zuständig. Es ist aber trotzdem vom ZNS beeinflussbar. * Sympathisches Nervensystem Das sympathische Nervensystem ist überwiegend leistungssteigernd tätig. 39 Medulla spinalis = das Innerste der Wirbelsäule 40 Siehe

372 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE * Parasympathisches Nervensystem Das parasympathische Nervensystem ist überwiegend erholungsfördernd tätig. * Enterisches Nervensystem Das enterische Nervensystem ist für den Magen-Darm-Trakt zuständig Die Nervenzelle (Neuron) Abb Eine Nervenzelle Die Nervenzellen sind für die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Reizen zuständig. Eine Nervenzelle besteht aus dem Zellkörper (Perikaryon) mit dem Zellkern (Nucleus) und den Ausläufern (Neuriten). Die kurzen Ausläufer (Dentriten) dienen der Reizaufnahme. Der lange Ausläufer (Axon) dient der Weiterleitung des Reizes bis zu den Synapsen, die den Reiz an eine andere Zelle weitergeben. Die Nervenzellen lassen sich nach der Richtung der Reizweiterleitung unterscheiden: afferent (lateinisch: affere = herbeitragen): zum Zentrum aufsteigend (Wahrnehmung) efferent (lateinisch: effere = hinaustragen): vom Zentrum zur Peripherie absteigend (Steuerung) Die «Schwannschen Zellen», die die Myelinscheide um das Axon bilden, dienen der beschleunigten Reizweiterleitung (saltatorische Erregungsleitung). Eine Nervenzelle, die mit Myelin umhüllt ist, leitet den Reiz ca. vier mal schneller (max. 120 m/s), als eine gleichgroße nicht umhüllte Zelle (max. 30 m/s) Reflexe Reflexe sind automatische Reaktionen des Körpers auf einen Reiz. Es gibt unterschiedliche Arten von Reflexen: 6-48

373 6.5. Nervensystem Unbedingte und unkonditionierte Reflexe Diese Reflexe sind nicht antrainiert und somit bei allen Individuen einer Spezies gleich. Eigenreflexe Bei Eigenreflexen reagiert des gereizte Organ selbst. Hierzu gehören insbesondere Muskeln, die über ihre Muskelspindeln gereizt werden (z. B. Patellarsehnenreflex). Fremdreflexe Bei Fremdreflexen reagiert ein anderes Organ auf einen Reiz (Lidschlag bei Reiz der Hornhaut) Koordinierte Reflexbewegungen Bei diesen Reflexen reagieren viele Muskeln, aber auch innere Organe werden angeregt. Diese Reflexe sind aber willkürlich beeinflussbar und auch steuerbar (Saugreflex, Greif-Reflex, aber auch Gefühle). konditionierte Reflexe Diese Reflexe sind antrainiert. Erfolgreiches Verhalten wurde erlernt und durch immer weiteren Erfolg solange automatisiert, bis die Reaktion auf den Reiz «reflexartig» erfolgt. Hier bestehen gute Anknüpfpunkte, um Reflexe für Techniken zu nutzen Bewegungssteuerung Die Bewegungssteuerung wird häufig mit Regelkreismodellen (z. B. Schematheorie 41 ) beschrieben. Die Wahrnehmung von Gelenkstellungen und Spannungen wird kinästhetische 42 Wahrnehmung (auch gebräuchlich ist der Begriff Propriozeption 43 ) genannt. Zur Diese Rezeptoren sind keine Sensoren, sondern Organe, ihre Rückmeldungen sind nicht unabhängig von vorhergehenden Zuständen. Einfache Beispiele hierfür sind der Einfluss der Muskelspannung auf die taktile Wahrnehmung und die schwindende Bewegungsqua- Einfluss der lität bei übermäßigem Krafteinsatz. 41 Siehe griechisch «kinesis»: Bewegung; griechisch «aísthesis»: Wahrnehmungen 43 Propriozeption: Eigenwahrnehmung. Die nötigen Rezeptoren werden Proprio-Rezeptoren oder Propriozeptoren genannt Wahrnehmung sind die Rezeptoren in Muskeln, Sehnen, Gelenken und Bändern eingelagert. Muskelspannung auf die Wahrnehmung

374 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Efferente Nervenbahnen Die Ansteuerung des Skelettmuskels funktioniert über die efferenten Nervenbahnen. Die einzelne, angesprochene Muskelzelle reagiert nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Anhand des Taktverhältnisses von Anspannung und Entspannung und der Anzahl der gleichzeitig angesprochenen Muskelzellen 44 ist eine Steuerung von Kraft und Geschwindigkeit möglich Muskelspindel Die Muskelspindeln sind im Muskel eingelagert und messen die Dehnung des Muskels. Über die Muskelspindeln wird der Muskel vor plötzlicher Dehnung geschützt und Gelenkstellungen sind wahrnehmbar. Bekanntes Beispiel ist der Patellarsehnenreflex. Wird auf die Sehne, die die Kniescheibe mit dem Schienbein verbindet, ein leichter Schlag ausgeführt, so melden die Muskelspindeln des Beinstreckers eine groß,e plötzliche Dehnung und der Muskel wird kontrahiert, sodass der Unterschenkel bewegt wird. Abb Patellarreflex Golgi-Sehnenorgan Eingelagert in die Sehnen sind die Golgi-Sehnenorgane. Sie nehmen die Spannung in der Sehne und damit auch im Muskel wahr Gelenksensoren Die Gelenksensoren nehmen die Änderung der Gelenkstellung und den Gelenkwinkel wahr. Eingelagert befinden sich diese Sinnesorgane auch in den Bändern, sodass bei Bandverletzungen eine Verschlechterung der Propriozeption festzustellen ist, z. B. ist bei Verletzungen von Fußbändern der Stand auf dem betroffenen Fuß spürbar schlechter. Fragen zur Selbstkontrolle??? 44 Siehe

375 6.6. Wahrnehmung Weiterführende Fragen??? 6.6 Wahrnehmung Das häufig genutzte Bild des Menschen als Maschine, das Vergleichen des Gehirns mit einem Computer und die Bezeichnung der Sinnesorgane als Sensoren sorgen systematisch für Missverständnisse. Sich mit der Wahrnehmung bewusster auseinanderzusetzen ist wichtig für das Bewegungslernen und auch für den Kampf Sensor vs. Sinnesorgan Sensoren melden eine Messgröße unabhängig von Vorzuständen weiter. Sinnesorgane hingegen sind abhängig von einem Vorzustand, was an einem kleinen Beispiel deutlich wird: Eine Hand badet in kaltem Wasser, die andere in heißem. Legt man nun beide Hände in warmes Wasser, so... Weiterhin verarbeiten unsere Sinnesorgane Information bereits, so findet z. B. die Wahrnehmung von Bewegung schon auf der Netzhaut statt und wird nicht erst im Gehirn registriert Computer vs. Gehirn Die Arbeitsweise des Gehirns ist bisher nicht hinreichend geklärt. Offensichtlich arbeitet aber unser Gehirn anderes als ein Computer. Die spärlichen Informationen, die unsere Sinnesorgane unserem Gehirn melden, werden zu Bekanntem ergänzt (Abb. optische Täuschung???) 46. Dieses ermöglicht es, schon mit minimalen Informationen auszukommen, vorausgesetzt das, was wir wahrnehmen sollten, ähnelt dem Bekannten. Andauernde Reize werden nicht dauerhaft weitervermittelt, sondern vom Gehirn ergänzt (Abb. Täuschungen???). Obwohl die Wahrnehmung von mehreren unterschiedlichen Organen zusammen ein besseres Bild ergäbe, wird häufig nur ein Sinnesorgan genutzt, um schneller entscheiden zu können. Ergeben Wahrnehmungen unterschiedlicher Organe unterschiedliche Bilder, so bekommen wir Probleme, z. B. Schwindel, wenn die Wahrnehmung des Gleichgewichtsorgans nicht mit der Wahrnehmung der Augen übereinstimmt. 45 Vergl.? ] 46 Vergl.? ] 6-51

376 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE All diese Vereinfachungen dienen dazu, schnell entscheiden zu können. Diese Vereinfachungen waren nötig, um überleben zu können Bewegen und Wahrnehmen Die Kinästhetik, also der Bewegungssinn, meldet zwar Muskellänge und Muskelspannung somit auch den Gelenkwinkel, aber die Wahrnehmung ist stark abhängig von der Bewegung. Viktor v. Weißsäcker spricht von der «Koinzidenz von Bewegen und Wahrnehmung», einem Phänomen, dem wir z. B. begegnen, wenn wir einen Gegenstand mit der Hand wiegen sollen: Wir bewegen ihn auf und ab, um sein Gewicht besser abschätzen zu können. Hierin zeigt sich ein Grundsatz des Wahrnehmens, die Abhängigkeit vom Vorzustand. Das Bewegen sorgt für verschiedene Vorzustände und somit für mehr Informationen. 6-52

377 6.7. Gefährdete Punkte 6.7 Gefährdete Punkte In Selbstverteidigungssituationen ist es wichtig, Punkte anzugreifen, die wirken. Viele schmerzvolle Punkte zeigen unter Adrenalineinfluss kaum noch Wirkung 47. Das im Rheumamittel «Valoron N» befindliche Tilidin verursacht extreme Schmerzresistenz bei gleichzeitiger Aggressionssteigerung und wird z. B. von Jugendlichen vor Auseinandersetzungen genommen. Im Training hingegen ist es wichtig, ernsthafte, also nachhaltige, Schäden zu verhindern. Somit lohnt sich aus zweierlei Sicht ein Blick auf ausgezeichnete Punkte. Kopf Der Schädel ist stark durchblutet, um Infektionen der ganzen Körperöffnungen abwenden zu können. Bei Kindern unter 13 Jahren ist der Schädel stärker gefährdet, da die Schädelnähte noch nicht vollständig geschlossen sind. Durch Augen, Schläfen und Nase ist eine Verletzung des Gehirns möglich. (Dass das Nasenbein ins Gehirn getrieben werden könnte, ist aber eher ein Gerücht als eine ernsthafte Gefahr.) Der Jochbogen kann gebrochen werden. Dieses kann ein Absacken des Auges bewirken. Der Kiefer kann gebrochen werden. Insbesondere das Kiefergelenk ist schwierig wieder zu reparieren. K.O. Schlag durch ein Hin-und-her-Schwappen des Gehirns (coupe et contre coupe). Innere Blutungen des Gehirns machen sich erst nach 6 bis 8 Stunden bemerkbar. Hierauf ist z. B. bei Gehirnerschütterungen zu achten. Blutungen im Gehirn lassen die Nervenzellen absterben und gefährden durch den erhöhten Druck das Gehirn, sind also lebensgefährlich. Durch einen Pressluftschlag kann das Gleichgewichtsorgan beeinträchtigt und das Trommelfell beschädigt werden. Hals Schlagadern beidseitig hinter den Kopfwendermuskeln (Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn). 47 (siehe 2) 6-53

378 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE An der Aufteilungsstelle in innere und äußere Kopfschlagader ist der Sinus Caroticus 48, ein Nerv, der den Blutdruck zum Kopf mitreguliert (beidseitig). Bei Irritation (z. B. Handkantenschlag) kann es zum Kreislaufversagen kommen. Das Gehirn reagiert empfindlich auf Sauerstoffmangel: sek. Bewusstlosigkeit 3 min. Teilschäden des Gehirns 5 min. Tod. Bei Würgetechniken und Schlägen zum Hals kann die Gefäßinnenhaut beschädigt werden, sodass sich Thromben 49 bilden können. Lösen sich diese Blutgerinnsel, kann es z. B. zu einem Gehirnschlag kommen (Durchblutungsstörungen von Gehirnregionen). Kehlkopf: bei Beschädigung kann die Luftröhre von innen zuschwellen oder kollabiert bei totaler oder teilweiser Beschädigung des Knorpelgerüstes. Das Zuschwellen kann einige Zeit brauchen (20min Zeit um Hilfe zu holen). Das Genick kann gebrochen werden. Die Wirbelsäule kann gebrochen oder geprellt werden. Solarplexus Nervengeflecht, liegt an der Rückwand des Bauchraumes vor der Hauptschlagader hinter der Bauchspeicheldrüse in der Höhe des ersten Lendenwirbelkörpers. Bei Irritation kann es zum Gefäßversagen der Kapazitätsgefäße kommen, sodass der Blutdruck stark abfällt. Meist wird jedoch der linke Leberlappen getroffen. Oberbauch Leber Luftnot, Ruptur, Blutung (reicht vom re. Rippenbogen bis z.t. deutlich über die Körpermittellinie nach links) Meist zieht sich das Zwerchfell zusammen und die Atmung fällt schwer. Milzruptur, ggf. zweizeitig, die Gewebekapsel ist sehr stabil, dadurch kann es Tage dauern bis sie bei Blutungen ins Gewebeinnere reißen kann. Dieses nennt sich zweizeitiger Riss und kann zum Verbluten führen. 48 «Als Sinus caroticus (Karotissinus) wird die Anfangserweiterung am Ursprung der Arteria carotis interna (innere Halsschlagader) bezeichnet. In der Gefäßwand des Sinus caroticus befinden sich Pressorezeptoren (auch Barorezeptoren genannt), also Rezeptoren, die den Blutdruck im Blutgefäßsystem registrieren.» [Wik05d] 49 «Ein Thrombus (Plural Thromben) ist ein Blutgerinnsel oder Blutpfropf. Thromben können Verstopfungen der Blutgefäße verursachen und dadurch einen Infarkt auslösen. Thromben bilden sich bei Gefäßverletzungen und dienen dem Gefäßverschluss, um einen größeren Blutverlust zu vermeiden.» [Wik05e] 6-54

379 6.7. Gefährdete Punkte Unterbauch Die Blase kann reißen (Ruptur). Schläge und Quetschen der Hoden kann Schmerz bis hin zum Schock bewirken. Die Nieren (liegen auf der Körperrückseite) können reißen. (merkbar am Blut im Urin) Gelenke Die stabilisierenden Bänder können gerissen oder überdehnt werden. Gelenke können bis zum Brechen gehebelt werden Gefährdete Punkte in der Selbstverteidigung Gefährdete Punkte lassen sich natürlich in der Selbstverteidigung nutzen. Jedoch sollte die Auswahl von Punkten bewusst erfolgen und die Angriffe auf diese Punkte sollten gezielt trainiert werden. Angriffe auf Punkte, die sich als wenig wirksam oder zu extrem herausstellen, sollten im Training eine untergeordnete Rolle einnehmen. Folgendes sollte bei der Auswahl der Punkte beachtet werden: adrenalinunabhängige Wirkung sofortige Wirkung Vertretbarkeit der Wirkung (Schlag auf den Kehlkopf oder KO-Schlag) Fragen zur Selbstkontrolle «Zweizeitige» Verletzungen sind besonders gefährlich. Erkläre dieses an Beispielen! Weiterführende Fragen Techniken aus verschiedenen Technikgruppen können sowohl für den Ausführenden als auch den Erleidenden gesundheitliche Gefahren bringen. Stelle diese für die Technikgruppen Atemitechniken, Würfe und Hebel dar! 6-55

380 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE 6.8 Ernährung Unsere Nahrung kann in folgende Nahrungsbestandteile eingeteilt werden. Die einzelnen Nahrungsbestandteile haben verschiedenste Funktionen, die in der Tabelle 6.2 kurz vorgestellt werden. Nahrungsbestandteil Beispiele Funktion Kohlenhydrate Zucker, Stärke, Mehl,... Energiequelle Fette Butter, Margarine, Fett, Öl, Langzeitenergiespeicher... Aminosäuren Eiweiß, Fleisch, Proteine,... Aufbau und Funktion des Körpers Mineralien, Spurenelemente Elektrolyte, Calzium für die Muskelkontraktion, Eisen für Signal- und Botenstoffe, Wasserhaushalt, essenzielle Enzymbestandteile,... den Sauerstofftransport,... Vitamine Obst, Gemüse, Fleisch,... Schutzfunktionen als Antioxidantien, essenzielle Enzymbestandteile Ballaststoffe Cellulose, pflanzliche Nahrung wie Obst, Gemüse,... nicht verdaubar, vergrößert Nahrungsvolumen, verkürzt die Darmpassage Wasser Getränke, Nahrung,... Lösungsmittel, Transportmittel, Wärmehaushalt,... Tabelle 6.2 Bestandteile der Ernährung Kohlenhydrate sind die Hauptenergiequelle des Körpers. In der kurzkettigen Form nennt man sie Glucose (Traubenzucker, Dextro-Energen), Fructose (Fruchtzucker) und unseren normalen Haushaltszucker. Stärke und Glycogen sind die langkettigen Formen der Glucose. Stärke ist die pflanzliche, Glycogen die tierische Speicherform der Kohlenhydrate. Stärke ist der Hauptbestandteil in Kartoffeln, Nudeln und Reis. Kurzkettige Kohlenhydrate wie Glucose gehen sofort und direkt ins Blut, wo sie den Blutzuckerspiegel erhöhen und sofort als Energiequelle zur Verfügung stehen. Ausgeschüttetes Insulin sorgt dafür, dass der Zucker schnell in die Zellen aufgenommen werden kann, wo der Überschuss dann als Fett deponiert wird. Der durch das Insulin stark abfallende Blutzuckerspiegel sorgt für ein erneutes Hungergefühl. Langkettige Kohlenhydrate müssen im Magen und Darm erst gespalten werden, was Zeit braucht. Sie lassen den Blutzuckerspiegel nicht so stark schwanken. Fette sind noch energiereicher als Kohlenhydrate. Im Gegensatz zu Kohlenhydraten sind sie nicht wasserlöslich. Sie sind wichtig als Energiequelle und als Lösungsmittel 6-56

381 6.8. Ernährung für die fettlöslichen Vitamine. Fette sind für den Körper eine langfristige Speicherform für Notzeiten. Das hat zur Folge, dass ein Überschuss an aufgenommenen Kohlenhydraten in Fett umgewandelt und für Hungerperioden gespeichert wird. Es ist für den Körper aber unmöglich, aus dem Fett wieder Zucker zu machen. Deshalb ist es leichter, Fett zu speichern als zu verbrennen. Die einzige Möglichkeit, Fett wieder loszuwerden, ist es, es zu verbrennen (Lipolyse), wozu Kohlenhydrate benötigt werden. Biochemiker sagen «Fett brennt in der Flamme der Kohlenhydrate». Sind für diesen Vorgang keine Kohlenhydrate verfügbar, so werden Eiweiße in Kohlenhydrate umgewandelt (Muskulatur abgebaut). Der Citratzyclus muss Zucker verbrennen und in diesen Zyclus werden die Fette eingeschleust. Es ist also körperliche Anstrengung notwendig, die mehr Energie verbraucht, als in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden. Nur dann werden Fettvorräte abgebaut. Aminosäuren sind in ihrer langkettigen Form als Proteine oder Eiweiße bekannt. Aus ihnen ist der Körper aufgebaut. Proteine erfüllen wichtige Funktionen im Körper. Als Bindegewebe wie Kollagen, Sehnen und Bänder üben sie mechanische Stützfunktionen aus, die Aktin- und Myosinfilamente der Muskulatur sorgen für die Bewegung des Körpers. Deshalb ist Fleisch auch die Hauptproteinquelle. Hämoglobin und Myoglobin sind weitere Beispiele für den Transport und die Speicherung von O 2, als Enzyme ermöglichen sie die vielen Stoffwechselvorgänge des Körpers, als Antikörper bilden sie die zweite Verteidigungslinie gegen Krankheitserreger und der Sehvorgang ist ein Beispiel für die Signalweiterleitung. Proteine werden nur im Hungerzustand in Energie umgewandelt. Dann verbrennt der Körper sich selbst. Mineralien wie Natrium (Na), Kalium (K), Kalzium (Ca), Magnesium (Mg) oder Eisen (Fe) sind Metallionen, die als Elektrolyte den Wasserhaushalt steuern, über den Kalzium- oder Phosphathaushalt die Knochenstruktur beeinflussen oder als Signalstoffe für Nervenzellen die Reizweiterleitung ermöglichen. Z. B. löst der Einstrom von Kalzium in eine Muskelzelle die Muskelkontraktion aus. Natrium und Kalium leiten Signale für Berührung und Schmerz in die Nervenzellen weiter. Eisen sorgt für den Sauerstofftransport in den roten Blutkörperchen. Vitamine sind keine chemische Stoffklasse, sondern ein Sammelbegriff für lebenswichtige Stoffe, die man nur in geringsten Mengen benötigt, deren Mangel aber Krankheitssymptome auslöst. Man unterscheidet die fettlöslichen Vitamine EDKA von den wasserlöslichen wie Vitamin C und den Vitaminen der B-Gruppe. 6-57

382 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Vitamin E hat im Fettgewebe eine ähnliche Schutzfunktion wie Vitamin C. Es schützt vor der aggressiven Reaktivität der Radikale. Vitamin D braucht zur Bildung UV-Licht, ist in der Milch vorhanden und wichtig für das Knochenwachstum. Außerdem sorgt es dafür, dass die Niere weniger Kalzium ausscheidet. Vitamin K ist ein wichtiger Blutgerinnungsfaktor. Vitamin A oder Retinol entsteht aus Provitamin A, welches als Carotin für die orange-rote Farbe vieler Lebensmittel verantwortlich ist. Es ist das Molekül, welches in der Netzhaut auf Licht reagiert und uns so das Sehen erlaubt. Außerdem ist es Grundlage vieler Hormone. Vitamin C ist das bekannteste Vitamin. Im Gegensatz zu Vitamin E ist es gut wasserlöslich. Es schützt den Körper vor aggressiven Radikalen, wird für den Aufbau von Kollagen gebraucht (Zahnausfall, Skorbut) und ist bei der Synthese von Adrenalin notwendig. Ballaststoffe werden die vor allem in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft enthaltenen Gerüstsubstanzen wie Cellulose genannt, die von den Verdauungsenzymen nicht gespalten werden können. Sie regen wegen ihres Volumens die Darmtätigkeit an, sind Ionenaustauscher und binden Gallensäuren. Sie verlassen unseren Körper unverdaut. Wasser ist unser wichtigstes Nahrungsmittel, an Wassermangel sterben wir zuerst. Die vielfältigen Funktionen vom Wasser hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Wasser ist Transportmittel für gelöste Nahrungsbestandteile, Abfallstoffe und Botenstoffe, es transportiert O 2 und CO 2. Mit Wasser reguliert der Körper seinen Wärmehaushalt. Wasser ist an vielen chemischen Reaktionen im Körper beteiligt. Deshalb sind wir auf die Zufuhr von sauberem Wasser angewiesen Energiebilanz Die Differenz aus aufgenommener Energie und der durch Grundumsatz und Bewegung verbrauchten Energie ist wichtig. Wird dem Körper mehr Energie in Form von Kohlenhydraten oder Fetten zugeführt als er verbraucht, so wird die Differenz in Form von Fett gespeichert. Wird mehr verbraucht als zugeführt, werden erst die Kohlenhydratspeicher (Glycogen) in Muskel und Leber geleert. Als nächstes werden die Fettreserven angegangen. Erst, wenn die verbraucht sind, werden Proteine in Energie umgewandelt.??? Ist das so? geschützte Reserven, Belastungsformen (Diäten mit Ausdauerbelastung sorgen für 6-58

383 6.8. Ernährung Muskelabbau!) Dabei wird Körpermasse, z. B. in Form von Muskelmasse, abgebaut. Das ist dann ein echter Hungerzustand. Kohlenhydrate Fette Proteine O 2 Milchsäure M. Gärung Pyruvat Glycolyse anaerob, 2 ATP "aktivierte" Essigsäure (Acetyl-CoA) CO 2 Citratzyklus Atmungskette oder Elektronentransportkette H O 2 aerob, 36 ATP Abb Energiestoffwechsel Aerobe Energiegewinnung Um die Nahrung, genauer die Glucose, in Energie umzuwandeln geht der Körpern in 3 Schritten vor. Zuerst kommt die Glycolyse, gefolgt vom Citratzyclus und schließlich die Atmungskette. Die «Verbrennung» der Nahrung läuft nach folgender exothermer Reaktion ab: C 6 H 12 O 6 + 6O ADP+38P i 6CO 2 + 6H 2 O+38AT P Glycolyse und Lipolyse Die Glycolyse ist der älteste Teil der Energiegewinnung. Die Glycolyse bereitet die Glucose für den Citratzyclus vor, dabei wird Glucose in zwei Hälften gespalten. Nach Abspaltung eines Moleküls CO 2 entsteht aktivierte Essigsäure (Acetyl-CoA), die in den Citratzyclus eingeschleust wird. Werden Fette abgebaut, entsteht ebenfalls aktivierte Essigsäure, die an dieser Stelle ebenfalls in den Citratzyclus eingeschleust wird. Die Glycolyse liefert 2 ATP. 6-59

384 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Citratzyclus Im Citratzyclus wird das Kohlenstoffgerüst der Glucose Schritt für Schritt weiter abgebaut. Es wird CO 2 erzeugt und direkt auch ATP. Die Hauptaufgabe des Citratzyclus besteht aber darin Elektronen und Protonen der Atmungkette zur Verfügung zu stellen, wo Elektronen auf den Sauerstoff übertragen werden. Deshalb ist der Ablauf des Citratzyclus abhängig von der Sauerstoffversorgung Atmungskette In der Atmungskette wird die Hauptmenge an Energie in Form von ATP erzeugt. Die Atmungskette überträgt die im Citratzyclus freigesetzen Elektronen auf den Sauerstoff. Zusammen mit den Protonen wird hier Wasser und die Hauptmenge an ATP erzeugt. Dieser Vorgang ist direkt von der Sauerstoffversorgung abhängig (aerobe Energiegewinnung) Anaerobe Energiegewinnung Die anaerobe Energiegewinnung startet mit der Glycolyse. Der Citratzyclus ist direkt mit der Atmungskette gekoppelt. Diese wiederum ist abhängig davon, wieviel Sauerstoff zur Verfügung steht. Der vorhandene Sauerstoff begrenzt die Energieerzeugung von Citratzyclus und Atmungkette. Bei anstrengender körperlicher Arbeit, wenn die Sauerstoffversorgung des Muskels nicht mehr mit dem erhöhten Bedarf Schritt halten kann, stellen sich die Zellen von aerober Zellatmung auf anaerobe Gärung um. Der Körper wandelt jetzt zusätzlich Pyruvat im Milchsäure (Laktat) um. Dieser Vorgang liefert zwar nur zwei ATP pro Molekül Glucose, verbraucht aber keinen Sauerstoff (O 2 ). Dabei wird viel Glucose verbraucht und viel Milchsäure produziert, die sich im Muskel ansammelt. Muskelerschöpfung, Müdigkeit und Schmerzen ergeben sich in der Folge dieser Übersäuerung??? ist das so, siehe Neues aus der Wissenschaft. Manche Sportler versuchen, anhand eines Laktattests die anaerobe Schwelle zu ermitteln. Die Aussagekraft eines solchen Tests ist aber zweifelhaft, da die Konzentration individuell von 3 bis 5 mmol schwanken kann. Das Laktat wird durch das Blut abtransportiert und in der Leber zu Glycose umgewandelt oder vom Herzen direkt verstoffwechselt. C 6 H 12 O 6 + 2ADP+2P i 2C 3 H 6 O 3 + 2AT P 6-60

385 6.8. Ernährung Organ Muskel Herz Energiequelle im Ruhezustand Fettsäuren (in Ruhe) + Kohlenhydrate (bei Belastung) Fettsäuren Ketonkörper Laktat Glucose Energiequelle bei Glucosemangel Fettsäuren Ketonkörper Fettsäuren Ketonkörper Laktat Leber Proteine Ketonkörper, macht Glucose aus Laktat Gehirn nur Glucose Glucose und Ketonkörper Tabelle 6.3 Energiequellen verschiedener Organe Bemerkung aerob zu CO 2 anaerob zu Laktat Das Herz darf nie in eine Sauerstoffschuld geraten, es vermeidet anaerobe Energiegewinnung Die Leber versorgt alle Organe mit Brennstoff Fettsäuren kommen nicht durch die Blut-Hirn-Schranke Diäten zur Gewichtsreduktion Gewicht lässt sich nur dadurch reduzieren, dass eine negative Energiebilanz hergestellt wird. Durch die Reduktion der Energieaufnahme und Erhöhung des Energieverbrauchs ist dieses erreichbar. Viele Diäten schreiben spezielle Nahrungsmittel vor. Jedoch ist die Reduktion der Energieaufnahme oft eher auf die bewusste Ernährung als auf spezifische Lebensmittel rückführbar. Drei einfache Regeln erreichen Gleiches: 1. Bewusst essen (selbst kochen, nicht beim Fernsehen essen) 2. Langsam Essen 3. Nie über den Hunger essen Der Energieverbrauch lässt sich entweder dadurch steigern, dass sich mehr bewegt wird 50, oder dadurch, dass der Grundumsatz durch den Aufbau von Muskulatur erhöht wird. Diäten, die die Muskulatur nicht entsprechend belasten, verursachen einen Abbau der Muskulatur und somit ein Senken des Grundumsatzes 51. Das erste mit einer Diät abgenommene Kilogramm ist meist nur Wasser. Kehrt man nach einer Diät zu alten Ernährungsgewohnheiten zurück, so ist die Energiebilanz über den gesenkten Grundumsatz positiver als vor der Diät. Der Körper lagert nun noch stärker Fett an. Dieses ist der Jo-Jo-Effekt. Diäten sind deshalb keine geeigneten Maßnahmen zur dauerhaften Reduktion des Körpergewichts, nur eine dauerhafte Umstellung der Ernährung kann dieses erreichen. 50 Um den Energieinhalt eines Stücks Torte zu verbrennen, muss man ca. 60 Minuten joggen. 51 Bei kurzfristigem Hunger kann die Skelettmuskulatur bis zu 75g Muskelprotein pro Tag verlieren. 6-61

386 KAPITEL 6. ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Abb Wirkung von Muskelaufbau auf den Grundumsatz Abb Diäten Fragen zu Selbstkontrolle Warum ist es sinnvoll, nach dem Training Kohlenhydrate zu sich zu nehmen? 6-62

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