40 Jahre WbG. (K)ein Grund zu feiern?!
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- Holger Dieter
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1 40 Jahre WbG (K)ein Grund zu feiern?! Lehrgebiet: Erwachsenenbildung/Weiterbildung in der Sozialen Arbeit; Geschäftsführer Referat Weiterbildung Hüfferstraße 27 fon +49 (0) D Münster fax +49 (0)
2 40 Jahre WbG Vorbemerkung Was Sie (hoffentlich) nicht erwartet! 2 von 23
3 Agenda 1. Blick zurück: Warum es gute Gründe gibt (nicht) zu feiern 2. Blick ins Hier und Jetzt: Aktuelle 3. Blick nach vorne: Was es für die Zukunft braucht 4. Fazit 3 von 23
4 1) Blick zurück: Warum es gute Gründe gibt zu feiern Raus aus der Schmuddelecke : Weiterbildung als gleichberechtigter Teil des Bildungswesens (4. Säule) Deutliche Professionalisierung der Weiterbildungslandschaft (Hauptberuflich pädagogische Mitarbeiter HPM; Qualitätsmanagement etc.) Trägerpluralität: 138 kommunale Volkshochschulen und etwa 320 weitere anerkannte Bildungsstätten; hiervon ca. 100 Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung Richtungsweisend für andere Bundesländer 4 von 23
5 1) Blick zurück: Warum es gute Gründe gibt nicht zu feiern Sinkender Finanzierungsanteil über das WbG bei zeitgleich wachsendem Finanzierungsbedarf im Zuge steigender Ausgaben. HPM als Eierlegendewollmilchsau (vgl. Kraft 2011, S. 408 ff.) Programm- und Angebotsplanung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Akquisition von Drittmitteln, Beratung, Verwaltungstätigkeiten (insbesondere Dokumentation), Management (QM, Controlling, PM, Projektmanagement), Kooperation mit anderen, ach ja... und manchmal auch Lehren! Insbesondere bei kleineren Trägern: konjunkturelle Kürzungen der Bezüge der HPM Kompensation der Landesmittelkürzung durch Akquisition zusätzlicher Mittel (Finanzierungs-Mix: Bundes- und EU-Mittel) Z. T. kurze Projektlaufzeiten Erhöhter Aufwand zur Dokumentation 5 von 23
6 1) Blick zurück: Warum es gute Gründe gibt nicht zu feiern Sinkender Finanzierungsanteil über das WbG bei zeitgleich wachsendem Finanzierungsbedarf im Zuge steigender Ausgaben. Kompensation der Landesmittelkürzung über Teilnehmerentgelte ( Teilnehmermaut ) Ökonomisierung der Weiterbildung Matthäus-Effekt (Wer hat, dem wird gegeben...); Verfestigung der Weiterbildungsschere (Bartz/Tippelt 2011, S. 121) Ausgrenzung von bildungsbenachteiligten bzw. bildungsfernen Zielgruppen Von daher: Die Feierlaune hält sich in Grenzen! 6 von 23
7 Onlinegestützten Berichtswesens Demografie Veränderte Familienbilde r Aufsuchende Weiterbildung Weiterbildungseinrichtungen Flüchtlinge Organisationsentwicklung allways online Erreichung bildungsferner Zielgruppen Wie reagieren Weiterbildungseinrichtungen EQR -> DQR auf diese zahlreichen Herausforderungen? Konkurrenz vs. Kooperation 7 von 23
8 Anschlussfähig? Innere Logik Standards, Dienstanweisungen, Prozessbeschreibungen, etc. Weiterbildungseinrichtungen Innere Logik Informelle Regeln, unausgesprochene Gesetze, Klatsch & Tratsch, Mikropolitik etc. Entlastungsannahmen als bewährtes Instrument der Komplexitätsreduktion! 8 von 23
9 Fünf (exemplarische!) Entlastungsannahmen rund um das Thema Flüchtlinge 1. Das ist jetzt nur so eine Phase Ein Großteil der geflüchteten Menschen ist gut ausgebildet! 3. Die Formel für Integration lautet Sprache, Sprache, Sprache und Arbeit, Arbeit, Arbeit! 4. Die geflüchteten Menschen suchen uns (Träger der Erwachsenenbildung) auf. 5. Ehrenamtler/innen werden es schon richten! 9 von 23
10 1. Entlastungsannahme: Das ist jetzt nur so eine Phase Quelle: BAMF 10 von 23
11 1. Entlastungsannahme: Das ist jetzt nur so eine Phase : Im Jahr 2013 nahm das BAMF Asylanträge entgegen (im Vergleich zu 2012: + 69,8 %) : Im Jahr 2014 nahm das BAMF Asylanträge entgegen (im Vergleich zu 2013: + 57,9 %) : BAMF rechnet mit Erstanträgen (zzgl Folgeanträge) : BAMF rechnet mit Erstanträgen (zzgl Folgeanträgen) : BAMF rechnet mit Asylbewerbern : BILD berichtet: Behörden rechnen mit 1,5 Millionen Flüchtlingen im Jahr :??? 11 von 23
12 2. Entlastungsannahme: Ein Großteil der geflüchteten Menschen ist gut ausgebildet! Problem Demografischer Wandel Bevölkerungsschrumpfung (im Jahr 2030: ca. 77 Mio. Einwohner) Weniger Junge (-17 %), viele Alte (+33 %) Fachkräftemangel "Der syrische Arzt ist nicht der Normalfall (Andrea Nahles) Akademische Abschlüsse: 8 % Mittlere Berufsabschlüsse: 8 % Keine Berufsausbildung: 71 % Lösung Flüchtlinge, die hoch motiviert und gut ausgebildet zu uns kommen, füllen diese Lücke! Das künftige Fachkräftepotenzial der Flüchtlinge wird erheblich von Investitionen in Bildung und Ausbildung abhängen. Quelle: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung 14/2015, S von 23
13 3. Entlastungsannahme: Die Formel für Integration lautet Sprache, Sprache, Sprache und Arbeit, Arbeit, Arbeit! (Sigmar Gabriel, ) Lernfähigkeit + Lernangebot Lernerfolg (Sprache) Arbeitsfähigkeit + Arbeitsangebot Politische Weiterbildung Vertrag (Arbeit) + = Integration Familienbildung Allgemeine Weiterbildung Berufliche Weiterbildung Kulturelle Weiterbildung 13 von 23
14 4. Entlastungsannahme: Die geflüchteten Menschen suchen uns (Träger der Erwachsenenbildung) auf. Lernfähigkeit + Lernangebot Lernerfolg (Sprache) Arbeitsfähigkeit + Arbeitsangebot Politische Weiterbildung Vertrag (Arbeit) + = Integration Familienbildung Allgemeine Weiterbildung Berufliche Weiterbildung Kulturelle Weiterbildung 14 von 23
15 4. Entlastungsannahme: Die geflüchteten Menschen suchen uns (Träger der Erwachsenenbildung) auf. Wie gut diese Komm-Struktur funktioniert, zeigen die Erfahrungen aus der Arbeit mit Bildungsfernen (ACHTUNG KEINE GLEICHSETZUNG!!) Forderung: Bildungsungewohnte und sog. bildungsferne Bevölkerungsgruppen wie z. B. gering Qualifizierte und Personen mit Migrationshintergrund werden von diesen Angeboten ebenso wie von den üblichen Print-Veröffentlichungen zur Weiterbildung ganz überwiegend nicht erreicht. Gerade für solche, in der Weiterbildung bisher unterrepräsentierten Personengruppen bedarf es (...) anderer niedrigschwelliger, intelligenter und v. a. aufsuchender Zugänge, um Neugierde am Thema Weiterbildung zu wecken, auf das Beratungsangebot aufmerksam zu machen und über die Nutzung von Informationen und Beratung zur Teilnahme an Weiterbildung zu motivieren. (Nuissl et al. 2011, S. 218) Wie sollen wir denn jetzt auch noch aufsuchende Arbeit leisten können??? 15 von 23
16 5. Entlastungsannahme: Ehrenamtler/innen werden es schon richten! Wir erleben gerade einen mir bis dato nicht bekannten Boom an bürgerschaftlichem Engagement! Ehrenamtler/innen begrüßen Flüchtlinge in Erstaufnahmestellen... vermitteln Sachspenden... bieten Kinderbetreuung an... organisieren Integrationsfeste... bieten Deutschkurse an... und vieles mehr! Weltweit beneidet man uns für unsere Willkommenskultur. 16 von 23
17 5. Entlastungsannahme: Ehrenamtler/innen werden es schon richten! Willkommenskultur in Bildern! Es gibt vielerorts eine Naivität im Lande, die zu einem Bumerang werden könnte. Nicht, weil Naivität an sich etwas Schlimmes wäre, sondern weil man sich fragt, was passiert, wenn so viel guter Wille plötzlich enttäuscht wird. (Giovanni di Lorenzo, DIE ZEIT, ) 17 von 23
18 5. Entlastungsannahme: Ehrenamtler/innen werden es schon richten! Altes Ehrenamt Milieugebundene Sozialisation Selbstloses Handeln, Aufopferung und Fürsorge Laientätigkeit Neues Ehrenamt Biographische Passung Geben und Nehmen ; Medium der Selbstfindung und Selbstsuche (Semi-)Professionalität und ausbildungsorientiert (vgl. Habeck 2009, S. 73) 18 von 23
19 Zwischenfazit Entlastungsannahmen haben eine komplexitätsreduzierende Funktion; Organisationen der Erwachsenenbildung benötigen sie, um nicht wahnsinnig zu werden! Zugleich zementieren Entlastungsannahmen den selbstreferentiellen Charakter von sozialen Systemen und deren hiermit verbundenen strukturellen Konservatismus. Was es braucht Grundsätzlich: Eine kontinuierliche kritische Reflexion bestehender Entlastungsannahmen und Routinen; Immanente Unruhe (Luhmann 1984, S. 77) Konkret (in Bezug auf die Herausforderungen hinsichtlich der Integration von Flüchtlingen): Unterstützung durch Verbündete! Auch hier können wir aus der Arbeit mit Bildungsfernen lernen! 19 von 23
20 3. Blick nach vorne: Was es für die Zukunft braucht Typen von Beziehungsarbeitern/-innen Vertrauenspersonen Kontakt zu Zielgruppen durch haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit im Jugend-, Sozialoder Bildungsbereich Besitzen Vertrauen Sind engagiert und haben eigenes persönliches oder berufliches Interesse Sind informiert über Weiterbildungseinrichtungen und deren Aktivitäten Sind in bestimmten Strukturen (z. B. Kinderschutzbund, Familienzentren) verankert Brückenmenschen Haben Milieunähe zur Zielgruppe (eigener Migrationshintergrund, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit) Sind angesehene Personen in ihrer Community Sind weiterbildungsbereit Sind Netzwerker/innen und können gut Beziehungsarbeit leisten Bremer/Kleemann-Göhring/Wagner 2015, S von 23
21 Land NRW WbG 3. Blick nach vorne: Was es für die Zukunft braucht Soziale Arbeit Ziel: Gelingende Zielsetzung, Integration Menschenbild, von Theoretische geflüchteten Annahmen, Menschen Methoden Erwachsenenbildung Bezirksregierungen z. B. Freiwilligenagenturen 21 von 23
22 4. Fazit Um die Integration von geflüchteten Menschen zu ermöglichen, müssen (auch) Einrichtungen der Erwachsenbildung in Bewegung kommen! Hierzu gehört sowohl die frühzeitige (kritische) Reflexion hinsichtlich (möglicherweise) vorhandener Entlastungsannahmen, als auch die Kontaktaufnahme zu potenziellen Verbündeten: Einrichtungen der Sozialen Arbeit Freiwilligenagenturen u. ä. Diesen Kraftakt können Einrichtungen der Erwachsenenbildung nicht alleine meistern. Vielmehr braucht es tatkräftige Unterstützung (auch durch das Land NRW)! Wenn es uns gelingt, dass wir nicht erst dann in Bewegung kommen, wenn wir bereits mit dem Rücken zur Wand stehen, dann würde auch ich in Bezug auf die Integration von geflüchteten Menschen sagen: 22 von 23
23 WIR SCHAFFEN DAS! In diesem Sinne: bleiben (oder kommen?) Sie in Bewegung! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23 von 23
24 Literatur Barz, Heiner; Tippelt, Rudolf (2011): Lebenswelt, Lebensstil und Erwachsenenbildung. In: Tippelt, Rudolf; Hippel von, Aiga (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung. 5. Auflage. Wiesbaden. S Habeck, Sandra (2009): Freiwilligenmanagement: Professionelle Leitung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen. In: Seitter, Wolfgang (Hrsg.): Professionsentwicklung in der Weiterbildung. Wiesbaden. S Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systemen. Frankfurt am Main. Kraft, Susanne (2011): Berufsfeld Weiterbildung. In: Tippelt, Rudolf; Hippel von, Aiga (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung. 5. Auflage. Wiesbaden. S Nuissl, Ekkehard, Ambos, Ingrid, Gnahs, Dieter, Enders, Kristina, Greubel, Stefanie (2011): Lernen fördern Strukturen stützen. Evaluation der Wirksamkeit der Weiterbildungsmittel des Weiterbildungsgesetzes (WbG) Nordrhein-Westfalen. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. 24 von 23
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