"Ich bin mir nicht sicher, Jack, bist du heute etwas bedrückt, oder täusche ich mich?" Pastor schaute direkt in Jacks Augen, als er die Frage
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- Chantal Kneller
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1 Kapitel 18 Investiere in die Zeit "Ich bin mir nicht sicher, Jack, bist du heute etwas bedrückt, oder täusche ich mich?" Pastor schaute direkt in Jacks Augen, als er die Frage stellte. "Ja, du siehst richtig", sagte Jack. Seine Augen unruhig hin und her bewegend, seufzte er: "Ich bin beruhigt, beunruhigt! Ich weiss, ich muss mich erklären. Als wir nach unserem letzten Gespräch nach Hause kamen, Larry und ich, war Larry fast gespenstisch ruhig. Er bat mich, mit ihm zu kommen, und er führte mich zu Stellen, wo er Alkohol versteckt hatte. Er übergab mir den 'traurigen Schatz' und sagte ganz entschlossen; 'Ich brauche Hilfe.' Natürlich wollte ich helfen, aber ich war restlos überfordert, und ich glaube, das wusste er. So sagte er schnell; 'Ich werde in eine Rehabilitationsklinik eintreten, um vom Alkohol wegzukommen.' Das hat mich völlig überrascht, er hat sich zuvor immer geweigert, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Er hat immer erwähnt, das sei Zeit- und Geldverschwendung. Ich muss gestehen, Pastor, ich befürchte, dass er damals nicht unrecht hatte, oder was denkst du? Darum bin ich so unruhig, wird so eine 'Reha' wirklich helfen? Zum andern aber beruhigt es mich, dass er etwas machen will. Verstehst du, wenn ich sage, ich bin beruhigt, beunruhigt? Wird die Reha wirklich helfen?" "Ich kann es nicht sagen. Doch wenn er entschlossen ist, etwas zu ändern, ist dies sicher schon mal ein guter Weg, einer der besseren Wege. Es wäre zu wünschen, dass es eine christliche Klinik ist. Wenn er aber eine neue Gewohnheit einüben kann mit Hilfe eines guten Programms und Hilfe von andern, kommt sicher die Kraft der Wiederholung zum Zuge, wie wir es letztes Mal besprochen haben. Gib ihm eine Chance und freue dich, dass er dies selber will. Weißt du, ich glaube nicht, dass es Zeitverschwendung ist, wenn man Zeit investiert. Wenn Larry diese Zeit in der Reha als Investition zu einem Leben ohne Alkohol sieht, dann ist dies gut. Wenn ich einfach Zeit verbrauche, dann mag es Zeitverschwendung sein und Larry hat dies über Jahre gemacht, indem er sich einfach treiben liess. Wenn ich aber Zeit investiere, ist dies anders.
2 Ist dies nicht gerade das Problem, das du oder, besser gesagt, ich habe mit der Anklage? Ich bin ja angeklagt, Zeit zu stehlen. Ich könnte damit einverstanden sein, wenn ich einfach Zeit verbrauche, auch die Zeit der Zuhörer. Aber das mache ich nicht. Im Gegenteil, ich investiere Zeit bei meiner Predigt auch in die Zeit der Zuhörer. Natürlich ist es die Verantwortung eines jeden, was er mit der Zeit macht, die Gott ihm gibt. Der Psalmist sagt: 'So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!' 1 Es ist weise und verantwortungsvoll, die Zeit richtig einzuschätzen. In diesem Psalm ist es vor allem darauf bezogen, dass wir nicht unbeschränkt Zeit haben und eines Tages unsere Zeit abgelaufen ist. Daher ist es weise, sich dessen bewusst zu sein und die Zeit eben gut zu investieren, nicht einfach nur zu verbrauchen." "Wie in aller Welt soll ich denn wissen, ob ich Zeit investiere oder einfach verbrauche? Ist das nicht eine Form von Stress, wenn ich ständig meine Zeit so gestalten muss, dass es etwas bringt?" Man konnte im Gesicht von Jack eine gewisse Frustration feststellen, als er diesen Satz mit einem tiefen Stöhnen beendete. Diese Frustration sieht man in vielen Menschen, dachte Pastor. Ständige Produktivität ist ermüdend und stressvoll. "Du hast absolut recht", sagte Pastor, "ich habe zu lange so gelebt, dass ich dachte, jede Minute meines Lebens sollte produktiv sein. Das ist nicht, was ich meine mit Zeit investieren. Es geht hier mehr um Sein als um Tun. Wenn es im Psalm 1 heisst: Glücklich zu preisen ist, wer Verlangen hat nach dem Gesetz des Herrn und darüber nachdenkt Tag und Nacht, dann kann man sich fragen, wie das praktisch gehen soll. Ich kann mich entscheiden, dass mein ganzes Leben von Gottes Wort her geprägt wird. Wahrscheinlich werde ich es nicht schaffen, Minute um Minute an Gott und Sein Wort zu denken. Wie oft muss ich bewusst daran denken, dass ich verheiratet bin, um ein guter Ehemann zu sein? Ich bin ein Ehemann, weil ich verheiratet bin und das 24 Stunden am Tag. Alle meine Handlungen und Entscheidungen werden von diesem meinem Sein beeinflusst und 1 Psalm 90,12 RELB
3 bestimmt. Viele Ehen werden aber leider nicht bewusst gelebt, sondern man lebt nebeneinander, wenn nicht gar gegeneinander. Wenn ich aber mit meiner Frau leben will, investiere ich in die Ehe, indem ich die Ehe lebe. Und ich kann dir sagen, Jack, dies ist absolut nicht stressvoll und mühsam, sondern das Gegenteil. Wir geniessen einander, weil wir wissen, dass wir es gegenseitig gut meinen. Es geht also auch hier um ein willentliches Sein, was natürlich das Tun beeinflusst und bestimmt. Ich handle aus einer Beziehung heraus. Meine Frau und ich sitzen oft beisammen und geniessen das gemeinsame Sein. Dann gibt es Zeiten, wo beide aktiv sind, aber immer pflegen wir unsere Beziehung. Je mehr wir die Beziehung pflegen, umso weniger kann jemand oder etwas dazwischen kommen. Als Pastor investiere ich meine Zeit in die Gemeinde und in Menschen, weil ich in der Beziehung zu Gott lebe, wo dies etwas ganz Natürliches ist. Jesus liebt die Menschen und die Gemeinde, wie sollte ich das nicht auch?!" Jack hob beide Hände in die Luft und sagte: "Ich habe mich schon lange gefragt, wie wohl deine Frau aussieht. Nun, nach deinen Ausführungen über die Investition in die Ehe bin ich noch neugieriger geworden. Ich glaube auch, dass ich das verstehe und nachvollziehen kann mit dem Sein, also dem Lebensstil, der meine Handlungen bestimmt. Besonders wenn es um die Ehe geht. Doch ich weiss nicht recht, was dies mit dem Anklagepunkt des Zeitstehlens wirklich zu tun hat. Ja, und deine Frau würde ich schon gerne kennen lernen." "Zwei Dinge auf einmal, 'he'! Weißt du was, ich habe bald eine Bibelstunde, zu der du mitkommen könntest. Da geht es stark um die Kraft der Wiederholung. Anschliessend komm doch gleich zum Essen, da lernst du meine Frau kennen." "Mache ich gerne, da zurzeit meine Frau ausser Haus ist. Kannst du denn so spontan jemand einladen, ohne dass dies Probleme bringt?" "Ich werde natürlich meine Frau umgehend informieren. Nicht zuletzt auch, damit ich wieder einmal zu einem guten Essen komme." Pastor musste laut lachen und sagte schmunzelnd: "Sie wird wohl etwas
4 Spezielles kochen, wenn sie weiss, dass du kommst. Wir haben uns abgesprochen, bei speziellen Gästen gibt es immer mein Lieblingsessen. Spass beiseite. Ich kenne sie aber gut genug und unsere Beziehung hat sich über die Zeit so entwickelt, dass ich weiss, spontane Einladungen zum Essen sind kein Problem, wenn ich sie früh genug informiere um so besser." "Nun bin ich erst recht gespannt, und ich hoffe, dein Lieblingsessen ist nicht geschnetzelte Leber mit Milchreis." "Du würdest staunen, wenn du alles wüsstest. Doch lass mich nun noch erklären, was die Investition in die Zeit für das Predigen bedeutet. Prediger müssen das Konzept der Zeitinvestition verstehen, um nachhaltig verkündigen zu können. Wie ich schon sagte, Wiederholung braucht seine Zeit. Die zwei Dinge gehören zusammen. Wenn nun ein Prediger, Pfarrer, Pastor in Menschen investieren und ihnen helfen will zu einer tiefen, guten Beziehung mit Gott, wird er die Kraft der Wiederholung brauchen müssen, dies wiederum braucht Zeit. Etwas passiert mir immer wieder, Jack. Ich gehe am Sonntag nach vorne und halte meine Predigt mit einer bestimmten Erwartung. Ich habe seit Tagen an der Predigt gearbeitet, gebetet, und sicher gestellt, dass sie Bestandteil meines Lebens ist. Ich habe die innere Überzeugung, dass ich ein Wort von Gott habe an die Zuhörer. Ich bin überzeugt, dass die Predigt Herzen bewegen wird. Dann bin ich oft enttäuscht, weil die Reaktionen ausblieben oder nicht waren, wie ich sie erwartet hatte. Es hat mich einige Jahre gebraucht, und ich bin immer noch am Lernen, dass ich das Resultat, die Frucht meiner Arbeit nicht in den Händen habe. Ich bestimme die Zukunft nicht, ich kann sie höchstens beeinflussen durch meine Entscheidungen, mein Handeln in der Gegenwart. Manchmal staune ich, wie schon vor Jahrhunderten Männer und Frauen bestimmte Wahrheiten erkannten. Ich möchte dir etwas vorlesen, geschrieben im 14. Jahrhundert von einem Unbekannten. Ich habe es übersetzt." Pastor ging zum Computer, öffnete ein Dokument und las: 'Darum sei achtsam auf die Zeit und wie du sie brauchst. Nichts ist kostbarer als Zeit. In einem kleinen Moment, wie klein er auch sein mag, kann der Himmel gewonnen oder verloren sein. Gott, der Herr der Zeit,
5 gibt uns nie die Zukunft. Er gibt uns nur die Gegenwart, Moment für Moment, denn dies ist die Ordnung in der Schöpfung und Er wird nicht gegen Sich Selbst handeln in Seiner Schöpfung. Zeit ist für den Menschen gegeben, nicht der Mensch für die Zeit. Der Gott der Schöpfung wird deine Entscheidungen nicht vorherbestimmen, welche nacheinander folgen in der Zeit. Darum wird der Mensch sich nicht entschuldigen können, im Jüngsten Gericht, indem er zu Gott sagt: 'Du hast mich überfordert mit der Zukunft, obwohl ich nur fähig war, in der Gegenwart zu leben.' 2 " Die Gegenwart fordert Unterschiedliches von jedem Menschen. Das muss ein Pastor wissen. Und nicht jeder Mensch reagiert gleich auf die Anforderung oder die Herausforderung der Zeit. Für mich als Pastor ist wichtig, dass mein Handeln und mein Predigen gute Frucht bringt in der Zukunft. Mir persönlich hat dies viel Freiheit gebracht, gerade in Bezug auf mein Predigen. Meine momentane Erwartung hat sich geändert. Wenn ich in die Zeit investiere beim Predigen, muss die Predigt nicht immer gleich eine Erweckung auslösen. Das kann übrigens nur Gott schenken. Aber das Heute kann Einfluss nehmen auf die Zukunft, Schritt für Schritt, Moment für Moment. Ich predige immer wieder dieselben Wahrheiten, nicht immer mit denselben Worten. Und ich weiss, in der Kraft der Wiederholung und im Verlauf der Zeit, und weil das Wort Gottes in sich eine Kraft ist, wird es etwas bewirken. Ich möchte Pastoren Mut machen, ihren Predigtdienst nicht von momentanen Ergebnissen abhängig zu machen, sondern in die Zeit zu investieren. Denn Zuhörern möchte ich sagen: Nehmt so viel, wie ihr könnt, von jeder Predigt, die ihr hört. Sollte sie etwas enthalten, das ihr schon kennt, so freut euch an der Kraft der Wiederholung, sie wird ein gutes Werk tun in euch, wenn ihr es zulasst. Um auf die Anklage zurückzukommen, Jack, ich glaube nach wie vor nicht, dass ich Zeit stehle, wenn ich predige, einfach weil ich versuche, das zu tun, was ich vorher erwähnt habe. Was aber der Zuhörer mit der Predigt macht, ist seine Verantwortung. Oder sollte ich es für 2 Anonymous The Cloud of Unknowing (14th c. English) Christian Classic Ethereal Library Kapitel 4
6 einmal umdrehen und eine Anklage erheben gegen die, welche mir nicht richtig zuhören, übermüdet in den Gottesdienst kommen, dass sie mir Zeit stehlen? Nein, niemand kann mir Zeit stehlen, ich bin für meine Zeit selbst verantwortlich!" "Nun, das war doch ein ziemlich starkes Plädoyer für deine Sache", nahm Jack den Gedanken auf, "soll das gleich zu einem Freispruch führen?" "Ich weiss es nicht, das wird wohl dein und im besondern des Staatsanwalts Entscheid sein. Mach doch noch einen Spaziergang und überlege dir, was du gehört hast. Ich werde meine Notizen für die Bibelstunde nochmals durchgehen. Wir treffen uns dann bei der Bibelstunde wieder."
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