Das Niederösterreichische Schulmodell Die NÖ Mittelschule startet mit dem Schuljahr 2009/10 Manfred Wimmer
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1 Das Niederösterreichische Schulmodell Die NÖ Mittelschule startet mit dem Schuljahr 2009/10 Manfred Wimmer Die niederösterreichische Mittelschule startet mit dem Schuljahr 2009/10 mit 115 Klassen an 47 Hauptschulstandorten Schülerinnen und Schüler sollen neue, andere Schule erleben! Im Endausbau werden es an die Schülerinnen und Schüler sein, die diesen neuen Bildungsgang durchlaufen. Der Zugang zur niederösterreichischen Mittelschule ist barrierefrei. Für den Übertritt in die Modellschulen, wie sie in Niederösterreich bezeichnet werden, ist der positive Abschluss der 4. Klasse Volksschule einzige Voraussetzung, andere Selektionskriterien sind nicht vorzusehen. Abb. 1.: Verteilung der 47 Mittelschulstandorte auf die Bildungsregionen Ziele Das Ziel des NÖ Schulmodells ist es, die Bildungsbasis aller Schülerinnen und Schüler zu verbreitern. Das heißt: Für mehr Schüler/innen höhere Bildungschancen eröffnen Anzahl der Schüler/innen mit zu geringen Kompetenzen verringern Dieses Ziel soll durch individualisierenden Unterricht, also das konkrete Eingehen auf jedes einzelne Kind erreicht werden.
2 Unterricht Die Schulen des NÖ Schulmodells streben eine deutliche Veränderung ihres Unterrichts gegenüber dem tradierten Schulwesen an. Im Mittelpunkt der Unterrichtsarbeit sollen nicht Lehren und Selektion, sondern Lernen und Lernzuwachs stehen. Ausschöpfen der Begabungspotenziale Das bessere Ausschöpfen aller Begabungspotenziale steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Das NÖ Schulmodell soll eine Leistungsschule sein: Forderung und Förderung sind die zwei wesentlichen Säulen Forderung heißt: Kinder werden in ihren Begabungen bestmöglich und individuell gefördert Förderung heißt: Kinder erhalten genügend Zeit und Unterstützung, um Lerninhalte im eigenen Lerntempo erfassen zu können Schülerselbsttätigkeit Das Kind soll vom (weitgehend) passiven Reproduzenten von Lehrinhalten zum aktiven Lerner werden. Lernen rückt in den Mittelpunkt des schulischen Arbeitens und wird nicht an Eltern und außerschulische Nachhilfe delegiert. Langzeitarbeiten, aktives Reflektieren über Lernprozesse und Portfolioarbeit bekommen einen wichtigen Stellenwert. Schule als Ort des Lernens Lernen soll (weitgehend und hauptsächlich) in der Schule stattfinden. Schule als Lernort ist eine wichtige Zielvorgabe für den Unterricht. Aktive Nahtstellenarbeit - Partnerschulkonzept Einer der wesentlichen Entwicklungsansätze des NÖ Schulmodells ist ein aktives Nahtstellenkonzept: In Vorbereitung auf den Übertritt in die NÖ Mittelschule unterrichten Lehrer/innen der Modellschule gemeinsam mit den Volksschullehrern/innen in der 4. Klasse Volksschule. Ziele dieser gemeinsamen Arbeit sind: Bekannt machen der neuen Schule, Abbau allfälliger Ängste vor Neuem Einführung in die Portfolioarbeit Kennen lernen der neuen Schüler/innen, ihrer Stärken und ihrer Fördernotwendigkeiten Lehrer/innen weiterführender Schulen unterrichten gemeinsam mit den Lehrern/innen des Stammhauses. Jede NÖ Mittelschule hat eine Partnerschule aus dem Oberstufenbereich. Diese sind eingeladen, auch an der Weiterentwicklung des Schulkonzeptes mitzuarbeiten.
3 Diese Partnerschulen kommen aus allen Bereichen des allgemeinbildenden und des berufsbildenden Schulwesens:. Abb. 2 Partnerschulen der NÖ Modellschulen - Aus welchen Schulbereichen kommen sie? Ab der 7. Schulstufe wird aktiv und zielgerichtet in Richtung Vorbereitung auf weiterführende Schulen gearbeitet (z.b. durch Einführung eines eigenen Wahlpflichtgegenstandes). Beurteilung nach dem Lehrplan des Realgymnasiums/ Gymnasiums Standorte des NÖ Schulmodells haben erweiterte Rechte in der Berechtigungsvergabe: Schüler/innen mit den entsprechenden Leistungen erhalten Zeugnisse mit einer Beurteilung nach dem Lehrplan des Realgymnasiums bzw. des Gymnasiums. Dieser differenzierende Zugang zu Schülerleistungsfähigkeit wird durch eine Interessendifferenzierung nach der 6. Schulstufe verstärkt: Schüler/innen können zwischen einem allgemeinbildenden Zweig und einem berufsorientierten Bereich, der speziell auf das berufsbildende Schulwesen und den Berufseinstieg vorbereiten soll, wählen. Umsetzungsstrategien Das NÖ Schulmodell setzt stark auf Schulautonomie und Standortkonzepte. Folgende Punkte sind in nachvollziehbarer Konkretisierung an jedem Standort umzusetzen: Schülerzentriertes Arbeiten als wichtiger Unterrichtsgrundsatz Projektorientierter Unterricht Angebot an Wahlmöglichkeiten und Kurssystemen, vor allem auch unter dem Aspekt der Begabungsförderung, auch schulstufen- oder schulübergreifend. Aufbau von Förder- und Stützsystemen Zweilehrersysteme, vor allem in größeren Klassen und in den Schularbeitsfächern (D, E, M).
4 Neue Zeitstrukturen der Unterrichtsorganisation Bildung von kleinen, überschaubaren Lehrerteams Weiters sind die Schulen eingeladen, in ihren Standortkonzepten schulautonome Schwerpunktsetzungen in Richtung moderne Unterrichtsgestaltung, fächerübergreifendes Arbeiten und Neustrukturierung der Unterrichtszeit umzusetzen. Neue Formen der Elternarbeit Begleitend zum Zeugnis ist von den gesetzlichen Bestimmungen her zweimal pro Jahr eine differenzierende Leistungsbeschreibung für jeden einzelnen Schüler/ jede Schülerin vorgesehen. In Niederösterreich soll dies in Form von Kinder Eltern Lehrer Gesprächen (KEL Gesprächen), welche die bisherige Form des Elternsprechtages ersetzen, umgesetzt werden. Zweimal im Jahr werden gemeinsam mit den Eltern die bisherigen Leistungen der Schüler/innen reflektiert, Fördernotwendigkeiten angesprochen, Stärken herausgearbeitet. Eine führende Rolle in der Reflexion über die erbrachten Leistungen sollen dabei die Schülerinnen und Schüler haben. Es wird nicht über sie geredet, sondern sie sind eingeladen über ihre Arbeit, ihre Leistungen und ihre Schwierigkeiten zu berichten. Neue Prüfungskultur Eine neue Prüfungs- und Beurteilungskultur soll wichtiger Bestandteil der Arbeit der Modellschulen werden: - Rückmeldungen über Leistungen sollen (weitgehend) auf der Individualnorm erfolgen. Was kann ich schon? Was habe ich dazugelernt? Dazulernen ist die wichtigste Motivation für Weiterlernen! - Auf der Ebene der Sachnorm sind für jeden einzelnen Schüler/ jede Schülerin möglichst hohe Kompetenzen anzustreben. Diese sollen sich an den Bildungsstandards orientieren. - Lernen braucht eine humane, positive Lernumgebung. Angst ist ein schlechter Lehrmeister! Zusammenfassung Hinter der Arbeit der 47 NÖ Modellschulen steht ein interessantes pädagogisches Konzept. Jetzt steht die Umsetzung an. Neue Wege entstehen nur durch Gehen! Die ersten Wochen haben jedoch schon gezeigt, dass an den Schulen hoch motivierte Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, diese neuen Wege auch zu beschreiten. Auch wenn sie mit viel Neuem, mit mehr Aufwand und mit mehr Arbeit verbunden sind.
5 Niederösterreichische Mittelschule Portfolioarbeit KEL - Gespräche Individualisierendes Lernen Aktive Nahtstellenarbeit Dazulernen ist die wichtigste Lernmotivation Schule ist Lernort Schüler/innen kommen in die Schule und beginnen zu arbeiten. Schüler/innen lernen in der Schule etwas (dazu). Bei Prüfungen zeigen Schüler/innen, was sie können. Bildungsbasis aller Schüler/innen verbreitern Abb. 3: NÖ Schulmodell Pädagogisches Konzept Die Modellversuche zum NÖ Schulmodell werfen zentrale Fragen für die Weiterentwicklung des österreichischen Schulwesens auf: In Österreich erreichen rund 30% der Schülerinnen und Schüler einer Alterskohorte Matura oder vergleichbare Abschlüsse. In Finnland sind es 70%. Warum ist das so? Wir entlassen und alle nationalen und internationalen Untersuchungen belegen dies einen zu hohen Prozentsatz an Jugendlichen aus der Schule, deren erworbene Kompetenzen für die Bewältigung der Herausforderungen des späteren Lebens nicht ausreichen. Ist das gottgegeben oder änderbar? Kinder haben unterschiedliche Begabungen und unterschiedliche Unterstützung aus ihrem familiären Umfeld. Daraus ergeben sich ganz zentrale Fragen: Wird also die Unterschiedlichkeit der Schüler/innen als Last oder als Chance für das Lernen empfunden? Wird der Unterricht auf die Vielfalt der Schüler/innen hin geplant? Wird die offensichtliche Heterogenität der Kinder und Jugendlichen in einer Lerngruppe als störend, und daher nur durch ständiges Selektionieren, Wegschicken bewältigbar, empfunden oder bietet es bei entsprechender Ressourcenunterstützung neue, entscheidende Chancen des Lernens? Wir suchen gute Antworten auf diese Fragen. Jedes Kind ist uns wichtig! Kinder zurückzulassen, können wir uns nicht leisten!, sagen die Finnen. Manfred Wimmer ist Projektleiter des Modellversuches NÖ Mittelschule/ NÖ Schulmodell
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