Lernen im Kontext der großen Transformation Leipzig Dr. Mandy Singer-Brodowski
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1 Lernen im Kontext der großen Transformation Leipzig Dr. Mandy Singer-Brodowski
2 Gliederung I. Transformationsperspektiven II. Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Transformation III. Bildung im Kontext von Degrowth IV. Transformatives Lernen für Degrowth
3 I. Hintergrund der Transformationsdebatte Historisch haben wir schon zwei Transformationen erlebt: neolithische und industrielle Revolution Ziel der aktuellen Transformation: vollständige Dekarbonisierung Transformation bedeutet umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht (WBGU 2011, S. 5) Es geht um einen neuen Weltgesellschaftsvertrag für eine klimaverträgliche und nachhaltige Weltwirtschaftsordnung.(...) Der Gesellschaftsvertrag kombiniert eine Kultur der Achtsamkeit (aus ökologischer Verantwortung) mit einer Kultur der Teilhabe (als demokratische Verantwortung) sowie mit einer Kultur der Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen (Zukunftsverantwortung). (ebd., S. 2)
4 I. Akteure der Transformation WBGU 2011, S. 291
5 I. Blockaden und begünstigende Faktoren der Transformation WBGU 2011, S. 6
6 I. Was ist das neue an der Transformationsforschung? sozialwissenschaftliche Expertise für Nachhaltigkeitstransformation Soziale Innovationen als Treiber der Transformationsdebatte Experimentellere Ansätze (z.b. Reallaborforschung) Bedeutsamkeit von Narrativen Geschichten des Gelingens Integration verschiedener Wissensformen Quelle:
7 I. Prozesse der Transformation Degrowth Community ist Transformationsbewegung und soziale Innovation, produziert Zielwissen und Transformationswissen. WBGU 2011, S. 100, basierend auf Grin u.a. 2011
8 II. Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Transformation Weltaktionsprogramm ( ) BNE befähigt Lernende, informierte Entscheidungen zu treffen und verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine bestandsfaḧige Wirtschaft und einer gerechten Gesellschaft für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln und dabei die kulturelle Vielfalt zu respektieren. Es geht um einen lebenslangen Lernprozess, der wesentlicher Bestandteil einer hochwertigen Bildung ist. BNE ist eine ganzheitliche und transformative Bildung, die die Lerninhalte und -ergebnisse, Pädagogik und die Lernumgebung berücksichtigt. Ihr Ziel/Zweck ist eine Transformation der Gesellschaft. (UNESCO 2014) Aufnahme von BNE in die Sustainable Development Goals (SDG 4.7) 8
9 II. Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Transformation Scott/ Vare 2007, S. 193 Instrumentelle Bildung FÜR nachhaltige Entwicklung Bildungsprozesse im Dienst gesellschaftlicher Transformationsprozesse ABER: Woher kommt das relevante Nachhaltigkeitswissen? Wer hat die relevanten Themen und Wissensgebiete für das Lehr/Lernsetting ausgesucht und nach welchen Maßstäben wird bewertet? Inwiefern ist es legitim, Lernende in der Absicht der persönlichen Verhaltensänderung mit Nachhaltigkeit/ Transformation zu konfrontieren?
10 II. Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Transformation Scott/ Vare 2007, S. 194 Emanzipatorische Bildung ALS nachhaltige Entwicklung Ziel: Befähigung von Individuen in kontroversen politischen Diskursen zu partizipieren Kritische Reflexion von individuellen und gesellschaftlichen Leitbildern, Normen und Werten Stärkung der Selbstreflexionsfähigkeit Autonome Entscheidungen sollen möglich werden: auch gegen nachhaltigere Handlungsweisen
11 II. Bildung für nachhaltige Entwicklung und Transformation BNE kommt erfolgreich in den Strukturen des deutschen Bildungssystems an aber ist business as usual at the end (Huckle/ Wals 2014)? Großteil der Projekte im Kontext von BNE braucht staatliche Förderung und muss daher politisch anschlussfähig bleiben (Huckle 2012) BNE als Closing circle (Selby/ Kagawa 2011): typisches Dilemma für BNE- PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen zwischen Mäßigung der eigenen Kritik, um förder- und unterstützungswürdig zu bleiben, und radikalem Infrage-Stellen des Status Quo Debatte und Community um eine BNE hat Diskussion um Degrowth bisher wenig aufgenommen kaum theoretische Ansätze für eine Bildung im Kontext Degrowth (Getzin/ Singer- Brodowski 2016)
12 III. Gründe für eine Bildung im Kontext von Degrowth Es braucht mehr als eine (Bildung für) nachhaltige Entwicklung Nachhaltige Entwicklung verschleiert tendenziell die Zielkonflikte zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten ( Entkopplung ist möglich) In zentralen Dokumenten des Nachhaltigkeitsdiskurses wird für grünes Wachstum, qualitatives Wachstum oder inklusives Wachstum als Lösungsstrategie plädiert (Padoan 2012). ABER: Ist endloses Wachstum auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen realisierbar? Macht Geld wirklich glücklich? Wie kann grünes Wachstum wirklich gerecht sein?
13 III. Inhalte einer Bildung im Kontext von Degrowth Wachstums-, Entwicklungs- und Feministische Ökonomiekritik Verschiedene Nachhaltigkeitskonzepte statt nur das 3-Säulen Modell Hinterfragen der Normativität des Entwicklungsparadigmas (Shiva 1998) - nicht nachhaltige Entwicklung sondern Alternativen zu Entwicklung (Escobar 2015) Feministische Ökonomie: Wachstumsorientierte Märkte beinhalten Inwertsetzung der profitbringenden Erwerbsarbeit, aber grenzen unbezahlte Care- und Reproduktionsarbeit aus, die im Schatten der Marktökonomie stehen (Biesecker/von Winterfeld 2015). Vorsorgendes Wirtschaften: eine Ökonomie, die sich an Vorsorge statt Nachsorge, Kooperation statt Konkurrenz und die Orientierung am Lebensnotwendigen statt rein Monetären ausrichtet (Biesecker et al. 1997).
14 III. Ziele einer Bildung im Kontext von Degrowth keine Erziehung zu Wachstums- und Entwicklungskritik, sondern Ermöglichung einer kritisch-emanzipatorischen Bildung zur kollektiven Reflexion und Veränderung von Wachstumsideologien Statt Reproduktion von mentalen Infrastrukturen (Welzer 2011), Selbst denken und politische Partizipation Bildung zum Widerstand auch gegen Perspektive von Lehrenden/ UmweltpädagogInnen
15 IV. Transformatives Lernen Allgemein Transformatives Lernen ist zunächst nicht an bestimmte Inhalte geknüpft (Zeuner 2012) Nicht Akkumulation von Wissen über einen Sachverhalt oder die Erinnerung und Wiedergabe bestimmter Inhalte, sondern eine gesteigerte Reflexionsfähigkeit als Bedingung und Ausgang: (1) für das überlegte Handeln eines Individuums, (2) für eine veränderte Interpretation von Kontexten und Situationen sowie (3) für eine Implementierung des Gelernten im Interpretations- und Handlungsrepertoire des Individuums (Mezirow 1997).
16 IV. Transformatives Lernen verschiedene Phasen 1. Bedeutungsperspektiven oder Figuren des Selbst- und Weltverhältnisses (Koller 2012) prägen die subjektive Wahrnehmung& individuelle Interpretation der Welt, 2. eine Irritation bildet den Ausgangspunkt des Infragestellens bisheriger Bedeutungsperspektiven, 3. die Reflexion und der kritische Austausch über die Irritation in einer kleinen Gruppe schaffen die Möglichkeit zur Transformation der Bedeutungsperspektiven, 4. neue Bedeutungsperspektiven werden als Grundlage eines veränderten Handelns erprobt und gefestigt und 5. die neuen Bedeutungsperspektiven werden in das eigene Leben und das soziale Umfeld integriert und tragen zu einem stärkeren Engagement in sozialen Veränderungsprozessen bei (Singer-Brodowski 2016, S. 99).
17 IV. Transformatives Lernen für Degrowth Hinterfragen von Ideologien und Hegemonien (Brookfield 2000): Critical reflection as ideology critique focuses on helping people come to an awareness of how capitalism shapes belief systems and assumptions (ideologies) that justify and maintain economic and political inequity (ebd., S. 128). Potential der Dekolonisierung des Imaginären (Latouche 2015)
18 IV. Transformatives Lernen für Degrowth Didaktische Ermöglichung transformativer Lernprozesse für Degrowth (aufbauend auf Getzin/ Singer-Brodowski 2016) Problembasiertes Lernen Wechselspiel zwischen Aktion und Reflexion Lernende bedeutungsvolle Erfahrungen machen lassen Intensive Reflexion dieser Erfahrungen empathisch begleiten Lehrende als Coaches und Mitlernende Reflexion der Rolle von Bildungsorganisationen
19 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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