SchiedsamtsZeitung 43. Jahrgang 1972, Heft 11 Online-Archiv Seite 164a-168 -Organ des BDS
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- Vincent Kirchner
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1 Erfahrungen eines Schiedsmannes bei der Zuziehung von Dolmetschern zur Sühneverhandlung (nach dem HSchG) Von Schiedsmann Ludwig Schirling, Darmstadt Durch das Gesetz zur Änderung des HSchG vom (GVB1. I S. 640)1, in Kraft seit , wurde dem 23 HSchG, welcher das Verfahren in der Sühneverhandlung (SV) regelt und eine mündliche Verhandlung vorschreibt, ein zweiter Absatz angefügt, der besagt, dass die Verhandlung in deutscher Sprache stattfindet. Das bedeutet, dass bei Beteiligung von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ein für gerichtliche Angelegenheiten allgemein vereidigter Dolmetscher zuzuziehen ist. Die Zuziehung kann unterbleiben, wenn sämtliche Beteiligten, also auch der Schm., der fremden Sprache mächtig sind. Bisher lautete der 25 HSchG dahin, dass das Protokoll in der Sprache der Parteien und, wenn nur eine Partei der deutschen Sprache mächtig ist, in dieser und der fremden Sprache aufzunehmen war. Das bedeutete, dass SVen. mit der deutschen Sprache nicht mächtigen Parteien kaum oder gar nicht stattfanden. Nachdem aber durch den enorm hohen Zuzug von ausländischen Arbeitern in die Bundesrepublik2 auch der Schm. mit Sühneanträgen aus diesen Kreisen oder gegen Mitglieder dieses Kreises konfrontiert wurde, hat der Landesgesetzgeber in Hessen diesem Zustand Rechnung getragen und durch o. g. Gesetz' den Absatz 2 des 25 a. a. 0. dahin abgeändert, dass das Protokoll über die Sühneverhandlung nur in deutscher Sprache aufzunehmen ist. Durch dasselbe Änderungsgesetz ist auch ein neuer 44 a eingefügt worden, der bestimmt, dass zu den baren Auslagen auch die Entschädigung für den Dolmetscher gehört und diese Entschädigung auf Ersuchen des Schs. vom Urkundsbeamten des für ihn zuständigen Amtsgerichtes festzusetzen ist. Neu ist auch die Änderung des 46 Abs. 1 a. a. 0., wonach für die Dolmetscherentschädigung jede Partei haftet'. Der Schm. kann, wie der neu zu 46 HSchG eingefügte Abs. 2 sagt, von der Erhebung der Auslagen für den Dolmetscher ganz oder teilweise absehen. Falls die Entschädigung von keiner der Parteien eingezogen werden kann, fällt sie der Staatskasse zur Last. Was bedeutet das nun für die Praxis des Schs.? Zunächst einmal ein bedeutendes Mehr an Arbeit und Zeitaufwand. Schon bei Aufnahme des Sühneantrages stellt der Schm. fest, ob ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist. Es kommt auch vor, dass der Antragsteller bei Aufnahme des Sühneantrages behauptet, der Beschuldigte (Ausländer) spreche und verstehe die deut- Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/5
2 sche Sprache. Das mag stimmen, soweit er sich selbst bisher mit dem Beschuldigten unterhalten hat. Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen aber, dass der Beschuldigte, der in der SV mit Interesse den Ausführungen folgt, dann aber, wenn der Schm. ihn um seine Stellungnahme bittet, antwortet: Ich nix verstehn. Dann muss der Sühnetermin vertagt und zum neu angesetzten Termin ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Wie geht nun die Ladung des Dolmetschers vor sich? Ist die Hinzuziehung eines Dolmetschers erforderlich, so lässt sich der Schm. zunächst neben dem üblichen Vorschuss für das Verfahren noch einen entsprechenden Vorschuss für Dolmetscher zahlen ( 35 DA3). Erfahrungsgemäß dauert die Sühneverhandlung bei Hinzuziehung eines Dolmetschers wesentlich länger als eine normale Verhandlung; denn der Dolmetscher muss ja Rede und Gegenrede jeweils übersetzen. Der Dolmetscher darf nicht nur sinngemäß, sondern er muss wortgetreu übersetzen, da sich sonst leicht Missverständnisse einschleichen können. Diese länger dauernde Verhandlung muss der Schm. bei der Errechnung des Vorschusses für die Entschädigung des Dolmetschers berücksichtigen, da ja der Dolmetscher nach dem Zeitaufwand entschädigt wird. Die Entschädigung für den Dolmetscher beträgt pro Stunde bis zu 30,- DM4. Ein Vorschuss in Höhe von DM 100, für den Dolmetscher ist daher das mindeste und in der Regel nur für den Stadtbereich ausreichend. Findet aber die Verhandlung in einer Gemeinde auf dem Lande statt, so muss die An- und Abfahrtszeit des Dolmetschers mit einkalkuliert werden, da diese Zeit mitbezahlt werden muss. Nun folgt die Auswahl und Ladung des Dolmetschers. Den entsprechenden Dolmetscher erfährt der Schm. durch Anfrage bei seinem zuständigen Amtsgericht, sofern er nicht schon von diesem eine Liste der Dolmetscher erhalten hat. Bevor der Schm. dem Dolmetscher eine Vorladung zum Sühnetermin übermittelt, setzt er sich mit diesem über den Zeitpunkt des Termins zur Sühneverhandlung ins Benehmen. Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass dies angebracht ist. Es kommt nämlich vielfach vor, dass der Dolmetscher gerade zur Stunde des Sühnetermins bereits anderweitig engagiert ist. Die Folge ist dann Absetzen des alten und Anberaumung eines neuen Sühnetermins. Besser ist also eine vorherige Anfrage bzw. Vereinbarung über den Zeitpunkt des Termins mit dem Dolmetscher. Obwohl das nicht erforderlich ist, teile ich dem Dolmetscher mit der Ladung auch gleich mit, dass ein erforderlicher Vorschuss für seine Entschädigung bei mir eingezahlt ist. Unbedingt erforderlich ist das natürlich nicht, wie wir weiter unten sehen werden. Da gegen den Dolmetscher kein Zwang zum Erscheinen vorgeschrieben ist das Gesetz sieht keine Ordnungsstrafe gegen ihn vor, ist auch für die Ladung kein entsprechendes Formular vorgeschrieben. Die Ladung kann also formlos erfolgen. Nach Beendigung der SV hat der Schm. einen Antrag auf Festsetzung der Höhe der Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/5
3 Gebühren des Dolmetschers bei dem für ihn zuständigen Amtsgericht zu stellen ( 34 DA). Hierzu bedient er sich des Formulars Anlage 4 zur DA f. Schr. i. Ld. Hessen5. In dem Formular sind neben dem Namen und der Anschrift des Dolmetschers und den Namen und Anschriften der Parteien auch die Dauer der Abwesenheit des Dolmetschers von seiner Wohnung unter Angabe der Uhrzeit von Beginn und Ende der Reise zur SV anzugeben. Außerdem sind die Fahrtauslagen des Dolmetschers mitzuteilen (Bahn, Straßenbahn, Omnibus mit Belegen). Hat er einen eigenen Pkw benutzt, so ist die Angabe der Kilometer zur Festsetzung des Wegegeldes hin und zurück erforderlich. Der Schm. hat den Antrag unter Beidrückung seines Dienstsiegels zu unterschreiben. Auf der Rückseite des Formulars teilt der Dolmetscher den Weg der Auszahlung (Barüberweisung oder Überweisung auf sein Konto, welches er bezeichnen muss) mit und unterschreibt diese Erklärung. Zweckmäßigerweise lässt der Schm. diese Erklärung unmittelbar nach der SV unterschreiben, da er ja sonst weitere Portoauslagen wegen der Zusendung dieses Antrages an den Dolmetscher verursacht. Auch ist in dem Antrage an das Gericht noch anzugeben, ob und in welcher Höhe ein Vorschuss für den Dolmetscher im Besitz des Schs. ist. Nun gibt der Schm. den Antrag an das Amtsgericht weiter. Dieses setzt nun den Betrag fest und gibt entgegen der Ansicht von Drischler in einem Aufsatz in der SchsZtg S. 182 der Gerichtskasse die Anweisung, den Betrag an den Dolmetscher auszuzahlen. Erst dann erhält der Schm. den Beschluss mit der Aufforderung, den festgesetzten Betrag an die Gerichtskasse oder Gerichtszahlstelle zu zahlen (RdErl. d. M. d. J. v Hess. JMB1. S. 2446, den Schrn. nicht offiziell mitgeteilt). Hierzu ein Fall aus meiner Praxis, der ja wohl nicht alltäglich ist, aber meine vorstehenden Ausführungen erhärtet. Parteien waren zwei Ausländer gleicher Nation und Sprache. Der Antragsteller ging mit einem (gerichtlich vereidigten) Dolmetscher zu seinem Anwalt und ließ von diesem den Sühneantrag fertigen und an mich absenden. Dabei zahlte er neben dem Vorschuss an den Anwalt auch einen Vorschuss in Höhe von DM 100, an den Dolmetscher. Ohne dies zu wissen, verlangte ich von dem Antragsteller für den Dolmetscher ebenfalls einen Vorschußbetrag von DM 100,. Der Antragsteller zahlte auch diesen Betrag, ohne mir zu sagen, dass er den gleich hohen Betrag auch schon an den Dolmetscher gezahlt hatte. Erst als der Dolmetscher in der Verhandlung die Erklärung über die Höhe der Entschädigung bzw. den Überweisungsweg unterschreiben sollte, erklärte er, dass er bereits DM 100, von dem Antragsteller erhalten habe und damit seine Tätigkeit bei der Übersetzung beim Anwalt und auch in der Sühneverhandlung abgedeckt sei. Ich erkundigte mich beim zuständigen Urkundsbeamten des Amtsgerichts. Dieser bestand darauf, dass der nach dem Gesetz erforderliche Festsetzungsantrag dennoch gestellt werden müsse. Obwohl der Dolmetscher seine Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/5
4 Entschädigung schon erhalten habe, müsse die Gerichtskasse den festgesetzten Betrag an den Dolmetscher zahlen. Ich dagegen müsse, so sagte der Gerichtsbeamte, aus dem bei mir liegenden Vorschuss den Betrag an die Gerichtskasse erstatten und schließlich den Dolmetscher zur Rückzahlung des von ihm von der Gerichtskasse überwiesenen Betrages an mich oder an den Antragsteller veranlassen. Der Not gehorchend, habe ich mich leider dann so verhalten müssen. Schließlich musste ja der Antragsteller eine gerichtliche Festsetzung der Dolmetschergebühren in Händen haben, um diesen Betrag mit der Privatklage geltend zu machen, nachdem der Sühneversuch erfolglos verlaufen war. So wird das Gesetz gehandhabt! Vom Antrag auf Festsetzung bis zur Benachrichtigung von der Festsetzung an den Schm. vergehen meist 3 bis 4 Wochen. Solange muss der Schm. den Vorschuss, getrennt von seinem eigenen Geld, aufbewahren. Einzahlung des Vorschusses und Zahlung an das Gericht und Rückzahlung eines etwaigen Überschusses hat der Schm. im Kassenbuch in der Rubrik Nr. 6 und 13 zu vermerken (siehe Anlage 3 zur DA). Nicht eingegangene Dolmetscherauslagen sind in Spalte 17 a. a. O. einzutragen. Da das bisher gebräuchliche Kassenbuch diese Spalten nicht enthält, muss ein besonderer Nachweis über die Zahlung des Vorschusses und den Verbleib der Dolmetscherentschädigung geführt werden. Dies kann mittels einer besonderen Liste oder, wie ich es handhabe, durch entsprechende Vermerke auf der 1. Innenseite des Handaktendeckels geschehen. Die bisher gebräuchlichen Kassenbücher können noch bis Ende 1972 geführt werden. Ab 1973 ist aber das neue Kassen buch, welches die Spalten für die Entschädigung des Dolmetschers enthält, zu benutzen. Schr., die im Laufe des Jahres 1972 ein neues Kassenbuch benötigen, tun gut daran, sich schon jetzt ein den neuen Vorschriften entsprechendes zu beschaffen7. Zunächst haben wir Schr. die Ansicht vertreten, das vorstehend beschriebene Verfahren sei zu umständlich. Nachdem sich die Sache aber eingespielt hat, hat man eine gewisse Routine erlangt. Von meinen im Jahre 1971 abgeschlossenen 65 Sachen waren etwa 10 /o solche, in denen Dolmetscher benötigt wurden. Gewiss, es ist eine Mehrbelastung für den Schm. an Zeit und Arbeit (Anfrage und Vereinbarung über den Zeitpunkt des Termins, Antrag auf Festsetzung der Entschädigung, Zahlung ans Gericht durch die Post oder in bar an der Gerichtskasse). Aber der Schm. hat ja auch die Möglichkeit, sich die Auslagen für die Fahrt zur Post oder zum Gericht von den Parteien ersetzen zu lassen (vgl. Anm. 2 zu 44 HSchG in Hartung-Jahn, 10. Aufl., wonach Fahrtauslagen, hier im übertragenen Sinne, zu erstatten sind). Drischler hat schon in seinem oben erwähnten Aufsatz auf Seite 181 ff. gefordert, dass die Möglichkeit der Vereinbarung einer Vergütung für den Dolmetscher auch im Lande Hessen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/5
5 anerkannt werden sollte. Ich unterstreiche insoweit diese ausgezeichneten und meinen vollen Beifall findenden Ausführungen. Solange aber die Hess. Landesregierung keine erneute Änderung des HSchG veranlasst, müssen wir leider das umständliche Verfahren nach dem geltenden Recht durchführen. Noch ein Wort zum Abschluss eines Vergleiches. Übernimmt darin der Beschuldigte u. a. auch die Zahlung der Entschädigung für den Dolmetscher, so kann in der Niederschrift die Höhe dieser Entschädigung in DM leider nicht aufgeführt werden, weil sie dann noch nicht festgesetzt ist. Hier helfe ich mir in der Weise, dass der Beschuldigte erklärt, insoweit den vom Gericht demnächst festzusetzenden Betrag innerhalb einer bestimmten Frist nach Bekanntgabe durch den Schm. an diesen oder an den Antragsteller zu zahlen. Dieser Vergleich ist dann ebenso vollstreckbar wie ein zahlenmäßig im Vergleich festgesetzter DM-Betrag. Der Antragsteller kann den Festsetzungsbescheid des Gerichts über die Höhe der Dolmetscherentschädigung ggf. mit der Vergleichsausfertigung dem Gericht zwecks Erteilung der Vollstreckungsklausel beifügen. Das Gericht wird dann auf seinen Antrag hin den Betrag dieser Entschädigung in die Vollstreckungsklausel mit aufnehmen. Anmerkungen in den Fußnoten von der Schriftleitung 1 Abgedruckt in SchsZtg S Die Zahl der Gastarbeiter mit Familienangehörigen in der BRD ist z. Z. rd. 3,5 Millionen (am Gastarbeiter allein ) 3 DA = Dienstanweisung für die Schr. im Lande Hessen v ( JMB1. f. Hess. S. 301) 4 Vgl. auch Drischler in SchsZtg. 1971, S Diese Formulare sind inzwischen beim Carl Heymanns-Verlag, Köln, über den BDS zu bekommen (Anm. d. Verfassers). 6 SchsZtg. 1971, S, 83 7 Der Carl Heymanns Verlag, Köln, hat diese schon vorrätig, sie können über den BDS bestellt werden (Anm. d. Verfassers). Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/5
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