Energiepolitik muss die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Unternehmen gewährleisten.
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- Käte Boer
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1 REGIONALER WERTSCHÖPFUNGSFAKTOR ENERGIE Eine zuverlässige und wettbewerbsfähige Energieversorgung bildet das Fundament für überregionale Wertschöpfungsketten Wohlstand und Beschäftigung hängen in den IHK-Bezirken Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein in besonderem Maße von einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Energieversorgung ab. Der industrielle Einsatz von Energie hat in diesen Regionen deutlich höhere Bedeutung als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Ergebnisse einer Studie von Frontier Economics (Köln) und ETR Economic Trends Research (Hamburg) im Auftrag der IHK Aachen, IHK Köln und IHK Mittlerer Niederrhein 1 belegen nun anhand von Daten und Fallbeispielen die zentrale Rolle der energieintensiven Industrien in komplexen Wertschöpfungsketten. Über diese sind sie als Auftraggeber und Vorlieferanten eng verknüpft mit Zulieferern, Dienstleistern und Handwerkern in verschiedenen Branchen und Regionen. Deshalb sorgen die energieintensiven Unternehmen nachweisbar nicht nur für mehr Umsatz, Beschäftigung und Wohlstand vor Ort und in den drei Regionen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) und im gesamten Bundesgebiet. Die Einbindung der energieintensiven Industrien in überregionale, leistungsstarke Wertschöpfungsketten bedeutet für eine verantwortungsvolle Energiepolitik, dass sie auch die Verflechtungen dieser Unternehmen berücksichtigen muss. Ihr Energiebedarf lässt sich aufgrund der vielfältigen Verknüpfungen nicht ausschließlich in Hinblick auf Ressourcenverbrauch und Emissionen bewerten. Praktisch jede energiepolitische Maßnahme wirkt weit über diese Gruppe von Unternehmen hinaus. Andere Branchen und Regionen spüren die Folgen, auch wenn dies nicht beabsichtigt war. Vor diesem Hintergrund sind drei Aspekte grundlegend für eine umsichtige Energiepolitik: 1. Energiepolitik muss die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Unternehmen gewährleisten. Energieintensive Unternehmen sorgen für Beschäftigung und Wohlstand an den Standorten der Betriebe, in ihren Regionen, in NRW und in der gesamtdeutschen Wirtschaft. In Hinblick auf die Beschäftigungswirkungen energieintensiver Unternehmen zeigte die Studie: In den drei IHK-Bezirken arbeiten Menschen in energieintensiv produzierenden Betrieben. Dies sind mehr als 5,4 % aller Beschäftigten in diesen Regionen. Auf drei Beschäftige in den energieintensiven Industrien kommt vor Ort ein weiterer Arbeitsplatz. Von jedem dieser Arbeitsplätze hängen in NRW fast zwei weitere ab: Die Produktion der energieintensiven Unternehmen in den drei IHK- Bezirken sichert in NRW Beschäftigungen. Entlang der bundesweiten Wertschöpfungsketten bewirkt jeder Arbeitsplatz in einem energieintensiven Betrieb der drei Regionen 2,5 weitere Arbeitsverhältnisse. 1 Die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein - Kurzstudie im Auftrag von IHK Aachen, IHK Köln und IHK Mittlerer Niederrhein, Juni 2018
2 2. Energiepolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik. Energieintensive Unternehmen sind wesentlicher Teil regional und überregional bedeutsamer Wertschöpfungsketten. Versorgungssicherheit und stabile Stromversorgung sind gerade für diese Betriebe ausgesprochen wichtig. Wettbewerbsnachteile haben bundesweite Auswirkungen. Die Studie ermittelte bezogen auf die Wertschöpfung der energieintensiven Unternehmen: 2 32 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr erzielen in den drei IHK-Bezirken allein die energieintensiven Branchen (Gewinnung und Verarbeitung), Chemie, Gießereien, Glas, Nahrungs- und Futtermittel, Nicht-Eisenmetalle, Papier und Stahl. Mit 7,1 Mrd. Euro sorgen energieintensive Industrien für eine überdurchschnittliche Wertschöpfung. Ihr Anteil am gesamten Verarbeitenden Gewerbe beträgt fast ein Drittel (29 %). Im NRW-Durchschnitt liegt er bei einem Fünftel (21 %). Im Bundesdurchschnitt wird mit 15 % nur etwa die Hälfte des Anteils der energieintensiven Unternehmen an der Wertschöpfung erreicht. Herausragende Bedeutung hat die Chemiebranche, gefolgt von der Nahrungsmittelindustrie. Zu dieser Wertschöpfung von 7,1 Mrd. Euro kommen durch die branchenübergreifenden Verflechtungen direkt in den Regionen weitere 2,3 Mrd. Euro. Die NRW-Wirtschaft profitiert in besonderem Maße von den energieintensiven Unternehmen in den analysierten Regionen: Eine regionale Wertschöpfung von einem Euro dieser Industrien löst in NRW eine Wertschöpfung von insgesamt 2,70 Euro aus. Wie die Beschäftigung verdreieinhalbfacht sich bundesweit auch die Wertschöpfung, die durch energieintensive Unternehmen in den Regionen initiiert wird. 3. Wirtschaftlichkeit basiert auf wettbewerbsfähigen Energiepreisen. Der Produktionsfaktor Strom spielt für energieintensive Unternehmen eine herausgehobene Rolle. In einer eng verflochtenen Wirtschaft beeinflussen die Energiepreise ganze industrielle Wertschöpfungsnetzwerke. Die hohe Bedeutung der Energiepreise zeigen einige Daten aus der Studie: Strom ist der zentrale Produktionsfaktor für energieintensive Unternehmen. In den drei IHK-Bezirken benötigen sie im Jahr etwa GWh. Dies entspricht 6,3 % des industriellen Gesamtverbrauchs in Deutschland. In den drei Regionen entfallen etwa 60 % des industriellen Stromverbrauchs auf die energieintensiven Industrien. In NRW liegt dieser Wert bei 57 %. Auch der Stromverbrauch pro in der Industrie Beschäftigten fällt in den drei Regionen mit durchschnittlich etwa 83 MWh deutlich höher aus als im NRW-Durchschnitt (54 MWh) und Deutschland (36 MWh). Im IHK- Bezirk Mittlerer Niederrhein ist dieser Wert mit 107 MWh besonders hoch. Der höchste Stromverbrauch energieintensiver Industrien entfällt mit über GWh auf den IHK-Bezirk Köln. Im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein verbrauchen diese Unternehmen etwa GWh Strom; im IHK-Bezirk Aachen etwa GWh. Der Stromverbrauch geht in den drei IHK-Bezirken überwiegend auf die Chemieindustrie zurück. Ihr Anteil am Stromverbrauch der energieintensiven Industrien beträgt 65,7 %. Dieser hohe Energieverbrauch beruht nicht auf Ineffizienz. Weil Energiekosten für energieintensive Unternehmen ein gewaltiger Kostenfaktor sind, setzen diese diverse Maßnahmen der Energieeinsparung um.
3 3 Fast alle der hier betrachteten energieintensiven Industrien reduzierten zwischen 2010 und 2014 durch entsprechende Anstrengungen ihren Stromverbrauch pro Euro Wertschöpfung. Ihre Effizienzgewinne fielen deutlich stärker aus als im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes, das einen leichten Zuwachs der Stromintensität zu verzeichnen hat. Ergebnisse der Studie Regionaler Wertschöpfungsfaktor Energie 1. Überblick: Energieintensive Branchen und Energiewirtschaft in NRW Energie bildet die grundlegende Voraussetzung für jegliches Handeln und Wirtschaften. Die Bedeutung dieses Produktionsfaktors variiert allerdings erheblich nach Branche und Betrieb. In den IHK- Bezirken Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein sind überdurchschnittlich viele Wirtschaftszweige von einer sicheren und besonders leistungsfähigen Energieversorgung abhängig. Die zuverlässige Strom- und Wärmeversorgung im Rheinischen Braunkohlerevier begünstigte die Ansiedlung und Entwicklung von Industrien, für die Strom, Gas und Wärme auch heute noch unabdingbare Einsatzfaktoren sind. Die Studie analysierte Unternehmen, deren Produktionen im Vergleich zum gesamten Verarbeitenden Gewerbe einen besonders hohen Stromverbrauch je Euro Wertschöpfung aufweisen. Strom hat deshalb eine besondere wirtschaftspolitische Bedeutung, weil die Strombezugskosten wesentlich und zunehmend direkt von der nationalen Energiepolitik bestimmt werden. Zu den Branchen mit überdurchschnittlich hohem Strombedarf gehören u. a. Chemie, Stahl, Papier, Glas, Nichteisen-Metallindustrie, Gießereien sowie die Nahrungs- und Futtermittelindustrie: Die Wertschöpfung in diesen Branchen ist deutlich stromintensiver als im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Nach der Baustoff-Gewinnung und der Stahlbranche - sie verbrauchen fast vier kwh Strom, um einen Euro Wertschöpfung zu generieren benötigen die Zuckerherstellung, die Chemie-, die Papiersowie die NE-Metall-Industrie und Gießereien besonders viel Strom. Der geringe durchschnittliche Stromverbrauch in der Nahrungsmittelindustrie (0,4 kwh je Euro Wertschöpfung) täuscht, wenn die Stromkosten einzelner Unternehmen betrachtet werden. (Gewinnung) (Verarbeitung) Nahrungs- und Futtermittel Zuckerherstellung* Mahl- und Schälmühlen* Papier** Stahl Gießereien NE-Metalle Chemie Glas Verarbeitendes Gewerbe Stromverbrauch in kwh je Euro Wertschöpfung Abb. 1: Verhältnis von Stromverbrauch zu Wertschöpfung in betrachteten Branchen. * Angaben für Bundesdeutschen Durchschnitt ** Aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit kann die Stromintensität der Papierindustrie lediglich für den Sektor 17 berechnet werden, der neben der Papierindustrie auch die Papierwarenherstellung umfasst. Da diese deutlich weniger stromintensiv ist, ist davon auszugehen, dass die hier ausgewiesene Stromintensität der Papierindustrie lediglich eine Untergrenze darstellt. Quelle: ETR Datengrundlage der Berechnung: Bundesagentur für Arbeit (2017); Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2016); Statistisches Bundesamt (2017a, b).
4 4 Die Nahrungsmittelindustrie ist sehr heterogen. Für stromintensive Branchen wie die Zuckerherstellung oder die Mahl-, Schäl- und Ölmühlen sowie einzelne nachgeschaltete Betriebe ist die Stromversorgung besonders kostenrelevant. In der Chemieindustrie benötigt die für NRW sehr bedeutende Grundstoffherstellung ausgesprochen viel Strom. Der hohe Energiebedarf der betrachteten Industrien beruht keineswegs auf Ineffizienzen. Vielmehr unternehmen energieintensive Betriebe besondere Anstrengungen, um Energie einzusparen, denn sie bildet für sie einen bedeutenden Kostenfaktor. Bis heute sind Energieerzeugung und die damit verbundene Energieversorgung ein wichtiger Wirtschaftszweig in NRW: Hier werden Stromerzeugungsanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von MW betrieben. Ein wesentlicher Teil deckt den Strombedarf der angesiedelten Industrie. Dies entspricht etwa einem Fünftel der gesamten installierten Erzeugungsleistung in Deutschland. Insbesondere durch etwa Megawatt Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier sogar 27 % der gesicherten Stromerzeugungsleistung in Deutschland. Gesicherte Erzeugungsleistung heißt, dass sie unabhängig von Wind- und Sonnenverfügbarkeit zu jeder Tages- und Jahreszeit Strom produzieren kann. Neben Braunkohle tragen in NRW hierzu u. a. Steinkohle (8.200 MW) und Erdgas (8.900 MW) bei. Auch erneuerbare Energien gewinnen in NRW zunehmend an Gewicht: Ende 2016 wurden Windkraftanlagen an Land mit einer installierten Gesamtleistung von MW und Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von MW betrieben. Dies entspricht je etwa einem Zehntel der Windkraftleistung an Land bzw. der Photovoltaikleistung in Deutschland. 2 Insgesamt arbeiten in NRW ca Menschen in der Energieversorgung (inkl. Berg- und Tagebau). 2. Beitrag energieintensiver Industrien zur regionalen Wertschöpfung und Beschäftigung Als Indikatoren für die Bedeutung der energieintensiven Unternehmen in den analysierten Regionen wurden die erwirtschafteten Umsätze und die daraus resultierende Wertschöpfung herangezogen. Der Umsatz der energieintensiven Industrien in den drei IHK-Bezirken liegt bei über 32 Mrd. Euro pro Jahr. Hiervon entfielen auf den IHK- Bezirk Aachen 6,7 Mrd. Euro; auf den IHK-Bezirk Köln 13,6 Mrd. Euro und auf den IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein 12,1 Mrd. Euro. In Gesamt-NRW wurden 115,7 Mrd. Euro umgesetzt (2016). Die Wertschöpfung der energieintensiven Industrien in den drei Regionen beträgt jährlich 7,1 Mrd. Euro: 1,6 Mrd. Euro im IHK-Bezirk Aachen, 3 Mrd. Euro im IHK-Bezirk Köln und 2,5 Mrd. Euro im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein. In NRW lag dieser Wert im Jahr 2016 bei 25,4 Mrd. Euro. Fast die Hälfte (ca. 46 %) der Wertschöpfung in den energieintensiven Industrien erwirtschaftet die Chemieindustrie. Ein Schwerpunkt liegt auf der besonders stromintensiven Grundstoffchemie wie der Chlorherstellung. Die Nahrungs- und Futtermittelindustrie weist mit 29 % die zweitgrößte Wertschöpfung auf. Die relative Bedeutung der Industrien unterscheidet sich in den drei Bezirken: Im IHK-Bezirk Köln beträgt der Anteil der Chemie 57 %. Weitere zentrale Branchen sind die Nahrungs- und Futtermittelindustrie (22 %) sowie Gießereien (11 %). Im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein spielen neben der Chemieindustrie (47 %) auch die Nahrungs- und Futtermittelindustrie (31 %) und die NE-Metallindustrie (10 %) eine bedeutende Rolle. Im IHK-Bezirk Aachen wird der größte Anteil der Wertschöpfung in der Nahrungsmittelindustrie erzielt (39 %). Die Produktion von Fruchtzubereitungen, Marmeladen sowie Süß-, Back- und Teigwaren bildet einen regionalen Schwerpunkt. Gefolgt wird diese von Chemie (24 %), Papier (13 %) und Glas (12 %). 2 Kraftwerksdaten: Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur (2018). Zur Ermittlung der gesicherten Leistung wurden die Erzeugungstechnologien entsprechend ihrer zu erwartenden Verfügbarkeit gewichtet.
5 5 Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass der Anteil der Wertschöpfung in den energieintensiven Industrien an der Wertschöpfung des gesamten Verarbeitenden Gewerbes in den drei Regionen (Durchschnitt: 29 %) erheblich höher liegt als im NRW-Durchschnitt (21 %). Er fällt nahezu doppelt so hoch aus wie im Bundesdurchschnitt (15 %): Aachen Köln MNR NRW Deutschland Gießereien NE-Metalle Stahl (Verarbeitung) Glas Chemie Papier Nahrungs- und Futtermittel (Gewinnung) Abb. 2: Prozentualer Anteil der betrachteten Branchen an der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes in den Regionen. Quelle: ETR. Datengrundlage der Berechnung: Bundesagentur für Arbeit (2017); Statistische Ämter der Länder (2017); Statistisches Bundesamt (2017a, b); Berechnungen ETR. Allein im Untersuchungsgebiet der Studie beschäftigen energieintensive Unternehmen über Menschen. Davon im IHK-Bezirk Aachen, im IHK-Bezirk Köln und im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein. Im Durchschnitt der drei Regionen arbeiten 5,4 % aller Beschäftigten in einem energieintensiv produzierenden Unternehmen. Im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein waren im Juni 2016 insgesamt 8,6 % der Beschäftigten in energieintensiv produzierenden Unternehmen tätig. Im IHK-Bezirk Aachen waren es 5,2 % und im IHK- Bezirk Köln 4,1 %. In den IHK-Bezirken Köln und Mittlerer Niederrhein beschäftigt die Chemieindustrie die meisten der hier betrachteten Arbeitnehmer. Die Nahrungs- und Futtermittelindustrie ist zweitstärkster Arbeitgeber. Am Mittleren Niederrhein spielt außerdem die NE- Metallindustrie eine wichtige Rolle als regionaler Arbeitgeber. Die Papierindustrie hat einen Schwerpunkt im IHK-Bezirk Aachen. An Lohn- und Gehaltszahlungen flossen in den genannten Branchen im Jahr 2016 etwa 3,7 Mrd. Euro. Damit entfielen 52,6 % der energieintensiven Wertschöpfung in den IHK-Bezirken auf Löhne und Gehälter. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung ist in den energieintensiven Industrien damit zwar etwas geringer als im Verarbeitenden Gewerbe (53,6 %), jedoch höher als im gesamtwirtschaftlichen NRW-Durchschnitt (47 %). 3. Enge Verflechtungen der energieintensiven Unternehmen bewirken Umsatz, Wertschöpfung und Beschäftigung weit über die eigenen Branchen und Regionen hinaus Die ökonomischen Wirkungen der energieintensiven Unternehmen in den untersuchten IHK- Bezirken erstrecken sich entlang regional- und gesamtwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten auf weitere Unternehmen und Beschäftigte in den untersuchten Regionen sowie in ganz NRW und im übrigen Bundesgebiet. Die Wirtschaft ist heute so eng verflochten, dass Fertigungs-, Absatz- und Zulieferketten quer über Branchen- und Ländergrenzen hinweg reichen. Die hieraus resultierenden indirekten Auswirkungen heißen Multiplikator-Effekte. Sie summieren sich über mehrere Stufen: Initialeffekt: Umsätze, Wertschöpfung und Beschäftigung der energieintensiven Unternehmen in den IHK-Bezirken als Ausgangspunkt. Erstrundeneffekt: Regionalwirtschaftliche Wirkungen durch die Vorleistungsnachfrage. Dazu zählen Rohstoffe, Halbzeuge, Betriebsmittel, Instandhaltung und sonstige Dienstleistungen. Wertschöpfungsketteneffekt: Produktion und Beschäftigung bei Unternehmen, von welchen Zulieferer Vorprodukte beziehen. Dieser Effekt erstreckt sich über die gesamte vorgelagerte Wertschöpfungskette.
6 6 Induzierter Effekt: Alle Stufen der Wertschöpfungskette schaffen Arbeitseinkommen, das teilweise konsumiert wird. Diese Nachfrage führt zur sogenannten induzierten Produktion und Beschäftigung in der Konsumgüterindustrie. In Summe ergibt sich der regionalwirtschaftliche Multiplikator-Effekt. Er lässt sich jeweils für Umsatz, Wertschöpfung und Beschäftigung ausweisen. Aufgrund der vielfältigen Verbindungen sind zielgerichtete Eingriffe auf einzelne Unternehmen praktisch unmöglich. Jeder Einfluss, z. B. eine energiepolitische Maßnahme, hat Auswirkungen weit über diese Betriebe hinaus. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Initialeffekte in den IHK-Bezirken Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein auf die einzelnen energieintensiven Branchen: Tab. 1: Umsatz, Bruttowertschöpfung und Beschäftigtenzahl gelistet nach Branchen für die drei IHK-Bezirke Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein. (Gewinnung) Sektor Umsatz (Mio. Euro) Bruttowertschöpfung (Mio. Euro) Beschäftigte (Verarbeitung) Aachen Köln Mittlerer Niederrhein Gesamt Aachen Köln Mittlerer Niederrhein Gesamt Aachen Köln Mittlerer Niederrhein Nahrungsmittel Papier Chemie Glas Stahl NE-Metalle Gießereien Gesamt Gesamt Quelle: Berechnungen ETR. Im IHK-Bezirk Aachen wurde im Jahr 2016 in energieintensiven Industrien ein Umsatz von rund 6,7 Mrd. Euro erwirtschaftet. Hiermit ging eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 1,6 Mrd. Euro und eine Beschäftigung von Personen einher. Die Nahrungsmittelindustrie hat mit 38,9 % die höchste Bedeutung für Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung, gefolgt von der Chemie (28 %) und der Papierindustrie (11,2 %) sowie der Glas-und der NE-Metallindustrie (6,6 % bzw. 5,3 %). Im IHK-Bezirk Köln geht der größte Teil des Initialeffektes auf die Chemieindustrie zurück. 63,5 % des Gesamtumsatzes der energieintensiven Industrien in Höhe von 13,6 Mrd. Euro entfallen auf diese Branche. Außerdem werden 57,4 % der energieintensiven Wertschöpfung von 3 Mrd. Euro in der Chemieindustrie erwirtschaftet. Sie weist auch die größte Bedeutung für die Beschäftigung auf. Insgesamt waren im Jahr Beschäftigte in den energieintensiven Unternehmen des IHK-Bezirks Köln tätig. Davon entfielen 52,9 % auf die Chemiebranche. Auch im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein spielen die Nahrungsmittel- und die Chemieindustrie die wichtigste Rolle. Zusammen machen diese beiden Branchen 73,8 % der Produktion, 77,8 % der Wertschöpfung und 68,9 % der Beschäftigungen in den energieintensiven Industrien des IHK-Bezirks aus. Eine Besonderheit ist die relativ hohe regionale Bedeutung der Erzeugung von NE-Metallen. 15,7 % der energieintensiven Produktion, 10,4 % der Wertschöpfung und 18,4 % der Arbeitsplätze in energieintensiven Industrien entfallen auf NEmetallerzeugende Unternehmen.
7 7 Die folgende Darstellung zeigt die durch die energieintensiven Industrien mit Standort in den drei Regionen zusätzlich erzielten ökonomischen Wirkungen: Tab. 2: Steigerung von Umsatz, Bruttowertschöpfung und Beschäftigtenzahl durch Multiplikatoreffekte auf regionaler, Landes- und Bundesebene, kumuliert für die drei IHK- Bezirke Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein. Umsatz Wertschöpfung Beschäftigung Regionale Abgrenzung [Mio. Euro] Multiplikator [Mio. Euro] Multiplikator [Pers.] Multiplikator Kumulierter Initialeffekt in den drei IHK-Bezirken Multiplikativer Gesamteffekt in IHK-Bezirken , , ,3 Nordrhein-Westfalen , , ,7 Deutschland , , ,5 Quelle: Berechnungen ETR. Die Daten belegen die große Bedeutung der energieintensiven Industrien für die regionale Wirtschaft: 4 Euro Umsatz dieser Unternehmen generieren zusätzlich 1 Euro Umsatz direkt vor Ort: Die indirekten Effekte bewirken insgesamt, dass aus 32,4 Mrd. Euro Umsatz der energieintensiven Unternehmen in den IHK-Bezirken rund 39,8 Mrd. Euro Gesamtumsatz in diesen Regionen entstehen. Bei der Wertschöpfung fallen die positiven Effekte auf die lokale Wirtschaft mit 30 % überproportional aus: 7,1 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung ziehen vor Ort unmittelbar weitere 2,3 Mrd. Euro nach sich. Direkte Wertschöpfung in den IHK-Bezirken: 7,1 Mrd. Euro Indirekt zusätzlich in den IHK- Bezirken: 2,3 Mrd. Euro Abb. 3: Direkte und induzierte Wertschöpfung auf Ebene der betrachteten IHK-Bezirke. Quelle: Frontier / ETR. Ähnlich positive Effekte zeigen sich bei den Beschäftigtenzahlen: Auf drei Beschäftige in den energieintensiven Industrien kommt ein weiterer Arbeitsplatz direkt vor Ort. Die Analyse erbrachte, dass die NRW-Wirtschaft in besonderem Maße von den energieintensiven Unternehmen in den drei IHK-Bezirken profitiert. Die Multiplikatoreffekte lösen in NRW insgesamt Umsätze in Höhe von 68,5 Mrd. Euro aus. Damit einher geht eine Bruttowertschöpfung von 19,2 Mrd. Euro und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die landesweiten Effekte übersteigen somit bei den betrachteten Kenngrößen die lokalen Effekte in den drei IHK-Bezirken um mehr als das Doppelte. Im Durchschnitt der energieintensiven Industrien ergeben sich Wertschöpfungs- und Beschäftigungsmultiplikatoren von jeweils 2,7. Dies bedeutet, die initiale Wertschöpfung und Beschäftigung in den energieintensiven Unternehmen der IHK-Bezirke verdreifacht sich entlang der Wertschöpfungsketten nahezu. Die Produktion verdoppelt sich fast.
8 8 Die Abgrenzung der Region für die Abschätzung der regionalwirtschaftlichen Effekte ist von großer Bedeutung: Je kleiner die Region gewählt wird, desto geringer die Multiplikatorwirkungen, denn die meisten Vorleistungen werden aus einem Umfeld außerhalb der erfassten Region bezogen. Auch über NRW hinaus entfaltet die Vorleistungsnachfrage der energieintensiven Unternehmen der drei IHK-Bezirke signifikante Wirkungen: 3 Außerhalb des Bundeslandes erhöht sich die ausgelöste Produktion um weitere 18,2 %. Auch Wertschöpfung und Beschäftigung gewinnen im Bundesgebiet mit Zuwächsen von 28,8 % bzw. 29,5 % zusätzliche Dynamik. Als bundesweite Multiplikatoren berechneten Frontier Economics und ETR Economic Trend Research für die Produktion ein Multiplikator von 2,5. Bei Wertschöpfung und Beschäftigung beträgt dieser Faktor sogar je 3,5. Damit verdreieinhalbfachen sich die durch die energieintensiven Unternehmen in den drei IHK- Bezirken ausgelöste Wertschöpfung und Beschäftigung entlang der bundesweiten Wertschöpfungsketten. Werden demnach in den IHK- Bezirken von energieintensiven Unternehmen 100 Euro Wertschöpfung generiert und 100 Mitarbeiter beschäftigt, folgen darauf bundesweit weitere 250 Euro Wertschöpfung und zusätzliche 250 Arbeitsplätze. Abbildung 5 verdeutlicht diese Dimensionen für die Beschäftigung. Produktion 2,1 Wertschöpfung 2,7 Beschäftigung 2,7 Eine Produktion von 100 Euro in energieintensiven Industrien in den IHK-Bezirken löst eine Produktion von insgesamt 210 Euro in Nordrhein-Westfalen aus, d.h. 110 Euro zusätzlich zum initialen Effekt. Eine Wertschöpfung von 100 Euro in energieintensiven Industrien in den IHK-Bezirken löst eine Wertschöpfung von insgesamt 270 Euro in Nordrhein-Westfalen aus, d.h. 170 Euro zusätzlich zum initialen Effekt. Eine Beschäftigung von 100 Personen in energieintensiven Industrien in den IHK-Bezirken löst eine Beschäftigung von insgesamt 270 Personen in Nordrhein-Westfalen aus, d.h. 170 Personen zusätzlich zum initialen Effekt. Abb. 4: Durchschnittliche Multiplikatoren aller betrachteten Regionen und Branchen für Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung auf NRW-Ebene. Quelle: ETR direkt Beschäftigte und zusätzliche Beschäftigte in den IHK-Bezirken zusätzliche Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland Abb. 5: Direkte und induzierte Beschäftigung durch betrachtete Branchen; für IHK-Bezirke, Nordrhein-Westfalen und Deutschland. Quelle: Frontier / ETR. Die energieintensiven Industrien in den analysierten Regionen erzielen damit bundesweit deutlich größere Multiplikatoreffekte als im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Hier beträgt der Multiplikator des Produktionswertes 2,3. Bei der Wertschöpfung wird der Faktor 2,6 und bei der Beschäftigung 2,8 erreicht. 3 Importe werden bei der Analyse der deutschlandweiten Wirkungen nicht berücksichtigt.
9 9 4. Schlussfolgerungen für die Energiepolitik Die Ergebnisse der Studie belegen die hohe Relevanz der energieintensiven Industrie für Wertschöpfung und Beschäftigung in den gesamten Regionen, aber auch (und vor allem) für NRW und für das gesamte Bundesgebiet: Die starke Vernetzung bewirkt, dass eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung auch für die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und nicht zuletzt die damit verbundenen Arbeitsplätze grundlegend ist. Nur im Ausnahmefall bleiben die Auswirkungen von energiepolitischen Maßnahmen auf einzelne Unternehmen beschränkt. Aufgrund der geschilderten wirtschaftlichen Verflechtungen und hieraus folgenden Multiplikatoreffekten betreffen energiepolitische Maßnahmen stets auch diverse zusätzliche Wirtschaftsbereiche. Diese Zusammenhänge müssen bei energiepolitischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Die Industrie- und Handelskammern Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein unterstützen ausdrücklich die Energiewende. Dabei ist es erforderlich, mit Augenmaß vorzugehen. Nur so werden unbeabsichtigte negative Effekte vermieden. In ihrer Zukunftsstudie 4 hat die IHK NRW 2016 gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) aufgezeigt, dass die Energiewende auch große industriepolitische Chancen für den Standort Deutschland birgt. In dem Maße wie es gelingt, über frühzeitige Weichenstellungen die Energiewende zu einem industriepolitischen Projekt zu machen, können ausgehend von den energieintensiven Unternehmen in der Region wertvolle Impulse weit in alle Bereiche der Wirtschaft getragen werden mit positiven Effekten für Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung. Die vollständige Studie Deutschlands Energiewende Perspektiven für Industrie & Gewerbe kann über die IHK Aachen, die IHK Köln oder die IHK Mittlerer Niederrhein angefordert werden. 4 Deutschlands Energiewende Perspektiven für Industrie & Gewerbe - Frontier Economics (2016).
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