Sanieren? Information für die Stiftungsräte der Pensionskassen
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- Dominic Eberhardt
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1 Sanieren? Information für die Stiftungsräte der Pensionskassen
2 Impressum Redaktion: Aldo Ferrari, Sabino Di Mambro Layout : Carole Lonati, Isabelle Laugery Herausgeber: Gewerkschaft Unia Auflage: 1000 Exemplare
3 Liebe Stiftungsräte Am 7. März 2010 haben wir mit unserem Referendum gegen die Senkung des Umwandlungssatzes einen historischen Erfolg erzielt. Doch bereits liefern die unsichere Situation an den Börsenmärkten und neue versicherungsmathematische Tabellen einen Vorwand für neue Abbauvorschläge bei den Pensionskassen. Oft werden die sogenannten Sanierungsvorschläge von denselben Experten vorgeschlagen, welche früher die Pensionskassen zu hochriskanten Anlagen in abenteuerliche Finanzinstrumente gedrängt haben. Die Spekulations-Berater von früher machen heute äusserst pessimistische Renditeannahmen, welche Zweifel an der Nachhaltigkeit der zweiten Säule aufkommen lassen müssen. So können sie Leistungskürzungen als wirtschaftliche Notwendigkeit oder gar als Folge des Volks-Neins zum Rentenklau darstellen. Mit dieser Broschüre wollen wir zur Aufklärung der Sachlage beitragen. Und wir wollen euch ermöglichen, eure Rolle als gewählte Interessenvertreter/-innen der Versicherten in einer langfristigen Perspektive wahrzunehmen. Ein guter Stiftungsrat muss die richtigen Fragen stellen können damit er die Antworten und Informationen erhält, auf die er ein Recht hat. So können wir das Miliz-System nutzen, um die Kontrolle über unsere Altersvorsorge zu behalten. Zögert darum nicht, diese Broschüre weiter zu verbreiten. Und wendet euch vertrauensvoll an die Unia, wenn ihr Fragen oder konkreten Probleme im Zusammenhang mit eurer Stiftungsrats-Tätigkeit habt. In diesem Sinne wünsche ich eine anregende Lektüre. Mit kollegialen Grüssen Aldo Ferrari Geschäftsleitungsmitglied der Unia 3
4 Überwachung und Sanierung Die extremen Ausschläge an den Börsenmärkten wirken sich auf den Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen aus. Gleichwohl weisen die Pensionskassen in den letzten drei Jahren einen Kontensaldo von jährlich etwa 20 Milliarden auf. Es ist darum sehr wichtig, dass die Pensionskassen auf Sanierungsmassnahmen verzichten, solange die Unterdeckung gering und auf konjunkturelle Probleme zurückzuführen ist. Sofortige Sanierungsmassnahmen sind nur dann einzuleiten, wenn die Unterdeckung auf strukturellen Problemen beruht und/oder von erheblichem Ausmass ist (unter 90 %). Ob diese Bedingungen erfüllt sind und ob die geplanten Massnahmen wirksam und gesetzeskonform sind, muss unbedingt von Experten für berufliche Vorsorge bestätigt werden. Die Mitglieder des Stiftungsrates müssen die Notwendigkeit von Sanierungsmassnahmen feststellen und ihre Umsetzung überwachen. Die Kontrolle umfasst folgende Punkte: n Prüfung der Pensionskassenstruktur (Versicherte und Pensionierte). n Prüfung der Vermögenslage. Insbesondere der derivativen und alternativen Finanzierungsinstrumente (z.b. Hedge Funds usw.). Gleichzeitig ist auch die Finanzstrategie zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. n Die paritätische Vermögensverwaltung muss gewährleistet sein. Wir erinnern daran, dass laut Art. 51 BVG die Verwaltung einer Vorsorgeeinrichtung paritätisch sein muss. Das gilt ebenso für die Verwaltung des überobligatorischen Vermögens (Art. 49 Abs. 2 Nr. 7 BVG). n Prüfung der Vermögensverwaltungskosten. Laut einer Pensionskassenstatistik von 2009 belaufen sich die Vermögensverwaltungskosten auf 795 Millionen Franken. Viel alarmierender ist aber das Ergebnis einer Studie des Bundesamtes für Sozialversicherung BSV: Wenn man die versteckten Kosten mit einberechnet die zu Lasten der Rendite gehen resp. direkt in die Wertentwicklung einfliessen und daher nicht in der Betriebsrechnung aufgeführt sind kommt man auf Kosten von 3.9 Milliarden Franken ( «Studie schafft Klarheit über die Kosten der Vermögensverwaltung in der 2. Säule», Medienmitteilung vom ). n Gründliche Prüfung der in der Vergangenheit erzielten Performance von alternativen Produkten und der damit verursachten Kosten. Die Performance solcher alternativer Produkte hat bisher trotz der hohen Verwaltungskosten die Erwartungen nicht erfüllt. n Allgemeine Prüfung der Kosten für die eigentliche Verwaltung der Pensionskasse. 4
5 Versicherungsmathematische Tabellen und technischer Zinssatz Neue versicherungsmathematische Tabellen Dieses Jahr sind die neuen Tabellen mit den anerkannten technischen Grundlagen (BVG 2010) erschienen. Folglich muss der Stiftungsrat die Anpassung der bisherigen Tabellen diskutieren, mit den entsprechenden Folgen für das Kassenvermögen. Man muss allerdings wissen, dass aufgrund der jährlichen versicherungsmathematischen Prüfung des Experten die Pensionskasse genau für solche Anpassungen Rückstellungen vorgenommen hat. Die Rückstellung beläuft sich jährlich auf etwa 0,5 % des Versichertenvermögens und sollte ausreichen, um die Kosten für die Anpassung zu decken. Der für gewöhnlich verbleibende Überschuss aus den Rückstellungen kann für eine Beibehaltung des Umwandlungssatzes und somit für eine Verbesserung der Leistungen zugunsten der Versicherten verwendet werden. Technischer Zinssatz Der technische Zinssatz ist ein weiterer wichtiger Punkt, der zu prüfen ist. Der technische Zinssatz dient vorwiegend der Berechnung des Deckungskapitals der Rentenbezüger. Der Stiftungsrat muss einen langfristigen technischen Zinssatz festlegen. Da sich dieser Satz wegen der Vorsorgegarantie auf das Kapital auswirkt, beeinflusst er in gewisser Weise auch die Beitragsberechnung (Finanzierung des Kapitals). Gemäss Verordnung über die Freizügigkeit beträgt der Zinsrahmen für den technischen Zinssatz 3,5 bis 4,5 %. Der technische Zinssatz der vom Pensionskassenexperten vorgeschlagen wird muss mit einem kritischen Auge beurteilt werden. Zu berücksichtigen sind die Struktur der Pensionskasse, das Verhältnis zwischen Jungen und Älteren sowie die Anlagestrukturen. Berechnungsrichtlinie Am 27. Oktober 2010 hat die Schweizerische Kammer der Pensionskassenexperten eine Fachrichtlinie (FRP 4) über den technischen Zins verabschiedet. Die Definition lautet wie folgt: «Der technische Referenzzinssatz wird ausgehend vom arithmetischen Mittel bestimmt, das zu 2 / 3 mit der durchschnittlichen Performance der letzten 20 Jahre und zu 1 / 3 mit der aktuellen Rendite 10-jähriger Bundesanleihen gewichtet wird; das Ganze wird um 0,5 % vermindert. Das so erhaltene Ergebnis wird auf 0,25 % abgerundet. Es darf jedoch weder unter der Rendite für 10-jährige Bundesanleihen liegen noch 4,5 % übersteigen». Wir müssen feststellen, dass diese Definition zum Zeitpunkt der Berechnung von einer zu kurzfristigen Sichtweise beeinflusst war. Die Geldanlagen in der Vorsorge einrichtung sind jedoch langfristige Anlagen (40 Beitragsjahre und 20 Bezugsjahre). 5
6 Mindestumwandlungssatz Erinnern wir uns an die Volksabstimmung vom 7. März 2010 über die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes: Mit einem Stimmenanteil von 72,7 Prozent wurde damals die Herabsetzung des Umwandlungssatzes deutlich verworfen beträgt der Mindestumwandlungssatz 6,9 % für die Frauen und 6,95 % für die Männer. Das Ziel der BVG- Revision 2006 liegt bei einem Satz von 6,8 %, der für die Frauen im Jahr 2013 und für die Männer im Jahr 2014 erreicht sein wird. Die Berechnung des Mindestumwandlungssatzes beruht auf Tabellen mit versicherungsmathematischen Grundlagen (heute BVG 2010). Diese Tabellen sind nicht zwingend repräsentativ, denn sie beruhen auf nicht einheitlich erhobenen Statistiken und Untersuchungen in den drei Sektoren. Zudem handelt es sich bei den untersuchten Firmen vorwiegend um Grossunternehmen. Die Daten für die Untersuchungen haben folgende Pensionskassen geliefert (Quelle n Pensionskasse ABB n Pensionskasse Alcan Schweiz n Pensionskasse Ciba n CPV/CAP Pensionskasse Coop n Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz) n CPE Cassa pensione Energia n Pensionskasse Migros n Pensionsfonds Nestlé n Pensionskasse PUBLICA n Berufsvorsorge der Swiss Re n Pensionskasse SBB n Pensionskasse der Swatch Group n Vorsorgeeinrichtung Sulzer n Pensionskasse UBS Wir müssen also berücksichtigen, dass eine Anwendung der Tabelle BVG2010 im primären und sekundären Sektor je nach Tätigkeitszweig nicht immer zur richtigen Berechnung des Umwandlungssatzes und der Beiträge führt. Bis heute gibt es für den primären und sekundären Sektor keine statistischen Erhebungen. Das gilt auch für die Versicherungsgesellschaften, welche die Pensionskassen rückversichern. Auch sie stützen sich auf Statistiken, die die Realität der fraglichen Pensionskasse nicht abbilden, denn sie verwenden eigene versicherungsmathematische Tabellen. 6
7 Schlussfolgerungen Die Unia hält an ihren Argumenten aus der Kampagne gegen die Herabsetzung des Mindestumwandlungssatzes fest. Unsere Überlegungen sind folgende: n Warum den Umwandlungssatz erneut reduzieren, wenn wir das Ziel von 6,8 % noch nicht erreicht haben? Wir erinnern daran, dass wir das Ziel für die Frauen 2013 und für die Männer 2014 erreichen werden. Der Mindestumwandlungssatz 2011 beträgt 6,9 % für die Frauen und 6,95 % für die Männer. n Da wir die realen Auswirkungen einer Herabsetzung auf 6,8 % noch nicht kennen, ist es richtig, bis zum Abschluss der Reduktionsphase abzuwarten. Erst dann werden wir eine Bilanz über die dadurch ausgelösten Leistungskürzungen ziehen können. n Die Studie des BSV über die Kosten der Vermögensverwaltung hat Klarheit über einen Punkt gebracht, der in der Vergangenheit zu lange unbeachtet geblieben ist. n Die Anlagemöglichkeiten bezüglich der erlaubten Instrumente und Grenzen der Investitionen müssen anpasst werden. Die Unia hat 2009 vor gewissen Anlageprodukten gewarnt. Das Kapital der Versicherten muss vor spekulativen Investitionen geschützt werden. n Eine versicherungsmathematische Statistik mit homogener Datenerhebung in den drei Sektoren mit Einbezug von kleinen und mittleren Unternehmen könnte bessere Antworten für die richtige Finanzierung der Leistungen liefern. Die Finanzmarktkrise wirft schwierige Fragen auf. Das heisst aber nicht, dass man die Versicherungsdeckung für Arbeitnehmende sofort ändern müsste. Anpassungen des Umwandlungssatzes, Sanierungsbeiträge, Reduktion des technischen Zinssatzes, Erhöhung der Beiträge usw. lasten schwer auf den Schultern der Versicherten. Wir müssen heute diskutieren, wie wir die Versicherten schützen und nicht wie wir die Leistungen kürzen. 7
8 Unia Zentralsekretariat Postfach 272 CH-3000 Bern 15 T info@unia.ch / DE.A5
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