Corporate Governance und Risikomanagement im Tourismus aus PR-Perspektive:
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- Harald Giese
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1 Abschlussarbeit für die Prüfung zum Public Relations-Berater bei der Deutschen Akademie für Public Relations (DAPR) Corporate Governance und Risikomanagement im Tourismus aus PR-Perspektive: Instrumente pro-aktiver Krisenkommunikation im Reputation Management Eine PR-Konzeption auf Verbandsebene im Outgoing-Tourismus Berlin, Januar 2008 Vorgelegt von Holger Dewitz Institut für Kommunikations- und Medienmanagment University of Management and Communication Potsdam
2 Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis 0 Vorwort 1 Analyse 2 Ziele und Zielgruppen 3 Positionierung 4 Botschaften 5 Maßnahmenplanung 6 Evaluation 7 Anhang 2
3 Inhaltsverzeichnis 0 Vorwort Analyse EPISTEL-Analyse Recht Corporate Governance Definition des Begriffs Krise Auswirkungen von Krisen im Tourismus Frühwarnsysteme im Tourismus Reputationsrisiko Veranstalterhaftung Politik Legislative Exekutive Staatliche und halb-staatliche ausländische Akteure Nicht-staatliche ausländische Akteure, insbesondere gewaltbereite Organisationen Wirtschaft Soziokulturelle Faktoren Technologie Information Reisehinweise durch Unternehmen Information durch Dritte Informationen durch Medien Kommunikationsanlässe Informationshorizont und Perspektive aus Konsumentensicht Ambiguitätsambivalenz Ellsberg Paradoxon Spannungsfeld Vertrauen und Transparenz Umwelt Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf den Tourismus
4 1.2 SWOT-Analyse Fazit Ziele und Zielgruppen Absenderzielgruppen Mittlerzielgruppen Empfängerzielgruppe Externe Bezugsgruppe Externe Zielgruppe Interne Bezugsgruppe Externe Nebenzielgruppe Radien Kausalradius Idealradius Realradius Minimalradius Kommunikationsprozess Beziehungskommunikation Transaktionskommunikation Strategie Zielhierarchie Werte Unternehmensziele Marketingziele Ertragsziele Formale Ziele Sachliche Leistungsziele Kommunikationsziele Bereichsziele Phasen- und Projektziele Maßnahmenziele Zielkategorien Wahrnehmungsziele Aufmerksamkeit Interesse Einstellungsziele Verhaltensziele Positionierung Konkurrenz Auswärtiges Amt und andere staatliche Stellen Informationsdienste für Geschäftsreisende
5 3.1.3 Soziale Netzwerke, Communities Medien Alleinstellung Sollpositionierung Botschaften Themenfelder Dachbotschaften Teilbotschaften Bezugsgruppe der Interessierten Multiplikatoren Zielgruppe der Potenziellen Outgoing-Touristen Mittlerzielgruppe der Fachjournalisten Tonalität Bezugsgruppe der Interessierten Multiplikatoren Zielgruppe der Potenziellen Outgoing-Touristen Übergreifende Anschlussfähigkeit Kreative Leitidee Maßnahmenplanung Organisatorische Grundlagen Gründung eines Verbandes Gründung einer neutralen Institution Maßnahmen nach Absendern Absender Bundesverband Auslandsreisen e.v Public Relations Public Affairs Absender SafeTravel e.v Zielgruppe Interessierte Multiplikatoren Frühwarnsystem Risikokommunikation Online Public Relations Messeauftritt Zielgruppe Potenzielle Outgoing-Touristen Grundlagen Gütesiegel Mittlerzielgruppe Journalisten Grundlagen Expertenpaneel Launch Presseausendungen nach Einführung des Portals Pressebereich auf dem Portal Journalisten als Partner Bezugsgruppe Interne Stakeholder Absender Beteiligte Reisemittler
6 5.3 Zeitplan Budget Budget Bundesverband Auslandstourismus Budget SafeTravel Evaluation Resonanzanalyse Controlling Controlling Bezugsgruppe Informierte Multiplikatoren Controlling Zielgruppe Potenzielle Outgoing-Touristen Controlling von Zeitplänen, Etat und Unternehmensnutzen Anhang Grafik-Scribbles Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Anhangverzeichnis Literaturverzeichnis
7 Vertrauen ist der Anfang von allem. Nach Johannes Vorwort Zahlreiche Konzepte beschäftigen sich mit der Krisenkommunikation im Tourismus. Meist steht aus PR-Sicht die Reaktion auf Krisen im Vordergrund: von der Vorbereitung auf Krisen bis zur Bewältigung. Das vorliegende Konzept fokussiert stattdessen auf transparente Risikokommunikation als Teil des Reputationsmanagements und zeigt Chancen für Reiseveranstalter auf, durch pro-aktive PR Vertrauen zu generieren. Kerngeschäft des Tourismus ist die Komplexitätsreduktion. Der Leistungserbringer nimmt dem Konsumenten eine Vielzahl von einzelnen Transaktionen ab und bündelt sie in einem möglichst attraktiven Paket. Grundlage für die Nachfrage dieser Leistung ist das Vertrauen des Konsumenten Vertrauen in die Marke oder zumindest Vertrauen auf die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards. Zur Erschütterung dieses Vertrauens bedarf es keiner persönlichen Erfahrung. Medienberichte über Sicherheitsprobleme oder kritische Internetkommentare in Verbraucherforen genügen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen übereinstimmend: Die Tourismusbranche hängt in ganz besonderem Maße vom Verbrauchervertrauen ab. Da der Verlust des Vertrauens für die betroffenen Unternehmen existenzbedrohend sein kann, ist die Reputation des betroffenen Unternehmens ein kritischer Faktor für das touristische Risikomanagement. Wenn Vertrauen ein kritischer Faktor für Reiseveranstalter ist: Welche spezifischen Anforderungen ergeben sich aus den branchenspezifischen Risikomanagement-Anforderungen an das Reputationsmanagement der Unternehmen? Bisher gab es keine Untersuchungen, inwieweit Kommunikation über Frühwarnsysteme an sich als vertrauensbildende und erhaltende 7
8 Maßnahme aussehen könnte und wo die Chancen einer solchen Kommunikation für die Unternehmen liegen können. Das vorliegende Konzept will die Frage beantworten: Wie kann ein Unternehmen Frühwarnsysteme in das Reputationsmanagement einbauen? Anders gesagt: wie können Unternehmen die Instrumente des Risikomanagements als pro-aktive Werkzeuge für die eigene Kommunikation nutzen, um Kundenvertrauen aufzubauen? Abgrenzung des Themas: Nicht zum Themenkreis der Arbeit zählt die Phase der Krisenbewältigung innerhalb der Krisenkommunikation. Ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung ist der Tourismus in Deutschland. 8
9 Sicherheit ist die Grundlage für guten Tourismus, sie gehört ins Rampenlicht. Tim Bartlett, World Travel Organization 1 Analyse Umwelt Recht Information Teilsystem Destination Teilsystem Verkehr Politik Technologie Teilsystem Reisemittler Teilsystem Nachfrage Wirtschaft Soziokulturelle Faktoren Abbildung A: Das System Tourismus (statisch) (Quelle: Bieger 2004) 1.1 EPISTEL-Analyse Da es sich bei der vorliegenden Kommunikationsaufgabe um eine Neuentwicklung handelt und das spezifische Kommunikationsumfeld durch 9
10 zahlreiche komplexe Faktoren aus Politik und Gesellschaft entscheidend mitgestaltet wird, ist eine klassische SWOT-Analyse unzureichend. Stattdessen wurde als methodischer Ansatz der Analyse das erweiterte PEST-Modell gewählt, die, EPISTEL-Analyse Recht Corporate Governance Große Veranstalter wie TUI haben sich verbindlich zur Einhaltung der Regeln des Deutschen Corporate Government Kodex verpflichtet. Eine verbindliche Übersetzung des Begriffs Corporate Governance ins Deutsche existiert bisher nicht. Die Definitionen reichen von Regeln guter Unternehmensführung bis zu Grundsätze und Regelungen einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung und Steuerung aller Stakeholder. Unabhängig von der genauen Bedeutung des Begriffs ist aber die Wirkmächtigkeit des Ansatzes nach seiner Kodifizierung unstrittig. Entsprechend dem aus der neuen Institutionenökonomik abgeleitetem Principal-Agent-Ansatz stehen sich in jeder Organisation Prinzipale (Auftraggeber) und Agents (Auftragnehmer) gegenüber. Zum Verhältnis bemerkt Bachert: Die Analyse der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen geschieht unter der Annahme, dass Informationen ungleich verteilt sind und dadurch opportunistische Verhaltensweisen begünstigt werden. Somit kann der mit einem Informationsvorsprung versehene Auftragnehmer Handlungen vornehmen, die für den Auftraggeber nachteilig sind. 1 Der Corporate Governance-Ansatz hierzu ist die Beseitigung von Informationsasymmetrien. Der Corporate Government Kodex verlangt an keiner Stelle die Auflösung der Informationsasymmetrie zwischen Management und Kunden. Im Kodex sind allerdings die Verpflichtungen der Unternehmen hinsichtlich des Risikomanagements klar geregelt. So besagt der Deutsche Corporate Government Kodex in der Fassung vom 14. Juni 2007 unter Punkt ausdrücklich: Der Vorstand sorgt für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen. 2 1 Bachert, Corporate Governance in Nonprofit-Unternehmen, München, 2006, S.41 2 Deutscher Corporate Government Kodex in der Fassung vom 14. Juni, nach Regierungskommission Corporate Government Index, Website, Stand
11 Brand Absturz Seilbahn Betriebsausfall Sabotage Lawine Bergsturz Mure Klima Änderung Explosion Wind Unfälle Betriebliche Risiken Umweltrisiken Überschwemmung Liquidität Finanzielle Risiken Kundenrisiken Kunden verhalten Versicherung Kunden Bedürfnisse Cash Flow Kredite Zinsen Garantien Kunden Zufriedenheit Nachfrage Rückgang Qualität Service Abbildung B: Risikobaukasten Neben Währungsschwankungen, Kerosin-Preisen und ähnlichen Risiken liegen Hauptrisiken branchenspezifisch aber hauptsächlich in der Sicherheitslage in für das Unternehmen wichtigen Destinationen und in der Beschädigung der Reputation des Unternehmens. Sicherheitsmängel und Reputation können in einem starken Bezug stehen. Touristische Produkte können für den Veranstalter durch steigende Spritpreise, Währungsschwankungen und ähnliches unter Erlösaspekten weniger attraktiv oder sogar unrentabel werden. Die Verschlechterung der Sicherheitslage in einer Destination kann aber zu weit dramatischeren Umsatzeinbrüchen führen. Insbesondere für Veranstalter mit einer Spezialisierung auf wenige Destinationen kann eine solche Veränderung existenzbedrohend werden. Beispiele hierfür sind Nischenanbieter von Trekking-Reisen nach Nepal genauso wie Major Player, beispielsweise Öger Tours mit starkem Engagement in der Türkei. Allein als unmittelbare Folge des Terroranschlags vom 11.September 2001 reduzierten sich im Flugverkehr die Umsätze um bis zu 50%, die Lufthansa legte kurzfristig 28 Maschinen still, da sie pro Woche ca. 50 Millionen Euro 11
12 Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatte. Auch im Veranstaltermarkt zeigten sich deutliche Rückgänge. Die Umsätze reduzierten sich um 20-30% 3 Gefahren für die Unternehmensexistenz sind bei solchen Umsatzeinbrüchen evident Definition des Begriffs Krise Krisenpräventation Krisenbewältigung Krisenvorsorge Krisenvermeidung Schadensbegrenzung Recovery Planung Implementation Frühaufklärung Anpassung Anwedung des Instrumentariums Abbildung C: Phasen des Krisenmanagements Die Definitionen des Begriffs Krise sind in der Literatur weitgehend ähnlich: Krise ist ein ungeplantes Ereignis, mit dem Potenzial die internen und externen Strukturen einer Organisation zu schädigen 4 Krisen sind außerordentliche Ereignisse, bei denen das gewachsene, gesteuerte, konzipierte Erscheinungsbild des Unternehmens, der Region, des Produkts in Frage gestellt oder beschädigt werden kann. Die Schuldfrage ist meistens sekundär. 5 3 Kreilkamp, Strategische Frühaufklärung im Rahmen des Krisenmanagements im Tourismusmarkt, Schriften zu Risiko und Gefahr im Tourismus, Berlin, 2005, S Ashcroft, L.S. zitiert nach Beritelli/Boksberger, Krisenbewältigung durch Krisen-PR, Beispiele aus der Praxis, Berlin, 2005, S Hohn 1999, zitiert nach Beritelli, Boksberger, Krisenbewältigung durch Krisen-PR, Beispiele aus der Praxis, Berlin, 2005, S
13 Eine Krise ist eine Situation, die das Überleben einer Unternehmung bedroht, bei der nicht durch geeignete Maßnahmen gegengesteuert werden kann 6 Fraglich ist, ob die in der Wirtschaftsliteratur verwendeten Definitionen des Begriffs Krise für die Tourismus-Branche operationalisierbar sind oder eine branchenspezifische Definition gebraucht wird. Im Unterschied zum betriebswirtschaftlich geprägten Begriff einer Krise...im Sinne einer Erfolgs- oder Liquiditätskrise versteht man im Tourismus unter Krisen vielmehr den (möglichen Eintritt schwerwiegender Ereignisse, die mehr sind als einfache Störungen der Betriebsabläufe. 7 Unter Krise wird eine nicht gewollte, außergewöhnliche Situation für die touristische Organisation oder Destination verstanden, die aufgrund der Ernsthaftigkeit des Ereignisses unmittelbare Entscheidungen erfordert, um die Konsequenzen gering zu halten und weitere Schäden abzuwenden. 8 Die Folgen terroristischer Anschläge für den Tourismus können folgenschwer sein: Auch wegen der Anschläge vom 11. September 2001 brach der Reisemarkt in Deutschland anschließend um Prozent ein. Terroristische Anschläge können die Existenz von Unternehmen gefährden. Sie können also zum Typ Überlebenskrisen gehören, genauso aber auch als Versagen des Risikomanagements zum Typ der Steuerungskrisen und sind damit mit den herkömmlichen Begrifflichkeiten klar genug gefasst. Gleiches gilt für die Liquiditätskrise. Im Übrigen sind mit Basel II Banken gehalten, Risiken der Kreditkunden zu bewerten. Auch von dieser Seite sind also die Anforderungen an das Risikomanagement der Unternehmen gewachsen. Krisen im Tourismus als Eintritt negativer Ereignisse sind somit als operative Risiken genauso von der von ihm so genannten betriebswirtschaftlichen Definition abgedeckt. Einer besonderen Definition für den Tourismus bedarf es in der von Glaeßer genannten Form nicht. Die Reisebranche ist lediglich wesentlich nachrichtensensibler als andere Branchen. 6 Schwarzecker/Spandl (1996, Seite 8) zitiert nach Kreilkamp, a.a.o. 7 Kreilkamp, a.a.o., S.35 8 Glaeßer, Krise oder Strukturbruch, Berlin, 2005, S.19 13
14 Auswirkungen von Krisen im Tourismus Gesundheit der Kunden sichern Zukunft des Unternehmens sichern Urlaub der Kunden sichern Abbildung D: Zielkonflikt und Krisendruck Born nennt folgende langfristige materielle Auswirkungen von Krisen auf Reiseunternehmen: Stornierungen Umbuchungen Rückgang von Neubuchungen Geringere Auslastung Sinkender Umsatz Verlust von Marktanteilen Unverwertbarkeit erbrachter Vorleistungen Zusätzliche Kosten Schadenersatzzahlungen Beeinträchtigung des normalen Geschäftsverlaufs 14
15 Dazu kommen nach Ansicht des Verfassers zusätzliche materielle Auswirkungen: Höhere Kosten der Refinanzierung Höhere Versicherungsprämien Beschädigung der Marke Fehlsteuerungen der Marketingausgaben Gerichtskosten und Anwaltsgebühren Born sagt daher zu Recht: Krisenmanagement ist deshalb auch immer Kostenmanagement 9 Auswirkungen von Krisen auf Destinationen Materielle Auswirkungen - Stornierungen - Umbuchungen - Rückgang von Neubuchungen - Geringe Auslastungsraten (z.b. Hotel) - Sinkender Umsatz - Verlust von Marktanteilen durch Veränderung des Reiseverhaltens - Erbrachte Vorleistungen (Planung, Beschaffung und Werbung) werden unverwertbar - Schadensersatzzahlungen, Entschädigungen - Erhöhte Marketingausgaben, insbesondere nach der Krise Immaterielle Auswirkungen - Imageschäden und Vertrauensverluste bei Kunden, Öffentlichkeit, Investoren - Langfristige Kundenabwanderung - Motivationsverluste bei Mitarbeitern möglich; nach erfolgreicher Krisenbewältigung, aber auch Motivationssteigerung bei Mitarbeitern erkennbar - Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden - Ggf. politische Auflagen und Beschränkungen durch die Gesetzgebung - Beeinträchtigung des normalen Geschäftsverlaufs, da bei der Krisenbekämpfung Zeit und Know-how gebunden werden Abbildung E: Auswirkungen von Krisen auf Destinationen (Quelle: In Anlehnung an Dreyer et al. 2004) 9 Born, Mit dem Krisendruck umgehen, Berlin, 2005, S.94 15
16 Frühwarnsysteme im Tourismus Hohe Beeinflussbarkeit Architektonische Auflagen Wasserverschmutzung Hotel Überbuchung Ausfall von Flügen Enteignung Neue Zielgebiete Ängste von Reisenden Langsame Entwicklung Aversion der Bereisten gegenüber Touristen Kriminalität Flugzeugabsturz Entführung von Touristen Terrorismus Brände Plötzliches Ereignis Neue Zielgruppen Währungsschwankungen Epidemien Erdbeben Orkane Niedrige Beeinflussbarkeit Abbildung F: Mögliche Beobachtungsbereiche bei Zielgebieten (Quelle: In Anlehnung an Gee/Gain 1986, 7; Glaeßer 2000, 51; Jossé 2003, 228) Definition von Frühwarnsystemen: Vielzahl von Verfahren und Instrumenten, deren primäre Aufgabe in der Frühaufklärung liegt 10 Kreilkamp weist diesen Systemen folgende Aufgaben zu: Identifikation und Verfolgung relevanter Umweltveränderungen Risikoerkennung, Risikobewertung und Risikominimierung Chancenerkennung, Chancenbewertung und Chancenmaximierung 10 Kreilkamp, a.a.o.. 16
17 Aufspüren von Gefahren und Gelegenheiten bereits zum Zeitpunkt ihres auch inhaltlich noch unstrukturierten Entstehens und weitere Beobachtung Erforschung der Ursachen und Zusammenhänge Prognose alternativer Entwicklungszusammenhänge in die Zukunft Mögliche Reaktionsstrategien auf antizipierte Abweichungen evaluieren Er unterscheidet dabei zwischen indikatororientierten Ansätze und dem im angelsächsischen Raum präferierten Scanning-Monitoring-Modell, welches in neuerer Zeit um die Stufen Reporting und Assessment erweitert wurde. Urlaubsreisen werden oft lange im Voraus geplant. Von besonderem Interesse für die Reisebranche ist daher die Stufe des Assessment. Hier ergeben sich in einem funktionierendem Frühwarnsystem für Produktmanager und Controller in den Reiseunternehmen wichtige Anhaltspunkte für die operative Steuerung. Reiseleiter Agenturen Internet Auswärtiges Amt Medien Tourismusverband im Zielgebiet Tour. Zentralen in Deutschl. Presseagenturen Dipl. Vertretungen 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4.0 nie immer Infoquellen bei ausgebrochenen Katastrophen Infoquellen bei potenziellen Risiken Abbildung G: Informationsquellen von Reiseveranstaltern (Quelle: Jossè 2003, 299 und 301) 17
18 Reputationsrisiko Definition: Das Reputationsrisiko ist jenes Risiko, das aus einem Ansehensverlust eines Unternehmens insgesamt oder einer oder mehrerer operativer Einheiten bei Anspruchsberechtigten, Anteilseignern, Kunden, Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder der Öffentlichkeit erwächst... Insofern kann ein Reputationsrisiko Verluste in allen Risikokategorien, etwa Markt- oder Kreditrisiken, sowohl verursachen als auch zur Ursache haben. 11 Realisierte Reputationsrisiken können in der auf Vertrauen basierenden Reiseindustrie schnell das Aus für Unternehmen bedeuten. Beispiele sind Fluggesellschaften wie Spantax. Von besonderer Wichtigkeit ist, dass neben dem eigentlichen operativen Fehlverhalten, wie dem Verschulden eines Busunglücks durch Überschreitung der Wartungsintervalle und Fehlern in der Krisenkommunikation auch strategische Fehlleistungen wie die Gefährdung von Urlaubern in absehbar unsicheren Destinationen durch unzureichende Frühwarnsysteme die Reputation von Unternehmen schädigen können. Reputationsmanagement ist somit nicht nur ein Unterpunkt des Risikomanagements, sondern die Qualität des Risikomanagements kann selbst zum Issue im Reputationsmanagement werden Veranstalterhaftung Gemäß Djerba-Urteil haften Veranstalter nicht für unvorhersehbare Ereignisse Tunesien galt zum Zeitpunkt des Anschlags als sicheres Reiseziel. Aus dem Urteil ergibt sich aber eine Haftung für vorhersehbare Ereignisse. Weiterhin ergibt sich im Umkehrschluss die Verpflichtung des Veranstalters im Fall unvorhergesehener Ereignisse seinen Kunden eine Stornierung/Umbuchung zu ermöglichen. 11 Romeike, Lexikon Risiko-Management 2004 Zitiert nach RiskNET.de 18
19 1.1.2 Politik Legislative Die Spitzenverbände der Tourismusindustrie haben aufgrund Ihres wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gewichts und angesichts der Bedeutung die das Thema Reise für die Bundesdeutschen hat (53,41 Millionen Deutsche interessieren sich für das Thema Reisen 12 ) inzwischen auch Gewicht als Ansprechpartner der Politik. Die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Politik kann hier auf eingeübte Instrumente wie die Institution des Bundestagsausschusses für Tourismus zurückgreifen. In den Worten von Marlene Mortler, CDU/CSU, Ausschussvorsitzende in der 16. Wahlperiode: Tourismus, lange ein Stiefkind der Politik, hat inzwischen einen festen Platz im Parlament. Die Bedeutung dieser Wachstumsbranche spiegelt sich auch in der Arbeit des Ausschusses für Tourismus wider. Die Rahmenbedingungen für diesen Dienstleistungssektor und das Reiseland Deutschland stehen ganz oben auf der Agenda des Ausschusses, aber auch die globalen Auswirkungen des Reisens gehören zu seinen Themen. 13 Dieser Antagonismus zwischen Incoming und Outgoing Tourismus existiert entsprechend auch für den Beauftragten der Bundesregierung für den Tourismus. Damit wird zugleich das Problem der Interessengegensätze sichtbar: Ein Teil der Stakeholder aus Wirtschaft und Politik legt das Schwergebiet der eigenen Arbeit auf die Förderung des Tourismus in Deutschland. Seitens der im Deutschland-Tourismus engagierten Akteure ist eine Vielzahl lobbyistischer Institutionen vorhanden. Fremdenverkehrsämter, regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Lokalpolitiker und Abgeordnete mit Wahlkreisen in touristischen Zentren haben naturgemäß ein höheres Interesse an der Förderung von innerdeutschem Tourismus und so genanntem Incoming-Geschäft, als dem Tourismus ins Ausland. Ähnliche Interessenlagen liegen teilweise bei Umwelt- und Verkehrspolitikern, den Lobbyisten der Deutschen Bahn AG und anderen Stakeholdern vor, die an einer Zunahme von Auslandsreisen durch Deutsche aus den verschiedensten Gründen (Klimaschutz, Fluglärm, Konzerninteressen, Zahlungsbilanz, etc.) kein Interesse haben. 12 Quelle AWA, 2007, Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse, zitiert nach MediaSpiegel, Website, Stand Quelle: Deutscher Bundestag, Website, Stand
20 Demgegenüber liegen die Interessen großer Veranstalter und einiger politischer Akteure oder der Flughafenbetreiber wie der Fraport AG oft im Bereich der Lösung von Problemen von Auslandsreisen (Visa-Fragen, Reisesicherheit allgemein, Passenger Name Record-Datenschutz und Biometrie, Sicherheits- und Umweltschutzauflagen, Kerosinpreise, etc.). Eine eigene Vertretung für Public Affairs ist seitens der im Geschäft mit Auslandsreisen engagierten Unternehmen bisher nicht gegeben Exekutive Auch das Regierungshandeln kann nicht neutral sein. So ist das Auswärtige Amt nicht nur mit dem Schutz der Bundesbürger im Ausland betraut, sondern es vertritt auch und vor allem die Interessen der Bundesregierung gegenüber anderen Staaten. Dabei kann das Auswärtige Amt selbst Partei werden und über Reisehinweise politischen Druck erzeugen. Diese Möglichkeiten werden genutzt. So beklagte sich der malaysische Botschafter Dato Kamal Ismaun am 21. August 2003 in einem Radiointerview mit dem Journalisten Alexander Wolf auf RadioEins über die umfangreichen negativen Reisehinweise des Auswärtigen Amtes zu seinem Land, die er als politisch motiviert ansah (zum Zeitpunkt des Interviews gab es politische Verstimmungen zwischen beiden Ländern) und die im Kern darauf hinausliefen, dass die malaysischen Nationalparks Nachts nicht beleuchtet seien. Die entsprechenden Passagen in den landesspezifischen Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu Malaysia wurden mittlerweile entschärft. So wird nun eine fachkundige Begleitung empfohlen, da die Ausschilderung bei Dschungelpfaden oft unzureichend ist. 14. Auch das Gegenteil ist möglich. So sind die Reisehinweise für Israel oder die Türkei oft optimistischer als die Lage vor Ort. Zu den politischen Rahmenbedingungen zählen auch die Anstrengungen staatlicher Behörden das Reisen sicherer zu machen, beziehungsweise auch die Einreise oder sogar schon die Benutzung von Verkehrsmitteln stärker zu kontrollieren. Solche politischen Rahmensetzungen haben beispielsweise die Bedingungen für Reisen in die USA erschwert. 14 Quelle: Website des Auswärtigen Amtes, Stand
21 Staatliche und halb-staatliche ausländische Akteure Ökonomie Gesellschaft Politik Tourismus und Terrorismus Ökologie Psychologie Individuum Medien Abbildung H: Ganzheitliche Betrachtung der Beziehungen zwischen Terrorismus und Tourismus (Quelle: Freyer 2004, 9) Staatliches Handeln kann die Rahmenbedingungen für den Tourismus in den Gastländern erheblich verändern. Ob eine Regierung eine Tourismussteuer erhebt, innere Konflikte gewaltsam lösen will oder erheblich in die Verkehrsinfrastruktur investiert, sie verändert damit die Rahmenbedingungen für den Tourismus. Häufig im eigenen Land, aber möglicherweise auch in anderen Destinationen. Diese Bedingungen können, insbesondere mangels gemeinsamen Auftretens der Veranstalter, von den Unternehmen jedoch kaum beeinflusst werden. Gleiches gilt für die Kommunikation staatlicher und halb-staatlicher Organisationen, die im Ausland über das Heimatland informieren sollen. Unabhängig ob mit den Mitteln der Public Diplomacy oder des reinen Destinationsmarketings steht diese Kommunikation stets im Verdacht eher zu werben als zu informieren. Darüber hinaus stehen diese Destinationen im Wettbewerb. Eine konsistente Information wäre angesichts der Vielfalt von beteiligten Institutionen und Agenturen gar nicht möglich Nicht-staatliche ausländische Akteure, insbesondere gewaltbereite Organisationen Nicht zu vergessen ist das auf Wirkung im politischen Raum ausgerichtete Handeln terroristischer Organisationen und Einzeltäter. Ein Anschlag ist kein Selbstzweck, die Bedeutung des Wortes Terror hilft beim 21
22 Verständnis (lat. terrere: in Schrecken versetzen). Ziel von Anschlägen ist selten das eigentliche Opfer, sonst wäre es im Wortsinne ein Attentat. Ob ein bestimmtes Individuum bei einem Anschlag ums Leben kommt, ist den Strategen des Terrors normalerweise ganz gleich. Anschläge richten sich vielmehr gegen eine Gruppe, innerhalb derer aus Sicht der Täter eine möglichst hohe Zahl von Individuen ähnliche Charakteristika aufweisen soll: Menschen mit einer Zugehörigkeit oder eben Nicht-Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Hautfarbe, Rasse, Nationalität oder sozialen Schicht. Solche Terrorakte richten sich oft gegen Einheimische. Touristen werden hier häufig nur zufällig oder sogar von den Tätern gänzlich ungewollt zu Opfern. Häufig richten sich Anschläge aber auch gezielt gegen Ausländer, sei es gegen Ingenieure, die an einem für das Gastland wichtigen Kraftwerk arbeiten oder Touristen, deren Devisen für das auf Tourismus eingestellte Gastland wichtig sind. Ziel ist in diesen Fällen direkt an die ausländischen Experten oder an Touristen eine Botschaft zu vermitteln: Bleibt fort! Wenn ihr das Gastland unterstützt, ist euer Leben bedroht! In einigen Fällen richtet sich die Botschaft sogar nur noch mittelbar an die Touristen. Eigentlicher Adressat ist vielmehr die Regierung des Gastlandes, der mit Angriffen auf Touristen gedroht wir, um Forderungen durchzusetzen. Terrorismus verschiedene ideologische Motive 1 Gewalt oder die Androhung von Gewalt 3 Gefühl dauerhafter Angst (Terror in der Öffentlichkeit /bei potentiellen Touristen Tourismus als symbolisches Opfer 2 (Massen)Kommunikation von terroristischen Ereignissen durch die Medien (eigentliches) Ziel des Terrors (feindlich einheimische oder andere Regierung, ideologische Wertesysteme, die Öffentlichkeit) Abbildung I: Die Triangel des Terrorismus Tourismus Beziehung (Quelle: vgl. Schmid 1992, 10) 22
23 Ein Beispiel dafür sind die Freiheitsfalken Kurdistans die sich zu zahlreichen Anschlägen in Touristenzielen in der Türkei bekannt haben: Unsere Angriffe werden sich vor allem im touristischen Bereich konzentrieren. Denn beim Tourismus handelt es sich um einen der Hauptbereiche, welche den schmutzigen Krieg nähren und finanzieren. Wir warnen inländische und ausländische Touristen davor, sich in touristische Gebiete zu begeben. Wir werden die Verantwortung nicht tragen, wenn sie bei Angriffen in diesen Gebieten ihr Leben verlieren. 15 Ein öffentlich erklärtes Ziel der TAK ist es, mit dem Terror gegen Touristen die Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalans zu erzwingen. Das Vorgehen der TAK zeigt deutlich, dass sich Terroristen der ökonomischen Bedeutung des Tourismus bewusst sein können und dass solche Anschläge tatsächlich den Charakter von politischen Botschaften tragen können. Terroranschläge sind für die entsprechenden Organisationen also durchaus politische Kommunikation und die Botschaften erreichen ihre Adressaten: Die Reiseanbieter verzeichneten nach den Anschlägen einen Buchungsrückgang für die Destination um 20% (hier ist allerdings auch der damalige Karikaturenstreit und der Ausbruch der Vogelgrippe einzubeziehen). Ein solches Vorgehen ist keinesfalls die Ausnahme, so schreiben Freyer/Schröder Angriffe auf touristische Objekte als strategisches Mittel sind wohl die am häufigsten eingesetzten Mittel-Ziel-Beziehungen, um die ideologischen Ziele zu erreichen. Auf der strategischen Ebene bedeutet ein Angriff auf den Tourismus einen Angriff auf die Ökonomie bzw. die politische Elite eines Landes. Mit Hilfe der Medien, die deren Aktivitäten weltweit publizieren, wird die Bevölkerung verängstigt, die Touristen besuchen eher sichere Destinationen und die Wirtschaft im eigenen Land wird erfolgreich geschwächt. 16 Politische Bedingungen in den Destinationen sind somit nicht nur als allgemeiner Rahmen von Interesse, sondern die Bedingungen unter denen Akteure in den Destinationen Gewalt anwenden oder mit deren Anwendung drohen, ist relevant für die Frage, welches Maß an Sicherheit für eine Auslandsreise zu einem bestimmten Termin prognostiziert werden kann. 15 Erklärung der Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK, kurdisch: Teyrêbazên Azadîya Kurdistan) auf deren Website vom 29. August Walter Freyer/Alexander Schröder, Terrorismus und Tourismus Strukturen und Interaktionen als Grundlage des Krisenmanagements, Berlin, 2005, S
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