Patientensicherheit ein Thema für die Chirurgie?
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- Kurt Fuhrmann
- vor 8 Jahren
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1 Patientensicherheit ein Thema für die Chirurgie? Dr. phil. Anna Mascherek Wissenschaftliche Mitarbeiterin patientensicherheit schweiz LOPS-Kongress 8./9. November 2013, Davos
2 Stiftung für Patientensicherheit: Was ist sie, was macht sie? Stiftungszweck Verbesserung der Patientensicherheit Förderung des klinischen Risikomanagements Fördern der Sicherheitskultur und des konstruktiven Lernens aus Fehlern Durch konkrete Projekte, Forschung, Wissensverbreitung, Vernetzung in Kooperation mit Leistungserbringern und weiteren Partnern im Gesundheitswesen unabhängige Organisation keine Patientenschutzorganisation 2
3 Stiftung für Patientensicherheit 3
4 4
5 5
6 Sichere Chirurgie Sichere Medikation an Schnittstellen 6
7 Unerwünschtes Ereignis (UE) Adverse event (AE) Eine Schädigung, die auf das medizinische Management und nicht auf die Erkrankung eines Patienten zurückzuführen ist. Ein UE kann das Ergebnis eines Fehlers sein. (Bsp.: Starke Hautreaktion nach Penicillin-Gabe.) Medizinischer Fehler (MF) Medical Error (ME) Eine Handlung oder ein Unterlassen bei dem eine Abweichung vom Plan (Ausführungsfehler), ein falscher Plan oder kein Plan vorliegt (Planungs-Fehler). Ein Fehler kann zu einer Schädigung führen. (Bsp.: Bei der Visite werden beim Verordnen von Penicillin die Warnhinweise in der Patientenakte übersehen.) Vermeidbares, unerwünschtes Ereignis (VUE) Preventable adverse event (PAE) Ein unerwünschtes Ereignis, dass auf einen Fehler zurückzuführen ist. (Bsp.: Starke Hautreaktion nach Penicillin-Gabe. Eine Penicillin- Allergie war in der Patientenakte vermerkt.) 7
8 Bezugssystem Medizinische Fehler Vermeidbare UE Unerwünschte Ereignisse ME VUE UE Potentieller, Beinahe-Schaden Nebenwirkungen 8
9 Folgen von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen Patienten Temporäre Schädigung (leicht / mittel / schwer) Bleibende Schädigung Tod Beteiligte Fachpersonen (Ärzte, Pflegende, etc.) Krise, Schuld- und Schamgefühle, Versagensängste Schlaflosigkeit, Burn-Out, Depression Gesundheitssystem Verlängerte Hospitalisation, Wiederaufnahmen Zusätzliche Leistungen (Re-Operation, Intensivpflege) Kosten 9
10 Warum Problemfeld Chirurgie? Chirurgie zentrales Element gesundheitlicher Versorgung geschätzte 234 Millionen OPs pro Jahr Komplikationen häufig: bei 3-16% aller stationär durchgeführten chirurgischen Eingriffe dauerhafte Beeinträchtigung oder Tod bei % geschätzte 1 Millionen Tote und 7 Millionen Geschädigte jährlich weltweit! Quellen: de Vries et al., 2008; Gawande et al., 1999; Haynes et al., 2009; Seiden & Barach, 2006; Weiser et al
11 Unerwünschte Ereignisse in der Chirurgie Neue Publikation eines systematischen Literaturreview bei 14.4% der allgemein-chirurgischen Patienten kommt es zu einem unerwünschten Ereignis 3.6 Prozent davon sind tödlich 37.9 Prozent der unerwünschten Ereignisse als vermeidbar klassifiziert Anderson et al., The American Journal of Surgery, Weitere Zahlen zu vermeidbaren unerwünschten Ereignissen 65 Prozent aller unerwünschten Ereignisse geschehen im Bereich der Chirurgie ca. 40 Prozent davon werden als vermeidbar eingeschätzt (Studie in Holland) 1. Bei 14 von Operationen in der Schweiz werden Fremdkörper im Körper des Patienten vergessen 2. 1 Zegers M et al. The incidence, root causes, and outcomes of adverse events in surgical units: implication for potential prevention strategies. Patient Saf Surg OECD. Health at a Glance 2011: OECD Indicators 11
12 Was tun? Vermeidbarkeit: vergessene Routineabläufe, schlechte Teamkommunikation, Verwechslungen von Patienten durch zu wenig Überprüfung Seit 2009: im Rahmen der Second Global Patient Safety Challenge Safe Surgery Saves Lifes weltweite Kampagne der WHO zur Pilotierung der Chirurgischen Checkliste Quelle: WHO,
13 Wirksamkeit chirurgischer Checklisten weltweite Studie in 8 Ländern: signifikante Reduktion von Mortalität und unerwünschten Ereignissen bei Anwendung (Haynes et al., 2009; Bliss et al., 2012) Verbesserung der Teamkommunikation und des Sicherheitsklimas (Lingard et al., 2004; Haynes et al., 2011; aber Ausserhofer et al., 2012) Expertenkommission: Checkliste als Tool unbedingt empfehlenswert (Shekelle et al., 2013) vollständige und richtige Anwendung Grundvoraussetzung (Van Klei et al., 2012) vollständige und richtige Anwendung beeinflusst durch: Hintergrundwissen Teamkommunikation, Sicherheitsklima Anwendung und Akzeptanz als soziale Norm wahrgenommene Möglichkeit zur Anwendung (Borchard et al., 2012; Vats et al., 2010; Walker et al., 2012) 13
14 Und in der Schweiz? Online-Befragung der Stiftung für Patientensicherheit Dezember 2012 «Patientensicherheit in der Chirurgie - Anwendung und Akzeptanz chirurgischer Checklisten in der Schweiz» Anwendungskultur, Wissen und Einstellungen bezüglich chirurgischer Checklisten bei invasiv-tätigen Ärzten, bei Anästhesie-Pflegenden und beim leitenden OP-Personal Stichprobe: N = 1378 (948 Ärzte, 430 leit. OP-Personal und Anästhesiepersonal) männlich: 63,57%, weiblich: 36,43% Alter: M = 49,5 Jahre, SD: 8,9 Jahre 85% mehr als 10 Jahre Berufserfahrung 50% mind. 50% der Arbeitszeit im OP 92% im Spital tätig 33% in Allgemeinspital mit Betten 14
15 Bei 17% noch nicht im Berufsalltag integriert Häufigkeit der Anwendung einer Checkliste (nicht nur der WHO-Checkliste, auch anderer benutzter Checklisten) Umfrage der Stiftung für Patientensicherheit «Patientensicherheit in der Chirurgie - Anwendung und Akzeptanz chirurgischer Checklisten in der Schweiz», Dez
16 Nur 1 von 4 Fachpersonen 80% richtige Antworten Richtige Antworten auf Wissensfragen zur WHO-Checkliste Umfrage der Stiftung für Patientensicherheit «Patientensicherheit in der Chirurgie - Anwendung und Akzeptanz chirurgischer Checklisten in der Schweiz», Dez
17 Ausgangslage - Umfrage Schweiz 2012 Und als Patient/in? Umfrage der Stiftung für Patientensicherheit «Patientensicherheit in der Chirurgie - Anwendung und Akzeptanz chirurgischer Checklisten in der Schweiz», Dez
18 18
19 Zweck Verhinderung der «never events» Eingriffsverwechslungen (falscher Patient, falscher Eingriffsort, falsche Seite, falscher Eingriff) falsche Implantate oder Prothesen unbeabsichtigt im Körper des Patienten belassene Fremdkörper Reduktion unerwünschter Ereignisse wie Wundinfekte oder unerwünschte Ereignisse in der Anästhesie Ziele 100 % Compliance bei allen Patienten Häufigkeit / Vollständigkeit hohe Anwendungsqualität Erhöhung des Sicherheitsklimas und Verbesserung der Teamkommunikation 19
20 Handlungsbedarf Sicherheit ist keine Glückssache, die ein System «hat», sondern Sicherheit ist etwas, was ein System «tut» 100% korrektes und vollständiges Bearbeiten der chirurgischen Checkliste bei allen Patienten wird als Norm gelebt Kulturwandel im Umgang mit Fehlern sowie offene und strukturierte Kommunikation Leadership: Sicherheitskulturfördernde Haltung der Vorgesetzten und der Spitalleitung Unterstützung von Massnahmen zur Förderung eines guten Sicherheitsklimas nichtstrafende Haltung der Vorgesetzten berufsgruppenübergreifender Ansatz Anpassung der Checkliste auf lokale Gegebenheiten Klare Zuteilung der Rollen und Verantwortungen Wissensverbreitung und Training aller Mitarbeitenden 20
21 Vielen Dank! 21
22 Literatur Ausserhofer D, Schubert M, Desmedt M, Blegen MA, De GS, Schwendimann R. The association of patient safety climate and nurserelated organizational factors with selected patient outcomes: A cross-sectional survey. Int J Nurs Stud 2012 May 3. Bliss LA, Ross-Richardson CB, Sanzari LJ, Shapiro DS, Lukianoff AE, Bernstein BA, et al. Thirty-Day Outcomes Support Implementation of a Surgical Safety Checklist. J Am Coll Surg 2012 Dec;215(6): Borchard A, Schwappach DLB, Barbir A, Bezzola PA. Systematic Review of the Effectiveness, Compliance, and Critical Factors for Implementation of Safety Checklists in Surgery. Ann Surg 2012;256(6): de Vries EN, Ramrattan MA, Smorenburg SM, Gouma DJ, Boermeester MA. The incidence and nature of in-hospital adverse events: a systematic review. Qual Saf Health Care 2008 Jun 1;17(3): Gawande AA, Thomas EJ, Zinner MJ, et al. The incidence and nature of surgical adverse events in Colorado and Utah in Surgery. 1999;126: Haynes AB, Weiser TG, Berry WR, Lipsitz SR, Breizat AH, Dellinger EP, et al. A Surgical Safety Checklist to Reduce Morbidity and Mortality in a Global Population. N Engl J Med 2009 Jan 14;NEJMsa Haynes AB, Weiser TG, Berry WR, Lipsitz SR, Breizat AH, Dellinger EP, et al. Changes in safety attitude and relationship to decreased postoperative morbidity and mortality following implementation of a checklist-based surgical safety intervention. BMJ Quality & Safety 2011 Jan 1;20(1): Lingard L, Regehr G, Cartmill C, Orser B, Espin S, Bohnen J, et al. Evaluation of a preoperative team briefing: a new communication routine results in improved clinical practice. BMJ Quality & Safety 2011 Jun;20(6): Seiden SC, Barach P. Wrong-side/wrong-site, wrong-procedure, and wrong-patient adverse events: Are they preventable? Arch Surg 2006 Sep;141(9): Shekelle PG, Pronovost PJ, Wachter RM, McDonald KM, Schoelles K, Dy SM, et al. The Top Patient Safety Strategies That Can Be Encouraged for Adoption Now. Ann Intern Med 2013 Mar 5;158(5_Part_2): van Klei WA, Hoff RG, van Aarnhem EE, Simmermacher RK, Regli LP, Kappen TH, et al. Effects of the introduction of the WHO "Surgical Safety Checklist" on in-hospital mortality: a cohort study. Ann Surg 2012 Jan;255(1):44-9. Walker IA, Reshamwalla S, Wilson IH. Surgical safety checklists: do they improve outcomes? Br J Anaesth 2012;109(1): Weiser TG, Regenbogen SE, Thompson KD, Haynes AB, Lipsitz SR, Berry WR, et al. An estimation of the global volume of surgery: a modelling strategy based on available data. Lancet 2008 Jul 12;372(9633): World Alliance for Patient Safety. Safe Surgery Saves Lives. World Health Organization;
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