Wirtschaftliche Sanierung im Brennpunkt Kosten-Nutzenverhältnis einfach ermitteln und für die Bauherrenberatung einsetzen
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1 Dipl.-Kfm. Dipl.-Phys. Universität Stuttgart Kosten-Nutzenverhältnis einfach ermitteln und für die Bauherrenberatung einsetzen 1 Einleitung Die energetische Modernisierung stellt eine Investition in die Zukunftsfähigkeit einer Immobilie dar. Wie bei jeder Investitionsentscheidung gilt es auch hier, die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme im Auge zu behalten. Betrachtet man das Beispiel der Fassadendämmung, so wäre aus rein energetischer Sicht eine unendlich dicke Dämmung ideal, denn je dicker der Dämmstoff, desto energieeffizienter das Gebäude [1]. Praktikabel ist dies jedoch natürlich nicht. Können energetische Maßnahmen im Bestand also überhaupt ökonomisch sein? Hier werden zwei einfache Kalkulationsmethoden zur wirtschaftlichen Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen vorgestellt. Im Folgenden wird die herkömmliche Putzsanierung einer Fassade mit dem Aufbringen eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS) aus ökonomischer Sicht verglichen. Hierbei werden die Kosten der beiden Maßnahmen den Kosteneinsparungen gegenübergestellt, die durch die mit ihnen verbundene Verminderung der Transmissionswärmeverluste entstehen. Als Beispielgebäude dient ein 1952/53 errichtetes, 6-stöckiges Mehrparteienhaus in München, an dem bisher keine energetischen Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Den verwendeten Kosten liegen die Kalkulationsrichtlinien von Dämmstoffherstellern sowie reale Angebote ausführender Unternehmen zugrunde. Die Transmissionsverluste wurden wie der Heizwärme- und Endenergiebedarf nach der DIN V [2] berechnet. Aus dem so ermittelten Endenergiebedarf erfolgte dann für jede Alternative eine Abschätzung der jährlichen Energiekosten (vgl. Tabelle 1). Zusätzlich wurden im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse die möglichen Schwankungsbreiten der beeinflussenden Faktoren untersucht [1]. Die hierbei festgelegten Variationen der Faktoren wurden dann zu einer mittleren und zwei Extremkons- 2 Ökonomische Betrachtung einer Dämmmaßnahme Tabelle 1 Kosten der Energie und der Baumaßnahme ift Rosenheim Seite 29 von 171
2 tellationen zusammengefasst (siehe Tabelle 2). Die Negative Konstellation beschreiben dabei die denkbar ungünstigste Kombination aller beeinflussender Faktoren. Analog stellt die Positive Konstellation eine Kombination dar, die sich günstig auf die Vorteilhaftigkeit der Dämmung gegenüber der Putzsanierung auswirkt. Tabelle 2 Variation der verwendeten Parameter Auf Basis dieser Kosteninformationen werden nun zwei dynamische Verfahren der Investitionsrechnung vorgestellt. Diese zeichnen sich durch die explizite Berücksichtigung der gesamten Zeitspanne aus, in der einzelne Zahlungsströme ablaufen [3]. Grundvoraussetzung ist somit, für jede zu betrachtende Periode die Ein- und Auszahlungen zu ermitteln, welche in Zahlungsreihen zusammengefasst werden. Die bekannteste Methode der dynamischen Investitionsrechnung ist die Kapitalwertmethode. Dabei werden die jährlich erwarteten Ein- und Auszahlungen saldiert und nach folgender Formel mit dem Kalkulationszinsfuß auf den Planungszeitpunkt abgezinst [4]: Bei einem negativen Kapitalwert sollte die Investition nicht durchgeführt werden. Bei einem Kapitalwert von 0 ist die Investition genauso wirtschaftlich wie eine Geldanlage zum Kalkulationszinsfuß, während bei einem positiven Kapitalwert die Verzinsung über dem Kalkulationszinsfuß liegt. Eine Übertragung dieser Methode auf die energetische Modernisierung ist insofern schwierig, als durch die Dämmung keine Einnahmen erzielt werden, sondern lediglich geringere Energiekosten anfallen. Folglich ist die Investition vorteilhaft, die den niedrigsten negativen Betrag aufweist. Eine Variation der Kapitalwertmethode stellt die Annuitätenmethode dar [5]. Dabei wird der errechnete Kapitalwert einer Investition mit folgender Formel in jährlich gleich große Zahlungsströme umgewandelt: Mit: C 0 I 0 t e t a t r p Kapitalwert der Investition Anfangsauszahlung für das Projekt Periode, hier Jahre der gesamten Lebensdauer der Fassade Zum Zeitpunkt t anfallende erwartete Einzahlungen Zum Zeitpunkt t anfallende erwartete Auszahlungen Diskontierungsfaktor Kalkulationszinsfuß A C 0 Mit: p n Annuität Kapitalwert Rentenbarwertfaktor, reziproker Wert des Annuitätenfaktors Kalkulatorischer Zinsfuß Anzahl der Perioden Seite 30 von 171 ift Rosenheim
3 Tabelle 3 Annuitäten für unterschiedliche Dämmstärken Am vorteilhaftesten ist die geringste Annuität, da in diesem Fall die Summe aus den jährlichen Energiekosten und den Kosten für die bauliche Maßnahme (verteilt auf die Nutzungsdauer) am niedrigsten ist. Für das untersuchte Gebäude errechnen sich die in Tabelle 3 angegebenen Annuitäten. Wie beim Kapitalwert ist im Fall der negativen Konstellation eine wärmeschutztechnische Modernisierungsmaßnahme unwirtschaftlicher als eine konventionelle Putzinstandhaltung. Bei der mittleren Konstellation liegt das Optimum wiederum bei Tabelle 4 U w -Wert und Gesamtkosten für Fenster (durchschnittliche Baukosten berechnet aus abgerechneten Projekten in ganz Deutschland) ift Rosenheim Seite 31 von 171
4 12 cm, bei der positiven Konstellation sind 25 cm am wirtschaftlichsten. 3 Übertragung dieser Erkenntnisse auf Fenster Analog lässt sich der Einbau eines modernen Fensters mit dem eines gleichwertigen Fensters (also altes Kastenfenster wird ersetzt durch neues Kastenfenster mit Holzrahmen und Einscheiben-Verglasung) vergleichen. Der Einbau moderner Verglasung ist hierbei in jedem Fall ökonomischer als die Rekonstruktion eines alten Holzkastenfensters: Letzteres verursacht Kosten von 823,- /m 2, während beispielsweise ein Fenster aus 2-Fach-Isolierglas nur mit 233,- /m 2 zu Buche schlägt (siehe Tabelle 4). Das wirtschaftliche Optimum befindet sich in dem Bereich, in dem das eingebaute Fenster gerade die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt. Dies liegt daran, dass es sich bei dieser Art von Fenstern um ein Massenprodukt handelt, bei dem die Skaleneffekte an den Verbraucher weitergegeben werden. Noch hochwertigere Produkte, etwa mit 3-Fachisolierung oder gar Kryptonfüllung, verursachen hingegen wieder höhere Kosten. Es ist also nicht weiter erstaunlich, dass man in der Praxis öfter Fenster modernisiert, als eine Wärmedämmung anzubringen, da sich auf Grund des Preisgefüges die Wirtschaftlichkeit hier viel einfacher nachweisen lässt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dabei letztlich die Politik mit den gesetzlichen Vorgaben der EnEV als Innovationsmotor fungiert: Sie setzt das, was von der Wissenschaft als umsetzungsfähig deklariert wird, in der Verordnung als Standard fest und beeinflusst damit durch die entstehende Massenproduktion dieser Standardverglasung die Preise und somit die Wirtschaftlichkeit. 5 Normen- und Literaturverzeichnis [1] Sedlbauer, Klaus; Wetzel, Christian Energetische, ökologische und ökonomische Bewertung einer Fassadendämmung im Bestand. Bauphysik Kalender. Berlin Ernst & Sohn, [2] DIN V : Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden Teil 6: Berechnung des Jahresheizwärme- und des Jahresheizenergiebedarfs Beuth Verlag GmbH, Berlin [3] Grob, Heinz Lothar Einführung in die Investitionsrechnung. Eine Fallstudiengeschichte. 5. Auflage. München: Vahlen, [4] Blohm, Hans; Lüder, Klaus; Schaefer, Christina Investition. 9. Auflage. München: Vahlen, [5] Peridon, Louis; Steiner, Manfred; Rathgeber, Andreas W. Finanzwirtschaft der Unternehmung. 15. Auflage. München: Vahlen, Somit ist schon auf Grund der geringeren Kosten für das EnEV-konforme Fenster dessen Einbau gegenüber der reinen Instandsetzung (also Ersatz des alten Fensters gegen ein gleichartiges) vorteilhaft. Betrachtet man zusätzlich die eingesparten Energiekosten, so wird die energetische Ertüchtigung eindeutig eine ökonomisch sinnvolle Maßnahme. 4 Schlussbemerkung Seite 32 von 171 ift Rosenheim
5 Dipl.-Kfm. Dipl.-Phys. Geboren 1969 in Prien am Chiemsee Studium der Physik und Betriebswirtschaftslehre an der RWTH Aachen Fraunhofer-Institut für Bauphysik 1999 Gründung der CalCon Holding GmbH seit 2007 Vorstandsvorsitzender der CalCon Deutschland AG Vorlesungen an der FH Biberach seit 2005 Mitglied des Runden Tisches Nachhaltiges Bauen am Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) 2007 Initiator der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.v. (DGNB) seit 2008 Kurator der Fraunhofer-Gesellschaft seit 2010 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart seit 2011 Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) ift Rosenheim Seite 33 von 171
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