Bakterien, Antibiotika und Evolution

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1 Bakterien, Antibiotika und Evolution Hildegard Uecker Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön Max-Planck-Tag, 14. September 218

2 Der Max-Planck-Tag Warum? 16. Geburtstag des Physikers Max Planck 1. Jubiläum seines Nobelpreises 7. Gründungstag der Max-Planck- Gesellschaft Max Planck ( ) Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen.

3 Die Max-Planck-Gesellschaft Grundlagenforschung 84 Institute

4 Das Max-Planck-Institut fu r Evolutionsbiologie Grundlagenforschung 84 Institute ca. 18 Mitarbeiter aus 27 Nationen

5 Bakterien Bakterien Einzeller, die sich durch Zellteilung vermehren Mutterzelle Salmonellen Tochterzellen viele bakterielle Krankheiten: Tuberkulose, Cholera, Ruhr, bakterielle Lungenentzündung, Borreliose,... bevor es Antibiotika gab: hohe Todesrate; Amputationen

6 Das erste Antibiotikum: Pyocyanase Beobachtung (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts): Injizierung von bestimmten Bakterien in Labortiere verhindert das Ausbrechen von Krankheiten wie Milzbrand oder Cholera Sekret schützt vor bestimmten Krankheiten erstes Antibiotikum Pyacyanase! Pseudomonas aeruginosa damals: Bacillus pyacyaneus

7 Der Durchbruch: Penicillin Entdeckung durch Alexander Fleming 1928, Marktreife: 1943/1944 BRITISH JOURNAL OF EXPERIMENTAL PATHOLOGY, VOL X, No. 3. I}'1iiII111m ('1 11 divl. S;ll] ll I I I. Nl\ ;, Istl l( c1,1 o l1v. FIG. 1.-Photograph of a culture-plate showing the dissolution of staphylococcal colonies in the neighbourhood of a penicillium colony. Staphylococcus Nobelpreis 1945 (Alexander Fleming, Howard Florey, Ernst Chain)

8 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Zellwand Antibiotika können Zellmembran Proteine verhindern

9 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Zellwand Antibiotika können die DNA-Replikation Zellmembran Proteine verhindern

10 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Zellwand Zellmembran Antibiotika können die DNA-Replikation den Aufbau der Zellwand Proteine verhindern

11 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Proteine Zellwand Zellmembran Antibiotika können die DNA-Replikation den Aufbau der Zellwand den Aufbau der Zellmembran verhindern

12 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Proteine Zellwand Zellmembran Antibiotika können die DNA-Replikation den Aufbau der Zellwand den Aufbau der Zellmembran die Herstellung von Proteinen verhindern

13 Wie funktionieren Antibiotika? Chromosom (DNA) Proteine Zellwand Zellmembran Antibiotika können die DNA-Replikation den Aufbau der Zellwand den Aufbau der Zellmembran die Herstellung von Proteinen verhindern Nicht jedes Antibiotikum wirkt gegen jede Bakterien-Spezies.

14 Wie funktioniert Resistenz? Beispiel ohne Antibiotikum Gyrase DNA

15 Wie funktioniert Resistenz? Beispiel ohne Antibiotikum Gyrase mit Antibiotikum Gyrase Antibiotikum DNA DNA aufgeschnittene DNA A

16 Wie funktioniert Resistenz? Beispiel ohne Antibiotikum Gyrase mit Antibiotikum Gyrase Antibiotikum DNA Resistenz DNA aufgeschnittene DNA A Gyrase Antibiotikum DNA

17 Wie funktioniert Resistenz? andere Mechanismen: das Eindringen des Antibiotikums in die Zelle wird verhindert das Antibiotikum wird aus der Zelle gepumpt das Antibiotikum wird durch ein Enzym unwirksam gemacht (innerhalb oder außerhalb der Zelle) Antibiotika- Moleküle Enzyme Nachbarzellen sind auch geschützt!

18 Wie entsteht Resistenz? Mutation: ATCGAT ATCGGT Horizontaler Gen-Transfer, z.b. Plasmide: Spezies 1 Spezies 2

19 Wie evolviert Resistenz? 1. Schritt: Entstehung, genetische Variation (siehe vorige Folie) empfindliche Zelle resistente Zelle 2. Schritt: natürliche Selektion Antibiotikum

20 Wo evolviert Resistenz? 1. In unserem Körper Evolution Ansteckung 2. In der Landwirtschaft 3. In der Umwelt Schweinezucht

21 Und unsere guten Bakterien? Kommensale Bakterien sind normalerweise harmlos oder sogar nützlich können aber auch Krankheiten verursachen spüren ebenfalls die Antibiotika, die wir einnehmen werden zwischen Menschen ausgetauscht können Plasmide von Bakterien in unserer Nahrung aufnehmen

22 Resistenz ohne Antibiotika Yamomami (Stamm im Amazonas-Gebiet): Resistenzgene in den kommensalen Bakterien!

23 Resistenz ohne Antibiotika Yamomami (Stamm im Amazonas-Gebiet): Resistenzgene in den kommensalen Bakterien! Soldat im Ersten Weltkrieg Shigella 1915: der junge Britische Soldat Ernest Cable stirbt an Ruhr; die Bakterien werden archiviert resistent gegen Penicillin und Erythromycin!

24 Resistenz ohne Antibiotika Yamomami (Stamm im Amazonas-Gebiet): Resistenzgene in den kommensalen Bakterien! Soldat im Ersten Weltkrieg Shigella 1915: der junge Britische Soldat Ernest Cable stirbt an Ruhr; die Bakterien werden archiviert resistent gegen Penicillin und Erythromycin! viele Antibiotika sind natürlichen Ursprungs (z.b. Penicillin)

25 Die Gefahr von Resistenzen ANTIBIOTIC RESISTANCE INDENTIFIED penicillin-r Staphylococcus 194 ANTIBIOTIC INTRODUCED 1943 penicillin 195 tetracycline tetracycline-r Shigella 1959 methicillin-r Staphylococcus 1962 penicillin-r pneumococcus 1965 erythromycin-r Streptococcus 1968 gentamicin-r Enterococcus erythromycin 196 methicillin 1967 gentamicin 1972 vancomycin EU: 25, Todesfälle pro Jahr aufgrund resistenter Bakterien WHO, Fact sheet Antibiotic resistance, October 215 ceftazidime-r Enterobacteriaceae 1987 vancomycin-r Enterococcus 1988 levofloxacin-r pneumococcus 1996 imipenem-r Enterobacteriaceae 1998 XDR tuberculosis 2 linezolid-r Staphylococcus 21 vancomycin-r Staphylococcus 22 PDR-Acinetobacter and Pseudomonas 24/ imipenem and ceftazidime 1996 levofloxacin 2 linezolid 23 daptomycin Unbedingt nötig: geringerer Einsatz weiserer Einsatz ceftriaxone-r Neisseria gonorrhoeae 29 PDR-Enterobacteriaceae ceftaroline-r Staphylococcus ceftaroline Centers for Disease Control and Prevention

26 Wie müssen wir Antibiotika einsetzen, um den Patienten zu heilen und gleichzeitig das Resistenzrisiko zu minimieren?

27 Wie müssen wir Antibiotika einsetzen, um den Patienten zu heilen und gleichzeitig das Resistenzrisiko zu minimieren? Methoden: klinische Studien experimentelle Evolution im Labor Bioinformatik mathematische Modellierung

28 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates.15 growth rate within-host growth rate of pathogens sensitive resistant

29 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates growth rate Therapeutisches Fenster within-host growth rate of pathogens sensitive resistant

30 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates growth rate Therapeutisches Fenster within-host growth rate of pathogens sensitive resistant

31 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates growth rate Therapeutisches Fenster within-host growth rate of pathogens sensitive resistant within-host resistance Kouyos et al. 214, Day & Read 216

32 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates growth rate Therapeutisches Fenster within-host growth rate of pathogens sensitive resistant within-host resistance Kouyos et al. 214, Day & Read 216

33 Beispiel: Was ist die optimale Dosis?.2 recovery rates growth rate Therapeutisches Fenster within-host growth rate of pathogens sensitive resistant within-host resistance Kouyos et al. 214, Day & Read 216

34 Vom Individuum zur Population einzelner Patient sensitiv resistent growth rate within-host growth rate of pathogens rate of patient recovery patient recovery

35 Vom Individuum zur Population einzelner Patient Population sensitiv resistent growth rate within-host growth rate of pathogens rate of patient recovery patient recovery Konsequenzen für die Krankheitsausbreitung in der Population

36 Trade-offs? Mathematisches Modell: sensitive und resistente Erreger zufällige Ansteckung

37 Trade-offs? Mathematisches Modell: sensitive und resistente Erreger zufällige Ansteckung within-host resistance between-host resistance low β high β

38 Trade-offs? Mathematisches Modell: sensitive und resistente Erreger zufällige Ansteckung within-host resistance between-host resistance 15 low β high β

39 Trade-offs? Mathematisches Modell: sensitive und resistente Erreger zufällige Ansteckung within-host resistance Resistenzvermeidung ist kein Selbstzweck! Wieviele Krankheitstage gibt es insgesamt in der Population? Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Epidemie ausbricht? between-host resistance 15 low β high β

40 Zusammenfassung Antibiotika wirken gegen Bakterien (gegen Viren sind sie wirkungslos!) Resistenz evolviert schnell Antibiotika müssen sparsam eingesetzt werden Antibiotika müssen weise eingesetzt werden Was ist ein weiser Einsatz?

41 Zusammenfassung Antibiotika wirken gegen Bakterien (gegen Viren sind sie wirkungslos!) Resistenz evolviert schnell Antibiotika müssen sparsam eingesetzt werden Antibiotika müssen weise eingesetzt werden Was ist ein weiser Einsatz? Um das beantworten zu können, müssen wir Evolution verstehen!

42 Heute Nachmittag: Tag der offenen Tür am Max-Planck-Institut Pictures: Pseudomonas: Centers for Disease Control and Prevention/Janice Haney Carr Staphylococcus & Salmonella: National Institute of Allergy and Infectious Diseases Shigella Centers for Disease Control and Prevention/James Archer Video: Youtube/Harvard Medical School (