Kapitel I. Hilberträume.
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- Katja Dittmar
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1 Kapitel I. Hilberträume. 1. Grundbegriffe. Ein Prä-Hilbertraum ist ein Vektorraum über C mit einem inneren Produkt (=Skalarprodukt, positive Form). Wir beginnen daher mit (Sesquilinear-) Formen Definition. Sei E eiomplexer VR. Eine Abb. s : E E C heißt Sesquilinearform auf E (oder kurz: Form), wenn s[.,.] linear im 1. Argument und konjugiert linear im 2. Argument ist. Zu einer Sesquilinearform s gehört die quadratische Form s[f] := s[f,f], f E. Bemerkungen. (a) Reelle VRe und Bilinearformen. (b) In der theoret. Physik sind Skalarprodukte meist linear im 2. Argument und konjugiert linear im 1. Argument Bemerkung. Im komplexen VR E gilt für jede Form s die Polarisierungsidentität 4s[f,g] = s[f +g]+is[f +ig] s[f g] is[f ig], f,g E, (1.1) oder: 4s[f,g] = 3 k=0 ik s[f +i k g]. Daher kann man im komplexen Fall aus der quadratischen Form die volle Sesquilinearform rekonstruieren. Dies ist bei reellen VRen i.a. nicht möglich! (Bspl. in den Übungen.) 1.3. Beispiele. Sei I = (a,b) R ein offenes, beschränktes Intervall, und sei k N 0. Wir definieren C k ([a,b];c):= {u C k (I;C); u (j) stetig auf [a,b] fortsetzbar,0 j k}. Mit einem festen w C([a, b]; C) definieren wir die Sesquilinearformen durch s k [f,g] := b s k : C k ([a,b];c) C k ([a,b];c) C a f (k) (x)g (k) (x)w(x)dx, f,g C k ([a,b];c). (1.2) (Dabei kann man jede Funktion u C k (I;C) schreiben in der Form u = u 1 +iu 2 mit u 1,u 2 C k (I;R); u 1 heißt der Realteil, u 2 der Imaginärteil von u.) 6
2 1.4. Definition. Eine Form s heißt symmetrisch, wenn s[f,g] = s[g,f], f,g E, gilt. Eine (symmetrische) Form s heißt nicht-negativ, wenn s[f] 0, f E, gilt, und positiv, falls s[f] > 0, 0 f E. Bemerkungen. (a) Eine Form s im komplexen VR E ist genau dann symmetrisch, wenn die zugehörige quadratische Form reellwertig ist. (ÜA) (b) Die Formen s k in Bspl. 1.3 sind genau dann symmetrisch, wenn die Gewichtsfunktion w reellwertig ist Definition. Eine positive Form s auf dem komplexen VR E heißt Skalarprodukt. Man schreibt dann gerne f, g := s[f,g], f := f, f 1/2, f,g E Satz. Für Skalarprodukte gilt die Schwarzsche Ungleichung f, g f g, f,g E. (1.3) Gleichheit gilt in (1.3) genau dann, wenn f und g linear abhängig sind. 1. Beweis. Folgt sofort aus der Identität g 2( f 2 g 2 f, g 2) = g 2 f f, g g 2 0, die man durch Ausrechnen bestätigt. (ÜA) Man sieht leicht, daß auch der Zusatz richtig ist. 2. Beweis. Definiere ϕ(t) := f +tg 2, t R, also ϕ(t) 0, für alle t R, und ϕ(t) = f 2 +2tRe f, g +t 2 g 2. M.a.W., ϕ ist ein nicht-negatives, reelles Polynom zweiter Ordnung in t R. Ein solches Polynom kaneine einfachen reellen Nullstellen haben, d.h., es gibt entweder keine reellen Nullstellen oder aber genau eine doppelte reelle Nullstelle. = Diskriminante 0 = 4(Re f, g ) 2 4 f 2 g
3 = Re f, g f g. Es gibt ein ϑ R mit e iϑ f, g = f, g, etc. Beweis des Zusatzes ist hier etwas mühsamer; vgl. [W] Bemerkung. Die Schwarzsche Ungleichung(1.3) gilt allgemeiner für nicht-negative Sesquilinearformen s (allerdings ohne den Zusatz!): s[f,g] s[f] 1/2 s[g] 1/2, f,g E. Bem.: Für 0 a,b R gilt bzw. ab 1 2 (a2 +b 2 ), ε > 0 : ab ε 2 a ε b2. Damit folgt aus (1.3) die Cauchy-Young sche Ungleichung ε > 0 : f, g ε 2 f ε g 2. (1.4) 1.7. Definition. Sei E eiomplexer VR und.,. ein Skalarprodukt auf E. Dann heißt (E,.,. ) ein Prä-Hilbertraum Definition. Sei X ein reeller oder komplexer VR. Eine Abbildung. X : X R mit den Eigenschaften (i) x X 0 und ( x X = 0 x = 0) (ii) αx X = α x X, α C, x X (1.5) (iii) x+y X x X + y X heißt eine Norm auf X. Eigenschaft (iii) in (1.5) heißt Dreiecksungleichung. (Eine Norm hat i.a. nichts mit einem Skalarprodukt zu tun!) Das Paar (X,. X ) wird als normierter VR bezeichnet. Jeder normierte Vektorraum ist zugleich ein metrischer Raum mit der induzierten Metrik d(x,y) := x y X, x,y X. Damit sind in einem normierten VR die topologischen Grundbegriffe (offene Mengen, Stetigkeit von Abbildungen) wie in einem metrischen Raum definiert (und sehr einfach!). Z.B. heißt eine Menge M X genau dann offen, wenn es zu jedem x M ein ε > 0 gibt mit B ε (x) M, wobei B ε (x) := {y X ; x y X < ε}. 8
4 Man sieht leicht, daß die Vektorraumoperationen (Addition und skalare Multiplikation) stetig sind Bemerkung. Sei (E,.,. ) ein Prä-Hilbertraum und f = f, f 1/2, f E, wie in Definition 1.5. Man rechnet dann leicht nach, daß. die Eigenschaften (1.5) einer Norm besitzt. Jeder Prä-Hilbertraum ist damit zugleich ein normierter VR und die topologischen Grundbegriffe leiten sich aus der zugehörigen Metrik ab Satz. (Die Parallelogrammgleichung) Im Prä-Hilbertraum (E,.,. ) gilt ( 2 f 2 + g 2) = f +g 2 + f g 2, f,g E. (1.6) Bild!!! Beweis: Rechte Seite ausrechnen! Bemerkung. Ein normierter VR (X,. X ) ist genau dann ein Prä-Hilbertraum (d.h., die Norm. X wird von einem Skalarprodukt erzeugt), wenn. X der Parallelogrammgleichung genügt. Bew.: [W, Y] Definition. Sei (E,.,. ) ein Prä-HR, und sei (f n ) n N E eine Folge in E. Wir sagen: (a) (f n ) konvergiert gegen f E, falls f n f 0, für n. In Zeichen: f n f. (b) (f n ) heißt Cauchyfolge : ε > 0, N N, n,m N: f n f m < ε. Bem.: Der Limes in (a) ist eindeutig. Konvergente Folgen haben die Cauchyeigenschaft Definition. Sei H := (E,.,. ) ein Prä-Hilbertraum. H heißt Hilbertraum, wenn H bezüglich der Norm x = x, x 1/2, x E, vollständig ist, d.h., wenn alle Cauchyfolgen aus (E,. ) einen Limes in E besitzen Beispiele. (1) Für d N ist C d ein HR mit dem üblichen Skalarprodukt x, y := d x k y k. (2) Mit l 2 ( klein-ell-zwei ) bezeichnen wir die Menge der komplexen Zahlenfolgen k=1 (x n ) n N C mit x n 2 <, k=1 9
5 versehen mit dem Skalarprod. (x n ), (y n ) := x n y n. n=1 Man zeigt (ÜA), daß l 2 vollständig, also ein HR ist. Bem.: Wegen m+k x n y n n=m m+k n=m x n y n m+k n=m x n y n 1 2 ( x n 2 + y n 2 ) n=m konvergiert die Reihe x n y n in C, falls (x n ) und (y n ) aus l 2 sind. (3) In diesem Beispiel verwenden wir den Begriff des Trägers (engl.: support) einer Funktion f : M N, M topologischer Raum, N Körper (oder Vektorraum): Sei nun a < b + und sei suppf := {x M ; f(x) 0}. C c (a,b) := {f C((a,b);C); suppf (a,b), suppf kompakt}. M.a.W.: f C c (a,b) genau dann, wenn f stetig ist und es Zahlen α = α f, β = β f gibt mit a < α β < b und f(x) = 0 für x < α sowie für x > β. Wir definieren ein Skalarprodukt vermöge f, g :=.,. : C c (a,b) C c (a,b) C b a f(x)g(x)dx, f,g C c (a,b). Das Paar (C c (a,b),.,. ) ist ein Prä-Hilbertraum. Wir werden später zeigen, daß es zu jedem Prä-Hilbertraum E einen HR H gibt, der E als dichten Teilraum enthält. Genauer gibt es zu E einen HR H und eine lineare Abb. j : E H mit j(x), j(y) H = x, y E, x,y E, und y H, Folge (x n ) E : y j(x n ) H 0, n. Man sagt dann E ist (isometrisch) isomorph zu einem dichten Teilraum von H. Maonstruiert H über den Prozeß der Vervollständigung ; s.u.! Im Falle von Bspl. (3) erhält man durch Vervollständigung von C c (a,b)den Raum L 2 (a,b). Der Raum L 2 (a,b) besteht aus (Äquivalenzklassen von) (Borel-)meßbaren Funktionen f : (a,b) C mit (a,b) f(x) 2 dx <. Dazu später mehr! 10
6 (4) Direkte Summen von Hilberträumen. Seien (H 1,.,. 1 ) und (H 2,.,. 2 ) Hilberträume. Die Menge der Paare versehen mit dem Skalarprodukt (x 1,x 2 ) H 1 H 2, (x 1,x 2 ), (y 1,y 2 ) := x 1, y x 2, y 2 2 ist wieder ein HR und heißt die direkte Summe der HRe H 1 und H 2, in Zeichen H 1 H 2. (5) Kontinuierliche direkte Summen. Sei a < b +, und sei H ein HR mit Skalarprodukt.,. H. Sei und C c ((a,b);h ) := {f : (a,b) H stetig ; suppf (a,b), suppf kompakt} f, g := b a f(x), g(x) H dx. Dann ist das Paar (C c ((a,b);h ),.,. ) ein Prä-Hilbertraum. Die Vervollständigung (vgl. Beispiel (3)) wird mit L 2 ((a,b);h ) oder (a,b) H dx bezeichnet. (Bem. zur Festkörperphysik, period. Schrödingeroperatoren.) (6) Tensorprodukte von HRen. (Nur Grundidee; für Details vgl. [RS-I; p. 49f], [Te], [W]) Seien (H 1,.,. 1 ) und (H 2,.,. 2 ) Hilberträume. Für ϕ 1 H 1, ϕ 2 H 2 definieren wir eine konjugiert bilineare Form durch ϕ 1 ϕ 2 : H 1 H 2 C (ϕ 1 ϕ 2 )(ψ 1,ψ 2 ) := ϕ 1, ψ 1 1 ϕ 2, ψ 2 2, für alle Paare (ψ 1,ψ 2 ) H 1 H 2 ; die Form ϕ 1 ϕ 2 ist konjugiert linear in beiden Argumenten. Sei E die Menge aller endlichen Linearkombinationen solcher Bilinearformen ϕ 1 ϕ 2. Wir definieren ein Skalarprodukt durch ϕ ψ, η µ := ϕ, η 1 ψ, µ 2, + Fortsetzung auf E durch Linearität. Maann zeigen, daß dies in der Tat ein Skapro liefert ( wohldef., positiv ). Bem.: Für zwei offene Intervalle I 1,I 2 R gilt beispielsweise L 2 (I 1 I 2 ) = L 2 (I 1 ) L 2 (I 2 ). 11
7 Bem.: Was = bedeutet, wird in Def erklärt. Bemerkung: Das Tensorprodukt von Hilberträumen spielt in der Quantenmechanik eine große Rolle, etwa in der Quanteninformation. In der Atomphysik und der Quantenmechanik anderer Vielteilchensysteme tritt häufig der Fock-Raum auf, vgl. [RS-I]. Gegeben ein HR H, betrachte F := C H (H H) (H H H)..., mit den Unterräumen der symmetrischen bzw. der anti-symmetrischen Tensoren. Hier tritt eine abzählbare direkte Summe auf, die man so ähnlich wie bei l 2 versteheann (in dieser Terminologie kann man l 2 als die abzählbare direkte Summe C C C... auffassen). In der QM benützt man diese Hilberträume, um Situationen mit mehreren Bosonen (zb Protonen) bzw. mehreren Fermionen (zb Elektronen) zu beschreiben Definition. Die HRe H 1 und H 2 heißen isometrisch isomorph oder einfach isomorph, wenn es eine lineare, surjektive Abbildung gibt mit U : H 1 H 2 Ux, Uy H2 = x, y H1, x,y H 1. (1.9) Eine surjektive lineare Abbildung U mit (1.9) heißt unitär. (Man sieht sofort, daß U auch injektiv, und damit bijektiv, ist.) Bemerkungen.: (a) Eine surj. Abb. U : H 1 H 2 ist genau dann unitär, wenn Ux H2 = x H1, x H 1, (1.10) gilt (Polarisierungsid.!). (b)allgemeiner heißt eine lineare Abbildung J : X Y zwischen zwei normierten VRen X und Y eine Isometrie, falls Jx Y = x X, für alle x X. (J muß dabei nicht surjektiv sein.) Wir kommen nun zur Vervollständigung eines normierten VRs(bzw. eines Prä-Hilbertraums) Theorem. Sei (X,. ) ein normierter VR, z.b. ein Prä-Hilbertraum. Dann gibt es einen vollständigen normierten VR ( X,. X ) und eine (injektive) isometrische Abb. J : X X mit dichtem Bild, d.h., J(X) ist dicht in X. Der Raum X ist eindeutig bestimmt bis auf isometrische Isomorphie. Bemerkung.: J(X) dicht in X meint das Folgende: Zu jedem x X und jedem ε > 0 gibt es ein x X mit J(x) x X < ε. 12
8 Beweis. (vgl. [Y; p. 56/57]) (1) Auf C(X) := Menge der Cauchyfolgen in X betrachte die Ä-Relation (x n ) (y n ) : lim n x n y n = 0. (1.11) Sei X := C(X)/ die Menge der Ä.-Klassen von Cauchyfolgen in X, und sei [(x n )] X die Klasse, die die Cauchyfolge (x n ) C(X) enthält. Mit ist X ein linearer Raum. Wegen existiert lim x n und wir setzen [(x n )]+[(y n )] := [(x n +y n )], α[(x n )] := [(αx n )], x n x m x n x m 0, n,m, (1.12) [(x n )] X := lim x n. (1.13) n ( (Wohldefiniertheit: ÜA) Man rechnet leicht nach, daß X,. X) mit der Norm. X aus (1.13) ein normierter VR( ist. (2) Wir zeigen nun, daß X,. X) vollständig ist. Sei dazu ( x k ) k N X ( eine Cauchyfolge in X,. X). Wir wählen für jedes k N einen ( ) Repräsentanten C(X), d.h., ( Jedes Setze x (k) n ) n N x (k) n n N x k = [ ( ) ] x (k) n. n N ist Cauchyfolge in X; daher gibt es zu jedem k N ein N mit ˆx := x (k) m x (k) < 1/k, m nk. (1.14) ( ) ( ) x (1) n 1,x (2) n 2,...,x (k),... = x (k). (1.15) k N Beh.: ˆx ist Cauchyfolge in X. Bew. der Beh.: Sei x (k) X die Klasse, die die konstante Folge ( ) x (k),x (k),...,x (k),... enthält. Wegen (1.14) gilt dann für alle k N x k x (k) = lim X x (k) m m x(k) 13 1/k, (1.16)
9 mithin x (k) x (m) x n m = (k) x (m) n m X x (k) x k + x k x m X + X Wegen ( x k ) Cauchyfolge folgt die Beh. x k x m X +1/k +1/m. x m x (m) n m X Wir zeigen nun noch x k [ˆx] X 0, mit k : In der Tat gilt wegen (1.16) x k [ˆx] X xk x (k) x n + (k) k n X k [ˆx] 1/k+ x (k) [ˆx]. X X (1.17) (1.18) Da ˆx Cauchyfolge, gilt [ˆx] x (k) n = lim k X Wegen x p x k X < ε, k,p N ε, folgt also, mit (1.18), x (p) n p p x (k) (1.17) limsup p lim k X [ˆx] x (k) = 0, X lim [ˆx] x k X = 0, k (3) Wir definieren die Abb. J : X X durch x p x k X +1/k. X x J(x) := [(x,x,...,x,...)] = x. J ist injektiv und isometrisch. Man sieht leicht, daß J(X) dicht ist in X. (Zu [(x n )] X und ε > 0 gibt es ein n 0 N mit x n x m X < ε/2, n,m n 0. Betrachte die konstante Folge x n0 etc. Bemerkung. Spezialfall mit (X,. ) Prä-Hilbertraum: GültigkeitderParallelogrammgleichungüberträgtsichvon(X,. )auf( X,. X )etc. Daher ist dann ( X,. X ) ein Hilbertraum. 14
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