I N F O R M A T I O N
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- Astrid Lorentz
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1 I N F O R M A T I O N zur Pressekonferenz mit Landesrat Josef Ackerl (vertreten durch HR Dr. Josef Marschner, Abteilung Jugendwohlfahrt) und Dr. Daniel Holzinger Institut für Sinnes- und Sprachneurologie am 19. November 2007 zum Thema "Sprachentwicklungsscreening - ein Pilotprojekt der Jugendwohlfahrt Oberösterreich zur Früherkennung von Sprachentwicklungsstörungen" Weitere Gesprächsteilnehmerin: Dipl.-Logop. Renate Heitz, Logopädischer Dienst der Jugendwohlfahrt
2 LR Josef Ackerl - Sprachentwicklungsscreening Seite 2 Ab welchem Alter ist eine Logopädische Therapie sinnvoll? Das war eine der zentralen Fragen einer Fachtagung Anfang November in Linz, rund ums Thema Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern. Der Logopädische Beratungsdienst des Landes lud ein und rund 350 Interessierte aus den Bereichen Logopädie, Medizin, Psychologie und Kinderbetreuung trafen im Ursulinenhof auf renommierte Expert/innen aus Deutschland und der Schweiz. Präsentiert wurde dabei auch ein oberösterreichisches Pilotprojekt, das sich seit über einem Jahr mit dem Sprachscreening von Zweijährigen im Rahmen der Mutter- Kind-Pass-Untersuchung beschäftigt. Deutliche Abweichungen schon bei Zweijährigen feststellbar Die Forschung im deutschsprachigen Raum hat in den letzen zehn Jahren neue Erkenntnisse gebracht, sie weisen den Weg zu einem besseren Verstehen von frühkindlichen Spracherwerbsstörungen und ermöglichten auch die Entwicklung einiger neuer Therapieansätze. "Die Normwerte zeigen, dass ein Kind mit vier Jahren bereits eine fast abgeschlossene Grammatik- und Lautentwicklung hat. Der Wortschatz erreicht zwischen fünf und 5 1/2 Jahren ein Plateau, das genutzt wird, um Wortbedeutungen noch auszubauen. Die Überweisung eines kaum sprechenden Kindes oder eines völlig unverständlich sprechenden Kindes (ohne neurologische Zusatzbefunde!) erst mit vier Jahren ist nach heutigen Erkenntnissen deutlich zu spät", stellte Dr. Silke Kruse, Logopädin und Linguistin aus Erlangen bei der Tagung ganz klar fest. " Gesicherte Daten stehen für eine deutliche Abweichung in der Sprachentwicklung für Kinder mit zwei Jahren fest. Sprechen Kinder mit zwei Jahren noch keine 50 Wörter und verwenden sie noch keine Zweiwortäußerungen, sind sie stark gefährdete Risikokinder für eine Sprachentwicklungsstörung. Deshalb setze ich den Zeitpunkt für einen sinnvollen Therapieeinstieg mit zwei Jahren an", so Kruse. In Frage steht, ob denn wirklich jedes zweijährige Kind, das noch nicht zu sprechen begonnen hat, sprachtherapeutisch behandelt werden muss. Die Einstufung als Risikokind führt nicht in jedem Fall direkt in die Therapie. Wohl aber muss eine genaue Abklärung stattfinden, ob es sich wirklich um einen late talker handelt. Manche Kinder mögen zu den gut 30 % der late bloomer ("Spätzünder") gehören, die in die Sprachproduktion tatsächlich erst spät einsteigen. Kann ein Kind innerhalb eines Beobachtungszeitraumes jedoch keine sichtbaren Sprachfortschritte erzielen, sollte die sprachtherapeutische Intervention beginnen, meint Silke Kruse.
3 LR Josef Ackerl - Sprachentwicklungsscreening Seite 3 Auswirkungen einer Spracherwerbsstörung Prof Dr. Meja Kölliker Funk von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz zitierte ebenfalls aus internationalen Studien: "Kinder mit Spracherwerbsstörungen beginnen später zu sprechen, haben mit zwei Jahren einen Wortschatz von weniger als 50 Wörtern, reihen mit drei Jahren ihre Wörter in der Grundform aneinander, ohne Sätze zu bilden, und verstehen einzelne Schlüsselwörter, die sie nur anhand der konkreten Situation interpretieren können. In der Schule beginnen sie Sätze wie Floskeln anzuwenden und benötigen für alle sprachlichen Aufgaben sehr viel Zeit, oft gelingt ihnen das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen nicht. Die Langsamkeit in der Informationsverarbeitung führt dazu, dass diese Kinder unerwartet und anders reagieren, weil sie nur einen Teil der relevanten Information berücksichtigen können. In Gesprächen gelingt es ihnen nicht, die nötige Information sprachlich mitzuteilen. So erfahren sie wenig Akzeptanz und werden von Bezugspersonen, Kindergärtnerinnen und Lehrern als pragmatisch und kognitiv unreifer eingeschätzt und auch von Peers negativer beurteilt als sprachunauffällige Kinder. Sie entwickeln ein niedriges Selbstwertgefühl, beurteilen sich negativ und ziehen sich auf eine Außenseiterposition zurück." Die Kinder werden nicht gut verstanden und sozial ausgegrenzt. Die Kinder verstehen keine Fragen und Aufforderungen und werden als dumm, als bockig oder als unerzogen empfunden. Die Kinder merken, dass sie nicht kommunizieren können und verlieren die Freude am sozialen Kontakt. Die Kinder kompensieren ihre Sprachlosigkeit durch massive Verhaltensweisen. Die Kinder versuchen, sprachlich so angepasst wie möglich zu agieren und lernen Redefloskeln auswendig: weiß ich nicht, das geht aber so, die korrekt klingen, aber unanalysiert übernommen wurden. Früherkennung: Das oö. Pilotprojekt zum Sprachentwicklungsscreening In Oberösterreich läuft seit etwa einem Jahr unter der Leitung von Dr. Daniel Holzinger (Institut für Sinnes- und Sprachneurologie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz) eine Pilotstudie. Angeregt vom Unterausschuss Bildung des Oö. Landtags finanzieren die Abteilungen Landessanitätsdirektion und Jugendwohlfahrt des Landes OÖ das Projekt. Die Gesamtkosten für das zwei Jahre dauernde Vorhaben betragen ,-- Euro und
4 LR Josef Ackerl - Sprachentwicklungsscreening Seite 4 werden von den Abteilungen je zur Hälfte getragen. 25 Kinderärzte aus Oberösterreich nehmen an dem Pilotprojekt teil. Die überwiegende Mehrheit der Familien nimmt die kinderärztlichen Mutter-Kind-Pass- Untersuchungen in Anspruch. Um das Screeningverfahren für Sprachentwicklungsauffälligkeiten möglichst flächendeckend umzusetzen, wird es im Pilotprojekt in die kinderärztliche Vorsorgeuntersuchung einbezogen. Als Instrumente wird die standardisierte Kurzversion eines Elternfragebogens (ELFRA-2) verwendet, ergänzt durch ein vom Arzt durchgeführtes fünfminütiges Screeningverfahren (VTO). Dieses Verfahren umfasst eine Befragung der Eltern zur Sprachproduktion (Vokabular und Syntax), zur sprachlichen Interaktion (Spielverhalten) und schließlich eine einfache direkte Überprüfung des Sprachverständnisses mit dem Kind. Aufgrund der hohen Anzahl von Aufholern der Sprachentwicklung zwischen zwei und drei Jahren ist die Studie longitudinal (Messzeitpunkt im Lebensalter von zwei und drei Jahren ) angelegt. Erste Ergebnisse: Insgesamt wurden 2525 ca. zweijährige Kinder in der kinderärztlichen Praxis gescreent, für (99,8 %) liegen ELFRA-2 Ergebnisse, für (99,2 %) Kinder VTO Ergebnisse vor. Dies spricht für die ausgezeichnete Durchführbarkeit sowohl der verkürzten Form des Elternfragebogens als auch des VTO-Screeninginstruments. Beim ELFRA-2 waren 15,7 % der Kinder auffällig (Wortschatz < 50 Wörtern), was den Erwartungen völlig entspricht. Hierbei zeigte sich ein hochsignifikanter Unterschied zwischen Buben und Mädchen. 20,3 % der Buben und nur 10,8 % der Mädchen zeigten ein auffälliges Ergebnis. Somit erscheint ein geschlechtsbezogener Prozentrangwert gerechtfertigt. Aufgrund der hohen Anzahl von involvierten Kindern konnten eigene österreichische geschlechtsbezogene Normen erstellt werden. So entspricht ein Prozentrangwert von 15 % bei Mädchen unserer Stichprobe einem Wortschatz von ca. 65, bei Buben von 34 Wörtern. Von Kindern wurden von den Kinderärzten aufgrund der VTO-Screenings 71 Kinder (2,8 %) als auffällig eingestuft. In diversen holländischen Vergleichsuntersuchungen variierten diese Zahlen zwischen 2,3 und 3,8 %, auch in Abhängigkeit vom Altersschnitt der untersuchten Stichprobe. 80,5 % der im VTO auffälligen Kinder waren Buben.
5 LR Josef Ackerl - Sprachentwicklungsscreening Seite 5 83 % der im Screening auffälligen Kinder zeigen tatsächliche signifikante Sprachentwicklungsprobleme, was eine zufriedenstellende Sensitivität des Verfahrens darstellt. Ein Teil dieser Sprachentwicklungsprobleme (ca. ein Viertel) erwies sich als nicht spezifisch, d.h. als Teil eines allgemeinen Entwicklungsrückstandes oder einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung. Das VTO Screening erscheint somit auch zur Erkennung von Entwicklungsstörungen, welche sich zunächst in einer verzögerten Sprachentwicklung äußern, geeignet. Zudem bestätigt sich die Notwendigkeit einer multiprofessionellen Abklärung von Kindern mit schweren Sprachentwicklungsverzögerungen. Erst nach Abschluss der sprachlichen Screenings und Tests der Kinder der Studiengruppe im Alter von drei Jahren können Aussagen zur prognostischen Qualität der eingesetzten Verfahren getroffen werden. Danach soll ein möglichst ökonomisches und treffsicheres mehrschrittiges Verfahren zur frühen Erkennung von Sprachentwicklungsauffälligkeiten (Elternfragebogen kinderärztliches Sprachscreening multiprofessionelle Untersuchung) aus den Ergebnissen der Datenanalysen abgeleitet werden. Bedenklich ist, dass nur die Hälfte der im VTO-Sprachscreening auffälligen Kinder zu einer umfassenderen Abklärung im Institut für Sinnes- und Sprachneurologie vorgestellt wurden.
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