Der Niedergang des Kapitalumschlags?
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- Lorenz Tiedeman
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1 Forschungsstudie 12/2017-1/2018 Der Niedergang des Kapitalumschlags? Prof. Dr. Dietram Schneider 1 (urheberrechtlich geschütztes Online-Paper zu einer Forschungsstudie; zitieren nur nach Rücksprache mit dem Autor) Der Kapitalumschlag setzt den Umsatz eines Unternehmens zum eingesetzten bzw. investierten (betriebsnotwendigen) Kapital ins Verhältnis. Wenn er steigt bzw. je höher er ausfällt, desto günstiger, weil damit eine höhere bzw. steigende Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals verbunden ist. Durch Multiplikation mit der Umsatzrendite ergibt sich der Return on Investment (ROI). Der Kapitalumschlag ist daher als wichtiger Hebel des ROI anzusehen und stellt sowohl in der Unternehmenstheorie als auch in der betrieblichen Praxis eine traditionell als wichtig angesehene Ziel- und Steuerungsgröße für das Controlling, die Unternehmensführung, -entwicklung und -beratung dar. Der Kapitalumschlag wird u. a. von der Fertigungstiefe (Eigenerstellungsquote) eines Unternehmens beeinflusst. Handelsunternehmen (geringe Fertigungstiefe) weisen beispielsweise im Vergleich zu so genannten schweren Unternehmen im industriellen Sektor (hohe Fertigungstiefe) einen höheren Kapitalumschlag auf. Bei Zunahme der eigenen 1 Fakultät für Betriebswirtschaft, Hochschule Kempten, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung, Studienschwerpunkt Unternehmensentwicklung und -beratung, 1
2 Wertschöpfungsquote steigen dagegen nicht nur die Fixkosten, sondern es wird pro Umsatzeinheit ein höheres Investment erforderlich, das in aller Regel zu einer Verlängerung der Bilanz und letztlich zu einer Zunahme des investierten Kapitals führt während der Kapitalumschlag sinkt. Aus der Perspektive einer Langfristanalyse gab es in der Vergangenheit verschiedene Entwicklungen, die es aus einem ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Standpunkt heraus nahe legen, im Zeitablauf von einer sukzessiven Erhöhung des Kapitalumschlags auszugehen. freilich nicht notwendigerweise für jeden einzelnen spezifischen Praxisfall, aber doch für die Mehrzahl der Unternehmen. An dieser Stelle sei lediglich auf zwei durchschlagende Entwicklungen bzw. Einflussfaktoren explizit hingewiesen: Übergang von Make zu Buy bzw. vom Insourcing zum Outsourcing und damit zur Fertigungstiefenreduzierung bzw. -optimierung u. a. induziert durch das so genannte Lean-Management ab den 1990er Jahren, von der zunächst die Automobilindustrie, dann die Elektround Maschinenbauindustrie und letztlich der gesamte sekundäre und schließlich auch der tertiäre Sektor ergriffen wurde. Die Absenkung der Fertigungstiefe führt mittel- bis langfristig direkt zu einer Zunahme des Kapitalumschlags. Produktivitätszunahme und technologische Verbesserungen u. a. bedingt durch den Einsatz von modernen und immer leistungsfähigeren Informations- und Kommunikationstechnologien im intra- und interorganisatorischen Bereich (vor allem auch mit positiven Wirkungen auf das Asset-Management entlang der gesamten Wertkette, die Durchlauf- und Entwicklungszeiten, die Lagerhaltung und Bevorratung usw.). Ein derartiger (technologischer) Fortschritt ist ein zentraler Treiber für die Erhöhung des Kapitalumschlags. Ein erster Blick in die Empirie zeigt uns allerdings, dass der durch diese Faktoren erwartbare positive Schub für den Kapitalumschlag in der betrieblichen Praxis anscheinend völlig verpufft ist und insbesondere der Langfristfaktor Technologie keine Wirkung entfalten konnte angesichts der positiven Erwartungen und (Management-) Euphorien im Zuge der Digitalisierung ein sehr ernüchterndes Vorzeichen. 2
3 Das bisher vorliegende empirische Material legt es überdies nahe, vom Gegenteil auszugehen der Kapitalumschlag von Unternehmen stagniert nicht nur, sondern er sinkt sogar. Bei einer kurzfristigen Betrachtung, die sich womöglich nur auf ein oder zwei Jahre erstreckt, kann der Kapitalumschlag selbstverständlich aufgrund von Sondereffekten (Zu- und Verkäufe, Umsatzverlagerungen, Bestandsveränderungen, Bewertungseffekte) sinken (oder auch steigen). Den Trend zu einer Absenkung bzw. Verschlechterung des Kapitalumschlags zeigt unser bisheriges empirisches Material jedoch sowohl im mittelals auch im langfristigen Trend. Die Meta-Erzählung, wonach durch andauernde KVP-, Effizienzsteigerungsprogramme, technologische Fortschritte usw. ressourcensparende Effekte erzielbar waren und wären, unterliegt zumindest anhand unserer bislang erhobenen Daten der Gefahr einer Dekonstruktion. Auf der Basis dieser Ergebnisse haben wir Grund zu der Annahme, dass wir vor einem ähnlichen Phänomen stehen, wie wir es im Zuge unserer Produktivitätsstudien feststellen mussten. Dort ließ sich mittels so genannter Verdoorn-Kurven und die überlegene Benchmarkingmethode Pro-Bench-Reg mit umfangreichen empirischen Daten im Rahmen der damaligen Benchmarkingstudien in unterschiedlichen Branchen klar belegen, dass mit zunehmendem Wachstum von Unternehmen und Branchen das Wachstumsausschöpfungspotenzial für die Gewinnung von Produktivitätsfortschritten sinkt. Oder eher plakativ ausgedrückt: Wachstum (-spotenzial) frisst Produktivität, führt zu Management-Laissez-faire und übertüncht Managementfehler. Das weitere Vorgehen und die Leitfragen unserer Forschungsstudie lassen sich vor diesem Hintergrund wie folgt skizzieren: Ausweitung der Erhebung von empirischem Material für die Fundierung der Datenbasis zur Bestimmung des Kapitalumschlags von Unternehmen in verschiedenen Branchen zur Absicherung des vorläufig indizierten Niedergangs des Kapitalumschlags. Systematisierung und Ausweitung der Einflussfaktoren. Analogieprüfung zu den Produktivitäts- bzw. Benchmarkingstudien (Verdoorn-Kurven mit Pro-Bench-Reg): Liegt bezogen auf den Kapitalumschlag ein Management-Laissez-fair vor? 3
4 Welche Ursachen können das Management-Laissez-fair im Hinblick auf den Kapitalumschlag begründen? Welche Bedeutung hat der Kapitalumschlag (noch) als Ziel- und Steuerungsgröße in der Praxis (bzw. gilt er als antiquiert/tradiert, hat er an Bedeutung verloren)? Literatur: Abernathy, W.J.; Wayne, K.: Limits of the Learning Curve in: Harvard Business Review, 52, 1974, S Backhaus, K.: Viele handeln erst, wenn das Wasser bis zum Halse steht, in: VDI Nachrichten v , S. 4. Baur, C.: Make-or-Buy-Entscheidungen in einem Unternehmen der Automobilindustrie, München, Engelmann, P.: Einführung: Postmoderne und Dekonstruktion. Zwei Stichwörter der zeitgenössischen Philosophie, in: Postmoderne und Dekonstruktion Texte französischer Philosophen der Gegenwart, Hartmann, R.: Anwendung der Ergebniskennlinie als Benchmarking-Instrument eine empirisch gestützte Studie anhand von Unternehmen aus der Chemie-, Pharma- und Elektrotechnikindustrie, Diplomarbeit, Kempten, Kühne, A.: Benchmarking - Ein Mittel zur Leistungssteigerung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft (2), 1995, S Lindblom, C.E.: The science of muddling through, in: Public Administration Review, 19, 1959, S Macharzina, K.; Wolf, J.: Unternehmensführung Das internationale Managementwissen, Konzepte, Methoden, Praxis, 9. Aufl., Wiesbaden, McKinsey: Wachstum durch Verzicht, Stuttgart, Schneider, D.: Strategisches Insourcing-Outsourcing-Controlling mit Make-or- Buy-Portfolios, 2 Teile, in: Controller Magazin, 1996, S und S Schneider, D.: Re-Design industrieller Wertschöpfungsstrukturen, in: Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering, 1994, S Schneider, D.: Lean Production: Herausforderungen für die Gestaltung der Arbeitszeit, in: Personalführung, 1992, S Schneider, D.: Success Resource Deployment Erfolgreiche Produkte und Geschäfte jenseits von Quality Function Deployment, in: io management, 5, 2001, S Schneider, D.: Problem: Wachstum ohne Produktivität Am Beispiel des Benchmarkings der Produktivität von Automobilherstellern, in: io new management, H. 10, 2002, S Schneider, D.: Unternehmensführung und strategisches Controlling, 5. Aufl., München,
5 Schneider, D.: Performance-Benchmarking von IT- und Managementberatungen Ergebnisse einer Längsschnittanalyse auf der Basis des Lünendonk-Knowledge-Tanks, in: Industrial Engineering, 2, 2008, S Schneider, D.: Selbst machen oder einkaufen Mit Portfolios Make-or-Buy- Entscheidungen methodisch absichern und neue Optionen schaffen, in: Industrial Engineering, 5, 2008, S Schneider, D.; Amann, M.: Benchmarking von Beratungsgesellschaften mit Success Resource Deployment ein empirischer Vergleich von Accenture über BCG bis McKinsey aus Kundensicht, Norderstedt, Schneider, D.; Amann, M.: Benchmarking von Unternehmensberatungen, in: Handbuch der Unternehmensberatung Organisationen führen und entwickeln, hrsg. v. T. Sommerlatte u. a. in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.v., Bd. 2, 8. Erg.- Lfg. IV/08, Berlin, 2008, S Schneider, D.; Baur, C.; Hopfmann, L.: Re-Design der Wertkette durch Make or Buy, Wiesbaden, Schneider, D.; Dellner, K.; Schatz, R.; Seitz, V.: Produtkivitätsbenchmarking in der Automobilindustrie ein Bericht aus der KUBE-Projektstudie Pro- Bench-Reg, in: Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Industrial Engineering, 2002, S Schneider, D.; Demmler, P.: Performance-Benchmarking von Airlines Ergebnisse einer Längsschnittanalyse mit Pro-Bench-Reg, in: Internationales Verkehrswesen 65, 2, 2013, S Schneider, D.; Lünendonk, J.: Benchmarking von IT- und Managementberatungs-Unternehmen Ergebnisse einer Längsschnittanalyse mit Pro- Bench-Reg, in: Zeitschrift der Unternehmensberatung, 5, 2009, S Schneider, D.; Steiger, M.: Forschungsbericht zur KUBE-Studie SRD-Bench- Uhren-Exclusiv Hersteller exklusiver Uhren im SRD-Benchmarking, bislang unveröffentlichtes Manuskript, Kempten und Dietramszell Schneider, D.; Zieringer, C.: Make-or-Buy-Strategien für Forschung und Entwicklung, Wiesbaden, Womack, J.P.; Jones, D.T.; Roos, D.: Die zweite Revolution in der Autoindustrie, Frankfurt/M,
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