Aus der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie der Universität Würzburg Direktor: Professor Dr. med. N. Roewer
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1 Aus der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie der Universität Würzburg Direktor: Professor Dr. med. N. Roewer METAANALYSE ZUR IN-VIVO-BESTIMMUNG VON BLUTVOLUMINA Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg vorgelegt von Stefanie Marx aus Würzburg Würzburg, Januar 2009
2 Referent: Prof. Dr. med. N. Roewer Koreferent: Priv.-Doz. Dr. med. M. Gasser Dekan: Prof. Dr. med. M. Frosch Tag der mündlichen Prüfung: Die Promovendin ist Ärztin
3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung Einführung in die Thematik Ätiologie und Pathophysiologie der Hypovolämie Fragestellungen der vorliegenden Arbeit Material und Methoden Literatur Literaturrecherche Ausschlussgründe Literaturbewertung und Datenextraktion Erstellung der Diagramme Ergebnisse Datenlage der aktuellen Studien im Zeitraum Strukturierung und Systematisierung der Studienergebnisse Erstellung von Design-Gruppen Anzahl an Probanden bzw. Versuchstieren der Studien Ausschlusskriterien für Probanden Methoden und Parameter zur Untersuchung der Volumenänderung Vergleichbarkeit der Arbeiten Methoden zur Messung der Volumenänderung Parameter zur Volumenmessung Diskussion Vergleichbarkeit der erhobenen Parameter und Studien Bewertung der aktuell in Klinik und Forschung verfügbaren Parameter zur Abschätzung eines Volumenmangels Zusammenfassung Literatur Anhang... 53
4 1. Einleitung 1.1 Einführung in die Thematik Die Funktion des menschlichen Organismus ist von der Versorgung mit Sauerstoff und Substraten abhängig, die für zahlreiche biochemische Prozesse im Körper benötigt werden. Diese Versorgung leistet das Herz- Kreislaufsystem, dessen Funktion von folgenden Parametern abhängig ist: 1. Der adäquaten Pumpfunktion des Herzens (Kontraktilität) 2. Der strukturellen Intaktheit des Gefäßsystems (Vor- und Nachlast) 3. Einer ausreichenden Menge an Blut als Transportmedium. Eine Störung dieses Systems führt zur vitalen Bedrohung des Organismus. Im Fachgebiet der operativen Intensivmedizin sind Folgen des akuten Blutverlustes, die häufigsten Probleme, welche die perioperative Morbidität und Mortalität signifikant steigern (19,19,73,95,102). Studien zu Komplikationen in der postoperativen Phase zeigen, dass hypotone oder hypertone Kreislaufzustände zu den häufigsten Störungen des kardiovaskulären Systems zählen (45,82). Bei den meisten Patienten ist ein relativer oder absoluter Volumenverlust die Hauptursache für eine Hypotension (18). Die Häufigkeit dieser Problematik zeigt, dass es für den praktisch tätigen Arzt im klinischen Alltag offensichtlich schwierig ist, die aktuelle Volumensituation eines Patienten richtig einzuschätzen. Dies führt dazu, dass oft zu spät mit einer adäquaten Therapie begonnen wird. So sind geeignete Parameter zur Früherkennung des Volumenmangels und darauf bauende präventive Maßnahmen elementare Vorraussetzungen zur Vermeidung des hämorrhagischen Schocks und der mit ihm einhergehenden Organschädigungen. Bisher konnte noch keine Messmethode gefunden werden, die direkt die Blutmenge des Patienten misst. Daher muss auf Verfahren der indirekten Blutvolumenmessung zurückgegriffen werden, deren Werte aber häufig sehr ungenau sind. Das liegt zum einen daran, dass die Messergebnisse auch durch Körperreaktionen beeinflusst werden, die in keinem Zusammenhang mit dem Blutvolumen stehen, sondern durch die Untersuchungssituation und/oder äußere Umstände bedingt sind (42). Zum anderen werden durch die indirekte Messung Veränderungen im Volumenstatus zum Teil erst relativ spät aufgedeckt 1
5 (43,94). In diesem Zusammenhang wird gezeigt, dass ein hoher Anteil der Patienten nach größeren Operationen trotz intraoperativem Volumenersatz ein deutlich verringertes Blutvolumen aufwies (56,96). Die hohe klinische Relevanz und das derzeit unvollständige Wissen in der Anästhesie und Intensivmedizin über passende Parameter der Hypovolämiediagnostik zeigen den Bedarf an wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit diesem Thema. Basis für die experimentelle Weiterentwicklung bisheriger Ansätze ist die Zusammenfassung und Analyse des bisherigen Wissens. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist daher eine detaillierte Literaturanalyse über die Wertigkeit verschiedener Parameter zur frühzeitigen Diagnostik der akuten Hypovolämie bzw. des hämorrhagischen Schocks bei Erwachsenen. Um Parameter definieren zu können und diese in den Kontext der Pathophysiologie des Volumenmangels einordnen zu können, ist es zunächst wichtig, grundlegende Mechanismen der Ursachen und Kompensationsmechanismen, sowie deren Folgen für den Organismus darzustellen. 1.2 Ätiologie und Pathophysiologie der Hypovolämie Unter physiologischen Bedingungen hat der Mensch eine durchschnittliche Blutmenge von ml pro Kilogramm Körpergewicht, was 6-8% des Körpergewichts ausmacht. Unter einer Hypovolämie versteht man die Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens. Eine Hypovolämie kann durch Blutverlust oder Dehydratation entstehen. Eine durch Blutverluste bedingte Hypovolämie kann entweder traumatisch oder atraumatisch bedingt sein. Unter den häufigsten traumatischen Ursachen sind Operationen, Verletzungen, Frakturen und Verbrennungen zu nennen. Die wichtigsten Ursachen für atraumatische Blutverluste sind unter anderem gastrointestinale Blutungen (z.b. Ulcus ventriculi et duodeni, Ösophagusvarizenblutungen, Angiodysplasien etc.), Blutungen nach Ruptur von Gefäßen (z.b. Aortenaneurysma, Aneurysma spurium) oder Blutungen im 2
6 gynäkologischen Bereich (z.b. Uterusatonie nach Geburt, Placenta praevia, Extrauteringravidität etc.). Dehydratation kann durch großflächige Verbrennungen, auf renalem Weg bei Nierenerkrankungen oder hormonellen Störungen, durch Sequestrierung großer Flüssigkeitsmengen oder ungenügende Aufnahme hervorgerufen werden. Durch einen plötzlichen großen Blutverlust kommt es zu einer Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen (verringerte Vorlast), was eine verminderte Füllung und somit auch eine verminderte Dehnung der Vorhöfe zur Folge hat. Daraus entwickelt sich eine Abnahme des Herzzeitvolumens, welcher durch verschiedene Kompensationsmechanismen entgegengewirkt wird. So führt die verringerte Freisetzung des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) durch Reduktion der renalen Na-Ausscheidung zu einer Abnahme der renalen Wasserverluste. Katecholamine vermitteln über β 1 -Rezeptoren eine Steigerung der Kontraktilität der Herzmuskelzellen und eine Erhöhung der Frequenz der Herzaktion. Um die lebenswichtigen Organe trotz der Hypovolämie weiterhin ausreichend mit Blut zu versorgen, kommt es durch den erhöhten Sympathikotonus über α 1 -Rezeptoren und über die Aktivierung des Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus zu einer peripheren Vasokonstriktion und somit zur Zentralisation des Blutes (107). Die Durchblutung der peripheren Arterien, wie der Skelettmuskulatur (Ermüdung), der Haut (Blässe) und der Nieren (Oligurie) wird somit gedrosselt, um ein ausreichendes zentrales Blutvolumen zur Durchblutung der Koronar- und Cerebralgefäße bereitzustellen. Die Minderversorgung macht sich zunächst in einer Gewebehypoxie bemerkbar, durch die es zu einer verstärkten Kapillarpermeabilität kommt, die das intravasale Volumen weiter verringert und somit einen Circulus vitiosus auslöst. Um einem zusätzlichen Volumenverlust durch renale Ausscheidung vorzubeugen, steigt der Spiegel des antidiuretischen Hormons (ADH) an (107). Der Blutdruck kann bis zu einem Blutverlust von etwa 1500ml durch die oben genannten Kompensationsmechanismen noch innerhalb des Normbereichs gehalten werden (108). Sinkt die Blutmenge darüber hinaus weiter ab, kann dieser Verlust zunehmend nicht mehr durch das Herzkreislaufsystems kompensiert werden und es treten die klinischen Symptome des Volumenmangelschocks in den Vordergrund. Trotz der Steigerung der Herzfrequenz und der peripheren Vasokonstriktion kann ab einem Blutverlust von ca. 30% des Blutvolumens der Blutdruck nicht mehr aufrechterhalten 3
7 werden (40,101) und fällt auf Werte unter 90mmHg oder unter 30-40% des Ausgangswertes ab. Dies führt zur Manifestation des hemorrhagischen Schocks, der letztlich ein Multiorganversagen hervorrufen kann. Zu Beginn des Schocks versucht der Körper über eine Hyperventilation die, durch Gewebehypoxie entstandene, metabolische Azidose auszugleichen. Dies gelingt, solange die Lunge selbst noch ausreichend mit Blut versorgt wird. Ist dies nicht mehr der Fall, wird durch das veränderte Verhältnis zwischen Durchblutung und Belüftung der pulmonale Gasaustausch erheblich gestört. Im weiteren Verlauf kann durch eine zusätzliche Mikrozirkulationsstörung ein akutes Lungenversagen entstehen. Durch Vasokonstriktion der Nierengefäße, nimmt auf Grund der verringerten Durchblutung die Filtrationsrate ab. Es kommt zur Oligurie oder Anurie. Überschreitet die Hypovolämiephase eine kritische Dauer, kann ein komplettes Nierenversagen die Folge sein (Schockniere) (107). Validierte hämodynamische Grenzwerte für das Vorliegen eines hemodynamischen Schocks sind auf Grund der Abhängigkeit von Alter, Begleiterkrankungen und Medikamenteneinnahme nicht bekannt (1). 1.3 Fragestellungen der vorliegenden Arbeit Die Auswertung der Studien über die Wertigkeit verschiedener Parameter zur frühzeitigen Diagnostik der Hypovolämie lässt sich in verschiedene Fragestellungen gliedern, die in der folgenden Arbeit beantwortet werden sollen. Zunächst soll die Datenlage zur Erkennung der Hypovolämie in der aktuellen Primärliteratur im Zeitraum von zusammenfassend beschrieben werden. Dann sollen die Parameter und verwendeten Methoden aufgeführt werden, an Hand derer in den vorhandenen Studien die Veränderungen des Blutvolumens festgestellt wurden. Aus diesen Ergebnissen soll dann abgeleitet werden, ob die erhobenen Parameter und die aktuellen Studien vergleichbar sind, so dass daraus eine Metaanalyse erstellt werden kann. Abschließend soll eine Aussage getroffen werden, ob valide Parameter vorhanden sind, welche den Volumenmangel bereits vor der Manifestation eines hämorrhagischen Schocks erkennbar machen können. 4
8 2. Material und Methoden 2.1 Literatur Literaturrecherche In einer systematischen Literatursuche wurden randomisierte klinische Studien identifiziert, die die Bestimmung des Blutvolumens zum Ziel haben und einen Parameter der Volumenmessung mit einem Referenzparameter vergleichen. Die Suche berücksichtigte nur solche Studien, die im Zeitraum von 1995 bis 2005 publiziert wurden. Die verwendete prospektiv festgelegte Methodik erfolgte in Anlehnung an die QUORUM-Kriterien (68). Für die Suche der bisher publizierten Arbeiten auf dem Gebiet der Hypovolämiediagnostik wurde die Suchmaschine der Medline Datenbank (Medline Database) verwendet. Dazu wurden verschiedene gängige Meßmethoden der kardiovaskulären Diagnostik jeweils mit den Begriffen hypovolemia/hypovolaemia, hemorrhagic shock und blood loss kombiniert. In einem ersten Schritt wurden die gefundenen Literaturstellen anhand des Titels und der Zusammenfassung beurteilt und als irrelevant beurteilte Literaturstellen im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt. Die nach diesem Verfahren verbliebenen Arbeiten wurden im Volltext begutachtet. Darüber hinaus wurden die Literaturverzeichnisse dieser Arbeiten genutzt, um weitere potenziell relevante Arbeiten zu identifizieren. Dadurch entstand eine umfassende und relevante Auswahl an Studien, die verschiedene Parameter zur Bestimmung des Blutvolumens untersuchen Ausschlussgründe Nicht weiter verfolgt und analysiert wurden Arbeiten, die weder in Englisch noch in Deutsch verfasst waren, die vor Januar 1995 oder nach Dezember 2005 veröffentlicht wurden und die inhaltlich nicht zur Aufgabenstellung passten. Nicht berücksichtigt wurden des Weiteren Studien an Kindern und an Dialyse- Patienten. 5
9 2.1.3 Literaturbewertung und Datenextraktion Alle identifizierten und im Volltext verfügbaren Studien wurden hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Einschlusskriterien (randomisierte Studien, die im Format einer Volltext-Originalarbeit veröffentlicht wurden und einen Parameter der Volumenmessung mit einem Vergleichsparameter verglichen haben) beurteilt. Folgende Daten wurden aus den Studien extrahiert und in einer Tabelle (Anhang 1) zusammengefasst: Daten zum Literaturzitat (Datum, Journal, Autor) Demographische Daten des untersuchten Patientenkollektivs (Patienten- bzw. Probandenzahl, Patienten- bzw. Probandenalter, Geschlechterverteilung, Gewicht der Tiere) Ein- und Ausschlusskriterien der berücksichtigten Studien Darüber hinaus: Protokoll zum Erreichen der Hypovolämie (Blutentnahme, Low-Body-Negativ- Pressure, Blutverlust durch Trauma oder im Rahmen von Operationen ) Methode bzw. Referenzmethode zur Volumenmessung Limitationen der Messmethode 2.2 Erstellung der Diagramme In den ausgewählten Studien wurden Experimente an Menschen, Hunden, Schweinen Hasen und Ratten durchgeführt. Soweit der Blutverlust nicht als Prozentsatz des Gesamtblutvolumens gegeben war, wurden die Milliliter-Angaben in den Anteil am Gesamtblutvolumen umgerechnet. Für Menschen gilt ein Blutvolumen von 70 ml/kg Körpergewicht, für Hunde etwa 90ml/kg Körpergewicht (55,58), für Schweine ein Volumen von etwa 70 ml/kg Körpergewicht (55), für Hasen 56 ml/kg Körpergewicht und bei Ratten 60 ml/kg Körpergewicht (66). Um die verschiedenen Gattungen untereinander vergleichbar zu machen, wurden die absoluten Messwerte in relative Werte umgerechnet. Der Ausgangswert (Baseline) wurde mit 100% festgesetzt, jeder weitere Messwert, incl. der Schwankungsbreite in 6
10 Relation dazu gesetzt. Somit waren die Veränderungen relativ und unabhängig vom Ausgangswert. Die Messwerte wurden als Durchschnitt und die Streuung als eine Standardabweichung (SD) angegeben. 7
11 3. Ergebnisse 3.1. Datenlage der aktuellen Studien im Zeitraum Die systematische Literatursuche anhand der beschriebenen Stichwörter ergab zunächst eine Anzahl von 769 Treffern. Nach Ausschluss thematisch unpassender Studien, Übersichtsarbeiten und Diskussionsartikeln wurden 60 Arbeiten in die weitere Analyse aufgenommen. Die Durchsicht der Literaturverzeichnisse der verbliebenen Arbeiten führte zur Aufnahme aller weiteren relevanten Originalartikel. 3.2 Strukturierung und Systematisierung der Studienergebnisse Nach erster detaillierter Durchsicht zeigte sich, dass die verbliebenen Studien ein extrem heterogenes Versuchsprotokoll haben, was einen direkten Vergleich der Arbeiten und den verwendeten Parametern zur Hypovolämiediagnostik unmöglich machte. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Studien zu schaffen, wurden fünf verschiedene Design-Gruppen erstellt und die Studien einer der im Folgenden beschriebenen Gruppen zugeordnet Erstellung von Design-Gruppen 1. Gruppe: Schrittweiser Blutverlust: Hierbei wurden dem Probanden in festgelegten Volumen- Schritten Blut entnommen und jeweils nach der Entnahme die zu untersuchenden Messwerte bestimmt. Auf diese Weise konnte untersucht werden, wie sich die hämodynamischen Parameter während einer zunehmenden Verschlechterung der Herz-Kreislauf-Funktion verhalten. 2. Gruppe: Low-Body-Negativ-Pressure (LBNP): Der Proband wurde ab dem Becken abwärts in eine Unterdruckkammer gelegt, so dass das Blut aus den zentralen Kompartimenten in die Peripherie gezogen wurde. Hierdurch wurde ein zentraler Volumenmangel 8
12 simuliert, ohne dass es zu einem tatsächlichen Blutverlust und zu einer gesundheitlichen Gefährdung des Probanden kam. Dabei entsprechen: -10 bis -20 mmhg LBNP einem Blutverlust von 400 bis 500ml (ca. 10% des Blutvolumens), -20 bis -40 mmhg LBNP einem Blutverlust von 550 bis 1000ml (ca % des Blutvolumens) und mehr als -40 mmhg LBNP einem Blutverlust von mehr als 1000ml (> ca. 20% des Blutvolumens) (16). 3. Gruppe: Einmaliger Blutverlust: Zu Beginn des Versuchs wird dem Probanden einmalig ein festgelegtes Volumen an Blut entnommen. Danach werden zu verschiedenen Zeitpunkten die Messwerte bestimmt und somit die Veränderung der Werte über die Zeit bestimmt. Bei diesem Protokoll kann an Hand der Parameter beobachtet werden, wie mit Hilfe der Kompensationsmechanismen dem Blutverlust entgegengewirkt wird und in welchem Zeitraum sich die verschiedenen hämodynamischen Messgrößen wieder dem Ausgangswert annähern. 4. Gruppe: Blutverlust bis zu einem vorher definierten Grenzwert: Dem Probanden wurde kontinuierlich Blut entnommen, bis ein vorher definierter Grenzwert erreicht war. Ein solcher Grenzwert konnte zum Beispiel ein bestimmter Zielblutdruck, ein prozentuale Verringerung des Herzzeitvolumens oder eine Kombination aus mehreren zu erreichenden Werten sein. 5. Gruppe: Perioperative und postoperative Messungen: Die Untersuchungen wurden während der Operation bzw. während der Stabilisierungsphase auf der Intensivstation oder im Aufwachraum durchgeführt. Da hierbei kein genauer Volumenverlust protokolliert werden konnte, sondern es sich um eine relative Volumenänderung handelte, diente ein bereits akzeptiertes Verfahren der Volumenmessung als Referenzmethode für ein anderes. 9
13 Die erste systematische Analyse der Originalarbeiten hatte die Einteilung in die Design-Gruppen zum Ziel. Diese Auswertung ergab, dass auf Grund des Studiendesigns eine Vielzahl von Arbeiten für die Beantwortung der Fragestellung ungeeignet war. Dazu zählten insbesondere Studien, bei denen kein akuter Volumenverlust untersucht wurde, bei denen eine relative Volumenänderung medikamentös induziert wurde oder deren Versuchsaufbau keinen Blutverlust vorsah. Insgesamt wurden 60 Originalarbeiten für alle weiterführenden Analysen ausgewählt. Die Verteilung dieser Arbeiten auf die verschiedenen Design-Gruppen ist in Abbildung 1 dargestellt. Alle relevanten Informationen der ausgewählten Studien wurden in einer Übersichtstabelle zusammengefasst (Tabelle siehe Anhang 1). Diese Tabelle diente als Grundlage sämtlicher weiterführenden Analysen. Abb.1: Einteilung der ausgewählten Originalarbeiten in die beschriebenen 5 Design-Gruppen Anzahl an Probanden bzw. Versuchstieren der Studien 28 der 60 Studien (46%) der berücksichtigten Studien untersuchten Auswirkungen der Volumenänderung an Menschen. Weitere Arbeiten wurden an verschiedenen 10
14 Abb.2: Anzahl der Studien je Gattung. Tieren durchgeführt (siehe Abb2). Die genaue Aufteilung auf die einzelnen Design- Gruppen ist prozentual in Tabelle 1 wiedergegeben. Die Untersuchungen an Menschen umfassten 8 bis 209 Patienten/Probanden, bei Tierexperimenten wurden 5 bis 40 Tiere verwendet. Design- Gruppe Mensch 4% 100% 48% 8% 100% Hund 23% 0% 41% 22% 0% Schwein 56% 0% 11% 41% 0% Hase 10% 0% 0% 4% 0% Ratte 7% 0% 0% 24% 0% Tab. 1: Prozentuale Verteilung der verschiedenen Gattungen in den einzelnen Design-Gruppen 11
15 3.1.3 Ausschlusskriterien für Probanden Bei den an Menschen durchgeführten Arbeiten galten häufig Ausschlusskriterien für die in der jeweiligen Studie berücksichtigte Patientengruppe. Prospektive Auschlussgründe waren: Kardiovaskuläre Erkrankungen (z.b. Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Aortenaneurysma), Kontraindikationen gegen die verwendete Messmethode (z.b. Allergie gegen den Farbstoff Indocyaningrün) oder Notfallpatienten. Retrospektiv ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen die hämodynamische Instabilität ein Eingreifen erforderlich machte oder bei denen es im postoperativen Verlauf zu Komplikationen gekommen ist. Die Ausschlusskriterien waren zum einen dazu nützlich, die Messgenauigkeit der untersuchten Methoden und Parameter zu erhöhen sowie eine Verfälschung der ermittelten Werte auszuschließen. Zum anderen dienten sie dazu, vermeidbaren Schaden vom Patienten abzuhalten und dessen Gesundheit nicht zu gefährden. 3.3 Methoden und Parameter zur Untersuchung der Volumenänderung Vergleichbarkeit der Arbeiten Nur bei Gruppe 1 (schrittweise durchgeführter Blutverlust) und Gruppe 2 (Low-Body- Negative-Pressure) war es möglich, einen direkten tabellarischen Vergleich der Arbeiten zu erstellen. Für die Erstellung eines Vergleich-Diagramms sollte der Parameter in mindestens drei verschiedenen Arbeiten untersucht und genaue Messwerte angegeben sein. Die Gruppen 3,4 und 5 waren auf Grund der ungenauen Menge des Blutverlusts und/oder dem Zeitpunkt der Erhebung der Kreislaufparameter nicht für einen direkten Vergleich der Studien geeignet. Tabelle 2 zeigt die unterschiedlichen Versuchsprotokolle innerhalb der Design-Gruppe 3. Die 7 aufgenommenen Studien unterschieden sich hinsichtlich der Geschwindigkeit und der Menge des Blutverlusts sowie dem Zeitpunkt der Messung und damit der Zeit, in der bereits Kompensationsmechanismen in Kraft treten konnten. 12
16 Autor Beilman et al (4) Fujita et al (31) Guzman and Kruse 1998 (39) Hanson et al (40) Nakamura et al (71) Shamir et al (92) Van Hoeyweghen et al (101) Gesamte Geschwindigkeit Menge des des Blutverlusts Blutverlusts 28% des totalen Blutvolumens Zeitpunkt der Dauer der Messung nach Blutentnahme Ende der Blutentnahme Sofort, dann alle 15 min 3,3 6,7 ml/min ml 30 min 30 min 4,6 ml/kg KG/min, 23 ml/kg KG, 7,0 ml/kg KG/min, 35 ml/kg KG, 8,2 ml/kg KG/min, 41 ml/kg KG, 5 min 25 min 9,4 ml/kg KG/min 47 ml/kg KG >45 ml/min 450 ml <10 min <5 min 1 ml/kg KG/min 30 ml/kg KG 30 min 30 min 10% des totalen 10 min 5 min Blutvolumens 22 63,9 ml/min 440 ml 7-20 min Sofort, dann alle 2,5 min Tab. 2: Daten zum Versuchsaufbau der Design-Gruppe 3 (Einmaliger Blutverlust) Die unterschiedlichen Protokolle der Design-Gruppe 4 sind in Anhang 2 gezeigt. Neben den unterschiedlichen Grenzwerten, bis zu deren Erreichen das Blut entnommen wurde, bestanden auch große Unterschiede im Bezug auf den Zeitpunkt der Datenerhebung. Auch im weiteren Vorgehen unterschieden sich die Arbeiten. Während teilweise der Schockzustand durch weiteren Blutverlust über einen unterschiedlich langen Zeitraum aufrechterhalten wurde, wurden in anderen Studien keine Angaben dazu gemacht. In Design-Gruppe 5 konnten über die genaue Menge 13
17 und die Geschwindigkeit des Blutverlust keine Angaben gemacht werden. Zudem unterschieden sich die perioperativen anästhesiologischen Interventionen (Medikamente, Beatmung etc.) von Patient zu Patient, so dass in dieser Design- Gruppe keine Zusammenfassung der Arbeiten möglich war Methoden zur Messung der Volumenänderung Da die untersuchten Parameter mit Hilfe verschiedener Methodiken erhoben wurden, was für die Vergleichbarkeit der Daten wesentlich ist, sollen die verwendeten Methoden kurz erläutert werden. Die Bestimmung des Herzzeitvolumens ist in den meisten Studien wichtigstes Mittel zur Feststellung von Volumenänderungen. Hierzu wurden in den letzten Jahren verschiedene Verfahren der Thermodilution entwickelt, mit deren Hilfe es möglich ist, das Herzzeitvolumen und das intrathorakale Blutvolumen zu bestimmen. Thermodilution über Pulmonaliskatheter und Vigilance-System Bei der Thermodilution wird eine bekannte Konzentration eines kalten Indikators (z.b. kalte 0,9% Kochsalzlösung) dem Blut durch den Spülschenkel des Pulmonaliskatheters (Swan-Ganz-Katheter) zugesetzt. Nach Vermischung der beiden Substanzen kann an der Spitze des Katheters mit Hilfe eines dort sitzenden Thermistors die Temperaturänderung des Bluts erfasst werden. Mit Hilfe der Stewart- Hamilton-Formel kann daraus das Herzzeitvolumen berechnet werden: CO = [I 60/C m t] 1/k Dabei entspricht: CO = Herzzeitvolumen (l/min); l = Menge des injizierten Farbstoffs (mg); C m = Durchschnittliche Indikatorkonzentration (mg/l); t = Totale Dauer der Messung (sec); k = Kalibrationsfaktor (mg/ml/mm Abweichung) (modifiziert nach Headley, J: Invasive hemodynamic monitoring: Physiological Principles and clinical application, Edwards Lifescience) Das Herzzeitvolumen entspricht somit der Fläche unter der Temperaturkurve. Eine Weiterentwicklung stellt das Vigilance-System dar. Hiermit ist es möglich, das Herzzeitvolumen nicht nur in Abständen, sondern kontinuierlich zu messen. Dazu verfügt der Katheter über einen Wärmedraht, der, statt der bisher üblichen Bolusgaben, kontinuierlich eine bekannte Menge an Energie an das Blut abgibt (70). 14
18 Analog zur herkömmlichen Methode wird die Themperaturänderung an einem Thermistor registriert und daraus das Herzzeitvolumen berechnet. Die transpulmonale Thermodilution (COLD und PiCCO) Das COLD-System (COLD = Ciculation, Oxygenation, Liver funcion Diagnostic) wurde von 1991 bis 2000 von der Firma Pulsion Medical Systems vertrieben. Wie bei der pulmonalen Thermodilution über den Pulmonaliskatheter wird ein Bolus von kalter Indikatorflüssigkeit über einen Katheter zentral-venös (z.b. zentraler Venenkatheter) appliziert. Der Verlauf der Indikatorkonzentration im Blut wird bei dieser Methode allerdings nicht in den Pulmonalarterien, sondern erst später im arteriellen Gefäßsystem, meistens in der Aorta descendens, aufgezeichnet. Während der ZVK ein handelsübliches Modell sein kann, muss der arterielle Katheter ein spezieller Thermodilutionskatheter sein, der an der Spitze über einen Thermistor verfügt. Bei der Methode des COLD-Systems wird auf zwei Indikatoren zurückgegriffen: Zum einen der Indikator Kälte, der sich diffus auf den intra- und extravasalen Raum ausdehnen kann. Zum anderen der Farbstoff Indocyaningrün, der sich fest an Plasmaproteine bindet und somit in den Gefäßen gehalten wird. Es kann somit das Volumen von intra- und extravasalem Raum bestimmt werden (49). Aus der Modernisierung des COLD hat sich ist das PiCCO-Messverfahren entwickelt, was für Pulse-induced continuous cardiac output steht. Im Gegensatz zum COLD- System genügt nun die alleinige Injektion von kalter (<8 C) oder raumtemperierter (<24 C) Kochsalzlösungen über den venösen Zugang als Indikator. Eine Farbstoffinjektion als zweiter Indikator ist nicht mehr erforderlich. Bei der transpulmonalen Thermodilution passiert der Indikator (bei PiCCO Indikator Kälte) über den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel die Lungenstrombahn und wird von dort an den linken Vorhof und schließlich den linken Ventrikel weitergeleitet. Über die Aorta wird der kalte Blutstrom in das arterielle Gefäßsystem verteilt, wo der arterielle Katheter mit Hilfe des Thermistors die Temperaturveränderung misst. Die erfassten Werte werden an den PiCCO-Computer weitergeleitet, der mit Hilfe der etwas modifizierten Stewart Hamilton Gleichung das Herzzeitvolumen (HZV) berechnet (34). 15
19 HZV = [(Tb Ti) Vi K] / [ Tb dt] Dabei entspricht: Tb = Bluttemperatur; Ti = Injektattemperatur; Vi = Injektatvolumen Tb dt = Fläche unter der Thermodilutionskurve; K = Korrekturfaktor, aus spezifischem Gewicht und spezifischer Wärmekapazität von Blut und Injektat Mit Hilfe der Thermodilution lassen sich das HZV, das globale enddiastolische Volumen (GEDV), das intrathorakale Blutvolumen (ITBV), das extravaskuläre Lungenwasser (EVLW), der pulmonalvaskuläre Permeabilitätsindex (PVPI), der kardiale Funktionsindex (CFI) und die globale Auswurffraktion (GEF) bestimmen. Um diese Parameter zu erhalten, bedarf es einiger weiteren Berechnungen (siehe auch Abb. 4): Abb. 4: Berechnung der Volumina mit Hilfe der Thermodilution (34) 16
20 Multipliziert man die Mean Transit Time, welche die Zeit ist, nach der die Hälfte des Indikators den arteriellen Messpunkt passiert hat, mit dem bereits berechneten HZV, so erhält man das gesamte zwischen den beiden Nadeln befindliche Volumen (intrathorakales Thermovolumen ITTV): ITTV = MTt HZV. Die Zeit bis zum exponentiellen Abfall der Thermodliutionskurve wird als Down Slope Time (DSt) bezeichnet. Multipliziert man die DSt mit dem HZV, so erhält man das nur in dem pulmonalen Kompartiment befindliche Blutvolumen (pulmonales Thermovolumen PTV): PTV = DSt HZV. Das GEDV ist sie Summe des Blutvolumens aller vier Herzkammern zum Zeitpunkt der Enddiastole. Es berechnet sich, indem vom gesamten thorakalen Volumen das Volumen der Lunge abgezogen wird: GEDV = ITTV PTV. In verschiedenen Studien, die die alleinige transpulmonale Thermodilution mit der Thermofarbstoffdilution vergleichen haben, hat sich gezeigt, dass das mit Thermofarbstoffdilution gemessene ITBV konstant um 25% größer ist als das mit PiCCO ermittelte GEDV (87). Daraus ergibt sich die folgende Berechnung: ITBV = 1,25 GEDV. Das extravaskuläre Lungenwassser (EVLW) entspricht dem Wassergehalt der Lunge und wird berechnet mittels Subtraktion des ITBV von ITTV: EVLW = ITTV ITBV (21,34,38,72,87). Arterielle Pulskonturanalyse Beim PiCCO-System ist neben der Messung der Thermodilution auch die gleichzeitige Analyse der arteriellen Pulskurve möglich. Da die Blutdruckkurve von der individuell unterschiedlichen Compliance der Aorta abhängig ist, muss das Gerät vor Bestimmung der Werte, z.b. mit Hilfe der arteriellen Thermodilution (siehe oben) kalibriert werden (35,109). Danach kann mit Hilfe der Konturanalyse das Schlagvolumen (SV) eines jeden Herzschlags und darüber auch das Herzzeitvolumen bestimmt werden (36). PCHZV = cal HR [ P t / SVR + C p dp / dt] dt Dabei entspricht: cal = Patientenspezifischer Kalibrationsfaktor (Ermittlung mit Thermodilution); P t / SVR = Fläche unter der Kurve; C p = Aortale Compliance; dp/dt = Form der Druckkurve 17
21 Neben dem Herzzeit- und dem Schlagvolumen kann über die Konturanalyse der Blutdruck, die Herzfrequenz (HR), die Variation des Schlagvolumens (SVV), die Variation des Pulsdrucks (PPV), der systemische vaskuläre Widerstand (SVR) und der Index der linksventrikulären Kontraktilität (dpmx) bestimmt werden (siehe unten). Die arterielle Pulskonturananalyse kommt auch unabhängig vom PiCCO-System zum Einsatz. Auch bei diesen Messungen, z.b. über einen Halter am Finger (Finapress), muss das Gerät vor der Nutzung kalibriert werden, um eine korrekte Bestimmung der Werte zu gewährleisten (52). Seltener genutzte Verfahren Echokardiographie Zum einen kann mit Hilfe der Echokardiographie planimetrisch die end-diastolische Fläche des linken und auch des rechten Herzen bestimmt werden. Hierzu eignet sich die Ansicht in der Kurzen Achse genauso wie eine Darstellung in Längsachse. Bei beiden Einstellungen wurde die Fläche oder der Durchmesser auf Höhe des Papillar- Muskels berechnet (20,99) Zum anderen kann mit der Ultraschalltechnik bei Einsatz der Doppler-Funktion das Herzzeitvolumen bestimmt werden, indem man die Flussrate durch ein Objekt mit bekannter Größe misst. Dazu eignen sich besonders die Mitral- und Aortenklappe oder die Aorta selbst (40,99). Thorakale Bioimpedanz Die thorakale Bioimpedanz ist eine weitere nicht-invasive Technik zur Bestimmung des Schlag- und Herzzeitvolmens. Es wird dabei kontinuierlich der transthorakale Widerstand gemessen, der sich durch Atmung und pulsatilen Blutfluss ändert. Über zwei Elektroden an Hals und Sternum wird ein Wechselstrom von niedriger Amplitude und hoher Frequenz abgeleitet. Da das in den großen Gefäßen fließende Blut der beste, sich verändernde elektrische Leiter im Brustraum ist, gilt die Impedanz als Marker für die Änderungen des thorakalen Blutvolumens (93). Steigt das Blutvolumen an, sinkt der Widerstand. Entsprechend verbessert sich die Leitfähigkeit bei einem Anstieg der Blutmenge in der Aorta kurz nach der Systole (69). Bei einer reduzierten Blutmenge, steigt die Impedanz dagegen an. Mit Hilfe der modifizierten Formel nach Sramek und Bernstein kann das Schlagvolumen berechnet werden: 18
22 SV = LVE-Time Volumen des einbezogenen Gewebes [ml] dz /dt // Z 0 (41) SV = Schlagvolumen [ml], LVE-Time = Auswurf-Dauer der Ventrikel [sec], dz/dt = maximale Frequenz der Impedanz-Änderung [ohm/sec], Z 0 = Grund-Impedanz [ohm] Bestimmung des Zirkulierenden Blutvolumens Bei der Farbstoffdilution wird, entsprechend dem Indikator Kälte bei der Thermodilution, ein Farbstoff wie zum Beispiel Indocyaningrün oder Evans Blau eingesetzt. Analog zur Thermodilution wird mit einem Densitometer entweder transkutan oder direkt in einer Blutprobe die Verdünnung des Farbindikators im Blut gemessen. Mit Hilfe verschiedener Messgeräte wird dabei entweder die Absorption (Maximum etwa bei 805nm) oder die Fluoreszenz (Maximum etwa be 830nm) gemessen. Eine andere Methode ist die Markierung von Erythrozyten mit 51 Chrom. Eine kleine Menge markierter Erythrozyten wird über die Vena femoralis in den Kreislauf gebracht. Im zeitlichen Abstand von etwa 30 Minuten wird Blut aus der Arteria femoralis entnommen und die Radioaktivität in der Probe bestimmt. Die Menge des zirkulierenden Blutvolumens wird aus dem Verhältnis der verabreichten Radioaktivität zur Aktivität der entnommen Probe bestimmt. Dabei wird die Aktivität der Probe auf die Aktivität zum Zeitpunkt der Injektion zurückgerechnet, um den radioaktiven Zerfall außer Acht lassen zu können (30) Parameter zur Volumenmessung Im Folgenden werden die Parameter aufgezählt, welche in der Mehrzahl der Studien zur Abschätzung der Veränderungen des Blutvolumens bestimmt wurden. Weiterhin werden für die einzelnen Parameter die unterschiedlichen Methoden genannt, die in den einzelnen Studien zu ihrer Bestimmung verwendet wurden. Herzfrequenz (HF) und Blutdruck Die Herzfrequenz und der Blutdruck wurden in fast jeder Studie routinemäßig bestimmt, allerdings wurde nicht in allen Arbeiten genau beschrieben, wie die Daten erhoben wurden. Die HF wurde in den meisten Fällen im EKG durch den Abstand der R-Zacken ermittelt (20,33,54,101). In einer Studie wurde sowohl der Blutdruck als 19
23 auch die HF über eine Messung am Finger (Finapress) ermittelt (15,40). Seltener wurde die HF über den Pulmonaliskatheter oder die thorakale Bioimpedanz bestimmt (22,35,85). Bei der Blutdruck-Messung ist die invasive von der nicht-invasiven Messung zu unterscheiden. Bei der invasiven Messung wird als Zugangsort die A. carotis oder die A. femoralis gewählt (13,20,22,27,28,30,31,33,3572). Nicht-invasiv wird der Blutdruck über Armmanschette (101), thorakale Bioimpedanz (85) oder Fingermessung (15,32,40) bestimmt. Zum Teil wird der Blutdruck auch direkt mittels PC und Monitor aufgezeichnet, um eine Pulskontur-Analyse durchzuführen (20,30,32,35,71,72,84). Der Blutdruck wird dabei als systolischer (SBP) und diastolischer Wert (DBP) oder als mittlerer arterieller Druck (MAP) angegeben. Der MAP errechnet sich wie folgt: DBP + 1/3 (SBP DBP). In allen verglichenen Studien mit schrittweisem Blutverlust (Gruppe 1) zeigt sich, dass der Blutdruck erst ab einem Blutverlust von etwa 30% - 50% deutlich abfällt (Abb. 4). Die Messungen mit einem niedrigeren Blutungsvolumen zeigen dann eindeutige Abweichungen vom Ausgangswert. Abb. 4: Verhalten des MAP bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen 20
24 In den Versuchen mit Low-Body-Negativ-Pressure (Gruppe 2) zeigen sich bis zu einem Druck von -50mmHg, was einem Blutverlust von mehr als 20% des Blutvolumens entspricht (16), keine deutliche Veränderung des mittleren arteriellen Blutdrucks, die auf den Blutverlust hinweisen könnten (Abb. 5). Abb. 5: Verhalten des MAP bei zunehmedem Low-Body-Negative-Pressure Sowohl bei den Versuchen mit Low-Body-Negative-Pressure (Abb. 6) als auch bei solchen mit schrittweise durchgeführtem Blutverlust (Abb. 7) zeigt sich überwiegend eine Zunahme der Herzfrequenz mit steigendem Blutverlust. Das Ausmaß dieses Anstiegs ist dabei allerdings sehr unterschiedlich und es zeigen sich große Abweichungen zwischen den einzelnen Studien. Zudem zeigen manche Arbeiten einen initialen Abfall der Herzfrequenz, so dass erst ab einem Blutverlust von etwa 20% des gesamten Blutvolumens der Ausgangswert überstiegen wird (27,77). Zum Teil wird auch bis zum Ende der Messungen der Ausgangswert nicht mehr erreicht (99). 21
25 Abb. 6: Herzfrequenz bei zunehmendem Low-Body-Negative-Pressure Abb. 7: Änderung der Herzfrequenz bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen 22
26 Systemischer Gefäßwiderstand Wie schon oben beschrieben, kommt es bei großen Blutverlusten einerseits über eine, durch das sympathische Nervensystem vermittelte, Stimulation der α 1 - Rezeptoren zu einer peripheren Vasokonstriktion. Zum anderen bewirkt zusätzlich die Aktivierung des Angiotensin-Aldosteron-Systems eine Zunahme des systemischen Gefäßwiderstands (107). Arbeiten, die den systemischen Gefäßwiderstand angeben zeigen ein nicht einheitliches Verhalten dieses Parameters. In manchen Studien (27,31,77) zeigt sich ein diskontinuierlicher Anstieg des Gefäßwiderstand um etwa 30% bei einem Blutverlust von 30-40% des Gesamtvolumens (Abb. 8). Im Gegensatz dazu zeigen andere Autoren auch noch bei einem Blutverlust von 44,6% einen systemischen Gefäßwiderstand, der sogar knapp unter dem Ausgangswert liegt (59). Abb. 8: Änderung des systemischen Gefäßwiderstands bei schrittweise abnemendem Blutvolumen Zentraler Venendruck (CVP) Als zentraler Venendruck wird der Druck der intrathorakalen Venen bzw. des rechten Vorhofs bezeichnet. In der diastolischen Phase der Herzaktion entspricht der zentrale Venendruck dem Druck des rechten Ventrikels. Da Druck und Füllungszustand des rechten Ventrikels in Relation stehen, wird der zentrale Venendruck häufig zur 23
27 Bestimmung der Herzfüllung und somit zur Bestimmung des Gesamtblutvolumens eingesetzt. In jeder Studie zeigte sich ein Abfall des zentralen Venendrucks mit zunehmendem Blutverlust (Abb. 9). Im Vergleich der Studien zeigt sich jedoch ein unterschiedlicher Abfalls des zentralen Venendrucks bei vergleichbaren Blutverlusten. Bei einer Entnahme von 20% des Blutvolumens zeigte sich bereits zum Teil schon ein Abfall des zentralen Venendrucks auf 54% des Ausgangswertes (7), während er in anderen Arbeiten erst um etwa 30% abgefallen ist (77,78). Auffällig sind die zum Teil enormen Standardabweichungen, die zum Teil nicht nur den Mittelwert, sondern auch den Ausgangswert übertreffen (59). Abb. 9: Veränderung des zentralen Venendrucks bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen Pulmonal-arterieller Verschlussdruck (PAOP, PCWP) Mit Hilfe des Pulmonaliskatheters können neben dem zentralen Venendruck auch die gemischt-venöse Sauerstoffsättigung, der pulmonal-arterielle Druck und der Druck im rechten Herzen gemessen werden. Um den Druck im linken Herzen zu bestimmen, wird zunächst der pulmonale Verschlussdruck bestimmt. Um den Verschlussdruck zu messen, wird der Katheter an der Spitze mit einem Ballon geblockt. Durch weitere 24
28 Herzaktionen wird der Katheter mit dem Blutstrom so weit in kleinere Gefäße eingeschwemmt, dass er diese schließlich komplett abdichtet. Es kann kein Blut mehr von proximal kommend am Katheter vorbeifließen. Der distal des Ballons gemessene Druck entspricht in etwa dem Druck im linken Vorhof bzw. dem linksventrikulären enddiastolischen Druck. Im Gegensatz zur Messung des zentralen Venendrucks, welche die Füllung des rechten Ventrikels repräsentiert, kann durch die Bestimmung des pulmonal-arteriellen Verschlussdrucks direkt der Füllungszustand des linken Herzens abgeschätzt und Rückschluss auf die Versorgung im großen Kreislauf gezogen werden. Auch der pulmonal arterielle Verschlussdruck fällt mit zunehmendem Blutverlust kontinuierlich ab. Während bei Fujita et al. der PAOP allerdings bei 22,3 % Blutverlust bereits auf 43% abgefallen ist (31), liegt er bei Lichtwark-Aschoff auch bei einem Blutverlust von 44,6% noch bei 88,9% des Ausgangswerts (59). Abb. 10: Veränderung des pulmonal-arteriellen Verschlussdrucks bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen 25
29 Enddiastolische Fläche (EDA) Entscheidende Größe beim Volumenmonitoring mit Hilfe der transösophagealen Echokardiographie ist die enddiastolische Fläche des linken Ventrikels. Zu deren Bestimmung wird der Schallkopf so ausgerichtet, dass das linke Herz in der kurzen Achse auf Höhe des Papillarmuskels abgebildet wird. Die enddiastolische Fläche wird dabei entweder als die größte Fläche nach der T-Welle (48) oder als die Fläche zum Zeitpunkt bzw. kurz nach der R-Zacke im EKG angenommen (80,81). Die enddiastolische Fläche ist die kleinste Fläche des linken Ventrikels nach Erscheinen der R-Zacke im EKG (48). Intrathorakales Blutvolumen (ITBV) Bei der Thermofarbstoffdilution wird die mittlere Durchgangszeit des Farbstoffs am Messort mit dem zuvor über transpulmonale Thermodilution bestimmten Herzzeitvolumen multipliziert. Daraus ergibt sich das intrathorakale Blutvolumen (ITBV = HZV MTT ICG [ml]) (80). In verschiedenen Studien, welche die arterielle Thermodilution (PiCCO) mit der Thermofarbstoffdilution (COLD) verglichen haben, konnte gezeigt werden, dass das mit Thermofarbstoffdilution gemessene ITBV konstant um 25% größer als das mit PiCCO ermittelte GEDV ist (87). Daraus ergibt sich die folgende Berechnung für das über die arterielle Thermodilution bestimmte intrathorakale Blutvolumen: ITBV = 1,25 GEDV [ml]in. Zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass das intrathorakale Blutvolumen, im Gegensatz zum zentralen Venendruck oder pulmonal-arteriellen Verschlussdruck, ein zuverlässigerer Parameter zur Bestimmung des Blutvolumens zu sein scheint (8,10,59) Herzzeitvolumen Auch wenn sich viele Arbeiten mit dem Herzzeitvolumen beschäftigen, werden nur in fünf Arbeiten die Ergebnisse so präsentiert, dass sie untereinander verglichen werden können. Das Herzzeitvolumen nimmt mit verringertem Blutvolumen ebenfalls ab. Anhand der Daten von Di Segni et al. ist allerdings ersichtlich, dass der Abfall nicht kontinuierlich verläuft, sondern vor allem bis zu einem Blutverlust von 20% immer wieder der Vorwert überstiegen wird (27). 26
30 Abb. 11: Veränderung des Herzzeitvolumens bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen Schlagvolumen (SV) und Schlagvolumenvariation (SVV) Das Schlagvolumen kann auf verschiedenen Wegen ermittelt werden. Zum einen kann es über Thermodilutionsverfahren errechnet werden (siehe oben) (37). Zum anderen kann der Wert auch über die transösophageale Echokardiographie (22), die thorakale Bioimpedanz (32,85) oder die Pulskontur-Analyse (35) berechnet werden. SVV gibt die prozentuale Veränderung des Schlagvolumens, ausgehend von einem Mittelwert, während eines Atemzyklus wieder. Hierzu wird das minimale und das maximale Schlagvolumen sowie der Mittelwert daraus bestimmt und die Variation des Schlagvolumens mit der Formel SSV = [(SV max SV min ) / SV mittel 100] berechnet (modifiziert nach der Produktbeschreibung der Fa. Pulsion). Dieser Wert kann allerdings nur bei beatmeten Patienten in einem Fenster von 30 Sekunden gemessen werden. Die Schwankungsbreite hängt bei Beatmeten in erster Linie vom Füllungszustand der Gefäße ab. Daher kann bei einer großen Schlagvolumenvariation von einem verminderten Blutvolumen ausgegangen werden 27
31 Neben der Variation des Schlagvolumens verringert sich das Schlagvolumen ebenfalls mit abnehmendem Blutvolumen. Ein deutlicher Abfall zeigt sich allerdings erst ab einem Blutverlust von ca. 20% des Gesamtvolumens. Die Geschwindigkeit des Abfalls ist auch bei diesem Parameter zwischen den einzelnen Arbeiten unterschiedlich. Berkenstadt et al. zeigt eine Abnahme des Schlagvolumens auf 26% des Ausgangswertes (7), wogegen bei Slama et al. nur eine Abnahme um 32% gemessen wird (99). Abb. 12: Veränderung des Schlagvolumens bei schrittweise abnehmendem Blutvolumen Systolic pressure variation (SPV) Dieser Wert wird an Hand der Blutdruckkurve meistens mit Hilfe der Pulskonturanalyse (siehe unten) erhoben. Unter der systolic pressure variation versteht man die Differenz zwischen den minimalen und den maximalen Werten des systolischen Blutdrucks während eines Atemzyklus bei überdruck-beatmeten Patienten. Diese Differenz setzt sich aus zwei Werten zusammen: Zum einen die so genannte Delta-up-Phase (dup) zum anderen die Delta-down-Phase (ddown). dup entspricht der Differenz zwischen dem maximalen Blutdruckwert und dem Wert während einer kurzen Apnoe-Phase der Atmung. Entsprechend beschreibt ddown die Differenz zwischen dem Wert der Apnoe-Phase und dem minimalen 28
32 Blutdruckwert (74). Ist ein Patient hypovolämisch sind die Effekte einer Überdruckbeatmung deutlicher zu sehen, was sowohl in einer Erhöhung der SPV, als auch in einer Steigerung der ddown-komponente zu sehen ist. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Veränderungen der SPV und besonders der ddown- Komponente mit einem Volumenverlust korrelieren (74,84). Dennoch ist die SPV ein hauptsächlich experimenteller Parameter, der in der Klinik kaum routinemäßig eingesetzt wird. 29
33 4. Diskussion Eine häufige peri- und/oder postoperative Komplikation ist der Volumenmangel. Daher ist die Bestimmung des Volumenstatus und die frühzeitige Aufdeckung einer Hypovolämie ein zentrales Anliegen der Anästhesie und Intensivmedizin. Ziel der vorliegenden Literaturrecherche war es, Studien zu ermitteln, die sich mit der Diagnostik des Volumenmangels auseinandersetzen und zu überprüfen, ob die Arbeiten vergleichbar bzw. in einer Meta-Analyse zusammenzufassen sind. Darüber hinaus sollte festgestellt werden, ob es valide Parameter gibt, welche einen Volumenmangel bereits vor der Manifestation eines hämorrhagischen Schocks erkennbar machen können. Im Rahmen der Literaturrecherche zeigte sich bereits zu Anfang, dass das erste Ziel der Arbeit nur unzureichend bearbeitet werden kann. Aufgrund der oben erläuterten, unzureichenden Datenlage in den Datenbanken der Medline Datenbank (Medline Database) war der Versuch der Zusammenfassung im Sinn einer Metastudie im ursprünglich geplanten Umfang nicht durchführbar. Das hatte zum einen den Grund, dass viele Studien bereits im Vorfeld aussortiert werden mussten, da sie nicht die geforderten Kriterien erfüllten. Viele Arbeiten beschäftigten sich mit der Regulation des Flüssigkeitshaushaltes bei Patienten der Intensivstation. Hierbei galt das Interesse der feinen Abstimmung zwischen Flüssigkeitszufuhr und Ausscheidung. Der akute Blutverlust spielte dabei keine Rolle. Ausgesondert wurden auch Studien, die sich mit dem Flüssigkeitshaushalt von Verbrennungsopfern und Dialyse- Patienten beschäftigten, da es sich in beiden Fällen nicht um einen akuten Blutverlust handelt. Das Fehlen von Arbeiten oder auch Übersichtsartikeln zur Diagnostik des akuten Blutverlusts bzw. einer akut eingetretenen Hypovolämie zeigte deutlich, dass eine systematische Aufarbeitung der o.g. Thematik notwendig erscheint. Daher wurde im folgenden eine detailliertere Analyse der ins Protokoll der Fragestellung passenden Studien vorgenommen. 30
34 4.1 Vergleichbarkeit der erhobenen Parameter und Studien Bei der Untersuchung, ob der Zusammenschluss der analysierten Arbeiten zu einer Metastudie möglich ist, zeigt sich die große Heterogenität der Messergebnisse gleicher Parameter. Mehrere Gründe tragen zu dieser Uneinheitlichkeit bei. Zum einen zeigt die Durchsicht der Arbeiten, dass gleiche Parameter mit Hilfe verschiedener Messmethoden erhoben werden und je nach Sensitivität des Verfahrens abweichende Werte ermittelt werden können. Zum anderen ist die Vergleichbarkeit durch die sehr unterschiedlichen Versuchsprotokolle der einzelnen Arbeiten stark eingeschränkt. Im Vorfeld wurden bereits Arbeiten mit ähnlichem Versuchsaufbau zusammengefasst (Design- Gruppen). Die Zusammenfassung der Arbeiten zu einer Metastudie ohne Trennung nach Design-Gruppen erscheint, auf Grund der stark unterschiedlichen Versuchsprokolle, nicht sinnvoll. Gruppe 2 unterscheidet sich von allen anderen Gruppen durch die Simulation des Blutverlusts mit Hilfe des Low Body Negative Pressure. Cooke et al. zeigten 2004, dass der Versuchsaufbau des Low Body Negative Pressure unter physiologischen Bedingungen die Entstehung eines Volumenmangelschocks bei Menschen imitieren kann. Diese Vergleichbarkeit wurde allerdings nur für gesunde Probanden gezeigt (16). Die Studien, die in die Analyse aufgenommen wurden, schließen zwar nur gesunde Freiwillige in das Patientenkollektiv ein, so dass die Voraussetzungen, unter denen Cooke et al. ihre Arbeit erstellt haben, erfüllt sind. Es zeigt sich aber, wie anfällig das System für Abweichungen bei Pathologien ist, die auch bei Gesunden bereits durch Stress oder Aufregung gegeben sein können. Auch körperliche Fitness hat einen Einfluss auf die Reaktionen des LBNP. So tolerieren Probanden, die ausdauerttrainiert sind, den LBNP schlechter als solche, die kein Training absolviert haben (57). Bei allen anderen Design-Gruppen handelt es sich zwar um einen tatsächlichen Blutverlust, trotzdem weichen die Versuchsprotokolle im Detail stark voneinander ab. Die unterschiedlichen Werte der Parameter entstehen zum einen durch die verschiedenen Zeitpunkte im Versuchsablauf, zu denen die Messungen durchgeführt wird. In Design-Gruppe 1 (schrittweiser Blutverlust) findet die Messung kurz nach der 31
35 Entnahme des Bluts statt, was bedeutet, dass die körpereigenen Kompensationsmechanismen noch nicht stattfinden bzw. eine messbare Auswirkung haben konnten. Die aufgezeichneten Werte repräsentieren in erster Linie die maximale Veränderung direkt nach dem akuten Blutverlust und sind daher nicht vergleichbar mit Werten, die erst längere Zeit nach der Blutentnahme erhoben wurden. Die Werte in Design-Gruppe 3 (einmaliger Blutverlust) zeichnen dagegen die Änderung der Werte im Verlauf auf und spiegeln damit diese Anpassungsmechanismen des Körpers wieder. Neben dem Zeitpunkt der Messung spielt auch die Geschwindigkeit des Blutverlusts eine entscheidende Rolle. Ein langsamerer Blutverlust, während dessen der Körper ausreichen Zeit zur Anpassung hat, führt im Gegensatz zum schnellen Verlust zu einem höheren Blutdruck, einem vergrößerten Herzzeitvolumen und Schlagvolumen sowie zu einem größeren zentralen Blutvolumen (3). Daraus ergibt sich, dass die Werte zwischen Arbeiten mit einer unterschiedlicher Entnahmefrequenz nicht bzw. nur bedingt miteinander übereinstimmen können. Der erneute Versuch, wenigstens die Arbeiten einer Design-Gruppen zu einer Metastudie zusammenzufassen, zeigt, dass auch innerhalb dieser vermeintlich gleichen Gruppe Vergleiche nur bedingt möglich sind. Zum einen weichen selbst innerhalb einer Design-Gruppe die Versuchsprotokolle im Detail im Hinblick auf den genauen Zeitpunkt der Messung, die Geschwindigkeit des Blutverlusts, die Gesamtmenge an entnommenem Blut und der Dauer der Blutentnahme voneinander ab. Zum anderen bestehen die analysierten Arbeiten sowohl aus Experimenten, die an Menschen, als auch aus solchen, die an Tieren durchgeführt wurden. Eine gleichmäßige Verteilung zwischen Menschen und Tieren innerhalb einer Design- Gruppe kann dabei aus verschiedenen Gründen nicht erreicht werden: In Design- Gruppe 1 sind fast nur Arbeiten zusammengefasst, bei denen Untersuchungen an Tieren durchgeführt wurden. Grund dafür ist das Versuchsprotokoll des schrittweise durchgeführten Blutverlusts bis hin zum hämorrhagischen Schock, der verständlicher Weise aus ethischen Gründen nicht an Menschen durchgeführt werden kann. Nur in einer Studie wurden Patienten, die sich im Rahmen einer elektiven Operation im Krankenhaus aufhielten, insgesamt 1000ml Blut entnommen (84). Sowohl der Versuchsaufbau, der ein Versterben der Tiere im Volumenmangelschock in Kauf 32
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