Sichere Räume schaffen! Sexualisierte Gewalt und Prävention in Jugendeinrichtungen. Mag. a Yvonne Seidler,

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1 Sichere Räume schaffen! Sexualisierte Gewalt und Prävention in Jugendeinrichtungen Mag. a Yvonne Seidler,

2 Inhalte: Betroffene/übergriffige/sexuell gewalttätige Kinder/Jugendliche Sexualisierte Gewalt in Jugendeinrichtungen, Risiko- und Schutzfaktoren Prävention: Sichere Räume schaffen! 2

3 Sexualisierter Gewalt an Kindern/Jugendlichen: o Optimus Studie Schweiz 2012: 22% der Mädchen und 8% der Buben erlebten Missbrauch mit Körperkontakt, ca. 2/3 der Kinder erfuhren wiederholt sexualisierte Gewalt. o ÖIF-Studie Österreich 2011: 28 % der Frauen und 12 % der Männer gaben an, in der Kindheit sex. Gewalt erlebt zu haben, über Missbrauch mit Körperkontakt berichteten 21 % der Frauen und 8 % der Männer. o Österreich: Betroffene von Missbrauch mit Köperkontakt: Mädchen U18 (~ Betroffene) Buben U18 (~ Betroffene) 3

4 SEXUALISIERTE GEWALT DURCH JUGENDLICHE Katz, 1990, USA: 56% aller sexuellen Gewalttaten an Kindern und 20% aller Vergewaltigungen werden von Jugendlichen unter achtzehn Jahren verübt. Young, 2009, USA: 50 % von Highshool-Schülerinnen berichteten von sexueller Belästigung, 25 % von schwerer sexueller Gewalt, Burschen: 25 % sexuelle Belästigung, 2 % schwere sexuelle Gewalt. 7,9 % der Burschen, 4,4 % der Mächen berichteten von eigenem sexuell aggressivem Verhalten. Eisner, Riboud, 2006, Schweiz: 40 % aller Sexualstraftäter minderjährig, häufiges Umfeld Disco, Parties, Wohnung. Bei jugendlichen Tätern weit seltener Anzeigen! (3 % im Gegensatz zu 17 % bei erwachsenen Tätern). 4

5 Anzeigenhäufigkeit Sexualisierte Gewalt: ÖIF Studie Österreich 2011: 8,8 % der Frauen, die eine Vergewaltigung erlebt haben, erstatteten Anzeige. Am häufigsten werden Delikte von Fremdtätern angezeigt, hier ist auch die Verurteilungsquote am höchsten. Anzeigen wegen sexualisierter Gewalt an Kindern erfolgen noch seltener! 5

6 4198 Anzeigen (BMI 2016): 6

7 986 Verurteilungen: 7 Vgl. Statistik Austria 2016

8 Betroffene sexualisierter Gewalt: 8 Vgl. BMI 2016

9 3527 Tatverdächtige, Alter+Geschlecht 9 15

10 Beziehung Tatverdächtige Betroffene: 10

11 TATVERDÄCHTIGE AUF EINWOHNER 11

12 ANGEGEBENE MOTIVE JUGENDLICHER SEXUALSTRAFTÄTER_INNEN: 12 Vgl. Allroggen, Fegert, 2011

13 D: ANZAHL DER TATVERDÄCHTIGEN BEI VERGEWALTIGUNG DURCH GRUPPEN ( 177ABS.2NR.2STGB) 13 13

14 RISIKOFAKTOREN FÜR VIKTIMISIERUNG UND SEXUALISIERTE GEWALTTÄTIGKEIT: Bereitschaft zu unverbindlichen Sexualkontakten Alkohol und Drogen im Kontext sexueller Interaktion Uneindeutige Kommunikation sexueller Absichten: token resistance : Zurückweisung trotz Bereitschaft zu Sexualkontakt compliance : Einwilligung ohne Bereitschaft Vgl. Krahè 2011

15 Sexualisierte Gewalt in Jugendeinrichtungen: Grenzverletzungen -> Übergriffe -> strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt: durch Jugendliche / an Jugendlichen, durch Jugendarbeiter_innen / externe Personen. Strukturelle Risikofaktoren 15 Enders, 2012

16 Täterstrategie Arbeitsplatz o Berufswahl o Einstellungsverfahren: Ausschluss ungeeigneter Personen o Einrichtungsstruktur, Organisationskultur: - Sehr autoritäre Strukturen begünstigen fachliche und persönliche Abhängigkeiten, Seilschaften, strenge Hierarchien, keine Mitsprache, mangelnde Fehlerkultur... - Sehr diffuse Strukturen: unzureichender Trennung zwischen persönlichen und beruflichen Kontakten, keine Kontrolle, unverbindliche Vereinbarungen, heimliche Leitung,... o Pädagogische Konzepte: Umgang mit Autonomie und Selbstbestimmung, Grenzen, Gewalt, Sexualität. 16 Luise Conen, Jörg Fegert 16

17 Relevante Faktoren in Institutionen: Räumliche Gegebenheiten Organisationsstrukturen und Hierarchien Mitarbeiter_innenauswahl, Arbeitsbedingungen Pädagogische und sexualpädagogische Konzepte, fachliche Kontrolle Partizipation und Beschwerdemanagement Unterstützungssysteme Einbezug von Bezugspersonen, Umfeld, Eltern 17 Fegert, 2011, Frings, Huxoll, 2012

18 Erste präventive Maßnahmen: Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit, Politische Lobby-Arbeit Botschaften an Frauen: Wehrt euch! und Holt euch Hilfe! 18

19 Präventionskonzepte für Kinder und Jugendliche: Sag NEIN! Dein Körper gehört dir! Schöne und blöde Gefühle Angenehme und unangenehme Berührungen Gute und schlechte Geheimnisse Du hast ein Recht auf Hilfe! Du bist nicht schuld! 19 vgl. Braun, 1989

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21 Klassische Opferprävention + stärkt Widerstandskräfte und Selbstbestimmungsfähigkeiten + fördert soziale Kompetenzen + ist relativ einfach und kostengünstig - Entlässt Erwachsene aus ihrer Verantwortung - Nährt den Mythos Mitschuld - Sieht Gewalt als individuelles Problem 21 Damrow, 2006

22 Kritikpunkte: o Hauptfokus liegt am Betroffenen o Fehlende Evaluationen bestehender Konzepte bezüglich ihrer Wirksamkeit o Fehlen spezieller Präventionskonzepte für besonders gefährdete Kinder o Fehlende Täterprävention o Fehlende strukturelle Prävention in Institutionen 22 Kindler, 2003, 2011

23 Perspektivenwechsel o Von den Kindern zu den Erwachsenen (Eltern, Pädagog_innen, ) o Von Opfer - zu Opfer - und Täter -Prävention (Wahrnehmung von Buben als Betroffene und Frauen als Täterinnen) o Von individueller zu struktureller Prävention 23

24 Sichere Räume schaffen: - Ist-Stand-Analyse Kinder/Jugendliche Mitarbeiter_innen Organisation Umfeld / Bezugspersonen / Eltern - Maßnahmen der Prävention - Evaluation - Weiterentwicklung 24

25 Kinder / Jugendliche: Individuelle Einflussfaktoren (Vorerfahrungen und -belastungen, Traumatisierungen, Reinszenierungen ) Gruppendynamische Faktoren (Gruppengefüge, Gewaltdynamiken unter Bewohner_innen ) Respekt, Anerkennung, Unterstützung, Empowerment Aufklärung und Sexualerziehung Informationsvermittlung (Rechte, Gesetze, Hilfseinrichtungen, ) Partizipation, Beteiligungsprojekte Interne und externe Beschwerdemöglichkeiten Interne und externe Ombudsstellen 25 Vgl. Fegert, Deegener

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27 Jugendarbeiter_innen: Individuelle und teamdynamische Einflussfaktoren! Auswahl, auch von Honorarkräften, Ehrenamtlichen, : Täterstrategie Arbeitsplatz Einstellungsverfahren Arbeitsbedingungen (Ressourcen, Personalschlüssel ) Personalentwicklung (Fortbildungen, Teamentwicklung, Supervisionen, Nachsorge ) 27

28 (Team) Leitung: Leitungsstil: Spannungsfeld Fürsorge und Kontrolle, unter- bzw. überstrukturierte Einrichtungen. Leitung als wesentlicher Faktor für Organisationskultur und Respekt gegenüber Jugendlichen! 28 Vgl. Conen, Fegert, Volksanwaltschaft 2013

29 Jugendeinrichtung: 29 Leitbilder, Verhaltenskodex, Handlungsrichtlinien Transparente Strukturen und Hierarchien Kommunikation und Informationsflüsse Beschwerdemöglichkeiten, -management Qualitätssicherung Lernfähigkeit der Organisation ( Fehlerkultur )

30 30 Fehlerkultur:

31 Nicht konstruktive Fehlerkultur: pädagogische Unsicherheiten / unklare Wahrnehmungen können nicht mehr geäußert werden Fehler sind kein Lernfeld sondern Versagen Sinkende Arbeitszufriedenheit, Resignation Flucht (Burn-Out, Krankenstände) Teamdynamiken: Vereinzelung, Spaltung, sinkende Teamkompetenz 31 Hauser, Egger, 2007

32 Umfeld, Bezugspersonen: Externe Kooperationen, Vernetzung und Austausch mit anderen Organisationen Einbezug spezialisierter Unterstützungssysteme (Angebote zur sexuellen Bildung, Prävention, Supervision, etc) Einbezug von Umfeld und Bezugspersonen 32

33 Intervention 33 Was wird als Übergriff gewertet? Wer muss wann informiert werden? Wer ist wofür zuständig? Welche Hilfen und Unterstützung steht zur Verfügung? (intern/extern) Dokumentation von: Beobachtungen/Informationen/Interventionen Betroffene und übergriffige Jugendliche sollten geeignete Hilfen von Spezialeinrichtungen erhalten Gewalt nicht pädagogisieren Polizei und Staatsanwaltschaft entscheiden über Straftatbestand!

34 Umgang mit Verdachtsfällen - Intervention Ruhe bewahren! Unterstützung suchen (Kolleg_innen, Supervision, Beratungseinrichtungen, Kinderschutzzentrum, KIJA, Sozialarbeiter_innen, ) Protokoll führen alle Beobachtungen, Fakten, Interventionen dokumentieren. Mitteilungspflicht bei Kindeswohlgefährdung Mitteilungspflicht Anzeigepflicht! 34