Ausgewählte Methoden der ganzzahligen Linearen Optimierung
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- Martin Ursler
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1 Ausgewählte Methoden der ganzzahligen Linearen Optimierung Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra rerum naturalium eingereicht von Arntraud Bacher bei AUnivProf Dr Kurt Girstmair an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck Innsbruck, im August 2000
2 Einleitung Die Lineare Optimierung ist eine der jüngsten mathematischen Disziplinen Der erste Kongress, welcher sich mit diesem Bereich beschäftigte, wurde 1949 in Chicago abgehalten Bald spaltete sich ein Zweig ab, die ganzzahlige Lineare Optimierung Wie es der Name schon sagt, werden nur ganzzahlige Optimallösungen von Problemen gesucht Meist erhält man eine brauchbare ganzzahlige Optimallösung, wenn man die nichtganzzahlige Optimallösung rundet Diese Möglichkeit ist jedoch nicht immer zu empfehlen, und darum haben Wissenschafter versucht Methoden zu finden, die mit wenigen Rechenschritten eine ganzzahlige Optimallösung liefern Die Wirtschaft ist das grösste Anwendungsgebiet der ganzzahligen Linearen Optimierung So ist es auch nicht verwunderlich, dass die meisten Veröffentlichungen zu diesem Thema in Journalen der Wirtschaft veröffentlicht wurden und werden Die Theorie wird meist intuitiv erklärt, anstatt mathematisch bewiesen Im ersten Kapitel dieser Diplomarbeit werden die Grundlagen der kontinuierlichen Linearen Optimierung wiederholt Im zweiten Kaptitel wird auf die Grundlagen der ganzzahligen Linearen Optimierung eingegangen Im dritten Kapitel wird dann genauer auf einige Verzweigungsmethoden eingegangen und versucht, die in den Originalartikeln mit zahlreichen Worten erklärte Theorie einiger Verzweigungsmethoden mathematisch darzustellen und zusammenzufassen 1
3 Inhaltsverzeichnis 1 Kontinuierliche Lineare Optimierung 4 11 Grundlagen Standardform eines LOPs Konvexe Mengen und Eckpunkte Basen, Zulässige Basen, Basislösungen 8 12 Der Simplexalgorithmus Das Simplextableau Der Basisaustausch Die Simplexmethode Der Simplexalgorithmus (SAL) Simplexmethode zur Lösung eines LOP Der duale Simplexalgorithmus Beispiele Calipso for Linear Programming DOS-Version Windows-Version Beispiel 33 2 Ganzzahlige Lineare Optimierung Grundlagen Standardform eines ganzzahligen LOP Eindeutigkeit und Existenz der Lösungen 38 2
4 INHALTSVERZEICHNIS 213 Lösung durch Aufzählen Wozu eigene Methoden? Graphen und Bäume 44 3 Die Verzweigungsverfahren Der Algorithmus von LAND und DOIG Die Idee Die graphische Beschreibung Der Algorithmus Findet der Algorithmus die Optimallösung? Beispiel Der Algorithmus von DAKIN Der Algorithmus Findet der Algorithmus die Optimallösung? Verbesserungen gegenüber der LAND-und-DOIG-Methode Beispiel Calipso for Linear Programming Die Penalty-Methode Vorbereitung Die Idee Der Additive Algorithmus von BALAS Die 3 Form eines LOPs Die Idee Der Algorithmus Findet der Algorithmus die Optimallösung? Calipso for Linear Programming Verzweigungsstrategien Depth First Search - Strategie Breadth First Search - Strategie 97 3
5 Kapitel 1 Kontinuierliche Lineare Optimierung 11 Grundlagen Ist eine lineare Funktion (= Zielfunktion), in Abhängigkeit von verschiedenen Restriktionen (auch Nebenbedingungen genannt), zu minimieren (oder zu maximieren), so spricht man von einem linearen Optimierungsproblem (kurz: LOP) Die Restriktionen beschreiben den zulässigen Bereich M Ein LOP hat also folgende Form: f(x) = min! L = x M wobei M R n, f : M R linear, x = (x 1,, x n ) T R n M wird durch ein System linearer Gleichungen und Ungleichungen in den Variablen x i, i = 1,, n beschrieben Beispiel 11 Eine Produktions rma hat zur Auslieferung ihrer Produkte zwei Speditionsunternehmen engagiert Unternehmen A verlangt pro Lastwagenfahrt 2 Geldeinheiten (GE), das Unternehmen B 8 GE Die Firma stellt die Bedingung, dass pro Tag mindestens 5, aber nicht 4
6 11 GRUNDLAGEN mehr als 10 Fahrten von beiden Unternehmen zusammen durchgeführt werden Das Unternehmen B hat noch die Forderung, dass es pro Tag mindestens einen Lieferauftrag bekommt Bei den Verhandlungen wurde nebenbei folgende Bedingung festgehalten: (Fahrten Unternehmen A) + 3 (Fahrten Unternehmen B) 85 Wie muss die Firma die Lieferfahrten verteilen, damit die Auslieferungskosten minimiert werden? x x 1 Abbildung 11: Bild zu Beispiel 11: Der zulässige Bereich ist schattiert, die Niveaulinie der Zielfunktion zum Optimalwert strichliert 5
7 11 GRUNDLAGEN L = f(x) = 2x 1 + 8x 2 min! x 1 + x 2 5 x 1 + x 2 10 x 2 1 x 1 + 3x 2 85 x 1, x Standardform eines LOPs Definition 12 (Standardform) Ein LOP in Standardform sieht folgendermassen aus: L = f(x) = c T x min! Ax = b x 0 n ist die Anzahl der Variablen; m die Anzahl der Restriktionen; c T = (c 1,, c n ) R 1 n (Vektor der Zielfunktionskoeffizienten); A ist eine reelle m n-matrix (Matrix der Nebenbedingungskoeffizienten); b = (b 1,, b m ) T R m (Vektor der Beschränkungen); x = (x 1,, x n ) T R n (Variablenvektor); c T x = n j=1 c j x j ist die Zielfunktion Sei im folgenden immer rang(a) = m Ist nämlich rang(a) < m, so können eine oder mehrere Zeilen von A als Linearkombination anderer Zeilen von A dargestellt werden Definition 13 (Ungleichungsform) Tritt bei einem LOP in mindestens einer der m Restriktionen statt dem Gleichheitszeichen eines der beiden Relationszeichen, auf, so sprechen wir von einem LOP in Ungleichungsform Falls nicht anderes angegeben, gehen wir im folgenden immer von einem LOP in Standardform aus 6
8 11 GRUNDLAGEN Mit Hilfe der sogenannten Schlupfvariablen kann ein LOP von der Ungleichungsform in die Standardform gebracht werden Beispiel 14 Fortsetzung von Beispiel 11: Wir führen die Schlupfvariablen x 3 0, x 4 0, x 5 0 und x 6 0 ein und erhalten: f(x) = 2x 1 + 8x x x x x 6 min! x 1 + x 2 x 3 = 5 x 1 + x 2 + x 4 = 10 L = x 2 x 5 = 1 x 1 + 3x 2 x 6 = 85 x 1, x 2, x 3, x 4, x 5, x Konvexe Mengen und Eckpunkte Definition 15 (konvex) Eine Teilmenge T von R n heisst konvex : für alle x, y T ist [x, y] := {αx + βy; α, β 0, α + β = 1} T Mit anderen Worten: Eine Menge heisst konvex, wenn alle Punkte, die auf der Verbindungsstrecke [x, y] zweier Punkte x und y der Menge liegen, ebenfalls zur Menge gehören Abbildung 12: konvexe Menge Abbildung 13: nicht konvexe Menge Satz 16 Der zulässige Bereich M = {x Ax = b, x 0} eines LOPs ist konvex Beweis: Seien x, y M x 0, Ax = b, y 0, Ay = b 7
9 11 GRUNDLAGEN Nun ist zu zeigen, dass [x, y] M, also zz: αx + βy 0 mit α + β = 1 Dies ist klar, da α, β, x und y 0 zz: A(αx + βy) = b mit α + β = 1 Da die Multiplikation mit A linear ist, gilt A(αx + βy) = αax + βay Wegen Ax = Ay = b und α + β = 1 folgt die Behauptung Definition 17 (Konvexes Polytop, Konvexes Polyeder) 1 Eine konvexe Menge der Form M = {x Ax = b, x 0} nennt man konvexes Polytop 2 Ein beschränktes konvexes Polytop wird konvexes Polyeder genannt Definition 18 (Eckpunkt) Jeder Punkt x eines konvexen Polytops M, für den gilt: x / [y, z] mit y z und y, z M wird Eckpunkt genannt Mit anderen Worten: Ein Eckpunkt liegt nicht auf der Verbindungsgeraden zweier verschiedener Punkte aus M 113 Basen, Zulässige Basen, Basislösungen Definition 19 (Basis) Sei L ein LOP in Standardform und gelte wie immer rang(a) = m Dann ist jede m m- Teilmatrix von A, deren Spalten linear unabhängig sind, eine Basis des LOPs Bemerkung 110 Wir setzen m < n voraus, da im Fall m = n das Problem genau eine eindeutige Lösung besitzt, und wir dann nicht mehr von einem Optimierungsproblem sprechen können 8
10 11 GRUNDLAGEN Sei A B eine Basis mit Indexmenge B Durch Vertauschen der Spalten von A können wir diese Matrix immer in folgende Form bringen: A = (A B, A R ), wobei A R eine Submatrix aus den (Rest-) Spalten ist, also denen, die nicht zur Basis gehören Ebenfalls können wir x in (x B, x R ) T und c in (c B, c R ) unterteilen Jede Lösung des LOPs genügt Ax = b, und somit auch Definition 111 (Basisvariablen, Restvariablen) A B x B + A R x R = b (11) Die Variablen x i mit i B heissen Basisvariablen Die Variablen x i mit i R heissen Restvariablen Definition 112 (Kanonische Form) A hat kanonische Form A B = I m, wobei m = rang(a) Definition 113 (Basislösung) Die spezielle Lösung von (11), die man erhält, indem man x R = 0 setzt, nennt man die zu B gehörige Basislösung Man rechnet sich dann x B aus, indem man A B x B = b löst Also: x B = A 1 B b Definition 114 (Zulässige Basislösung) Eine Basislösung ist zulässig, wenn x B 0, also wenn A 1 B b 0 Definition 115 (Zulässige Basis) Eine Basis A B eines LOPs heisst zulässig : die zugehörige Basislösung x B ist zulässig Definition 116 (Degenerierte Basislösung) Eine Basislösung heisst degeneriert, falls Komponenten von x B gleich 0 sind Satz 117 Jede zulässige Basislösung ist ein Eckpunkt des konvexen Polytops M = {x Ax = b, x 0} Beweis: Indirekt: Annahme: Sei x = (x 1, x 2,, x m, 0,, 0) R n eine zulässige Basislösung 9
11 11 GRUNDLAGEN mit Basisvariablen x 1, x 2,, x m, also B = {1,, m} und R = {m + 1,, n} Sei dieses x [p, q], wobei p, q M, p q, p x und q x Also muss gelten αp + βq = x mit α, β 0 und α + β = 1 1Fall: α = 0 β = 1 q = x Widerspruch zur Annahme, dass p, q, x voneinander verschieden sind 2Fall: β = 0 analog 3Fall: α, β 0 Dann αp j + βq j = 0 j R mit α, β > 0 und α + β = 1 Weil p und q zulässige Lösungen sind, dh alle Komponenten 0, muss gelten: p j = q j = 0 für alle j R Wenn wir das LOP auf kanonische Form bringen, stellen wir fest, dass die Werte der Basisvariablen eindeutig durch die Werte der Restvariablen bestimmt sind Also gilt p = q = x, was wiederum ein Widerspruch zur Annahme ist Definition 118 (Optimalwert) Sei x opt eine zulässige Optimallösung eines LOPs Dann ist o = c T x opt der Optimalwert des LOPs Satz Das Maximum oder Minimum einer linearen Funktion f(x) auf einem konvexen Polyeder M R n erhält man in mindestens einer Ecke 2 Wird es in mehr als einer Ecke gefunden, so erhält man es auch in jedem Punkt, der auf der Verbindungsgerade dieser Ecken liegt Beweis: Wird für Minimum gezeigt, für Maximum ist der Satz analog zu zeigen 1 Sei o = min{f(x) x M} Dann gibt es mindestens eine zulässige Basislösung x mit f( x) = o Nach Satz 117 ist jede zulässige Basislösung ein Eckpunkt von M, womit die Behauptung gezeigt ist 10
12 11 GRUNDLAGEN 2 Seien x 1 und x 2 zwei Eckpunkte von M, also o = min{f(x) x ist zulässige Basislösung} = f(x 1 ) = f(x 2 ) Sei x 0 [x 1, x 2 ] so folgt, da f eine lineare Funktion ist: f(x 0 ) = αf(x 1 ) + βf(x 2 ) = αo + βo = (α + β)o = o Also: Jeder Punkt, der auf der Verbindungsgerade [x 1, x 2 ] liegt, nimmt das Minimum der Funktion f(x) an Bemerkung 120 Ist der zulässige Bereich M eines LOPs leer, so ist das LOP unlösbar Beispiel 121 Für dieses Beispiel verwenden wir die Ungleichungsform M = {x, y R y x + 2, y x + 1, x 0, y 0} Die Pfeile geben an, in welche Richtung von der jeweiligen Geraden aus der zulässige Bereich de niert ist y x Abbildung 14: zulässiger Bereich ist leer Bemerkung 122 Ist der zulässige Bereich M eines LOPs unbeschränkt, so ist das LOP entweder unlösbar, besitzt eine eindeutige Optimallösung oder besitzt mehrere Optimallösungen 11
13 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Beispiel 123 Auch in diesem Beispiel verwenden wir die Ungleichungsform Sei M = {x, y R 5y x 2, 2y 3x + 3, x 0, y 0} x y Abbildung 15: zulässiger Bereich ist unbeschränkt Ist das LOP etwa durch y max! gegeben, so ist es unlösbar, da die Zielfunktion f(x, y) = y auf M nach oben unbeschränkt ist Das Problem y min! hingegen besitzt mehrere Optimallösungen Schliesslich besitzt zb y 2x min! genau eine Optimallösung Bemerkung 124 Ist der zulässige Bereich M beschränkt und nicht leer, so gibt es entweder genau eine zulässige Optimallösung des Problems oder mehrere, falls die Niveaulinie der Zielfunktion zum Optimalwert eine Kante des zulässigen Bereichs enthält 12 Der Simplexalgorithmus Es gibt viele Möglichkeiten, ein LOP zu lösen, die Frage ist nur, welche Methode schnell ist und nicht allzuviel Speicherplatz eines Rechners benötigt Graphische Lösungen sind nur bei Problemen mit zwei Variablen sinnvoll Bei mehr Variablen scheitert die Lösungsmethode an unserem Vorstellungsvermögen Versuchen Sie einmal ein Problem mit fünf Variablen graphisch zu lösen! 12
14 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Die Idee der Simplexmethode: Nach Satz 117 ist jede zulässige Basislösung eine Ecke des zulässigen Bereichs M Wir wählen also eine Ecke von M und suchen uns unter den Nachbarecken die mit dem kleinsten Optimalwert und prüfen, ob dieser Wert kleiner ist als der Optimalwert an der Ecke, an der wir uns gerade befinden Gibt es keine solche Ecke, so haben wir eine Optimallösung des Problems gefunden Andernfalls suchen wir uns von dieser gefundenen Ecke aus nach denselben Kriterien eine benachbarte Ecke, usw Da der zulässige Bereich endlich viele Ecken hat, landen wir nach endlichen Schritten an einer Ecke, von der aus wir keine benachbarte mit einem kleineren Optimalwert mehr finden; wir sind am Ende des Verfahrens angelangt Eine benachbarte Ecke ist entlang einer einzigen Kante des Polyeders erreichbar Bevor wir uns mit der Simplexmethode befassen, soll das Simplextableau erklärt werden 121 Das Simplextableau Sei L ein LOP in Standardform und A B eine Basis Wir schreiben L so an: f(x) = c T B x B + c T R x R min! L = A B x B + A R x R = b x B 0, x R 0 mit c, x R n, b R m, A M mn (R), wie immer: rang(a) = m Die Indexmenge B {1,, n} erfüllt nach Definition 19 B = m, ferner gilt rang(a B ) = m Satz 125 Es gibt ein eindeutig bestimmtes Paar (S, t) ( S M mm (R), t R m ) mit folgenden Eigenschaften: Ist x R R n m beliebig und x B := Sx R + t, so gilt A B x B + A R x R = b Beweis: 1) Eindeutigkeit: a) Sei x R = 0 = x B = t und A B t = b Da rang(a B ) = m, ist A B invertierbar = t = A 1 B b 13
15 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS b) Sei x R R n m beliebig A B x B + A R x R = A B ( Sx R + t) + A R x R = A B Sx R + b + A R x R = b = ( A B S + A R )x R = 0 = A B S + A R = 0 = S = A 1 B A R 2) Existenz: Setze t := A 1 B b und S := A 1 B A R Ist x R R n m beliebig und x B := Sx R + t so folgt: A B x B + A R x R = A B ( Sx R + t) + A R x R = A B ( A 1 B A Rx R + A 1 B b) + A Rx R = A R x R + b + A R x R = b Bemerkung 126 Ist A B eine zulässige Basis, so gilt t 0 Definition 127 Der Vektor v R n m und die Zahl z R seien definiert durch v T := c T R ct B S und z := c T Bt Weiters gilt für den Optimalwert o = z Satz 128 Sei x R n : Ax = b x B = Sx R + t Beweis: Da rang(a B ) = m, ist A B invertierbar Ax = b A B x B + A R x R A 1 B A Rx R + A 1 B b x B = Sx R + t Satz 129 Sei x R n mit Ax = b = c T x = v T x R z = b x B + A 1 B A Rx R = A 1 B b x B = Beweis: c T x = c T B x B + c T R x R = c T B ( Sx R + t) + c T R x R = (c T R ct B S)x R + c T B t = vt x R z Definition 130 (Simplextableau) Sei B die Indexmenge einer Basis eines LOPs S, t, v, z wie oben R T B := B S t (12) v T z 14
16 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS heisst das zu B gehörige Simplextableau Definition 131 (primalzulässig) Ein Simplextableau ist primalzulässig, wenn für alle Komponenten von t gilt: Definition 132 (dualzulässig) t i 0 i B Ein Simplextableau ist dualzulässig, wenn für alle Komponenten von v gilt: Bemerkung 133 v j 0 j R Wir können eine zu B gehörige Basislösung x R n sofort aus einem Simplextableau T B ablesen: x R = 0 nach De nition 113 Also x = x B = t Der Wert der Zielfunktion ist in diesem Fall c T x = v T x R z = z Diese Basislösung muss weder zulässig noch optimal sein Satz 134 Eine Basislösung ist genau dann optimal, wenn das zugehörige Tableau sowohl primalzulässig als auch dualzulässig ist Beweis: Sei x = ( x B, x R ) eine Basislösung, es ist also x R = 0 Ist das Tableau primalzulässig, so ist t = A 1 B b 0 Nach Satz 125 ist x B 0, womit die Basislösung x zulässig ist Sei x M eine beliebige zulässige Lösung Nach Satz 129 gilt also: c T x = v T x R z c T x = v T x R z = z Ist v T < 0, dann ist c T x < c T x, was bedeutet, dass x nicht optimal ist Ist hingegen v T 0, dann ist c T x c T x, und somit ist die Basislösung optimal 15
17 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Mit anderen Worten: Ist das Tableau primalzulässig, so ist die zugehörige Basislösung zulässig, aber noch nicht optimal Erst wenn das Tableau auch dualzulässig ist, haben wir eine optimale zulässige Basislösung Wir suchen nun eine benachbarte Ecke nach der Methode, die am Anfang dieses Kapitels beschrieben wurde Diese finden wir durch den Basisaustausch 122 Der Basisaustausch Satz 135 Sei L ein LOP in Standardform Weiters sei B, R und S wie oben Seien k B und l R so, dass S kl 0 Dann ist B = (B \ {k}) {l} wieder eine Basis des LOPs Beweis: Sei R = {1,, n}\ B Zu zeigen ist, dass die Spalten der m m-matrix A B linear unabhängig sind, dazu folgende Vorbereitungen: Wenn das Gleichungssystem eindeutig lösbar ist, dann hat Ax = b x R = 0 (13) A Bx B + A R x R = A }{{} Bx B = b =0 ebenfalls eine eindeutige Lösung rang(a B) = m Ein Gleichungssystem mit m Gleichungen und m Unbekannten ist dann und nur dann eindeutig lösbar, wenn die Spalten der Koeffizientenmatrix linear unabhängig sind 1) Eindeutigekeit: (Beweis indirekt) Annahme: Das Gleichungssystem (13) hat zwei verschiedene Lösungen x 1 und x 2 16
18 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Sei Ax 1 = b, Ax 2 = b und A B eine Basis, dann gilt nach Satz 128 x 1 B = Sx1 R + t und x 2 B = Sx2 R + t Also: i B: x 1 i = j R S ijx 1 j + t i = j R j l S ij x 1 j S ilx 1 l + t i x 2 i = j R S ijx 2 j + t i = j R j l S ij x 2 j S ilx 2 l + t i Da x 1 R = x 2 R = 0 folgt daraus, dass j R = (R \ {l}) {k} gilt: x 1 j = x2 j = 0 Also: i B: x 1 i = S ilx 1 l + t i x 2 i = S ilx 2 l + t i Dies gilt auch für k B R: Somit haben wir gezeigt, dass x 1 l = x 2 l Wir verwenden dieses Ergebnis weiter: x 1 k = S kl x 1 l + t k = 0 x 1 l = t k S kl x 2 k = S kl x 2 l + t k = 0 x 2 l = t k S kl i B \ {l} = B \ {k}: Somit ist auch x 1 i = x2 i mit i B \ {l} x 1 i = S ilx 1 l + t i = S ilt k S kl x 2 i = S ilx 2 l + t i = S ilt k S kl + t i + t i Wir haben nun gezeigt, dass x 1 = x 2, was ein Widerspruch zur Annahme ist 2) Existenz: Sei x R n folgendermassen definiert: t k S kl i = l B x i := S ilt k S kl + t i i B, i l 0 i R zz Ax = b, wobei x R = 0 Nach Satz 128 ist die zu zeigende Aussage äquivalent zu x B = Sx R + t x R = 0 17
19 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Wir zeigen die Aussage für i B \ {k}: x i = S ilt k S kl + t i = S il x l + t i = = S ij x j S il x l + t i = j R S ijx j S ik x k +t } {{ } i j } {{ R =0 } =0 Nun zeigen wir noch die Aussage für i = k: x k = 0 = S ij x j = j R S kjx j + S kl x l = j R } {{ } =0 = j R S kjx j + S kl t k S kl = j R S kjx j + t k Satz 136 Sei B wie in Satz 135 Das zu B gehörige Simplextableau T B erhält man auf folgende Weise aus dem Tableau T B T B = Beweis: l j k S kl S kj t k i S il S ij t i v l v j z T B = k l 1 S kl i S il S kl v l S kl Sei oeda B = {1,, m} und R = {m + 1,, n} j S kj S kl S ij S ils kj S kl v j v ls kj S kl t k S kl t i S ilt k S kl z v lt k S kl Wir wählen k B und l R Aus Satz 128 wissen wir, dass x B = Sx R + t, also können wir die k-te Zeile dieser Gleichung folgendermassen darstellen: n x k = S kj x j + t k j=m+1 Als nächstes stellen wir die Rest-Variable x l frei: x k t k = n S kj x j j=m+1 S kl x l = t k x k n x l = t k S kl x k S kl j=m+1 j l n j=m+1 j l S kj x j S kj S kl x j 18
20 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Daraus können wir sofort die Elemente der l-ten Zeile im Tableau T B ablesen Der Koeffizient der Variablen x k ist der Koeffizient der neuen Basisvariablen x l t l = t k S kl S lk = 1 S kl S lj = S kj S kl Als nächstes setzen wir den oben berechneten Wert für x l in die i-te Zeile der Gleichung x B = Sx R + t ein: x i = t i n = ( j=m+1 j l t i S ilt k S kl ) S ij x j S il ( ) S ilx k S kl t k S kl x k S kl n j=m+1 j l ( n j=m+1 j l S kj S kl x j S ij S ils kj S kl ) x j = Aus dieser Gleichung lassen sich die Elemente der i-ten Zeile im Tableau T B ablesen t i = t i S ilt k S kl S ik = S ilx k S kl S ij = S ij S ils kj S kl Nun fehlen uns noch die Werte der letzten Zeile Dazu setzen wir den Ausdruck für x l in die Gleichung für c T x ein, die wir in Satz 129 bewiesen haben: c T x = v T x R z = n = v j x j + v l t k S kl x k S kl n S kj S kl x j z = = j=m+1 j l n j=m+1 j l ( ) ( v j v ls kj S kl x j + v l j=m+1 j l S kl ) x k ( ) z + v lt k S kl Daraus können wir uns die drei Elemente herauslesen, die uns noch fehlen, damit das neue Tableau T B vollständig ist: v i = v j v ls kj S kl v k = v l S kl z = z v lt k S kl 19
21 12 DER SIMPLEXALGORITHMUS Bemerkung 137 (Bezeichnungen) Das Element S kl heisst Pivotelement, die k-te Zeile nennt man Pivotzeile und die l-te Spalte Pivotspalte Satz 138 Gegeben sei ein primalzulässiges Simplextableau Wählt man das Pivotelement S kl nach folgenden Kriterien: v l < 0 t k S kl ( ) = min ti S il S il > 0, i {1,, m}, dann ist T B primalzulässig und der Wert der Zielfunktion vergrössert sich nicht Gilt t k > 0, so verringert er sich sogar Beweis: Zuerst der Beweis, dass T B primalzulässig ist: Da T B primalzulässig ist, gilt für alle i B: t i 0 t l = t k S kl > 0, da sowohl Zähler als auch Nenner > 0 sind Nun ist noch zu zeigen, dass für alle i B gilt: t i 0 Wegen der Auswahlregeln für das Pivotelement ist t i S il t k S kl immer erfüllt Äquivalenzumformungen dieser Gleichung ergeben Nach Satz 136 ist t i = t i S ilt k S kl t i S ilt k S kl 0 Fehlt noch der Beweis, dass die Zielfunktion f(x) abnimmt: Da z = f(x), ist also zu zeigen, dass z z: <0 {}}{ v l z = z 0 {}}{ t k S kl }{{} >0 z Ist t k > 0, so folgt z > z Analog gilt für t k = 0, dass z = z 20
22 13 DIE SIMPLEXMETHODE 13 Die Simplexmethode Die Simplexmethode benutzt den Simplexalgorithmus (kurz: SAL) in zwei Phasen: In der ersten Phase der Simplexmethode wird ein Hilfsproblem H mit dem SAL gelöst Mit dessen Lösung können wir feststellen, ob der zulässige Bereich des LOPs leer ist oder nicht Ist letzteres der Fall, so wird in der zweiten Phase das LOP mit dem SAL gelöst Die zulässige Anfangsbasis wurde auch durch Lösung des Problems H gefunden Satz 139 Äquivalent sind: (1) x ist eine zulässige Basislösung von c 1 x c n x n min! L = a 11 a 1n x 1 = b 1 a m1 a mn x 0 x n b m (2) ( x, x n+1,, x n+m ) R n+m ist Optimallösung von x n+1 + x n x n+m min! H = a 11 a 1n x 1 + x n+1 = b 1 (14) a m1 a mn x n x i 0, i {1,, n + m} x n+m b m mit Optimalwert der Zielfunktion gleich Null 21
23 13 DIE SIMPLEXMETHODE Beweis: (1) (2) Sei x = ( x 1,, x n ) eine zulässige Lösung von L Dann ist ( x, 0,, 0) Optimallösung von H mit Optimalwert m i=1 x n+i = 0 (2) (1) Sei ( x 1,, x n+m ) Optimallösung von H mit dem Optimalwert der Zielfunktion gleich null Weil für alle i {1,, n + m} gilt, dass x i 0 ist, so muss gelten x n+1 = = x n+m = 0, und x ist somit eine zulässige Lösung von L Bemerkung 140 Die Variablen x n+1, x n+2,, x n+m werden künstliche Variablen genannt 131 Der Simplexalgorithmus (SAL) Gegeben sei eine zulässige Basis A B des LOPs und das dazugehörige Simplextableau, welches primalzulässig ist Schritt 1 Prüfe, ob das Simplextableau dualzulässig ist Wenn ja, dann ist die Basislösung x B eine Optimallösung des LOPs Ist zusätzlich noch v > 0, so ist sie die einzige Optimallösung (vgl Dantzig [2], S 112, Korollar) Wir haben das LOP gelöst Wenn nein, gehe zu Schritt 2 Schritt 2 Wähle ein l R so, dass v l < 0 Prüfe, ob S l 0, wobei S l für die l-te Spalte von S steht Wenn ja, dann ist das LOP unlösbar, da die Zielfunktion unbeschränkt ist (vgl Dantzig [2], S 115, Satz 3) Wenn nein, gehe zu Schritt 3 Schritt 3 Es gibt ein i B so, dass S il > 0 Wähle k B so, dass t k S kl = min{ t i S il i B, S il > 0} Führe sodann Basisaustausch B B mit B = (B \ {k}) {l} durch und gehe zu Schritt 1 22
24 13 DIE SIMPLEXMETHODE 132 Simplexmethode zur Lösung eines LOP Gegeben sei ein LOP L in Standardform Schritt 1 Ordne das System der Gleichungen Ax = b so an, dass alle b i 0, i = 1,, m sind Treten auf der rechten Seite Werte < 0 auf, so sind bei diesen Gleichungen beide Seiten mit ( 1) zu multiplizieren Schritt 2 Nun erstellen wir das Hilfsproblem H (siehe Satz 139), indem wir die künstlichen Variablen x n+1 0, x n+2 0,, x n+m 0 einfügen Schritt 3 (Phase 1) Jetzt wird zum ersten Mal der SAL angewendet Die Basisvariablen sind x n+1, x n+2,, x n+m Die Restvariablen sind demnach x 1, x 2,, x n, A B = Id m (m m Einheitsmatrix) und A R = A c H R = 0 Rn, ( c H B ) T = (1,, 1) R m Daraus berechnen wir die Einträge ins Simplextableau des Hilfsproblems: S H = A 1 B A R = A, t H = A 1 B b = b, ( v H) T = ( c H R ) T ( c H B ) T S H = (1,, 1)A und z H = ( c H B ) T t H = (1,, 1)b Das Anfangstableau sieht folgendermassen aus: 1 n T H Anf = n + 1 a 11 a 1n b 1 n + m a m1 a mn b m m i=1 a i1 m i=1 a in m i=1 b i Schritt 4 Nach Ausführung des SAL kann einer der folgenden zwei Fälle auftreten Der Optimalwert von H ist ungleich null Dann existiert keine zulässige Lösung von L Im anderen Fall, also wenn der Optimalwert von H gleich null ist, geht man zu Schritt 5 23
25 13 DIE SIMPLEXMETHODE Schritt 5 Das Endtableau der Phase 1 sieht so aus: ( steht für beliebige Einträge) T H End = i j k S t l S u = 0 w = 0 wobei die Indizes i und l für jene Mengen von Indizes von Rest- bzw Basisvariablen stehen, die nicht ausgetauscht wurden, j bzw k für jene Mengen von Indizes von Rest- bzw Basisvariablen, die ausgetauscht wurden Ich schreibe im folgenden j = r um anzudeuten, dass die Menge der j aus r Elementen besteht Mit dieser Konvention gilt k = r, l = m r und i = n r Sei x L die optimale zulässige Basislösung, also: xl k x L l = t R m und 0 xl i x L j = 0 0 R n Im Anschluss an den Algorithmus steht der Beweis, dass u = 0 Schritt 6 (Phase 2) Sobald l = 0 oder S = 0 kann man das Anfangstableau für diese Phase aufstellen T Anf = i k S t v T z mit v T = c T i c T k S und z = ct k t Die Durchführung von Basisaustauschschritten in diesem Tableau liefert uns entweder eine Optimallösung oder zeigt uns, dass die Zielfunktion nach unten unbeschränkt ist Es fehlt noch der Beweis, dass u = 0 sein muss Sei w = ( c H) T x L = 0, wobei ( c H) T = (0,, 0, 1,, 1) R } {{ } } {{ } n+m Die ersten n =n mal m mal Komponenten von x L sind entweder 0 oder t p, wobei p {1,, n} Sie haben aber keinen Einfluss auf den Wert von w, da c H p = 0, wobei wieder p {1,, n} Die letzten 24
26 13 DIE SIMPLEXMETHODE m Komponenten von x L sind entweder 0 oder u p, p {n + 1,, n + m} Da c H p = 1, p {n + 1,, n + m} ist also w = n+m p=n+1 u p Da w = 0 und u 0, folgt u = entwickelte LEMKE die duale Simplexmethode, indem er das primale Problem über die Lösung des dualen Problems löste 133 Der duale Simplexalgorithmus Sei ein dualzulässiges Simplextableau gegeben Schritt 1 Prüfe, ob das Simplextableau auch primalzulässig ist Wenn ja, dann ist die Basislösung x B eine Lösung des LOPs Ist zusätzlich noch t > 0, so ist sie die einzige Lösung Schritt 2 Wähle ein k B so, dass t k < 0 Prüfe, ob S k 0 Wenn ja, dann ist das LOP unlösbar Schritt 3 Es gibt ein i B so, dass S ki < 0 Wähle l R so, dass v l S kl = max{ v j S kj j R, S kj < 0} Führe sodann Basisaustausch B B mit B = (B \ {k}) {l} durch und gehe zu Schritt Beispiele Beispiel 141 Fortsetzung von Beispiel 14: L = 2 x x x x x x 6 min! x 1 + x 2 x 3 = 5 x 1 + x 2 + x 4 = 10 x 2 x 5 = 1 x 1 + 3x 2 x 6 = 85 x 1, x 2, x 3, x 4, x 5, x 6 0 (15) 25
27 13 DIE SIMPLEXMETHODE Zuerst wird das Hilfsproblem H gelöst x 7 + x 8 + x 9 + x 10 min! H = x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 + x 7 x 8 x 9 x 10 = x 6 x i 0, i {1,, 10} Das Anfangstableau TAnf H hierfür: Das Pivotelement für den ersten Basisaustauschschritt ist bereits gekennzeichnet:
28 13 DIE SIMPLEXMETHODE Das Tableau ist primal- und dualzulässig Die Zielfunktion hat den Wert 0 So können wir nun das Anfangstableau T Anf für die Phase 2 aufstellen ( v T = ) ( ) 2 1 ( ) =
29 13 DIE SIMPLEXMETHODE ( z = ) = T Anf = In der letzten Zeile gibt es keine Werte < 0, deshalb liefert uns das Anfangstableau für die Phase 2 schon die Optimallösung Diese ist x 1 = 55 und x 2 = 1 Der Optimalwert der Zielfunktion ist 19 Beispiel 142 Eine Firma stellt 3 verschiedene Produkte A, B, und C her Diese müssen 4 Maschinen passieren, bevor sie fertiggestellt sind Die folgende Tabelle stellt die Fertigungszeit der einzelnen Produkte pro Maschine und die maximale tägliche Auslastung der Maschinen sowie den Gewinn pro Stück dar: Fertigungszeit: Einheit: Stunden pro Mengeneinheit Tagesauslastung: Einheit: Stunden Gewinn: Einheit: Geldeinheiten pro Mengeneinheit Fertigungszeit Tagesauslastung Produkt A Produkt B Produkt C Stunden Maschine Maschine Maschine Maschine Gewinn
30 13 DIE SIMPLEXMETHODE Wieviele Stücke von jeder Sorte müssen täglich hergestellt werden, damit der Gewinn maximal wird? 4x 1 + 5x 2 + 3x 3 max! 2x 1 + 4x 2 + x x 1 + 2x 2 + x L = x 1 + 2x 2 + 4x 3 20 x 1 + x 2 + 3x 3 24 x 1, x 2, x 3 0 Ein Maximierungsproblem kann leicht in ein Minimierungsproblem umgewandelt werden Dazu multipliziert man die Zielfunktion mit ( 1) und minimiert diese Funktion unter denselben Restriktionen, unter welchen man das Maximierungsproblem gelöst hätte In der folgenden Darstellung wurden schon die Schlupfvariablen eingeführt: 4 x 1 5 x 2 3 x x x x x 7 min! x x L = x x = x x x 7 24 x 1, x 2, x 3, x 4, x 5, x 6, x 7 0 In diesem Fall brauchen wir nicht das Hilfsproblem aufzustellen, da man das Problem folgendermassen auffassen kann: Dann ist: c T x R + 0 x B min! L = Ax R + I m x B = b x B 0, x R 0 S = A 1 B A R = I m A = A t = A 1 B b = I mb = b v T = c T R ct B S = ct 0 = c T z = c T B t = 0 29
31 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING Man kann also sofort das Anfangstableau T Anf der Phase 2 angeben, hier ist schon das Pivotelement für den ersten Basisaustauschschritt gekennzeichnet: Calipso for Linear Programming Ich verwendete das Programm Calipso for Linear Programming Version 40 für DOS und Beta-Test-Version 301 für Windows-Betriebssysteme Das Programm wurde Jim Calvert, Professor an der Universität von Idaho entwickelt (calvert@uidahoedu, calvert) Calipso for Linear Programming ist ein Lernprogramm für die mathematischen Gebiete Lineare und Ganzzahlige Optimierung Es kann aber auch problemslos für praktische Anwendungen herangezogen werden Es bezieht sich auf das Lehrbuch Linear Programming von CALVERT und VOXMAN[20], kann aber mit jedem beliebigen Buch zu diesem Thema verwendet werden Zuerst eine Kurzbeschreibung der beiden Versionen: 30
32 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING 141 DOS-Version Calipso for Linear Programming Version 40 für MS-DOS wurde 1995 fertiggestellt und beinhaltet folgende Funktionen: LP SOLVER: Man gibt das LOP als System von Gleichungen und Ungleichungen ein Es darf bis zu 250 Restriktionen und 500 Variablen aufweisen Mit einer bestimmten Tastenkombination wird das Problem gelöst Beim Beenden dieser Funktion wird die Option angeboten, für dieses Problem eine Datei für die Funktion PIVOTER zu erstellen Im PIVOTER gibt man ein Tableau ein oder verwendet die im LP SOLVER erzeugte Datei Man führt selbst Basisaustauschschritte durch PIVOTER ist anwendbar auf Probleme mit bis zu 39 Restriktionen und 63 Variablen GRAPH zeichnet für ein LOP mit 2 Variablen den zulässigen Bereich und die Niveaulinien der Zielfunktion BRANCH AND BOUND löst mit der Branch-and-Bound-Methode gemischt-ganzzahlige LOPe BRANCH AND BOUND TREE zeichnet für die Branch-and-Bound-Methode den Baum am Bildschirm vor Der Benutzer kann Restriktionen in die Knoten hineinschreiben Der Optimalwert wird dann vom Programm ausgerechnet und in den Knoten hinzugefügt IMPLICIT ENUMERATION löst 0-1 Probleme mit der Methode des impliziten Aufzählens Im Dezember 1995 schrieb Jim Calvert noch, dass es unwahrscheinlich ist, dass er jemals Zeit finden wird, das Programm für Windows-Betriebssysteme umzuprogrammieren, jedoch seit Februar 1998 ist die Version für Windows-Betriebssysteme erhältlich 31
33 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING 142 Windows-Version Calipso for Linear Programming Beta-Test-Version 301 für das Betriebssystem Windows hat folgende Funktionen: TABLEAU dient zur Eingabe von Simplextableaus MODEL bildet das Simplextableau eines LOP Der Benutzer gibt das LOP in Form von Gleichungen und Ungleichungen ein Bei der Zielfunktion muss er dazuschreiben, ob es sich um ein Minimierungs- oder Maximierungsproblem handelt Mit PIVOT kann man Basisaustausche vornehmen SIMPLEX ist ein automatischer Löser und gibt das Endtableau aus Er wendet die Revidierte Simplexmethode (vgl Dantzig[2], Kapitel 9, S 243ff) an ANALYZE löst das LOP und gibt einen Bericht aus, der auch eine postoptimale Analyse enthält Die Postoptimale Analyse beinhaltet unter anderem die Angabe, des Bereiches, in welchem die Beschränkungskoeffizienten b j mit j {1,, m} und die Zielfunktionskoeffizienten c i mit i {1,, n} variieren dürfen, ohne dass die Basisvariablen geändert werden müssen BBTREE zeigt einen Baum, auf welchem man Schritte der Branch-and-Bound- Methode ausführen kann, um eine ganzzahlige Lösung zu finden BB löst automatisch mit der Branch-and-Bound-Methode ein ganzzahliges oder gemischt-ganzzahliges LOP Ausserdem enthält diese Version von Calipso for Linear Programming noch Funktionen der Linearen Algebra, die aus dem Progamm Calipso for Linear Algebra, ebenfalls von CALVERT implementiert wurde, entnommen sind Für weitere Details verweise ich auf die Homepage [21] 32
34 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING 143 Beispiel Ich beschreibe die Lösung von Beispiel 11 mit der Windows-Version Mit der Funktion MODEL wird das LOP eingegeben: >LAGER=MODEL{ <min 2x1+8x2; <x1+x2 >= 5; <x1+x2 <= 10; <x2 >= 1; <x1+3x2 >= 85; <for i = 1 to 2 do xi >= 0; <} Calipso fasst die beiden Ungleichungen x 1 0 und x 2 0 als Teil des Systems Ax b auf Deshalb erhalten die beiden Ungleichungen auch eigene Zeilen im Tableau So wie wir das Tableau in 121 definiert haben, schreiben wir diese Zeilen nie ins Tableau, weil diese Restriktionen durch die Bedingung, dass bei einer zulässigen Lösung die rechte Spalte des Tableaus 0 sein muss, erfüllt wird Um also ein Tableau zu erhalten, dass dem unseren ähnlich ist, müssen wir das Problem in Calipso anders eingeben: >LAGER=MODEL{ <min 2x1+8x2; <x1+x2 >= 5; <x1+x2 <= 10; <x2 >= 1; <x1+3x2 >= 85; <} x 1 x 2 s 1 y 1 s 2 s 3 y 3 s 4 y 4 RHS y s y y OBJ ART
35 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING Die Spalten, welche die Koeffizienten der Variablen enthalten, sind mit x1, x2, bezeichnet Die Schlupfvariablen werden mit s1, s2, bezeichnet, wobei die Zahl für die Zeile steht, für die sie Schlupfvariablen sind, also in diesem Beispiel: x1 + x2 s1 = 5 y1, y2, sind die künstlichen Variablen Eine Restriktion mit einem -Zeichen erhält eine Schlupfvariable, eine Restriktion mit einem = eine künstliche Variable und eine Restriktion mit einem eine Schlupfvariable und eine künstliche Variable In der Spalte, die mit RHS (right hand side) gekennzeichnet ist, werden die Koeffizienten von b eingetragen Die Zeile OBJ (objective function) enthält die Koeffizienten der Zielfunktion; bei einem Maximierungsproblem werden sie mit ( 1) multipliziert Der RHS Spalte der OBJ Zeile enthält 0 Die Zeile ART (artificial function) enthält die Koeffizienten der Zielfunktion der Phase 1 der Simplexmethode, also ( 1) mal die Summe der Koeffizienten in den Zeilen, die mit y i bezeichnet sind Das Tableau sieht dem zweiten Tableau des Hilfsproblems in Beispiel 141 sehr ähnlich Wir haben jedoch auch der zweiten Gleichung eine künstliche Variable zugeordnet und diese im ersten Schritt ausgetauscht Calipso for Linear Programming hat dieser Gleichung keine künstliche Variable zugeordnet und sich so diesen Basisaustausch erspart Beim Basisaustausch in Calipso for Linear Programming (Funktion PIVOT) wird mit der OBJ Zeile dieselben Rechenschritte ausgeführt wie mit der ART Zeile Mit der Funktion ANALYZE erhielt ich folgende Informationen: The maximum value of the objective function ist -19 SOLUTION ROW BASIC VARIABLE VALUE x s x2 1 4 s
36 14 CALIPSO FOR LINEAR PROGRAMMING In Calipso for Linear Programming führte ich dieselben Basisaustauschschritte durch, wie bei der Handrechnung Hier meine Rechenschritte: x 1 x 2 s 1 y 1 s 2 s 3 y 3 s 4 y 4 RHS x s y y OBJ ART x 1 x 2 s 1 y 1 s 2 s 3 y 3 s 4 y 4 RHS x s x y OBJ ART x 1 x 2 s 1 y 1 s 2 s 3 y 3 s 4 y 4 RHS x s x s OBJ ART
37 Kapitel 2 Ganzzahlige Lineare Optimierung 21 Grundlagen Will man die schnellste Reiseroute für einen Handlungsreisenden finden, so ist es nicht sinnvoll, zwischen zwei Städten zu unterbrechen Entweder fährt er die ganze Strecke oder gar nicht Wir haben es also mit einem ganzzahligen Problem zu tun, genauer gesagt, mit einem sogenannten "0-1 Problem", es werden nur die beiden Werte 0 oder 1 als Lösung akzeptiert Besonders bei Transporten wird nach ganzzahligen Lösungen gesucht Im Zusammenhang mit der Frage nach einem Produktionsprogramm, das unter Berücksichtigung gegebener Kapazitätsschranken einen maximalen Erlös sichert, tritt das Problem der ganzzahligen Lösung auf Man sucht das Optimum der Zielfunktion nicht mehr unter allen Punkten des zulässigen Bereichs M, sondern nur noch unter den in M enthaltenen ganzzahligen Punkten Bei jeder konkreten Aufgabe ist natürlich erst zu prüfen, ob eine Behandlung als ganzzahliges Problem notwendig ist Sind zb die Koeffizienten des Problems nur Schätzwerte, dann lohnt sich der zusätzliche Aufwand sicher nicht Die durch die Ausgangsdaten dem Problem anhaftenden Ungenauigkeiten werden durch normale Behandlung und Runden der nichtganzzahligen Lösung auf einen benachbarten Gitterpunkt nicht erheblich vergrössert 36
38 21 GRUNDLAGEN 211 Standardform eines ganzzahligen LOP Definition 21 (Standardform von G) Sei L ein kontinuierliches LOP in Standardform: L = f(x) = c T x min! Ax = b x 0, x R n Fordert man, dass alle Komponenten der Variablen x ganzzahlig sind, so sprechen wir von einem ganzzahligen LOP G in Standardform: f(x) = c T x min! G = Ax = b x 0, x Z n Der Optimalwert der Zielfunktion ist eine reelle Zahl, b R m, c, x R n, A ist eine reelle m n - Matrix Die Gleichungen Ax = b, x Z n und x 0 beschreiben den zulässigen Bereich M G, welcher nun nicht mehr konvex ist Definition 22 (Zulässiger Gitterpunkt) Sei M der zulässige Bereich von L Jeder ganzzahlige Punkt von M wird zulässiger Gitterpunkt genannt Die Menge der zulässigen Gitterpunkte bezeichnen wir mit M G Wird nur von einigen Komponenten des Vektors x die Ganzzahligkeit gefordert, so spricht man von einem gemischt-ganzzahligen LOP GG Sei 1 k < n f(x) = c T x min! GG = Ax = b x 0, x i Z, i = {1,, k} Definition 23 (Ganzzahlige Optimallösung) Sei ˆx Optimallösung des Problems L ˆx heisst ganzzahlige Optimallösung von G, wenn für alle Komponenten von ˆx gilt: ˆx i Z, i = {1,, n} 37
39 21 GRUNDLAGEN ˆx heisst ganzzahlige Optimallösung von GG, wenn für alle k Komponenten von ˆx, für welche die Ganzzahligkeit gefordert ist, gilt: ˆx i Z, i = {1,, k} 212 Eindeutigkeit und Existenz der Lösungen Sei M der zulässige Bereich des kontinuierlichen Problems L und M G der zulässige Bereich des Problems G 1 Ist M leer, so ist auch M G leer, da M G M 2 Ist M unbeschränkt, so kann M G eine der folgenden Formen haben: (a) ebenfalls unbeschränkt (b) leer (siehe Abbildung 21) 3 Ist M beschränkt und nicht leer, so gibt es zwei Möglichkeiten für die Form von M G : (a) ebenfalls beschränkt und nicht leer (b) leer (siehe Abbildung 22) x x 1 Abbildung 21: M unbeschränkt, aber M G leer x 2 1 Abbildung 22: x 1 nicht leer, aber M G leer 1 M beschränkt und 38
40 21 GRUNDLAGEN In den Fällen 1, 2(b) und 3(b) existieren keine zulässigen Gitterpunkte, das zugehörige ganzzahlige LOP ist also unlösbar Im Fall 2(a) gibt es unendlich viele Gitterpunkte Diese Tatsache leuchtet uns schnell ein, wenn wir uns die Situation im zweidimensionalen Raum graphisch vorstellen, ist aber nicht trivial zu beweisen Weiters hängt es von der Zielfunktion ab, ob das zugehörige ganzzahlige LOP lösbar ist oder nicht (vgl Bemerkung 122 und Beispiel 123) Im Fall 3(a) ist M G endlich und das Problem lösbar Sei o der Optimalwert der Zielfunktion von L und o G der Optimalwert der Zielfunktion von G Dann gilt: o o G, (21) wenn L und G, wie vorausgesetzt, Minimierungsprobleme sind Der Optimalwert der Zielfunktion von L bildet eine untere Schranke für den Optimalwert von G Analog gilt für Maximierungsprobleme o o G Ist die Optimallösung von L ganzzahlig, so hat man die Optimallösung von G gefunden In diesem Fall gilt das Gleichheitszeichen bei den obigen Abschätzungen für den Optimalwert der Zielfunktion Meistens ist die Optimallösung von L jedoch nicht ganzzahlig und man sucht Methoden, mit denen man eine Optimallösung von G findet 213 Lösung durch Aufzählen Diese Lösungsmethode kommt manchen vielleicht als erstes in den Sinn Da M G ja endlich ist, probiert man der Reihe nach jedes Element von M G aus Das Element aus M G mit kleinstem Zielfunktionswert ist dann die Optimallösung des ganzzahligen Minimierungsproblems Analog ist das Element aus M G mit dem grössten Zielfunktionswert die Optimallösung des ganzzahligen Maximierungsproblems Eine solche Lösungsmethode ist zwar endlich, sobald jedoch n grössere Dimensionen annimmt, benötigen selbst die schnellsten Computer zuviel Zeit für die Auffindung der Optimallösung Dazu folgendes Beispiel 39
41 21 GRUNDLAGEN Beispiel 24 Nehmen wir ein ganzzahliges LOP G an f(x) = c T x min! G = Ax = b (22) x {0, 1} 100 Es gibt also = Vektoren, die zuerst geprüft werden, ob sie im zulässigen Bereich M G liegen Von jeder zulässigen Lösung speichert man den zugehörigen Zielfunktionswert ab und bestimmt danach die Optimallösung Ein schneller Computer, der pro Sekunde eine Milliarde Vektoren prüfen könnte, wäre mehrere Milliarden Jahre damit beschäftigt, das Problem zu lösen 214 Wozu eigene Methoden? Diese Frage wird des öfteren gestellt Man könnte meinen, dass es doch viel einfacher wäre, den nächstgelegenen zulässigen Gitterpunkt der kontinuierlichen Optimallösung als ganzzahlige Optimallösung anzugeben In manchen Fällen mag diese Methode zum Ziel führen, aber nicht in allen Dazu folgendes Beispiel Beispiel 25 G = f(x) = x 1 9x 2 min! x 1 + 6x 2 11 x 1 1 5x 1 + 2x 2 27 x 1, x 2 0, x 1, x 2 Z 40
42 21 GRUNDLAGEN Die Lösung des kontinuierlichen Problems: f(x) = x 1 9 x x x x 5 min! x 1 + 6x 2 + x 3 = 11 L = x 1 x 4 = 1 5x 1 + 2x 2 + x 5 = 27 x 1, x 2, x 3, x 4, x 5 0 Phase 1: Das Hilfsproblem lautet: H = g(x) = x 6 + x 7 + x 8 min! x 1 x 2 x 3 x 4 + x 6 x 7 x 8 = x i 0, i {1,, 8} x 5 Im Anfangstableau ist bereits das Pivotelement für den ersten Basisaustausch gekennzeichnet:
43 21 GRUNDLAGEN Die Vorbereitungen für die Phase 2: 6 1 ( ) ( ) ( ) v T = = ( z = 12 ) = 1 22 Nun die Phase 2: Im Anfangstableau ist wieder bereits das Pivotelement für den ersten Basisaustausch markiert: Die kontinuierliche Optimallösung lautet also: x 1 = 35 3 = 4375, x 2 = dem Zielfunktionswert x 1 9x 2 = = = mit Wird diese Optimallösung so gerundet, dass die Werte noch im zulässigen Bereich liegen, ergibt: x 1 = 4, x 2 = 2 mit Optimalwert 14 Der ganzzahlige Optimalwert, den wir später berechnen werden, ist allerdings 17 mit x 1 = 1 und x 2 = 2 42
44 21 GRUNDLAGEN x x 1 Abbildung 23: Bild zu Beispiel 25 Die dicker gezeichneten Linien umranden den zulässigen Bereich Die strichlierte Linie stellt eine Niveaulinie der Zielfunktion dar In diesem Fall ist es die Niveaulinie zum Optimalwert des kontinuierlichen LOPs Der ausgezeichnete linke Punkt stellt die ganzzahlige Optimallösung dar, der ausgezeichnete rechte obere die Optimallösung des kontinuierlichen Problems und der ausgezeichnete rechte untere Punkt ist der gerundete Wert der kontinuierlichen Optimallösung Man sieht, dass man durch Runden weit von der wirklichen Lösung entfernt sein kann Eine Methode, die nur die unmittelbare Umgebung eines Punktes untersucht, findet nur ein lokales Optimum Wir benötigen also Methoden, die alle zulässigen Gitterpunkte des nichtkonvexen zulässigen Bereichs betrachtet 1958 veröffentlichte RE GOMORY sein Schnittverfahren [23] zur Lösung ganzzahliger LOP Im folgenden sei die Methode kurz beschrieben: Man löst das Problem, als ob es ein kontinuierliches wäre Erhält man einen Punkt als Optimallösung, der nicht ganzzahlig ist, so schneidet man diesen weg, indem man eine weitere Restriktion hinzufügt Diese Restriktion darf jedoch keinen ganzzahligen Punkt aus dem zulässigen Bereich entfernen Diese Methode wird im weiteren nicht behandelt 43
45 21 GRUNDLAGEN 1960 veröffentlichten AHLAND und AGDOIG [11] einen weitere Methode zur Lösung ganzzahliger LOP, das Verzweigungsverfahren Bei dieser Methode wird die Niveaulinie der Zielfunktion zum Optimalwert des kontinuierlichen Problems folgendermassen parallel verschoben: Bei einem Maximierungsproblem so, dass der Optimalwert abnimmt, beim Minimierungsproblem genau umgekehrt Und zwar wird sie so weit verschoben, bis ein zulässiger Gitterpunkt erreicht ist Bevor wir uns mit den Verzweigungsverfahren beschäftigen, ein paar Definitionen aus der Graphentheorie 215 Graphen und Bäume Definition 26 (Linearer Graph, Knoten, Kante) Ein linearer Graph besteht aus einer Anzahl von Knoten, von denen jeder mit einigen oder allen anderen Knoten durch Strecken verbunden ist, welche Kanten des Graphen genannt werden Definition 27 (Gerichtete Kante) (i, j) beschreibt eine gerichtete Kante Dies bedeutet konkret, dass man von i nach j gehen darf (zb in einem Algorithmus, der auf einem Graphen basiert) Definition 28 (Kantenfolge, Kette) Eine Folge von gerichteten Kanten (i, i 1 ), (i 1, i 2 ), (i 2, i 3 ),, (i k, j) durch die der Knoten i mit dem Knoten j verbunden wird, heisst Kantenfolge oder Kette Definition 29 (Kreis) Eine Kantenfolge, die den Knoten i mit sich selbst verbindet, heisst Kreis Ein einfacher Kreis tritt dann auf, wenn alle Kanten verschieden sind Definition 210 (Baum) Ein Graph ohne Kreise, bei dem jeder Knoten mit jedem anderen Knoten durch eine Kantenfolge verbunden ist, heisst Baum Ein Baum ist gerichtet, wenn die Kanten eine Richtung aufweisen 44
46 21 GRUNDLAGEN Definition 211 (Endknoten) Jeder Knoten, der mit dem Graphen nur durch eine einzige Kante verbunden ist, heisst Endknoten Definition 212 (Wurzel) Der Knoten in einem gerichteten Baum, von dem nur gerichtete Kanten wegführen und auf den keine gerichtete Kante zeigt, wird Wurzel genannt Definition 213 (Vater, Sohn, Bruder) Sei (i, j) die gerichtete Kante vom Knoten i zum Knoten j Knoten i ist der Vater von Knoten j Knoten j ist der Sohn von Knoten i Sei Knoten k ein weiterer Sohn von Knoten i Knoten k ist der Bruder von Knoten j Definition 214 (Stufen) Die Wurzel ist der Knoten der Stufe 0 Ihr Söhne sind Knoten der Stufe 1 Deren Söhne gehören der Stufe 2 an, usw 45
47 Kapitel 3 Die Verzweigungsverfahren Die Idee des impliziten Aufzählens aller möglichen Lösungen ist die Grundlage für die Verzweigungsverfahren oder Branch-and-Bound-Methoden, bei denen verzweigt (branch) und abgegrenzt (bound) wird Sie verwenden zur Darstellung der Lösungsmenge einen gerichteten Baum Jedem Knoten des Baumes entspricht ein LOP Die Wurzel dieses Baumes entspricht dem kontinuierlichen LOP L, welches man aus dem ganzzahligen LOP erhält, indem man die Restriktion x 0, x Z n zu abschwächt x 0 31 Der Algorithmus von LAND und DOIG 311 Die Idee Wir haben folgendes ganzzahliges LOP G und das zugehörige kontinuierliche LOP L Wie schon oben gezeigt, ist der Optimalwert von G keinesfalls kleiner als der Optimalwert von L Wenn man nun die Niveaulinie der Zielfunktion zum Optimalwert von L in Richtung des zunehmenden Wertes parallel verschiebt, gelangt man einmal zu einer Stelle, 46
48 31 DER ALGORITHMUS VON LAND UND DOIG an der die Niveauline durch einen zulässigen ganzzahligen Punkt verläuft; dann ist man fertig, man hat eine ganzzahlige Optimallösung von G gefunden Erreicht man nie eine solche Stelle, so besitzt G keine ganzzahlige Lösung, geschweige denn eine ganzzahlige Optimallösung Rechnerisch kann man die Parallelverschiebung immer nur für eine Variable durchführen Anders ausgedrückt: Man hält alle Koordinaten fest, bis auf eine Definition 31 Sei x eine reelle Zahl Dann bezeichnet x die grösste ganze Zahl, die x ist x die kleinste ganze Zahl, die x ist Satz 32 Sei M der zulässige Bereich von L, M Z n und x 0 M die Optimallösung von L Dann existiert für jedes k {1,, n} ein x M so, dass x k { x0 k, x0 k } Beweis: Sei ˆx = (ˆx 1,, ˆx n ) M Z n 1 Ist ˆx k = x 0 k, so ist man fertig Dh die Optimallösung von L ist auch Optimallösung von G 2 Ist ˆx k > x 0 k, aber ˆx k x 0 k > x0 k Sei λ = x0 k x0 k ˆx k x 0 k Es gilt 0 < λ 1, da ˆx k x 0 k > 0, x0 k x0 k > 0 und x0 k x0 k ˆx k x 0 k Definiere x := x 0 + λ(ˆx x 0 ) Da ˆx, x 0 M und M konvex ist, so ist x M Weiters x k = x0 k + λ(ˆx k x 0 k ) = x0 k + ( x0 k x0 k ) = x0 k 3 Ist ˆx k > x 0 k, aber ˆx k x 0 k > x0 k, so verläuft der Beweis analog 47
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