Vorlesung Obligationenrecht Allgemeiner Teil
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- Theodor Schräder
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1 Vorlesung Obligationenrecht Allgemeiner Teil Rechtsanwalt Prof. Dr. Arnold Rusch LL.M. Universität Fribourg, 22. März 2016, und Uhr Vertrag zu Gunsten und zu Lasten Art. 111 B. Vertrag zu Lasten eines Dritten Wer einem andern die Leistung eines Dritten verspricht, ist, wenn sie nicht erfolgt, zum Ersatze des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet. Art. 112 C. Vertrag zugunsten eines Dritten 1 Hat sich jemand, der auf eigenen Namen handelt, eine Leistung an einen Dritten zu dessen Gunsten versprechen lassen, so ist er berechtigt, zu fordern, dass an den Dritten geleistet werde. 2 Der Dritte oder sein Rechtsnachfolger kann selbständig die Erfüllung fordern, wenn es die Willensmeinung der beiden andern war, oder wenn es der Übung entspricht. 3 In diesem Falle kann der Gläubiger den Schuldner nicht mehr entbinden, sobald der Dritte dem letzteren erklärt hat, von seinem Rechte Gebrauch machen zu wollen. Viktor (, Verkäufer) verspricht Kurt (, Käufer), ihm einen VW Käfer zu liefern. Den Kaufpreis soll Kurt an die Franziskaner (Dritte) überweisen. Beim echten Vertrag z.g. können die Franziskaner selber auf Erfüllung klagen. Beim unechten Vertrag z.g. kann nur der klagen (auf Leistung an den Dritten). Viktor (, Verkäufer) verkauft Kurt (, Käufer), ein Grundstück. Kurt verspricht ihm, darauf mit Hilfe des Architekten Alder ein Haus zu bauen. Gemäss BGE 98 II 305 ff. ist das ein echter Vorvertrag zugunsten. Mieter Meier (, Hauptmieter, Untervermieter) vermietet Ulrich (, Untermieter) eine Wohnung. Ulrich verspricht ihm, den Mietzins direkt bei Vermieter Volker zu entrichten; vgl. BGE 120 II 112 ff., 116: «Wird der Untermietvertrag in dem Sinne ausgestaltet, dass der Untermieter seinen Mietzins an Stelle desjenigen des Hauptmieters direkt dem Hauptvermieter zu entrichten hat, entsteht diesem unter den Voraussetzungen von Art. 112 Abs. 2 OR eine selbständige Forderung gegenüber dem Untermieter ( ). Daraus ergibt sich eine vertragliche Beziehung zwischen dem Erst- und dem Drittkontrahenten, welche auch eine Vertragshaftung begründet ( ).» Wann ist es ein echter, wann ein unechter Vertrag zugunsten? Huguenin, N 1127: «Ist zwischen den Parteien strittig, ob dem Dritten ein selbständiges Forderungsrecht eingeräumt werden sollte oder nicht, muss der Vertrag auch diesbezüglich ausgelegt werden. Dabei ist primär auf den Willen des Versprechensempfängers abzustellen. Eine entsprechende Übung liegt vor, wenn andere Vertragsparteien in der gleichen Situation regelmässig ein selbständiges Forderungsrecht vorsehen. Besteht keine solche Übung, wurde sie abbedungen oder ist sie den Parteien unbekannt, ist der Vertragszweck entscheidend. Es besteht im Übrigen keine Vermutung zugunsten eines echten Vertrages zugunsten. Der Dritte, der ein eigenes Forderungsrecht und damit das Vorliegen eines echten Vertrages zugunsten eines Dritten behauptet, trägt hierfür die Beweislast.» 1
2 Wer kann beim unechten Vertrag zugunsten klagen? Huguenin, N 1135: «Erfüllt die Versprechende ihre Pflicht nicht, darf grundsätzlich nur der Versprechensempfänger («Schuldner») einen Rechtsbehelf gegen sie ergreifen, z.b. Schadenersatz fordern. Dabei kann er nicht nur den Ersatz seines eigenen, sondern auch des weiter gehenden Schadens des Dritten («Gläubiger») verlangen (Drittschadensliquidation; ). Der Ersatz für den Drittschaden ist alsdann an den Dritten zu leisten. Erfüllt die Versprechende dagegen den Schuldübernahmevertrag schlecht und schädigt sie dabei den Dritten, indem sie eine vertragliche Nebenpflicht verletzt (Schutz- und Sorgfaltspflicht;...) oder erleidet der Dritte einen Mangelfolgeschaden, so kann dieser den Schaden nach herrschender Lehre selber, also aus eigenem Recht, gegen die Versprechende geltend machen.» Und beim echten Vertrag zugunsten? Huguenin, N 1141: «Vertragspartner der Versprechenden ist und bleibt allein der Versprechensempfänger. Der Umfang der Ansprüche eines Dritten ist deshalb durch Auslegung des Deckungsverhältnisses unter Beachtung einer allenfalls bestehenden Übung (Art. 112 Abs. 2 OR) zu bestimmen. Im Zweifel ist der Dritte berechtigt, sämtliche Rechte geltend zu machen, die unmittelbar mit der Gläubigerstellung verbunden sind, also etwa Inverzugsetzung (Art. 102 OR), Ausübung der Wahlrechte nach Art. 107 Abs. 2 OR und Geltendmachung von Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR). Demgegenüber verbleiben jene Rechte, die eng mit dem Deckungsverhältnis verbunden sind, beim Versprechensempfänger. Hierzu gehören namentlich Rechte, welche Bestand und Inhalt des Vertrages betreffen, so beispielsweise die Geltendmachung von Willensmängeln und das Ausüben von Gestaltungsrechten wie etwa das Recht auf Wandlung oder Minderung.» Voraussetzungen: Leistungsnähe von Gläubiger und Drittem Schutzwürdiges Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten Erkennbarkeit der Leistungsnähe für den Schuldner Spezifische Haftungsvoraussetzungen des Anspruchs zwischen Gläubiger und Schuldner Vom Bundesgericht nicht anerkannt, aber mehrfach besprochen (Urteil BGer 4A_226/2010, E , BGE 130 III 345 ff., 347 f.). Beispiel: Ein Familienvater schliesst mit einem Unternehmen einen Wartungsvertrag für seine Gasheizung ab, weil im Haus ein Abgasgeschmack feststellbar ist und Familienmitglieder an Übelkeit leiden. Familienvater Ehegattin Kind 1 Kind 2 Kind 3 Handwerker Urteil BGer 4C.139/2005, E. 3.3: «Im Übrigen hat die Vorinstanz auch die vertragliche Haftung zu Recht bejaht. Der Servicevertrag wurde abgeschlossen, nachdem die Familie des Klägers gesundheitlich bereits in Mitleidenschaft gezogen worden war, was die Beklagte unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen. Der Servicevertrag wurde für die Beklagte erkennbar zum Schutze aller Familienmitglieder, welche die Liegenschaft bewohnten, abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte nicht in guten Treuen davon ausgehen, dass sie bei einer Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten nur dem Vater des Klägers und nicht auch den übrigen Familienmitgliedern aus Vertrag für allfällige Schäden haften würde (Art. 112 Abs. 2 OR).» Hier hat das BGer zwar die Voraussetzungen des VSD geprüft, aber den VzD angewendet. Worin liegt der Unterschied? Vgl. Huguenin, N 1596 ff.: «Beide Figuren sind keine eigenen Vertragstypen, sondern bilden einen Teil der Gestalt eines Vertrages. Der Dritte ist in beiden Fällen nicht Vertragspartei. Der Vertrag zugunsten eines Dritten ( ) wird in der Regel von den Parteien vereinbart, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten greift eo ipso, also von Rechts wegen. Beim Vertrag zugunsten eines Dritten lässt sich der Vertragsgläubiger versprechen, dass die Primärleistung nicht an ihn, sondern an einen Dritten gehen soll. Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten hat der Dritte bloss einen quasikontraktuellen (aus einer Verletzung eines fremden Vertrages resultierenden) Schadenersatzanspruch. Die Primärleistung ist für den Vertragsgläubiger bestimmt.» 2
3 Wann erlischt eine Forderung? Erlöschensgründe Erfüllung Übereinkunft Novation Vereinigung Unmöglichkeit i.s.v. OR 119 Verrechnung Auflösung des ganzen Vertragsverhältnisses Verjährung? Aufhebung durch Übereinkunft OR 115: «Eine Forderung kann durch Übereinkunft ganz oder zum Teil auch dann formlos aufgehoben werden, wenn zur Eingehung der Verbindlichkeit eine Form erforderlich oder von den Vertragschliessenden gewählt war.» Achtung: Betrifft nur Forderungen. Die Norm ist aber auch analog auf ganze Vertragsverhältnisse anwendbar. Abgrenzung zu OR 12 ist schwierig: «Ist für einen Vertrag die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben, so gilt diese Vorschrift auch für jede Abänderung, mit Ausnahme von ergänzenden Nebenbestimmungen, die mit der Urkunde nicht im Widerspruche stehen.» Aufhebung durch Übereinkunft Urteil BGer 5A_251/2010, E : En revanche, selon l'art. 115 CO, la remise de dette n'est soumise au respect d'aucune forme spéciale, même si, en vertu de la loi ou de la volonté des parties, l'obligation n'a pu prendre naissance que sous une certaine forme. Cela étant, dans un contrat synallagmatique parfait, si la dette remise totalement ou partiellement ne constitue pas la seule obligation restant à exécuter et qu'il subsistera, à charge du créancier disposant, une contre-prestation non supprimée à l'occasion de la remise de dette, la forme requise selon l'art. 12 CO pour toute modification du contrat prévaut ( ). Wenn der Vertrag bei Aufhebung der einzelnen Forderung weiterbesteht, ist also Art. 12 OR anwendbar, weil sich das Synallagma verändert hat. Neuerung OR Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet. 2 Insbesondere bewirkt die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld oder die Ausstellung eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung der bisherigen Schuld. Neuerung Huguenin, N 739: «Damit der Novationsvertrag wirksam wird, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: Aufzuhebende Forderung muss bestehen; neue Forderung ersetzt die alte Schuld; Neuerungswille der Parteien.» Beispiel: Utz hat Bühlers Haus für Fr renoviert. Da Bühler nicht zahlen kann, vereinbaren sie die Umwandlung der Werklohnforderung in ein Darlehen. Ist das eine Novation und wie wirkt sich das aus? Art. 837 ZGB 1 Der Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechtes besteht: 1. für die Forderung des Verkäufers an dem verkauften Grundstück; 2. ( ). 3. für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstück, sei es, dass sie den Grundeigentümer, einen Handwerker oder Unternehmer, einen Mieter, einen Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person zum Schuldner haben. 3
4 BGE 107 II 479 ff., 481: «Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird gemäss Art. 116 Abs. 1 OR nicht vermutet. Um Neuerung anzunehmen, bedarf es der unzweideutigen Willensäusserung der Vertragsparteien über den Untergang der alten Forderung. Den Neuerungswillen hat jener, der sie behauptet, nachzuweisen, vorliegend also die Beklagte. Novation ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass ein neuer Schuldschein ausgestellt wird. Gegen eine Novationsabsicht spricht das Bestehen von Sicherheiten, die der Gläubiger verlieren würde, wenn er sich auf Neuerung einliesse. BGE 107 II 479 ff., 481: «Sie ist deshalb nicht leichthin anzunehmen, wenn der Gläubiger kein Interesse an einer solchen hatte. Parteiäusserungen und Interessenlage sind somit in erster Linie massgebend für den Entscheid, ob die alte Schuld unterging oder fortbesteht. Blosse Änderungen am Inhalt des ursprünglichen Schuldverhältnisses, welche wie die Veränderung der Schuldhöhe, der Laufzeit, des Zinsfusses oder der bestellten Sicherheiten dessen Wesen nicht berühren, haben keine Novationswirkung ( ).» Vereinigung OR 118: «1 Wenn die Eigenschaften des Gläubigers und des Schuldners in einer Person zusammentreffen, so gilt die Forderung als durch Vereinigung erloschen. 2 Wird die Vereinigung rückgängig, so lebt die Forderung wieder auf. 3 Vorbehalten bleiben die besondern Vorschriften über das Grundpfandrecht und die Wertpapiere.» Der Schuldner wird sein eigener Gläubiger. Beispiel: Schmid schuldet seinem Vater Fr Dieser stirbt. Alleiniger Erbe ist Schmid. Später schlägt er das Erbe aus. Beispiel: Beat schuldet Albert Fr Albert tritt diese Forderung Beat ab. Ausnahme: Abs. 2 und 3 Verrechnung, OR Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen. 2 Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegenforderung bestritten wird. 3 Eine verjährte Forderung kann zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zurzeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Verrechnender Was benötigt man für eine Verrechnung? Positiv: Verrechnungserklärung Verrechnungsforderung Hauptforderung Verrechnungsgegner Existenz zweier Forderungen Gegenseitigkeit Gleichartigkeit Fälligkeit der Verrechnungsforderung (nicht der Hauptforderung die muss nur erfüllbar sein) Klagbarkeit der Verrechnungsforderung; die Hauptforderung braucht nicht klagbar zu sein Negativ: Kein Ausschluss durch Vertrag oder Gesetz 4
5 Wie funktioniert die Verrechnung in Dreiecksverhältnissen? OR 122: «Wer sich zugunsten eines Dritten verpflichtet hat, kann diese Schuld nicht mit Forderungen, die ihm gegen den andern zustehen, verrechnen.» Was ist die ratio legis? Zweck ist die Leistung an einen Dritten das soll nicht durch Verrechnung mit einer Forderung gegen den Vertragspartner zulasten des Dritten erfolgen. Beim echten Vertrag zugunsten fehlt auch die Gegenseitigkeit. Wie funktioniert das mit der Verjährung? Albert verlangt Fr. 100, doch ist diese Forderung verjährt. Kann ich mit einer Forderung über Fr. 70 gegen Albert verrechnen, die nicht verjährt ist? Albert verlangt Fr Kann ich mit einer verjährten Forderung über Fr. 100 Verrechnung erklären? Funktionsweise eines rechtsaufhebenden Gestaltungsrechts (-> Einwendung): Anspruch (Recht) Rechtsaufhebendes Gestaltungsrecht -> führt zu einer rechtsaufhebenden Einwendung Funktionsweise einer «Einrede» (Leistungsverweigerungsrecht): Anspruch Einrede (Gegenrecht / Leistungsverweigerungsrecht) (Recht) Durchsetzung des Anspruchs gehemmt (Recht und Gegenrecht neutralisieren sich) Kann man die Verrechnung vertraglich ausschliessen? Ja, OR 126: «Auf die Verrechnung kann der Schuldner zum voraus Verzicht leisten.» Grenzen: UWG 8. Beispiel: Die UBS gewährt an Schmid ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen in der Höhe von Fr Schmid hat bei der UBS auch seine Lohn- und Sparkonti, die einen Saldo zugunsten Schmids von Fr aufweisen. UBS Hypothek Konti Schmid Was ist, wenn die AGB der UBS die Verrechnung ausschliessen? Art. 8 UWG Unlauter handelt insbesondere, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. 5
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