Fitness durch Ausdauertraining
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- Dominic Holzmann
- vor 7 Jahren
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1 Umschau Band 58, Verlag Hans Huber, Bern Sportmedizin und Leistungsdiagnostik, Sportwissenschaftliches Institut, Bundesamt für Sport Magglingen Fitness durch Ausdauertraining Bedeutung der individuellen Planung J. Wehrlin, T. Held Da bei «Trainingswilligen» große interindividuelle Unterschiede bezüglich des Dauerleistungsvermögens (DLV), den individuellen Zielen, den Bedürfnissen und den sportpraktischen Fertigkeiten bestehen, ist eine angepasste Trainingsplanung und Trainingssteuerung im Ausdauertraining wichtig. Dabei sollte in einem ersten Schritt das DLV entweder auf Grund von eruierbaren Informationen oder mittels eines Leistungstests zur Bestimmung der wichtigsten physiologischen Messgrößen abgeschätzt werden. In einem zweiten Schritt sollte eine auf individuelle Voraussetzungen und Möglichkeiten Rücksicht nehmende, realistische persönliche Trainingsberatung folgen. Dabei sollte der einfache Grundsatz, dass mindestens dreimal wöchentlich während 30 Minuten mit einer «mittleren» Intensität eine Ausdauersportart betrieben werden sollte, um einen minimalen Trainingseffekt zu erzielen, beachtet werden. Wer mehr als dreimal wöchentlich trainiert, variiert idealerweise die Intensität wie auch die Belastungsart, damit durch verschiedenartige Trainingsreize ein größerer Trainingseffekt erzielt und die Gefahr einer einseitigen Überbelastung reduziert werden kann. In einem dritten Schritt sollte während eines eigentlichen Trainingszyklus die Trainingsbelastung an veränderte Umgebungsbedingungen oder an primär falsch eingeschätzte Verhältnisse angepasst werden. Eine klare Verbesserung des DLV darf nach acht bis 12 Wochen regelmäßigen Trainings erwartet werden. Einfache Trainingstipps und Hinweise auf sportwissenschaftliche Verfahren sollten dem Leser den Einstieg in das persönliche Training wie auch in die Trainingsberatung erleichtern. 206 Zusammenfassung Einleitung Die große Bedeutung der Ausdauer für die Gesundheit, das Wohlbefinden und den generellen «Fitnesszustand» ist hinlänglich bekannt, individuell nachvollziehbar und in den letzten Dekaden auch wissenschaftlich abgesichert worden. Obwohl der Begriff Ausdauer a priori gut zu verstehen ist, gestaltet sich die Suche nach einer einfachen Definition als schwierig und wird mit der «Fähigkeit physisch und psychisch lange einer Belastung zu widerstehen» definiert [1]. Dass die Definition der Begriffe Ausdauer oder Dauerleistungsleistungsvermögen (DLV), die hier als Synonyme gebraucht werden, unterschiedliche Facetten beinhaltet, sei an zwei Beispielen illustriert. Der aktuell beste Schweizer Marathonläufer, der 26- jährige Viktor Röthlin, qualifizierte sich in Rotterdam im Frühling 2000 mit einer Zeit von für die Olympischen Spiele in Sydney. Er blieb 7 Sekunden unter der geforderten Olympialimite. Dabei absolvierte er die 42,2 Kilometer in einer durchschnittlichen Zeit von 3 Minuten und 9 Sekunden/km, was einer Laufgeschwindigkeit von 19.1 km/h entspricht. Seine anaerobe Schwelle (ANS; 3-mmol/l- Leistung) lag sechs Wochen vor diesem Wettkampf in einem Laktatstufentest auf dem Laufband bei einer Laufgeschwindigkeit von 20.3 km/h und einer Herzfrequenz (HF) von 181 /min (Maximale Herzfrequenz (HFmax): 193 /min, Maximalleistung (Pmax): 22.2 km/h, maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max): 76 ml kg 1 min 1 ) (Abb. 1). Setzt man den Wettkampf und die Testergebnisse in einen direkten Bezug, kann man er-
2 Band 58, 2001 Therapeutische Umschau Abbildung 1 Laktatstufentest eines Marathonspitzenläufers und einer Fitnessinstruktorin mit Bestimmung der anaeroben Schwelle. kennen, dass die Marathongeschwindigkeit bei 94% der ANS lag. Viktor Röthlin konnte also über mehr als zwei Stunden einen hohen Anteil seines DLV mobilisieren, was ihn als hervorragenden Ausdauersportler auszeichnet. Die zweite Kurve in Abbildung 1 zeigt Messwerte einer 36-jährigen Fitnessinstruktorin, die bei ihren Aerobic-Lektionen schon manchem Fitnessfreak zu einer bleibenden Erinnerung in Form von müden Muskeln oder Muskelkater verhalf. Ihre ANS (4-mmol/l-Leistung) liegt bei 8.7 km/h und einer Herzfrequenz (HF) von 169 /min (Pmax: 12.2 km/h, HFmax: 183/min). Die aufgrund dieser Daten geschätzte VO2max beträgt 40 ml kg 1 min 1 [2], was im Vergleich zur Normalbevölkerung ein gutes DLV darstellt [3], aber mitnichten ihren ausgezeichneten allgemeinen Fitnesszustand wiederspiegelt. Ihre gute «Kondition» begründet sich in der Kombination von hervorragend entwickelten Fähigkeiten bezüglich Koordination, Beweglichkeit, Schnellkraft und Kraftausdauer bei einer guten Ausdauer. Anhand dieser zwei Beispiele wird klar, dass das DLV nicht nur mit einer guten Marathonzeit oder mit dem «Bewältigen einer Aerobiclektion» dokumentiert werden kann. Das Absolvieren von mehrstündigen Bergtouren oder das Erfüllen einer strengen, körperlichen Arbeit können genauso Ausdruck einer guten Ausdauer sein. Diese verschiedenen Facetten der Ausdauer finden ebenfalls Ausdruck in der Mannigfaltigkeit der Trainingsmethoden. Jede intensivere, dauernde Belastung setzt einen Reiz auf die betroffenen Organsysteme, die sich während und nach der Belastung anzupassen versuchen. Bei der Trainingsberatung eines Sportlers oder auch eines Patienten müssen viele individuelle Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, bevor den persönlichen Bedürfnissen entsprechende Ratschläge erteilt werden können. Dabei spielen genetische Faktoren wie Körperbau, Talent und Gesundheit genauso eine Rolle, wie das unterschiedliche Erleben von Bewegung und Sport in der Kindheit und Jugend. Im Erwachsenenalter können aufgrund der zeitlichen Belastung durch Beruf und Familie die Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung stark eingeschränkt sein. Im Alter muss sich die sportliche Aktivität bezüglich Wahl der Sportart, Intensität und Dauer unter Umständen dem gesundheitlichen Zustand anpassen. Will man nun als Trainer, Physiotherapeut oder Arzt Leute beraten, sollte man diese unterschiedlichen Voraussetzungen erkennen und in ein individuelles Trainingskonzept einbeziehen können. Die persönlichen Anliegen, Bedürfnisse und Ziele der Trainingswilligen müssen mit hoher Priorität berücksichtigt werden, da sonst die «Compliance» oder die Motivation zur sportlichen Aktivität rasch sinkt. Aufgrund der Vielfältigkeit und Individualität der Trainingsberatung muss der Berater Fachkompetenz und Erfahrung haben, um möglichst wenige Fehler zu machen. Eine eigene sportliche Aktivität dieses Trainingsberaters scheint fast unumgänglich zu sein, da Eigenerfahrung und eine gewisse Vorbildfunktion für die Beratung nützlich sind. In der Folge zeigen wir mit Tipps und wissenschaftlich abgestützten Informationen aus der Trainingspraxis auf, in welche Richtung eine individuelle Trainingsberatung zielen könnte. Dabei werden zwei Gebiete einzeln diskutiert, zuerst die subjektive und objektive Erfassung des DLV als Voraussetzung für die Trainingsempfehlungen, dann die eigentliche Trainingssteuerung mittels Vorgaben für die Trainingshäufigkeit, die Belastungsintensität und -dauer. Abschätzen des Dauerleistungsvermögens Anamnestisches Erfassen des DLV Ein routinierter Trainer kann schon nach einem Gespräch mit dem Athleten das DLV abschätzen. Ein solches Gespräch erfasst nicht nur die Trainingsbelastung, die erholungsfördernden Maßnahmen, das soziale und berufliche Umfeld, sondern auch kürzlich erzielte Wettkampfresultate oder persönliche Zielsetzungen. So können Wettkampfresultate an 207
3 Umschau Band 58, Straßenläufen mittels Vergleichstabellen in physiologische Messgrößen wie anaerobe Schwelle oder VO2max umgerechnet werden [2, 4]. Beim Breitensportler kann sich die «Sportanamnese» schwieriger gestalten, da keine oder nur wenige Fakten über das DLV vorhanden sind und auch nicht systematisch trainiert wird. Die Idealvorstellung der Sportmediziner und Breitensportler wäre eine Messung des DLV in Ruhe. Da dies erst bei einer gewissen Bewegungsintensität mittels Herzfrequenz, Milchsäurekonzentration in Kapillarblut oder respiratorischer Werte messbar und damit beurteilbar wird, kann dieser Wunsch nach einer einfachen, nicht anstrengenden Leistungsdiagnostik kaum je in Erfüllung gehen. Die Ruhepulsmessung zum Beispiel zeigt eine überraschend schlechte Korrelation mit der gemessenen VO2max bei wenig bis sehr gut trainierten Frauen (r = 0.18, n = 31) und Männern (r = 0.40, n = 65) [5]. Dennoch haben Autoren versucht, andere leistungsbeeinflussende, in Ruhe messbare Faktoren (sportlicher Aktivitätsgrad, Alter, Körperfettanteil und Geschlecht) in eine Formel zu verpacken, die die maximale Sauerstoffaufnahme aufgrund dieser Parameter schätzt [6]. Die Schwierigkeit dieser Methode besteht in der mittels Fragebogen erfassten sportlichen Aktivität, die nicht auf Schweizer Verhältnisse übertragbar ist und der Tatsache, dass die vorgeschlagene Formel nur bis zu einer VO2max von 55 ml min 1 kg 1 seine Gültigkeit hat. Versuche mit Hilfe der Herzfrequenzvariabilität in Ruhe genauere Hochrechnung zu erzielen, waren bis jetzt nicht vielversprechender als einfache Regressionsanalysen, die auf Alter, Body- Mass-Index und Trainingsaktivität beruhen [5]. Messung des DLV Um sich ein klareres Bild über die körperliche Leistungsfähigkeit zu verschaffen, muss man also den Sportler oder Patienten belasten. Um eine gesundheitliche Gefährdung zu vermeiden, sollte man sich die Belastungsart (Laufen, Fahrrad), die Belastungsintensität (submaximal/maximal), die Größe der Anfangsbelastung und der Belastungssteigerung sowie der Einsatz der verschiedenen Messgrößen und Kontrollparameter gut überlegen [21]. Dabei wurden im Rahmen der Qualitätssicherung der sportmedizinischen Betreuung von Eliteathleten klare Richtlinien bezüglich der Wahl von Testprotokollen erarbeitet [7, 8]. Ebenso gibt es von der Schweiz. Gesellschaft für Sportmedizin Empfehlungen, welche Leute vorgängig eines Belastungstests medizinisch kontrolliert werden sollten [9]. Submaximale, herzfrequenz- oder laktatgestützte Tests liefern natürlich weniger genaue Informationen als entsprechende Maximaltests, sind dafür aber weniger belastend, kürzer und somit weniger aufwendig. Zu den einfachsten submaximalen Herzfrequenztests gehört der Walking-Test, der auf Grund der Laufzeit für 2 km und der Belastungsherzfrequenz die VO2max schätzt [10]. Der Test nach Åstrand basiert ebenfalls auf der Schätzung der VO2max mittels der Herzfrequenz bei einer bestimmten Belastung auf dem Fahrradergometer [11]. Die Laktatsubmaximaltests Laufen und Fahrradergometer stützen sich primär auf die heutzutage einfach messbaren Laktatverläufe im Bereich unterhalb der anaeroben Schwelle. Durch Hochrechungen, die auf einer großen Anzahl von Messungen beruhen, können sowohl die anaerobe Schwelle wie auch die VO2max abgeschätzt werden [13, 14]. Es gibt zahlreiche Maximaltests. Am weitesten verbreitet ist der 12-Minuten-Lauftest, der häufig in Schweizer Schulen und im Militärdienst angewendet wird. Auf Grund der durch eine maximale Anstrengung erreichten Laufdistanz während 12 Minuten lässt sich das DLV einfach abschätzen (Laufdistanz in Meter dividiert durch 200 ergibt die anaerobe Schwelle in km/h. Beispiel: 3000 m Laufdistanz : 200 = 15 km/h). Der Conconi-Test ist ein herzfrequenzgestützter Feldtest, der vor allem den Herzfrequenzverlauf und die maximale Herzfrequenz gut dokumentiert, aber bei der Bestimmung der anaeroben Schwelle dem Untersucher doch einige Knacknüsse vorlegen kann [15]. Der m-test ist ein erst kürzlich aus der Trainingspraxis entwickelter, herzfrequenzgestützter Test, der bei vorhandener Infrastruktur auch mit Laktatmessungen kombiniert werden kann. Das Besondere an diesem Test liegt in der Testanordnung, die den Athleten die qualitativ genau beschriebenen Belastungsintensitäten der vier Stufen individuell wählen lässt und somit Aussagen über sein Belastungsempfinden erlaubt [4, 16]. Ebenso können die anaerobe Schwelle und die VO2max abgeschätzt werden. Bei den Ausdauertests im Labor haben sich die Laktatstufentests mit und ohne Messung der VO2max bewährt (Abb. 1). Bei der Beurteilung des DLV eines Breitensportlers stellt sich nun das Problem, dass es für die Gesamtpopulation keine verlässlichen Richtwerte gibt, die auch das Alter und Geschlecht berücksichtigen. Die einzige physiologische Größe, die international eine brauchbare Einstufung der Bevölkerung in Leistungsgruppen erlaubt, ist die VO2max [3]. Da die direkte Messung belastend und aufwendig ist, wird sie sich kaum als Routineinstrument der Leistungsdiagnostik für Breitensportler durchsetzen. Dafür kann die indirekte Schätzung der VO2max weiterhin einen wichtigen Platz einnehmen. Ermittlung der individuellen Trainingsbelastung Die Trainingsbelastung setzt sich aus der Kombination der Trainingshäufigkeit (Anzahl Trainingsein-
4 Band 58, 2001 Therapeutische Umschau Abbildung 2 Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Trainingsbelastungen und erzielten Trainingswirkungen (Modell nach Gierseth [18]). heiten pro Woche), der Belastungszeit und -intensität eines Trainings zusammen. Um einen Trainingseffekt zu erzielen, muss die Trainingsbelastung einer einzelnen Trainingseinheit sowie auch die Gesamtbelastung über längere Zeit hinweg eine minimale Wirkungsgrenze überschreiten (Abb. 2). Durch eine günstige Trainingsbelastung wird mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand ein hoher Trainingseffekt erzielt. Das «American College of Sports Medicine» (ACSM) empfiehlt gesunden Erwachsenen (Freizeitsportler) in seinem «Position Stand» für die Entwicklung und Erhaltung der kardiorespiratorischen Fitness sich jeweils an drei bis fünf Tagen pro Woche mit einer Intensität von 55/65% bis 90% der HFmax oder 40/50% bis 85% der Herzfrequenzreserve (HRR = Herzfrequenzbereich zwischen Ruhepuls und HFmax [19]) während 20 bis 60 Minuten (mindestens 10 Minuten am Stück) sportlich zu betätigen [17]. Wird die Trainingsbelastung im Verhältnis zum Trainingszustand und der Erholung zu groß (Überbelastung), kann dies negative Auswirkungen auf den Trainings- und Gesundheitszustand des Sportlers haben. Belastungsintensität Die Frage nach der idealen Belastungsintensität ist bei der Trainingsberatung zentral. Die einfachste und wohl beste Regel zur Bestimmung einer vernünftigen Belastungsintensität besagt, dass eine trainierende Person während des Grundlagentrainings noch sprechen können sollte. Bei Belastungsintensitäten oberhalb oder im Bereich der ANS steigt die Ventilation infolge der Übersäuerung so stark an, dass nicht mehr fließend gesprochen werden kann. Deshalb dürfte die Belastungsintensität bei Gebrauch der «Sprechregel» unterhalb der ANS liegen. Eine andere Möglichkeit der Belastungssteuerung besteht darin, die Belastungsintensität über das subjektive Belastungsempfinden nach der Skala von Borg vorzugeben [20]. Dabei wird die Belastungsintensität subjektiv über verbale Vorgaben wie z.b. «leicht» (entsprechend der Zahl 11) vorgegeben. Einfache Formeln, die für Untrainierte ideale Grundlagenausdauerintensitäten darstellen sollen, stützen sich auf die Herzfrequenz. Die beiden Regeln «Herzfrequenz Alter» oder «Herzfrequenz 180 Alter» tragen der bekannten Abnahme der HFmax mit zunehmendem Alter Rechnung und sind brauchbar, da nur etwa 5 bis 10% der Leute mit diesen Formeln wegen der individuellen Herzfrequenzvariabilität in einem zu intensiven Bereich trainieren. Mit der Regel «HF 180 Alter» sind die Vorgaben bei älteren Menschen in einem tieferen Herzfrequenzbereich als mit der Regel «HF Alter». Bei vorhandenen Testresultaten können dem Sportler die Belastungsintensitäten als Prozentwerte der maximalen Leistung (Pmax), VO2max oder der ANS vorgegeben werden [18]. Ebenso werden oft individuelle Belastungsintensitäten als prozentualer Anteil der HFmax oder der HRR angegeben (Tab. 1). Mit dieser Methode ist häufig eine ausreichend genaue Intensitätsbestimmung möglich. Auf Grund einer unterschiedlichen Anstiegssteilheit des Herzfrequenz-Leistungsverlaufes kommt es aber durchaus vor, dass diese Methode sogar bei gleicher Pmax und HFmax zu individuell unterschiedlichen Belastungsintensitäten führt. In Abbildung 3 sind zwei Herzfrequenz-Geschwindigkeitsverläufe eines Conconi-Tests abgebildet. Beide Läufer haben eine für ihr Alter von 27 bzw. 24 Jahren relativ hohe HFmax von 204 Schlägen pro Minute. Aufgrund der Formel «220 Alter = HFmax» würde man eine 11 bzw. 8 Schläge tiefere HFmax erwarten. Es ist bekannt, dass die Berechnung mit dieser Formel bei einem Drittel gute, bei einem Drittel brauchbare und bei einem Drittel unzuverlässige Schätzungen der HFmax ergeben. 85% der HFmax (204/min) entsprechen einer HF von 173 Schlägen pro Minute. Diese Intensitätsempfehlung führt beim Läufer 1 zu einer Laufgeschwindigkeit von 11.2 km/h oder 65% der Pmax. Läufer 2 hingegen erreicht mit dieser Empfehlung 209
5 Umschau Band 58, 2001 nur 8.8 km/h (50% Pmax), was einer deutlich tieferen Intensitätsstufe entspricht. Im Ausdauertraining hat sich für die Bestimmung der Belastungsintensität die Kenntnis der Leistung und HF an der ANS als nützlich erwiesen [1]. Der Bereich der ANS variiert interindividuell stark, da Untrainierte ihre ANS bei etwa 60%, Trainierte bei ungefähr 85% der VO2max haben [12]. Es kann von Vorteil sein, wenn individuelle Trainingsintensitäten direkt als Relation der effektiven Leistung an der anaeroben Schwelle angegeben werden und aufgrund dieses Wertes z.b. der entsprechende Herzfrequenzwert ermittelt wird. Für Intensitätsvorgaben des Ausdauertrainings kann ein Modell mit fünf Intensitätstufen nützlich sein: Die Stufe «sehr locker» ist als Belastungsintensität gedacht, bei welcher sich der Körper von einer vorangehenden Belastung regenerieren kann (Abbau von Laktat und anderen Stoffwechselprodukten). Sie dient der aktiven Erholung und entspricht einer Intensität von 55 bis 70% der Geschwindigkeit der anaeroben Schwelle (VANS). Die Intensitätsstufe «locker» liegt zwischen 70 bis 80% der VANS. Dieser Stufe werden lockere Dauerläufe von 60 bis 240 min Dauer zugeordnet. Ein mittelschneller Dauerlauf von 30 bis 90 min Dauer wird auf der «mittleren» Intensitätsstufe bei rund 80 bis 93% der VANS absolviert. Die «harte» Intensitätsstufe entspricht ungefähr dem Bereich der anaeroben Schwelle (93 bis103% VANS) und kommt einem schnellen Dauerlauf von etwa 15 bis 60 min Dauer gleich. Das Training oberhalb der ANS führt zu einer Akkumulation von Laktat, wird als «sehr hart» empfunden und ist deshalb in der Anfangsphase für Untrainierte nicht geeignet (Tab. 1). Belastungsdauer des Trainings Damit das Training bei der gewählten Belastungsintensität einen Trainingsreiz setzt, muss eine gewisse Zeitdauer trainiert werden. Je nach gewählter Belastungsintensität variiert dies beim lockeren Dauerlauf von ein bis zwei Stunden bis hin zu wenigen Minuten beim Stehvermögentraining oberhalb der anaeroben Schwelle. Natürlich sind die interindividuellen Unterschiede auch hier beträchtlich; so müssen Trainierte wegen ihrer Austrainiertheit doch bedeutend länger mit der individuell gleichen Belastungsintensität trainieren als Untrainierte. Bei «mittleren» bis «harten» Trainingsintensitäten empfiehlt das ACSM [17] für gesunde Erwachsene eine Trainingsdauer zwischen 20 und 60 Minuten. Dabei kann die Trainingsdauer auch unterbrochen werden, die einzelnen Trainingsabschnitte sollten jedoch die Mindestdauer von zehn Minuten nicht unterschreiten [17]. Nicht vergessen werden darf, dass zu einer Trainingseinheit auch die entsprechende Erholung oder Regeneration dazugehört (Tab. 1). Trainingshäufigkeit Nach Wenger [22] führen bei Untrainierten schon zwei Trainingseinheiten pro Woche zu einer minimalen Verbesserung des DLV. Freizeitsportler sollten sich jedoch mindestens dreimal wöchentlich sportlich betätigen, um einen deutlichen Leistungszuwachs zu verzeichnen. Diese Zunahme des DLV vergrößert sich für Trainierte und Untrainierte in Relation zum Aufwand zwischen drei und sechs Trainingseinheiten praktisch linear mit zunehmender Trainingshäufigkeit (Abb. 2). Somit scheint die Zunahme der VO2max bei sechs Trainings pro Woche falls dies für den Körper keine Überlastung darstellt doppelt so groß zu sein wie dies mit drei Trainings der Fall ist [22]. Ab fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche flacht der Leistungszuwachs mit zunehmender Trainingshäufigkeit ab, abgesehen davon wird die Gefahr, den Körper zu überlasten, zunehmend größer. 210 Abbildung 3 Zwei Herzfrequenz- Leistungsverläufe bei ähnlich ausdauertrainierten Männern mit Messung der maximalen Herzfrequenz (HFmax) und Intensitätsbestimmung 85% HFmax mit daraus resultierenden, unterschiedlichen Intensitätsvorgaben bezüglich der Maximalleistung (Pmax).
6 Band 58, 2001 Therapeutische Umschau Tabelle 1 Beschreibung von fünf Intensitätsstufen für Ausdauerbelastungen aufgrund verschiedener Bezugssysteme (HFmax = Maximale Herzfrequenz; HRR = Herzfrequenzreserve; VANS = Geschwindigkeit an der anaeroben Schwelle; VO2max = Maximale Sauerstoffaufnahme) Intensitätsbeschreibung Sehr locker Locker Mittel Hart Sehr hart Subjektives Empfinden Gemütlich, Plaudertempo Sprechen noch Beschleunigte Stark beschleunigte ruhig möglich Atmung Atmung, starke Übersäuerung Subjektives Empfinden 6 9 Punkte Punkte Punkte Punkte Punkte nach Borg (6 20) % HFmax 70 80% 80 85% 85 90% 90 95% % % HRR 45 55% 55 70% 70 80% 80 90% 90% % VANS 55 70% 70 80% 80 93% % > 103% % Pmax 45 60% 60 70% 70 80% 80 90% % % VO2max 45 55% 55 70% 70 80% 80 90% % Laktat bei Untrainierten unter 2.5 mmol/l mmol/l mmol/l mmol/l 7 12 mmol/l Laktat bei Trainierten um 1 mmol/l um 1 mmol/l 2 3 mmol/l 3 5 mmol/ 5 10 mmol/ Erholungsdauer Tage Tage 1 3 Tage 2 4 Tage Trainingsformen Regeneration Lockerer Mittelschneller Schneller Stehvermögen und (Dauer je nach DLV) Dauerlauf Dauerlauf Dauerlauf Intervalltraining Überdistanz (30 90 ) (15 60 ) ( ) Fahrtspiel Um neue Trainingsimpulse zu geben, sollte bei mehr als drei Trainingseinheiten pro Woche die Belastungsintensität variiert werden. Um den Risiken einer Überlastung der passiven Strukturen des Bewegungsapparates vorzubeugen, empfiehlt sich eine Variation der Belastungsart (Laufen, Schwimmen, Fahrrad, Skilanglauf, Nordic-Walking, Walking etc.). Auf diese Art und Weise können einseitige Belastungen vermieden und der Körper in ganzheitlicher Form gefordert und gefördert werden. Trainingssteuerung und Trainingskontrolle Mittels der Herzfrequenz können einfache Vorgaben für die Belastungsintensität gemacht werden. Die Nutzung dieser einfach zu bedienenden und preisgünstigen Geräte kann helfen, die Reaktionen des Herzkreislaufsystems auf körperliche Belastung besser zu verstehen. Zusätzliche Informationen kann auch die Bestimmung des Laktatwertes im Kapillarblut nach Trainingsbelastungen liefern. Insgesamt sollte aber das subjektive Belastungsempfinden nicht vernachlässigt werden. Es liefert uns wertvolle Informationen über den aktuellen Leistungszustand. Es empfiehlt sich, Trainingshäufigkeit, Belastungsart, -dauer und -intensität in einem Trainingstagebuch aufzuschreiben. Dies kann motivieren und im Nachhinein wertvolle Informationen über mögliche Überoder Unterbelastungen liefern. Sinnvollerweise kann nach etwa acht bis 12 Wochen mit einem erneuten Leistungstest der aktuelle Leistungsstand kontrolliert und der Fortschritt dokumentiert werden. Bei einer Erhöhung des Trainingsumfanges sollte zuerst die Trainingshäufigkeit, danach die Belastungsdauer und erst am Schluss die Belastungsintensität erhöht werden. Abschließend sind zehn «goldene» Trainingsregeln, die den Einstieg in die Trainingspraxis erleichtern könnten, aufgeführt: Einfache Tipps zur Trainingsgestaltung: 1. Sportliche Aktivität sollte Spaß machen, da sie sonst früher oder später nicht mehr praktiziert wird. 2. Nehmen Sie sich zu Beginn nicht zu viel vor, sondern setzen Sie sich realistische Ziele! 3. Planen Sie genügend Zeit für das Training ein (Einund Auslaufen, Körperhygiene, Nahrungsaufnahme). 4. Trainingseinheiten während der ganzen Woche vernünftig aufteilen (nicht alles am Wochenende nachholen). 5. Anfänger beginnen mit wöchentlich dreimal 20 bis 30 Minuten lockerem Training. Diese Belastung während 8 bis 12 Wochen beibehalten, bevor systematisch gesteigert wird. 6. Lieber fünfmal eine halbe Stunde als einmal Stunden trainieren. 7. Lieber zu langsam als zu schnell trainieren. 8. Mit gleich starken Partnern macht das Training mehr Spaß. 9. Vernünftiges Material und angepasste Kleider vermindern das Verletzungs- und Krankheitsrisiko. 10. Bei Unwohlsein, Schmerz oder Fieber keinen Sport! 211
7 Umschau Band 58, 2001 Literatur 1. Zintl F. Ausdauertraining. Grundlagen, Methoden, Trainingssteuerung. 2 ed. München: BLV Sportwissen, Rickli S, Held T. Die Bedeutung des Conconi-Tests in der Trainingspraxis. Magglingen: Schriftenreihe der ESSM, Marti B, Laukkanen R, Held T. Beurteilung der Ausdauer aufgrund der VO2max: Standard des BASPO. Schweiz Z Sportmed Sporttraumatol, 1999; 47 (4): Held T. Der m-Lauftest. Mobile Praxis, 2000; (6): Tschopp M, Peltola K, Held T et al. Traditionelle und neue Ansätze zur Schätzung der maximalen Sauerstoffaufnahme in Ruhe. Schweiz Z Sportmed Sporttraumatol, 2000; 48 (2): Jackson A, Blair S, Mahar M, Wier L, Ross R, Stuteville J. Prediction of functional aerobic capacity without exercise testing. Med Sci Sports Exerc, 1990; (6): Tschopp M. Leistungsdiagnostik Ausdauer. Magglingen: Qualitätssicherung SOV, Held, T. Trainingsberatung in der Allgemeinpraxis. Schweiz Rundschau Medizin, 1995; 84 (35): Marti B, Villiger B, Hintermann M, Lerch R. Plötzlicher Herztod beim Sport: sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsmaßnahmen. Schweiz Z Sportmed Sporttraumatol, 1998; 46 (2): Oja P, Laukanen R, Pasanen M, Tyry T, Vuori I. A 2-km walking test for assessing the cardiorespiratory fitness of healthy adults. Int J Sports Med, 1991; (4): Åstrand P, Rhyming I. A nomogram for calculation of aerobic capacity from pulse rate during submaximal work. J Appl Physiol, 1954; 7: Åstrand P, Rodahl K. Textbook of Work Physiology. 3 ed. New York: Mc Graw-Hill, Held T, Kummer B, Marti B. Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration und subjektives Belastungstungsempfinden bei submaximaler Laufbelastung: neue Nomogramme zur Abschätzung des Dauerleistungsvermögens. Schweiz Med Wochenschr, 1997; 127 (23): Held T, Scheurer-Hautle E, Marti B. Laktatgestützter Submaximaltest zur Abschätzung des Dauerleistungsvermögens auf dem Fahrradergometer. Schweiz Z Sportmed Sporttraumatol, 1998; 46 (4): Conconi F, Ferrari M, Ziglio PG, Droghetti P, Codeca L. Determination of the anaerobic threshold by a non-invasive field test in runners. J Appl Physiol, 1982; 52 (4): Held T, Steiner Roger, Hübner K, Tschopp M, Peltola K, Marti B. Selbst gewählte submaximale Laufgeschwindigkeiten als Prädiktoren des Dauerleistungsvermögens. Schweiz Sportmed Sporttraumatol, 2000; 48 (2): Pollock M, Gaesser LG, Butchern J. The Recommended Quantity and Quality of Exercise for Developing and Maintaining Cardiorespiratory and Muscular Fitness, and Flexibility in Healthy Adults. Med Sci Sports Exerc, 1998; 30 (6): Gjerseth A, Svendsen TM, Enoksen E et al. Idrettens Treningslære. Oslo: Universitetsforlaget, Janssen P. Heart Rate Monitoring for Estimation of Training Intensity. In: Karvonen J, Lemon P, eds. Medicine in Sports Training and Coaching. Basel: Karger, Borg G. Psychological bases of perceived exertion. Med Sci Sports Exerc, 1982; 14 (5): Villiger B, Egger K, Lerch R, et al. Ausdauer. Stuttgart: Thieme Verlag, Wenger HA, Bell G. The interactions of Intensity, Frequency and Duration of Exercise Training in Altering Cardiorespiratory Fitness. Sports Med, 1986; 3: Summary: Endurance training the role of individual exercise counselling There are many different aspects that should be taken into account when exercise counselling of trained and untrained persons is required. Factors to be considered include the endurance capacity (EC), the general sport skills and the goals of the individual willing to start a training program. First the advisor should try to characterize the EC of the person by estimating or measuring EC. Based on this information, advice for an individual training programme can be given. As a principle for cardiorespiratory fitness training, a person should at least practise three times per week minutes in a moderate exercise intensity to achieve a sufficient training effect. When training more than three times/week people should vary the mode of exercise and training intensity to improve the quality of training and to avoid overcharge symptoms. After a certain duration of the training cycle, the plans should be adapted to new or changed conditions. A distinct improvement of EC can be expected after 8 12 weeks of regular training. The article gives an overview of the possibilities for testing and the planning of training, should help the reader either to start his own training program or to give appropriate advice to an athlete requiring training counselling. Korrespondenzadresse: Dr. med Toni Held, Leitender Arzt Sportmedizin und Leistungsdiagnostik, Swiss Olympic Medical Center, Sportwissenschaftliches Institut, Bundesamt für Sport Magglingen, CH-2532 Magglingen, Anton.held@baspo.admin.ch 212
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