Mit dem Abtritt der ersten Nachkriegs-Wohlstandsgeneration wird nun immer. mehr Vermögen vererbt und werden immer mehr Menschen durch Erbschaft
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- Vincent Kramer
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1 . global news : Erben und darben in Deutschland 1. Erben Mit dem Abtritt der ersten Nachkriegs-Wohlstandsgeneration wird nun immer mehr Vermögen vererbt und werden immer mehr Menschen durch Erbschaft statt durch eigene Leistung zu Wohlstand kommen. Seit einigen Jahren steigt das Geldvermögen der privaten Haushalte deutlich stärker als die deutsche Wirtschaftsleistung insgesamt (Abb ). Immer mehr wird vererbt oder - auch um die Erbschaftssteuer zu vermeiden - verschenkt. So werden nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jedes Jahr in Deutschland Vermögen von insgesamt über 200 bis 300 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt. 300 Mrd. Euro entspricht immerhin bereits einem Fünftel des gesamten Arbeitnehmerentgelts. Da den - rundbr / 8
2 reichsten 10 % aller Haushalte fast zwei Drittel des Vermögens gehören, handelt es sich vor allem um Übertragungen in diesem Personenkreis. Allein etwas mehr als ein Drittel aller Übertragungen entfällt auf nur 1,5 % oder nur Menschen, die durchschnittlich mehr als Euro bekommen. Die großen Erbschaften von mehr als 5 Mio. Euro entfallen sogar auf nur 0,08 % aller Erben oder Beschenkten. Die Hälfte der Bevölkerung geht dagegen völlig leer aus. Diese Übertragungen sind einer der Hauptgründe für die sich ständig verschärfende soziale Spaltung in Deutschland, zumal Erben sehr niedrig besteuert werden. Im Schnitt zahlen Erben nur 7 % Steuern, sofern sie überhaupt über den Freibeträgen liegen. Insgesamt bringt die Erbschafts- und Schenkungssteuer derzeit gerade einmal rund sechs Milliarden Euro ein. Das ist nicht einmal ein Hundertstel des gesamten Steueraufkommens. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Picketty hat mit seinem Aufsehen erregenden Buch "Kapital im 21. Jahrhundert" auf die Bedeutung der Vererbung von Kapital, gerade in einer alternden Gesellschaft, wie der deutschen, aufmerksam gemacht. Er erwartet, daß die Vererbung von Kapital im 21. Jahrhundert bei der Entwicklung von Ungleichheit wieder so bedeutend sein wird, wie sie das im 19. Jahrhundert war. Diese Entwicklung werde von der sich abzeichnenden Wachstumsverlangsamung der Volkswirtschaften noch unterstützt. Die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern, nämlich Grundsteuer, Erbschaftssteuer, Kapitalverkehrssteuer und der im Jahr 2000 aufgegebenen Vermögenssteuer, wurden in Deutschland über die letzten Jahrzehnte immer weiter zurückgeführt (Abb ). Die direkten Erben profitieren in Deutschland von relativ hohen Freibeträgen von Euro pro Kind, verglichen mit Euro in Frankreich, Euro in Spanien und nur knapp Euro in den Niederlanden (andererseits ist Erben in Australien, Österreich, Kanada, Portugal und Schweden völlig steuerfrei). So erbrachte die Erbschaftssteuer 2014 nur 0,9 % des gesamten deutschen - rundbr / 8
3 Steueraufkommens. Es sollte daher nicht überraschen, daß Deutschland (zusammen mit Österreich) im internationalen Vergleich den niedrigsten Anteil von Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern gemessen am BIP und auch an den Gesamtsteuereinnahmen verzeichnet (Abb , 19288). - rundbr / 8
4 2. Glückliche Unternehmenserben Unternehmensbesitz steht bei den Erbschaften der Vermögenden im Vordergrund. Nach Aussage der Bundesbank spielt Unternehmensbesitz erst bei den nach Nettovermögen reichsten 10 % eine wichtigere Rolle im Portfolio. Im Durchschnitt summiert sich das Betriebsvermögen für diese Haushalte mit Unternehmensbesitz auf etwa 1 Mio. Euro. Anders als in anderen Ländern werden jedoch in Deutschland seit 2009 Unternehmenserben ohne jede Bedürftigkeitsprüfung von der Erbschaftssteuer total befreit, wenn sie den Betrieb für einige Jahre ohne Entlassungen weiterführen. Zwischen 2009 und 2014 wurden so Unternehmen im Wert von 170 Milliarden Euro übertragen, ohne dass die Gesellschaft daran beteiligt wurde. Die geltenden Steuertarife zu Grunde gelegt, entgingen dem Staat laut IMK Report vom Mai Milliarden Euro. Der Steuerverlust war 2014 bereits höher als was der Solidaritätszuschlag einbringt (Abb ). - rundbr / 8
5 Dieses Steuerprivileg war selbst dem nicht für eine besonders soziale Einstellung bekannten Bundesverfassungsgericht zu viel. So gab es der Bundesregierung schon 2014 auf, bis zum Juni 2016 nachzubessern. Aus dem Berg der Erbschaftssteuerreform für Unternehmenserben kroch nun ein Mäuschen. Nach zähen Verhandlungen in der Koalition soll es eine minimale Verschärfung für besonders große Erbschaften ab 26 Mio. Euro geben. Hier soll eine Bedürftigkeitsprüfung eingeführt werden. Allerdings kann der Erbe das ablehnen und profitiert dann weiter von niedrigen und nur langsam steigenden Steuersätzen. Erst ab 90 Mio. Euro Firmenwert kommt die Erbschaftssteuer voll zum Tragen. Bei Unternehmen unterhalb eines Firmenwerts von 26 Mio. Euro gibt es einen Steuernachlaß von 85 %, wenn der Erbe den Betrieb fünf Jahre weiterführt und dabei die insgesamt ausgezahlte Lohnsumme nur geringfügig senkt. Komplett steuerfrei bleibt er, wenn er den Betrieb sieben Jahre fortführt und die Lohnsumme nicht verringert. Bei Unternehmen bis zu 5 Mitarbeitern soll es sogar weiter eine totale Steuerbefreiung ohne jede Bedingung geben. Damit werden 70 % aller Unternehmen in Deutschland von der Erbschaftssteuer total ausgenommen. - rundbr / 8
6 Bisher lag die Grenze für diese steuerliche Großzügigkeit bei 20 Mitarbeitern. Erben von Unternehmen unter 26 Mio. Euro Firmenwert können also neben dem ererbten Unternehmen viele Millionen hinter sich haben oder zusammen mit dem Unternehmen viele Millionen zusätzlich geerbt haben und brauchen trotzdem für die Übertragung des Unternehmens keine Steuer zu berappen. Zusätzlich kommt die Bundesregierung den Unternehmenserben mit drei Bonbons entgegen. Bei der Bestimmung des Firmenwerts wurde bisher der erzielbare Unternehmensgewinn mit 18 multipliziert, um den Wert der Firma zu berechnen. Künftig liegt der Faktor nur noch zwischen zehn und 12,5. Damit sinken die Firmenwerte in vielen Fällen um weitere 30 %. Dazu gibt es für Familienunternehmen einen weiteren pauschalen Wertabschlag von 30 %. Außerdem muß der Erbe die Steuer, wenn sie denn anfällt, nicht gleich zahlen. Die Bundesregierung gibt ihm einen voraussetzungslosen Anspruch auf zinslose Stundung von bis zu zehn Jahren. Im Ergebnis hat sich also weitgehend die Lobby der Familienunternehmen durchgesetzt, und die SPD hat dabei ihr soziales Gewissen wieder einmal vergessen. Die mit wachsender Erbschaftsgröße abnehmende effektive Besteuerung ist auch auf die Steuerbefreiungen bei Unternehmensübertragungen zurückzuführen (Abb ). Wenn der effektive Steuersatz bei Erbschaften unter Euro mehr als siebenmal höher ist als bei solchen über 20 Mio. Euro, so ist schon das ein steuerlicher Skandal. - rundbr / 8
7 3. Trotz Mindestlohns: Darben in Deutschland Während die Bundesregierung mit den reichen Unternehmenserben äußerst großzügig umgeht, hat sie den Mindestlohn mit nur 8,50/Stunde so bemessen, daß man davon kaum leben kann, da der Existenzbedarf damit nicht zu decken ist Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag jetzt eingeräumt. Demnach erhält eine alleinstehende Person mit einer Wochenarbeitszeit von 37,7 Stunden und einem Mindestlohn von 8,50 Euro einen monatlichen Bruttolohn von 1388,62 Euro. Netto bleiben 1.040,27 Euro übrig. Der durchschnittliche Existenzbedarf alleinstehender Erwerbstätiger beträgt jedoch Euro und liegt damit um 13 Euro über dem Mindestlohn. Der Existenzbedarf setzt sich zusammen aus dem Hartz-IV-Regelsatz von 404 Euro, den durchschnittlichen Kosten der Unterkunft von 349 Euro sowie dem Erwerbstätigenfreibetrag von 300 Euro. Außerdem hat die Bundesregierung die erste Möglichkeit zu einer eventuellen Erhöhung des Mindestlohns erst in 2017 zugelassen. * * * * * Warnung aus aktuellem Anlaß! Die hier (wie in anderen Rundbriefen) - rundbr / 8
8 beschriebenen sozialen Ungerechtigkeiten der deutschen Steuer- und Sozialpolitik sind total hausgemacht und haben nichts mit der EU zu tun. Sie dürfen daher auch nicht als Unterstützung für EU-feindliche Töne aus der AfD mißverstanden werden, deren Programm ich für unsozial halte (siehe hier). * * * * * Hier können Sie diesen Rundbrief bewerten. - rundbr / 8
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