Fallen bei Anfällen im Kindesalter
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- Friedrich Gärtner
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1 Fallen bei Anfällen im Kindesalter Frühlingsfortbildung der Schweizerischen Interessengemeinschaft Notfallpflege Inselspital Bern 20.März 2015 Dr. Thomas Schmitt-Mechelke LA Neuropädiatrie Kinderspital Luzern
2 Das Krampflabor Na Bei/Nach Fieberkrämpfen häufig und Indikator der Rezidivgefährdung Ab 125 mmol/l iktogen eher selten (CVI bei Dehydratation?) Ca ionisiert < 1.0; gesamt ab 2.0 iktogen (Hypoparathyreoidismus? Rachitis?) K, Cl unspezifisch K nach längerem Anfall Mg < 0.7 iktogen echte SW-Störung sehr selten (Malabsorption, Tubulopathie) Glukose eher Koma als Anfälle Ausnahme: nächtliche Anfälle bei DM nach längerem Anfall BGA Gemischte Azidose (CO 2 wegkontrollieren...)? Prolaktin Nach generalisiertem Anfall. Unspezifisch!? CK Nach längerem generalisiertem Anfall? DD-Dimere Bei V.a. CVI (Herdsymptome?)
3 Akute zerebrale Bildgebung nach epileptischem Anfall im Kindesalter? Indikation: Ausschluss einer akuten interventions-bedürftigen Grunderkrankung Raumfordernde intraparenchymatöse Blutung: Extrem selten Epidurales Hämatom: Macht i.d.r. keine Anfälle Obstruktiver Hydrozephalus: Macht keine Anfälle Tumor mit raumfordernder Ausdehnung: Supratentoriell extrem selten Cerebrovaskulärer Insult mit Lyse-Option: Extrem selten Ausschluss Raumforderung hintere Schädelgrube vor LP: Keine Anfälle Generalisierte (z.b. entzündliche) Hirnschwellung: Möglich, aber: Gehen alle mit postiktalen eindeutigen Symptomen einher (persistierende Herdbefunde, Hirndrucksymptome) Im CT niedrige Trefferwahrscheinlichkeit Prinzipiell alle im CT nachweisbar, MRI bei Bedarf sinnvoller
4 3jähriges Mädchen mit anhaltender Bewusstseinseinschränkung und Blickdeviation Symptomatik: Prolongierter Occipitallappenanfall (Status epilepticus!) Typisch für idiopathische benigne Partialepilepsie (Panayiotopoulos, BPOSW): - häufig; ab 2. Lebensjahr - Anfallsdauer prolongiert und schwer abschätzbar - kann mit (hemi-)klonischen Zuckungen einhergehen - ausgeprägte autonome/vegetative Begleitsymptome - Erbrechen, Kopfschmerzen postiktal - Migraine-Assoziation!!
5 Prolongierter Occipitallappen-Anfall Empfehlung zum Procedere 1. Diazepam Desitin rectiole 5 mg 2. Bei Anfallspersistenz wdh nach 5-7 min 3. Falls nicht beendet: IV Zugang (Intraossärer Zugang: eher nicht) 4. Lorazepam 0.1 mg/kgkg IV 5. Bei Anfallspersistenz nach 3-5 min 6. Phenobarbital 10 mg/kgkg IV P.S: Das gilt prinzipiell auch für Fieberkrämpfe!... Meistens gutartiges Phänomen ohne Gefahr einer anfallsbedingten Schädigung Anfallsende: - keine Kopf/Blickdeviation mehr - keine Myoklonien mehr Intubationspflichtigkeit vermeiden!!
6 Typische anamnestische Hinweise für Anfälle bei «idiopathischen» Epilepsien Semiologie Oro-fazio-mastikatorische Partialanfälle Occipitallappenanfälle: Bulbus- und Kopfwendung zur selben Seite, langdauernde Bewusstseinseinschränkung, Kopfschmerzen und Erbrechen, positive FA für Migräne (DD Migräne accompagnée) Visuell evozierter Anfall (TV, PC, Blitzlichtbeflickerung) Aufwach-GM-Anfall nach Schlafmangel, wiederholte morgendliche nervöse Schulterzuckungen Wahrscheinliche Diagnose Rolandi-Epilepsie Benigne Partialepilepsie mit okzipitalen sharp waves (Panayiotopoulos) Fotosensibilität Juvenile myoklonische Epilepsie
7 St. n. 1. epileptischem Anfall Welches Management? Nicht notfallmässige ambulante Abklärung prinzipiell möglich, wenn das Kind postiktal neurologisch unauffällig ist (Ausschluss Herdsymptomatik, soweit möglich.) kein Hinweis für eine akut behandlungspflichtige Grunderkrankung besteht (zb Hypokalzämie) Eltern und Kind über Vorsichtsmassnahmen aufgeklärt sind (zb Schwimmen, Hochgeräteturnen, Schlafentzug, TV/PC) Notfallmedikation zur Verfügung steht Wichtige Beratungs-Items: Auf Wiederholungsgefahr hinweisen (dabei keine Lebensgefahr!) Bei evtl. Rezidiv Video (Handy!) machen lassen
8 Welche Gefährdung droht einem Patienten bei einem grossen epileptischen Anfall? In der Regel keine!! Epileptische Anfälle sistieren in der Regel nach 2-3 min. von alleine Als Anfallsdauer zählt dabei nur die Zeit, während der der Patient rhythmische Zuckungen oder andere repetitive motorische Phänomene zeigt Eine postiktale Bewusstlosigkeit ist physiologisch und kein Zeichen fortdauernder Anfallsaktivität I.d.R. keine relevante Gefährdung durch Verletzung, Aspiration, Hypoxie, iktogenen Hirnschaden, Rhabdomyolyse etc.
9 Symptome: Wenig bekannt, trotzdem wissenswert: Dystonie nach Benzodiazepinen - Streck-Streck-Synergismen der Extremitäten (Arme nach aussen rotiert, Enthirnungsstarre ) - Grosszehenextension ( Babinski ) - Opisthotonushaltung - keine Zuckungen - sieht aus wie mesenzephale Einklemmung Ursache? - Mittelhirnautonomie nach corticaler Suppression? - generalisierte extrapyramidalmotorische NW? - bei Säuglingen & Kleinkindern nach Fieberkrämpfen - bei Kindern mit cerebraler Vorschädigung (CP) Nicht mit tonischen Anfällen verwechseln!
10 Akutbehandlung: Domäne der Benzodiazepine Substanz Präparat Dosierungstipps Diazepam rectal Diazepam Desitin < 20 kg: 5 mg (Stesolid rectiolen) > 20 kg: 10 mg Diazepam oral Psychopax -Lösung mg/kg KG Valiquid -Lösung in 3-4 ED (1ml=30gtt=10mg) Lorazepam bukkal Temesta Expidet 0.1 mg/kg KG (1, 2.5 mg) max. 4 mg Lorazepam IV Temesta -Lösung 0.1 mg/kg IV Tavor - Lösung max. 4 mg
11 Akutbehandlung: Domäne der Benzodiazepine Substanz Präparat Dosierungstipps Midazolam bukkal Dormicum Lsg 0.5 mg/kg KG (1 resp. 5 mg/ml) Buccalam Midazolam nasal spezielles Nasen- 0.2 mg/kg KG Spray (2.5 mg/hub) Clobazam oral Urbanyl Tbl. 10 mg mg/kg KG in 3 ED Clonazepam IV Rivotril -Lösung 0.02 mg/kg IV
12 Wie weiter, wenn ein grosser Anfall danach nicht aufhört? Benzodiazepindosis (Diazepam/Temesta) nach 5-7 min erneut verabreichen IV-Zugang? Erhöhte Temperatur gesenkt? (Falls noch nicht parenteral verabreicht) Temesta 0.1 mg/kg IV) Falls Anfall nach 5-7 min nicht sistiert, Phenobarbital 10 mg/kg IV Falls Anfall nach 5-7 min nicht sistiert, Phenobarbital 5-10 mg/kg IV Falls Anfall nach 5-7 min nicht sistiert, Phenytoin 10 mg/kg über 10 min langsam IV Stationäres Notfall- Setting Falls nach min Anfall nicht kontrolliert: Thiopental-Koma
13 Stürze & Bewusstlosigkeit Immer Commotio? Sequenz Unfallbedingter Sturz mit relevanter Schädelprellung; kurze BWLK, Erbrechen, (retrograde) Amnesie Mögliche Ätiologie Echte Commotio Unfallbedingter Sturz, anschliessend - unmittelbare Blässe & BWLK Vasovagale Synkope - Weinen, Apnoe, Zyanose, BWLK Zyanotischer Affektkrampf Initiale BWLK mit Tonusverlust und Sturz (sekundär Commotio möglich) Initiale BWLK und Unfall mit Commotio Nach Sturz (mit/ohne) BWLK sekundäre BWLK nach symptomfreiem intervall- Nach Commotio/SHT und symptomfreiem Intervall sekundäre BWLK mit generalisierten klonischen Zuckungen Nach Synkope (häufig) Bei Anfall (selten) Bei Anfall (selten) Basilarismigräne Intrakranielle Blutung Posttraumatischer epileptischer Frühanfall
14 Akutes Mittelhirnsyndrom Typische pädiatrische Ursachen : Obstruktionshydrozephalus (Tu. hintere Schädelgrube) Shuntinsuffizienz bei bekanntem Hydrozephalus Akute intrakranielle Drucksteigerung bei Meningitis/Enzephalitis Interstitielles Hirnödem bei Hyponatriämie (z.b. Wasserintoxikation) Zytotoxisches Hirnödem nach Hypoxie/Ischämie! Achtung bei typischer Anamnese : Therapierefraktäre tonische Anfälle!
15 Typische Befunde bei nicht epileptischen Anfällen Attacken meist in medizinischen Situationen Häufige grosse Anfälle ohne Verletzung/Morbidität Emotionaler outburst oder unerwartet rasche Reorientierung nach Attacke Sturz zu Boden, Augen geschlossen (!) Widerstand gegen Versuch, Augenlider zu öffnen Kein Zyanose trotz längerer Dauer ( > 2 min) Alternierende asynchrone Bewegungen der Extremitäten Hin-und-Her-Werfen des Kopfes Opisthotonus-Haltung ( arc de cercle ) Häufig Missbrauchsanamnese!
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