Eine neue Weltwirtschaftsordnung jenseits der reinen Marktwirtschaft?
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- Elsa Simen
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1 Eine neue Weltwirtschaftsordnung jenseits der reinen Marktwirtschaft? Standortbestimmung und Vorschläge zum Kurswechsel Referat bei der Evangelischen Akademie Tutzing am 20. Jänner 2013
2 Rahmenbedingungen im golden age of capitalism 1950 bis ~1975 Ergebnis des Lernens aus der Weltwirtschaftskrise Soziale Marktwirtschaft > Integration von Gegensätzen: Politik Ökonomie/Staat Markt/Kooperation Konkurrenz Ausbau des Sozialstaats und Dominanz der Vollbeschäftigung Liberalisierung der Gütermärkte, Regulation der Finanzmärkte> Zins liegt unter Wachstumsrate Weltwirtschaft: Feste Wechselkurse, stabile Rohstoffpreise, kooperative Strategien (Bretton Woods, Marshall-Plan, Entwicklungshilfe) > Unterschied Unternehmen/Staat Gewinnstreben auf Realwirtschaft fokussiert Gefördert durch Kalten Krieg Realkapitalistische Spielanordnung Wissenschaftliches Fundament: Keynesianismus
3 Performance im golden age of capitalism 1950 bis ~1975 Vollbeschäftigung ab Ende der 1950er Jahre Stetig sinkende Staatsverschuldung Soziale Sicherheitssysteme: Vorsorge durch Handeln Selbsterfüllende Effekte des Vertrauens Beispiel: Reaktion auf den Anstieg der Abhängigkeitsquote in den 1960er Jahren auf 65% (heute: 48%) Vorsorge durch Realkapitalbildung > Solidarischer Generationenvertrag Anreizbedingungen: Aktivitäten in der Realwirtschaft > Aufeinander-angewiesen-sein von Unternehmen bis zu Systemen der sozialen Sicherheit Mensch als Individuum und als soziales Wesen
4 Nationale Rahmenbedingungen im Finanzkapitalismus seit ~1980 Wissenschaftliches Fundament: Neoliberalismus Renaissance wegen Erfolg des Realkapitalismus > Ökonomie vor Politik, Markt vor Staat, Konkurrenz vor Kooperation Ent-Fesselung der Finanzmärkte > Instabilität der für Unternehmen wichtigsten Preise Gewinnstreben verlagert sich zur Finanzalchemie Dominanz der Ziele von Geldwert und stabilen Staatsfinanzen Rückbau des Sozialstaats > Eigenvorsorge statt Solidarlösungen Vertrauensschwund Entfremdung zwischen Unternehmern und Gewerkschaften Finanzkapitalistische Spielanordnung
5 Globale Rahmenbedingungen im Finanzkapitalismus seit 1971 Enorme Schwankungen der Wechselkurse Weltwährung = Dollar wird zu instabilsten Währung > Destabilisierung der (in Dollar notierenden) Rohstoffpreise Schwankungen des Werts der in Dollar notierenden Schulden der Entwicklungsländer ( Häuslebauereffekt ) Globalisierung der Gütermärkte, noch mehr der Finanzmärkte Ent-Globalisierung der Politik > Volkswirtschaften und Staaten als Konkurrenten auf Weltmärkten > Vernächlässigung der globalen Probleme von Armut bis Klimawandel Gegentendenz in Europa durch EU-Integration bis ~2010 Finanzkrise bedroht diesen Prozess > Nationalinteressen werden stärker
6 Nationale Performance im Finanzkapitalismus Steigende Arbeitslosigkeit > Prekäre Beschäftigung und hohe Mieten > Junge können nur schwer flügge werden > No-future-feeling > TINA-Haltung prägt (auch) die Opfer der TINA-Politik Steigende Staatsverschuldung trotz/wegen Schwächung des Sozialstaats Vorsorge durch Finanzkapitalbildung > Ent-Solidarisierung zwischen Jung und Alt Anreizbedingungen: Finanzalchemisten gewinnen, wenn die anderen verlieren (und sie agieren allein im Gegensatz zu Unternehmern) Mensch nur als Individuum wahr genommen
7 in % in % Stephan Langfristige Entwicklung in (West)Europa Arbeitslosenquote Lohnquote Staatsschuld brutto in % des BIP Quelle: Wifo-Datenbank Realzins -4 Wachstumsrate
8 Globale Performance im Finanzkapitalismus Dollarabwertungen in den 1970er Jahren > Ölpreisschocks 1973 und 1979 > Rezessionen Dollarboom 1980/85 > Aufwertung der Dollarschulden > Schuldenkrise der Entwicklungsländer > Verlorenes Jahrzehnt in Lateinamerika und Afrika Asynchrone Konjunktur 1991/92 & Devisenspekulation > Zusammenbruch des europäischen ERM 1992 > verstärkt Abschwung > Rezession 1993 Dollaraufwertung 1995/2000 > Finanzkrisen Ostasien 1997 > Russland 1998 > Brasilien und Argentinien 1999/2000 Dollarabwertung 2001/2008 > fördert Rohstoffpreisboom Beschleunigung im Gleichschritt mit dem Boom der Immobilienpreise und Aktienkurse > Aufbau des Potentials für die große Krise Spekulation gegen Eurostaaten > Spaltungstendenzen
9 1982 = 100 % Veränderung gg. das Vorjahr in % Stephan Doppelrolle des Dollar und die Weltwirschaft Effektiver Wechselkurs (4 Reservewährungen/Dollar) 1) Welt-BIP (rechte Skala) Quelle: Wifo-Datenbank. 1) Gegenüber DM, Franc, Pfund, Yen
10 1986 = 100 In $ Stephan Dollarkurs und Ölpreis Effektiver Dollarkurs (linke Skala) 1) Ölpreis (OECD Importpreis - rechte Skala) Q: Wifo-Datenbank. 1) Gegenüber DM, Franc, Pfund, Yen
11 Standort im langen Entwicklungszyklus 1920er Jahre: Finanzkapitalismus & Neoliberalismus Talfahrt 1929/33: Börsen- und Bankenkrach, Sparpolitik, Lohnsenkungen, Abwertungswettläufe Lernen aus der Katastrophe (Talsohle) 1933 bis 1945 > Keynes/BrettonWoods/Marshall- Plan/Sozialstaat/Sozialpartnerschaft > neue Spielanordnung Realkapitalismus & Soziale Marktwirtschaft Wirtschaftswunder > Machtverschiebung in den 1960er Übergang1968/1980:Friedman/Dollarverfall/Ölpreisschocks I und II/Inflation/Zinspolitik/...> Finanzkapitalismus & Neoliberalismus ~1980 bis 2007 Talfahrt 2007/???: Implosion dieser Spielanordnung > Aktien, Anleihen, Rohstoffpreise, Zinsspekulation, Sparpolitik Am Beginn einer neuen Talsohle?
12 Exchange rate regime Stephan Global Currency Regimes World currency National currency of the leading country (double role) Supranational currency Floating exchange rates Fixed/pegged exchange rates US dollar regime (1971 -?) {Euro (1999 -?)/ Globo (? - ) } Bretton Woods (~ ) Gold standard (~ ) Gold exchange/ British pound standard ( )
13 Hauptfunktionen des Dollar als Weltwährung Referenzwährung für internationale Flows: Rohstoffe notieren in Dollars > Dollarkurs als supranationaler flow price Referenzwährung für supranationale Stocks: Internationale financial assets/liabilities in Dollar gehalten > Dollarkurs und Dollarzins als supranationale asset prices Vehicle currency im Devisenhandel
14 Dollar als nationale Währung der USA Dollarkurs > Exporte and Inflationsdynamik in USA Dollarzins > Kapitalkosten, Investitionsdynamik, Geldpolitik Instabilität von Dollarzins und Dollarkurs und US-Wirtschaftspolitik
15 1986 = 100 In $ Stephan Dollarkurs und Ölpreis Effektiver Dollarkurs (linke Skala) 1) Ölpreis (OECD Importpreis - rechte Skala) Q: Wifo-Datenbank. 1) Gegenüber DM, Franc, Pfund, Yen
16 1986 = 100 Stephan Dollarkurs und Welthandelspreise Effektiver Dollarkurs Welthandelspreise Wifo-Datenbank
17 in % Stephan Realzins für internationale Dollarschulden Dollarzinsen Welthandelsinflation auf Dollarbasis Realzins für internationale Schulden Wifo-Datenbank
18 Dollar per Barrel Stephan Spekulationssystem: Erdölfutures 150 WTI Futures Preis (NYMEX) 50-Tage-Durchschnitt / / / / / / / /
19 US cents per bushel Stephan Futures-Preise: Weizen (August, 26) /13/08, /10/2011, /1/2011, /4/07, /8/2010, /2005 1/2006 1/2007 1/2008 1/2009 1/2010 1/
20 Spekulationssystem für den Dollar-Euro-Kurs 1.6 Tageskurs 4/22/2008, Tage-Durchschnitt 12/1/2009, /3/2011, /30/2004, /3/2011, /14/2005, /27/2008, /7/2010, /26/2000, /31/2002,
21 "Schnelles Spekulationssystem für den Dollar/Euro-Kurs 5-Minutendaten 35-Perioden-Durchschnitt /9:10 13/21: /13:10 11/13:45 13/12: /14:15 9/6:55 11/1:
22 1995 = 100 Stephan Aktienkurse in Deutschland, Großbritannien und den USA DAX FTSE 250 S&P /90 1/93 1/96 1/99 1/02 1/05 1/08 1/
23 Basispunkte Stephan Zinsen für Staatsanleihen der großen Euro-Länder Deutschland Spanien Italien Frankreich /20104/20107/201010/20101/20114/20117/201 10/2011/20124/20127/201210/
24 World-GDP = 1 World-GDP = 1 Stephan Handelsvolumen auf den globalen Finanzmärkten 80 Insgesamt 45 Börsenderivate (Futures und Options) Derivatmärkte Kassamärkte OTC-Derivate Devisen (Spot) Aktien und Anleihen (Spot)
25 In % In % In % Stephan Interest rate, growth rate, economic performance Western Europe 12 Unemployment rate Gross public debt Real long-term interest rate1) Real growth rate1) ) Gleitender 3-Jahresdurchnitt
26 Arbeit, Realkapital und Finanzkapital Arbeit Realkapital Finanzkapital Ökonomische Interessen Vollbeschäftigung Reallohnsteigerungen Hohe Rendite auf Realveranlagung: - niedrige Zinsen und Wechselkurse - Stabile Finanzmärkte Hohe Rendite auf Finanzveranlagung und spekulation: - hohe Zinsen und Wechselkurse - Instabile Finanzmärkte Beispiele für Interessenkonflikte Lohnsteigerung Zinssteigerung Reale Aufwertung Potentielle Partner für Interessenbündnis Realkapital Arbeit oder Finanzkapital Realkapital Ökonomisches Interesse am Staat Vollbeschäftigungspolitik soziale Sicherheit Bildung Daseinsvorsorge Konjunkturstabilisierung und Wachstumspolitik: Mächtige Notenbank Restriktive Geldpolitik Privatisierung der Sozialversicherung Politische Hauptinteressen Starker Sozialstaat starke Gewerkschaften schwacher Sozialstaat schwache Gewerkschaften kein Sozialstaat keine Gewerkschaften
27 Realkapitalismus und Finanzkapitalismus Realkapitalismus Finanzkapitalismus Implizites Bündnis Arbeit & Realkapital Realkapital & Finanzkapital Unternehmer/Gewerkschaften Korporatismus Konflikt Verhältnis Staat/Markt Komplementär Antagonistisch Wirtschaftspolitische Ziele Wirtschaftspolitisches Machtzentrum Wirtschaftswissenschaftliches Modell Viele: von Vollbeschäftigung bis zur Einkommensverteilung Regierungen Keynesianismus Wenige: Geldwertstabilität, solide Staatsfinanzen, sinkende Staatsquote Notenbanken Monetarismus/Neoliberalismus Diagnose/Therapie Systemisch Symptomorientiert Finanzielle Rahmenbedingungen Zinssatz<Wachstumsrate, ruhige Finazmärkte Zinssatz>Wachstumsrate, boom und bust auf Finanzmärkten Gewinnstreben fokussiert auf Realwirtschaft (Positivsummenspiel) Finanzwirtschaft (Nullsummenspiel) Wirtschaftsmodell Gesellschaftspolitische Ziele Soziale und regulierte Marktwirtschaft Chancengleichheit, individuelle Entfaltung, sozialer Zusammenhalt ( Reine ) Marktwirtschaft Rahmenbedingungen schaffen für: Jeder ist seines Glückes Schmied
28 Langfristige globale Strategien Koordinierte Geldpolitik: Zins < Wachstumsrate Stabilitätsbänder für die wichtigsten Wechselkurse > Ziel: Globo als Welt-ECU Rückführung der Finanzderivate Finanztransaktionssteuer Stabilisierung der Rohstoffpreise, insbesondere für fossile Brennstoffe Notierung der Rohstoffe in Währungsbündel Koordinierter Klimaschutz Global Marshall-Plan
29 Der Europäische Währungsfonds (EWF) Finanzierungsagentur der Eurostaaten Begibt Eurobonds zu festen Zinssätzen Unter der mittelfristigen Wachstumsrate Unbeschränkte Garantie aller Euro-Länder Rückendeckung durch EZB (kauft ev. Eurobonds) Eurobonds = Euroschatzbriefe = jederzeit flüssig, aber nicht handelbar (kein Spekulationsmittel) Mittelvergabe nach klaren Kriterien (auch Wachstums-, Beschäftigungs- und Umweltziele)
30 Richtiger Preispfad erschöpfbarer und umweltbelastender Ressourcen Erschöpfbarkeit und umweltbelastender Verbrauch = soziale Kosten wie Klimawandel Gleichgewichtspfad: Fossile Energieträger verteuern sich stetig und überdurchschnittlich (Derivat)Märkte versagen komplett > CO2-Steuern und Emissionshandel unzureichend Produzenten und Konsumenten reagieren auf starke und verläßliche Preissignale Lange Amortisationsperioden von Investitionen in die Energeieffizienz > Investitionsboom
31 EU-Initiative: Geregelter Preispfad samt Abschöpfungssteuer für fossile Energie Ziel: Temperaturanstieg auf 2 C begrenzen No-regret-option: Preis je Tonne CO2 steigt um 370 = 0.74 (0.93 $ at 1 = 1.25 $) pro Liter Rohöl > Ölpreis insgesamt in $ je Liter: 0.63 (bei 100$/Barrel) plus 0.93 = 1.56 $ Ölpreis je Barrel: 1.56*159 = 248 $ > Ziel bis 2020 erreichen: Preisanstieg um 12% pro Jahr > Diesel verteuert sich auf fast 4 (wenn auch die indirekten Steuern proportional steigen) Eine EU-weite Steuer schöpft die Differenz zwischen Weltmarktpreis und EU-Preis ab > Rentiereinkommen der Ölproduzenten und Ölgesellschaften werden zu Regierungen umverteilt
32 Sonstige Europäische Strategien Geldpolitik plus EWF: Zins < Wachstumsrate Stabilisierung des Euro zu den wichtigsten anderen Währungen Langfristige Rohstoffpreisabkommen mit Entwicklungsländern Regulierung, Aufsicht und Transparenz über Derivatspekulation Beschränkungen für Amateurtrading Finanztransaktionssteuer
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