Der Schuldner ist schuld oder?
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- Wilhelm Falk
- vor 8 Jahren
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1 Der Schuldner ist schuld oder? Stephan Vortrag beim Festakt beim Festakt 20 Jahre Schuldnerberatung OÖ am 7. November 2011 in Linz
2 Überblick Schuldenmachen und langfristige Wirtschaftsentwicklung Standortbestimmung im langen Zyklus Die große Krise und ihre weitere Entwicklung Schulden im Rahmen einer systemischen Theorie kapitalistischer Spielanordnungen Schuldenmachen der Einzelnen unter real- und finanzkapitalistischer Speilanordnung Ist der Schuldner (ganz) unschuldig?
3 Schuldenmachen im Realkapitalismus Prosperitätsphase: Enormer Schuldenaufbau (Haupt)Schuldner: Unternehmen, gedeckt durch Realkapital Staatsverschuldung sinkt Haushalte: Gering verschuldet, außer durch Haus gedeckt > EK-Verteilung Geringe Auslandsverschuldung > Währungssystem
4 Schuldenmachen im Finanzkapitalismus Krisenphase: Enormer Schuldenaufbau (Haupt)Schuldner: Staat, arme Haushalte, schwache Volkwirtschaften Staatsverschuldung steigt Haushalte: Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung, mithalten Wollen, Hoffnung auf Glück > Systemische Faktoren Auch bei (manchen) weniger entwickelten Ländern
5 Wo stehen wir im langen Entwicklungszyklus? 1920er Jahre: Finanzkapitalismus & Neoliberalismus Talfahrt 1929/33: Börsen- und Bankenkrach, Sparpolitik, Lohnsenkungen, Abwertungswettläufe Lernen aus der Katastrophe (Talsohle) 1933 bis 1945 > Keynes/BrettonWoods/Marshall- Plan/Sozialstaat/Sozialpartnerschaft > neue Spielanordnung Realkapitalismus & Soziale Marktwirtschaft Wirtschaftswunder > Machtverschiebung in den 1960er Übergang1968/1980:Friedman/Dollarverfall/Ölpreisschocks I und II/Inflation/Zinspolitik/...> Finanzkapitalismus & Neoliberalismus ~1980 bis 2007 Talfahrt 2007/???: Implosion dieser Spielanordnung Am Beginn einer neuen Talsohle?
6 Systemische Erklärung der Krise 3-facher Entwertungsprozess nach Dreifachboom > Durch business as usual nach dem Motto: Lassen Sie ihr Geld arbeiten Politik bekämpft die Hauptsymptome Bankenrettung: Problemverschiebung > Staatsschulden > CDS-Spekulation > Euro-Krise Krisenpotential langfristig aufgestaut Krise = Anfang vom Ende des Finanzkapitalismus Talsohle im langen Zyklus
7 Arbeit, Realkapital und Finanzkapital Arbeit Realkapital Finanzkapital Ökonomische Interessen Vollbeschäftigung Reallohnsteigerungen Hohe Rendite auf Realveranlagung: - niedrige Zinsen und Wechselkurse - Stabile Finanzmärkte Hohe Rendite auf Finanzveranlagung und spekulation: - hohe Zinsen und Wechselkurse - Instabile Finanzmärkte Beispiele für Interessenkonflikte Lohnsteigerung Zinssteigerung Reale Aufwertung Potentielle Partner für Interessenbündnis Realkapital Arbeit oder Finanzkapital Realkapital Ökonomisches Interesse am Staat Vollbeschäftigungspolitik soziale Sicherheit Bildung Daseinsvorsorge Konjunkturstabilisierung und Wachstumspolitik: Mächtige Notenbank Restriktive Geldpolitik Privatisierung der Sozialversicherung Politische Hauptinteressen Starker Sozialstaat starke Gewerkschaften schwacher Sozialstaat schwache Gewerkschaften kein Sozialstaat keine Gewerkschaften
8 Realkapitalismus und Finanzkapitalismus Realkapitalismus Finanzkapitalismus Implizites Bündnis Arbeit & Realkapital Realkapital & Finanzkapital Unternehmer/Gewerkschaften Korporatismus Konflikt Verhältnis Staat/Markt Komplementär Antagonistisch Wirtschaftspolitische Ziele Wirtschaftspolitisches Machtzentrum Wirtschaftswissenschaftliches Modell Viele: von Vollbeschäftigung bis zur Einkommensverteilung Regierungen Keynesianismus Wenige: Geldwertstabilität, solide Staatsfinanzen, sinkende Staatsquote Notenbanken Monetarismus/Neoliberalismus Diagnose/Therapie Systemisch Symptomorientiert Finanzielle Rahmenbedingungen Zinssatz<Wachstumsrate, ruhige Finazmärkte Zinssatz>Wachstumsrate, boom und bust auf Finanzmärkten Gewinnstreben fokussiert auf Realwirtschaft (Positivsummenspiel) Finanzwirtschaft (Nullsummenspiel) Wirtschaftsmodell Gesellschaftspolitische Ziele Soziale und regulierte Marktwirtschaft Chancengleichheit, individuelle Entfaltung, sozialer Zusammenhalt ( Reine ) Marktwirtschaft Rahmenbedingungen schaffen für: Jeder ist seines Glückes Schmied
9 Aktienkurse in Deutschland, Großbritannien und den USA DAX FTSE 250 S&P = /90 1/93 1/96 1/99 1/02 1/05 1/08 1/
10 Spekulationssystem: Erdölfutures 150 WTI Futures Preis (NYMEX) 50-Tage-Durchschnitt Dollar per Barrel / / / / / / / /
11 Spekulationssysteme: Dollar/Euro-Kurs Tagesdaten (29.10.) 5-Minutendaten, Juni, Tagespreis 35-Tage-Durchschnitt 2004/12/ /9:10 5-minute price 35-period moving average (MAL) 13/21: /14/ US dollar per euro /13:10 11/13:45 13/12: /14: /6:55 11/1: /10/ /01/ Quelle: Wifo-Datenbank
12 Dollarkurs und Ölpreis Effektiver Dollarkurs (linke Skala) 1) Ölpreis (OECD Importpreis - rechte Skala) = In $ Q: Wifo-Datenbank. 1) Gegenüber DM, Franc, Pfund, Yen
13 Akkumulation der nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften in Deutschland Realkapital 300 Finanzkapital Aktien, Investmentzertifikate, sonstige Beteiligungen 250 In % des NPW
14 Handelsvolumen auf den globalen Finanzmärkten 80 Insgesamt 45 Börsenderivate (Futures und Options) Derivatmärkte Kassamärkte OTC-Derivate Devisen (Spot) Aktien und Anleihen (Spot) World-GDP = World-GDP =
15 Langfristige Entwicklung in (West)Europa Arbeitslosenquote Lohnquote in % Staatsschuld in % des BIP Quelle: Wifo-Datenbank. in % 0-2 Realzins -4 Wachstumsrate
16 Vermögen der privaten Haushalte in den USA 320 Finanzvermögen 1) Immobilien Q: Federal Reserve Board, OEF. 1) Aktien, Investmentfonds, Pensionsfonds
17 Die Phasen der Krise Krisenphase 1: Panik, Furcht und Reue > "Lasst uns unser Geld retten" > Bankenpakete Krisenphase 2: Aufwärts geht's (an Börsen) > Verleugnung und Verdrängung > Weitermachen wie vorher Krisenphase 3: Heulen und Zähneknirschen durch: Steigende Staatsschuld & hohe Arbeitslosigkeit & labile Finanzmärkte & synchrone Sparpolitik Krisenphase 4: More of the same Krisenphase 5: Lernen der systemischen Ursachen Erst danach: Entwicklung einer neuen Form einer kapitalistischen Marktwirtschaft Analogie zu 1929 bis
18 CDS-Prämien und Zinsen für griechische Staatsanleihen 5,000 4,500 4,000 CDS Prämien (linke Skala) Anleihenzins (rechte Skala) , Basic points 3,000 2,500 2, In % 1, , / /2009 3/2010 7/ /2010 3/2011 7/
19 CDS-Prämien und Zinsen für portugiesische Staatsanleihen 1,200 1,000 CDS Prämien (linke Skala) Anleihenzins (rechte Skala) Basic points In % / /2009 3/2010 7/ /2010 3/2011 7/
20 Zum Schuldenmachen der Einzelnen Motive für Verschuldung Mithalten mit den Anderen > Selbstbild Abfedern von sozialem Abstieg und Armut: Scham des Sich-etwas-nicht-mehr-leisten-Könnens Besonders vor/mit Kindern Überbrückung bis es besser wird Alkohol Kredit und Hoffnung: Glücksspiel als Pendent der Unteren zur Finanzspekulation der Oberen Novomatic als Lehrstück Ist der Schuldner (gar) nicht schuld?
21 Ein Vergleich zum Abschluss / / BIP/Kopf real, in EU , , Deutschland , , Welthandel, in Mrd. $ 600 8, , Arbeitslosenquote, in % EU15 2,3-0,5 2,2 4,2 9,7 Deutschland 0,9-3,3 0,6 6,3 7,3 Staatsschuldenquote, in % EU15 45,9-2,8 34,4 2,2 81,6 Deutschland 18,4-0,3 17,8 3,7 75,
22 Leitlinien eines "New Deal für Europa Bessere Balance zwischen Konkurrenz/Kooperation Ökonomie/Politik Markt/Staat Gewinnstreben > Realwirtschaft Globalisierung der Politik Balance technische/soziale Innovationen Ökologisierung der Wirtschaft Budgetkonsolidierung durch Expansion Sozialstaatlichkeit und europäische Identität EU-weite Solidarität statt Rette sich, wer kann
23 Langfristige globale Strategien Koordinierte Geldpolitik: Zins < Wachstumsrate Stabilitätsbänder für die wichtigsten Wechselkurse > Ziel: Globo als Welt-ECU Rückführung der Finanzderivate bis zum Verbot (der Massenvernichtungswaffen ) Finanztransaktionssteuer Notierung von Rohstoffen in Währungsbündel Erdölpreisabkommen statt Markt lösung Koordinierter Klimaschutz Global Marshall-Plan
24 Der Europäische Währungsfonds (EWF) Finanzierungsagentur der Eurostaaten Begibt Eurobonds zu festen Zinssätzen Unter der mittelfristigen Wachstumsrate Unbeschränkte Garantie aller Euro-Länder Rückendeckung durch EZB (kauft ev. Eurobonds) Eurobonds = Euroschatzbriefe = jederzeit flüssig, aber nicht handelbar (kein Spekulationsmittel) Mittelvergabe nach klaren Kriterien (auch Wachstums-, Beschäftigungs- und Umweltziele)
25 Sonstige Europäische Strategien I Geldpolitik: Zins < Wachstumsrate Stabilitätsbänder für die wichtigsten Wechselkurse > Ziel: Globo als Welt-ECU Langfristige Rohstoffpreisabkommen Insbesondere für Rohöl (im Hinblick auf Erschöpfbarkeit, Klimawandel, Dollardominanz) Rückführung der Finanzderivate bis zum Verbot (der Massenvernichtungswaffen ) Finanztransaktionssteuer Rückbau der kapital gedeckten Altersvorsorge
26 Sonstige Europäische Strategien II Umweltinvestitionen als die Chance für eine offensiv-optimistische Politik: Thermische Gebäudesanierung, Öko-Autos, öff. Verkehr, etc. Transeuropäische Netze Innovative Arbeitszeitmodelle: Milderung der Folgen von Konjunkturschwankungen Langfristige Arbeitszeitverkürzung Abbau atypischer Beschäftigungsformen Sicherung sozialer Minimalstandards durch die EU
27 Finanzierung der Maßnahmen Grundsatz: Nicht der Konsum, sondern das Sparen der Haushalte soll sinken. Kurzfristig: Solidarabgabe auf die Höhe der Wertpapierdepots und/oder Erhöhung der Zinserrtags/Abgeltungssteuer auf 35% und/oder Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab Generelle Vermögens- und Erbschaftssteuer ab Netto-Vermögen von EU-weite Finanztransaktionssteuer (1% bis 2% vom BIP)
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