Migration und Fluchterfahrung Gesundheit von Kindern
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- Joachim Schäfer
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1 Migration und Fluchterfahrung Gesundheit von Kindern Prof. Dr. Angela Gosch Fachtag Migration und Flucht von Kindern Wege zur Gesundheit am Hochschule München
2 Inhalte 1. Definition von Gesundheit und Determinanten von Gesundheit 2. Gesundheitliche Lage von Kindern mit Migrationshintergrund 3. Lassen sich positive Veränderungen durch Gesundheitsförderung in Kitas zeigen? 4. Gesundheitliche Lage von Kindern mit Fluchterfahrung
3 Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation Gesundheit ist ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen (WHO, 1948).
4 Gesundheitliche Chancen(un)gleichheit Gesundheit ist nicht gleich verteilt, sondern durch verschiedene Faktoren beeinflusst Determinanten der Gesundheit persönlichen Verhaltens- und Lebensweisen Herkunft, Unterstützung und Beeinflussung durch das soziale Umfeld die Lebens- und Arbeitsbedingungen die wirtschaftlichen, kulturellen und physischen Umweltbedingungen (Dahlgren & Whitehead (1993) Prof. Migration Dr. Angela und Gosch, Flucht Gesundheitliche von Kindern Chancengleichheit, Wege zu Gesundheit Hochschule am , MünchenProf. Dr. Angela Gosch
5 Determinanten der Gesundheit Dahlgren & Whitehead (1991)
6 Migration und Gesundheit Migrationsprozess ist nicht per se als krankmachend zu betrachten (Bermejo & von Wolff, 2009) Es liegen einige positive Gesundheitsbefunde für Kinder und Jugendliche vor und gleichzeitig gehen auch Bewältigungsanforderungen mit der Migration einher Belastungsfaktoren können sein, wenn Kinder z. B. die Aufgaben Erwachsener übernehmen oder kulturelle Werte ausbalancieren müssen Bei Kindern der zweiten und dritten Generation liegt eine Angleichung der gesundheitlichen Lage vor (z.b. Allergien)
7 Allgemeine subjektive Gesundheit 100 % 87,4 94, ,2 0,1 mit Migrationsh. gut/sehr gut ohne Migrationsh. schlecht/sehr schlecht Kindergesundheits-Survey (KiGGS) des Robert Koch-Instituts (RKI) N=17414 (Lange et al., 2007) KiGGS Welle 1: 93,7 % sehr/gute Gesundheit (RKI, 2014)
8 Positive Gesundheitsbefunde Akute Erkrankungen: weniger Kinder mit Migrationshintergrund (MH) waren in den letzten 4 Wochen krank, z.b. weniger Atemwegserkrankungen Chronische Erkrankungen und Behinderungen: etwas weniger Kinder mit MH sind betroffen Allergien: beim Asthma kein Unterschied, aber bei Kindern mit MH weniger Heuschnupfen und Neurodermitis Schmerzen: kein Unterschied zwischen Kindern mit / ohne Migrationshintergrund > es stehen eher altersspezifische Schmerzen im Vordergrund Robert Koch-Institut (RKI, 2008)
9 Lebensstilbedingte Verhaltensweisen von Klässlern mit / ohne Migrationshintergrund sportliche Aktivitäten sind bei männlichen 7. bis 9. Klässlern mit/ohne MH vergleichbar ~ geringfügig weniger bei Mädchen mit MH Fernsehkonsum bei Kindern mit MH erhöht Gemüsekonsum geringe Unterschiede, tendenziell bei Kindern mit MH mehr täglicher Gemüsekonsum Obstkonsum geringe Unterschiede, Mädchen ohne MH essen etwas häufiger täglich Obst, bei Jungen ohne MH höchste Anteil, der nie Obst isst. Zähneputzen bei Kindern mit MH seltener regelmäßig Health Behavior in School-aged Children, N~5000 (HBSC Team Deutschland, 2015)
10 Psychische Auffälligkeiten von Kindern im Alter von 3-6 Jahren auffällige SDQ-Skalenwerte SDQ Strength and Difficulties Questionnaire (Goodman 1997), KIGGS-Studie: N=14478 Eltern, Hölling et al. (2007)
11 Psychische Auffälligkeiten nach Herkunft KIGGS-Studie (Erhart et al., 2007) 3-6 Lj, KiGGS (Hölling et al., 2007) Lj KiGGS Welle 1 (Brettschneider et al., 2015)
12 Auffälligkeiten bei Schutzfaktoren im Kindesund Jugendalter % 13 10,9 13,8 8,9 10,9 11, personale soziale familiäre Ressourcen mit Migrat. ohne Migrat. KIGGS-Studie (Erhart et al., 2007)
13 Fazit I 1. Bei Kindern mit Migrationshintergrund liefern Studien ein gemischtes Bild zum Gesundheitszustand, 2. d.h. bei einigen Aspekte der körperlichen Gesundheit liegen positivere Befunde für Kinder mit MH vor, bei anderen und insbesondere im Bereich lebensstilbedingten Gesundheitsfaktoren und der psychischen Gesundheit scheinen mehr Risiken und z.t. weniger Ressourcen vorhanden zu sein 3. Bei der Betrachtung der Gesundheit spielen Faktoren, wie das Geschlecht, das Alter, das Herkunftsland, die Dauer des Aufenthalts und ob es sich um einen einbzw. beidseitigen Migrationshintergrund handelt, eine Rolle
14 Lassen sich positive Veränderungen durch Gesundheitsförderung in Kitas zeigen?
15 European KiGGS Journal (2006, of Pediatrics 2007) (2012) Moss et al. (2012) können eine Abnahme von kindlichem Übergewicht und Adipositas in den meisten Bundesländern im Zeitraum von belegen, das gilt auch für Bayern: Tabelle: Prävalenzen für Übergewicht und Adipositas von Kindern im Vorschulalter in Bayern im Zeitverlauf Prozent Übergewicht 9,0 8,6 Adipositas 3,6 3,4
16 Übergewicht und Adipositas Einschulungsuntersuchung 2008/09 in Bayern 25 % , ,5 7,1 6,9 5 3,9 3,3 2, / /09 deutsch Migration (bds) Übergewicht (P>90) Adipositas (P>97) N= Kinder im Alter von 5,8 Jahren, davon 1/5 mit Migrationshindergrund Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL, Schulz et al.) (2013)
17 Lässt sich die Schere zwischen Kindern mit / ohne Migrationshintergrund schließen?
18 Wie lassen sich die Unterschiede erklären? Ein»wohlgenährtes«wird in manchen Ländern mit einem gesunden Kind gleichgesetzt (RKI, 2008) Studie vom Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (2016) mit Fokusgruppendiskussion mit Eltern in fünf Kitas in Berlin-Neukölln: Eltern bezeichnen eine gesunde Ernährung mit viel frischem Gemüse als wichtig sie möchten vermeiden, dass ihr Kind als schlechter Esser bezeichnet wird Essen z. T. als Beruhigung, z. T. über den Tag hinweg ein Überangebot an Nahrung
19 Elterliche Gewichtseinschätzung des Kindes als zu dünn bei Normalgewicht (BMI) Robert Koch Institut (RKI, 2008)
20 Visuomotorische Leistungen in den Berliner Einschulungsuntersuchungen von Studie von Bettge, Oberwöhrmann und Meinlschmidt (2016) mit folgenden Ergebnissen: 1. Die visuomotorischen Leistungen der Kinder haben sich im Laufe der Zeit nicht verbessert (73 vs. 68 % unauffälliger Befunde) 2. Die Schere zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hat sich verringert: im Vergleich weisen mehr Kinder mit MH. unauffällige Befunde auf
21 Fazit II 1. Abnahme von kindlichem Übergewicht / Adipositas in Kitas gesehen, aber die Schere zwischen Kindern mit / ohne Migrationshintergrund bleibt bestehen 2. Wichtig erscheint die vermehrte Berücksichtigung kultureller und subjektiver Gesundheitsvorstellungen von Eltern im Umgang mit der Ernährung, um weitere Erfolge zu erzielen 3. Für Kinder mit Migrationshintergrund schließt sich die Schere bezüglich der Visuomotorik, aber wir wissen wenig, warum Es werden längschnittliche und differenzielle Analysen gebraucht, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen für welche Gruppen Gesundheitsförderung wirksam wird
22 Gesundheit von Kindern mit Fluchterfahrung
23 Gesundheit von Kindern mit Fluchterfahrung Bis zu 97% der Kinder mit Fluchterfahrung waren potentiell traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt (Witt et al., 2015, Reinelt et al. 2016) In einer dänischen Längsschnittstudie an Flüchtlingskindern aus dem Nahen Osten über 9 Jahre hatten anfangs 78 % internalisierende Symptome, die sich bei 23 % chronifizierten (Montgomery, 2010), d.h. ein Großteil der Kinder kann als resilient bezeichnet werden.
24 Gesundheit von Kindern mit Fluchterfahrung aber Stressoren und Risikofaktoren sind die Art und der häufige Wechsel von Flüchtlingsunterkünften, lang andauernde Asylverfahren, Unsicherheit (u.a.) Reinelt et al. (2016) fordern dazu auf, sich zunächst auf die grundlegenden Alltagsbedürfnisse von Flüchtlingskindern zu konzentrieren, d.h. auf die Grundbedürfnisse wie Nahrung, Obdach, Sicherheit, bevor höhere Bedürfnisse und damit auch Störungen wie Depression vermehrt in den Fokus rücken sollten.
25 Zusammenfassung und Diskussion Für Kinder mit Migrationshintergrund liegen erste Daten zur gesundheitlichen Lage und Hinweise auf (keine) Erfolge der Gesundheitsförderung in Kitas vor Bei Kindern mit Fluchterfahrung ist zu wenig über die gesundheitliche Entwicklung aller Kinder bekannt, am ehesten über die psychische Gesundheit von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, hier muss bei der Gesundheitsförderung auf die Sicherung der kindlichen Grundbedürfnisse ebenso geachtet werden wie auf die Förderung der psychischen Gesundheit.
26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
27 Literatur Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL, Schulz et al.) (2013). Gesundheit der Vorschulkinder in Bayern. Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung zum Schuljahr 2010/2011. Statistisch-epidemiologischer Bericht. Erlangen: LGL.[ Beki (2016). Was heißt hier eigentlich gesund? Und wie können Kinder in ihrem Gesundsein gestärkt werden? Ergebnisse der Pilot-Wirkungsstudie zur Förderung von Gesundheits- und Bildungszielen für Kinder im Aktionsraum Plus Neukölln Nord. Bermejo, I. & von Wolff, A. (2009). Gesundheitliche Versorgung von MigrantInnen und transkulturelle Psychologie. In Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.), Migration & Gesundheit. Dossier (S ). Bettge, S., Oberwöhrmann, S. & Meinlschmidt, G. (2016). Kindergesundheitsziele Berlin: Warum lässt sich die soziale Schere nicht schließen? Gesundheitswesen, 8/9, (DOI: /s ). Dahlgren, G. & Whitehead, M (1991). Policies and Strategies to Promote Equity in Health. Stockholm: Institute for Future Studies. Erhart, M., Hölling, H., Bettge, S., Ravens-Sieberer, U. & Schlack, R. (2007). Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey: Risiken und Ressourcen für die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz, 50, Goodman, R. (1997). The Strengths and Difficulties Questionnaire: a research note. J Child Psychol Psychiatry, 38(5), HBSC Team (health Behaviour in School-aged Children) (2015). Faktenblätter zur Gesundheit. D&p_suchstring=14467 Hölling, H., Erhert, M., Ravens-Sieberer, U. & Schlack, R. (2007). Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern. Erste Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt, 50, Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten ( und ). Bundesgesundheitsblatt, 57: DOI /s
28 Literatur Lange, M., Kamtsiuris, P., Lange, C., Schaffrath-Rosario, A., Stolzenberg, H. & Lampert, T. (2007). Messung soziodemographischer Merkmale im Kindes- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) und ihre Bedeutung am Beispiel der Einschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung und Gesundheitsschutz, 50, Montgomery, E. (2010). Trauma and resilience in young refugees: A 9-year follow-up study. Development and Psychopathology, 22, Moss, A., Klenk, J., Simon, K., Thaiss, H., Reinehr, T. & Wabitsch, M. (2012). Declining prevalence rates for overweight and obesity in German children starting school. European Journal of Pediatrics,171(2), doi: /s Reinelt, T., Vasileva, M. & Petermann, F. (2016). Psychische Auffälligkeiten von Flüchtlingskindern. Eine Blickverengung durch die Posttraumatische Belastungsstörung? Kindheit und Entwicklung, 25 (4), DOI: / /a Robert Koch-Institut (Hrsg) (2008). Migration und Gesundheit. Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: RKI [ Robert Koch-Institut (2008). Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) : Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland. Berlin: RKI. [ Robert Koch-Institut (Hrsg) (2014) Psychische Auffälligkeiten. Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland Erste Folgebefragung RKI, Berlin: RKI. [ Robert Koch-Institut (Hrsg) (2014) Subjektive Gesundheit. Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland Erste Folgebefragung RKI, Berlin. Witt, A., Rassenhofer, M., Fegert, J.M. und Pleener, P. (2015). Hilfebedarf und Hilfeangebote in der Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen. Kindheit und Entwicklung, 24 (4), WHO (1048). Preamble to the Constitution of the World Health Organization as adopted by the International Health Conference, New York, June, 1946; signed on 22 July 1946 by the representatives of 61 States (Official Records of the World Health Organization, no. 2, p. 100) and entered into force on 7 April 1948.
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