Roland Stein Universität Würzburg Lehrstuhl für Sonderpädagogik V
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1 Roland Stein Universität Würzburg Lehrstuhl für Sonderpädagogik V
2 Roland Stein Universität Würzburg Lehrstuhl für Sonderpädagogik V Heil- und Sonderpädagogik heute und morgen Entwicklungen und Bedarfe Fachtag anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Fachakademie für Heilpädagogik Würzburg im SkF,
3 Sonder- bzw. Heilpädagogik gestern? Unsicherheiten und Krisen Bach (1977): Unsicherheiten im Hinblick auf die Bezeichnung von Berufsfeld und Disziplin die Abgrenzung des Personenkreises die Ziele der Heilpädagogik die heilpädagogischen Methoden die Entwicklung der Institutionen die (berufsspezifische) Sprache Speck (2003): Heilpädagogik im Epochenumbruch Krisen Integrationsbewegung Aufspaltung in Sonderpädagogiken wissenschaftstheoretisches Dilemma Krise des Theorie-Praxis-Bezugs Lösung vom Medizinisierungsansatz die Verselbstständigung als Sonderschulpädagogik unklare fachliche Effektivität Wandel des Eltern-Experten- Verhältnisses Polarisierung Fachleute und Klienten gefährdete Qualität
4 Sonder- bzw. Heilpädagogik gestern? Unsicherheiten und Krisen Bach (1977): Unsicherheiten im Hinblick auf die Bezeichnung von Berufsfeld und Disziplin die Abgrenzung des Personenkreises die Ziele der Heilpädagogik die heilpädagogischen Methoden die Entwicklung der Institutionen die (berufsspezifische) Sprache Speck (2003): Heilpädagogik im Epochenumbruch Krisen Integrationsbewegung Aufspaltung in Sonderpädagogiken wissenschaftstheoretisches Dilemma Krise des Theorie-Praxis-Bezugs Lösung vom Medizinisierungsansatz die Verselbstständigung als Sonderschulpädagogik unklare fachliche Effektivität Wandel des Eltern-Experten- Verhältnisses Polarisierung Fachleute und Klienten gefährdete Qualität
5 Stein, Universität Würzburg Daten: Personenkreis am Beispiel psychische Störungen und Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen Metaanalyse von Ihle & Esser (2002; 2008): mittlere Prävalenz bei 18 % Persistenz bei ca. 10 % Angststörungen: 10,4 % dissoziale Störungen: 7,4 % depressive Störungen: 4,4 % hyperkinetische Störungen: 4,4 % weitere: Essstörungen, Autismus-Spektrum- Störungen, Abhängigkeiten, suizidale Tendenzen, PTBS, Schulabsentismus usw. ähnlich: KIGGS, Hölling u.a. 2007; 2014: 20,0 % bzw. 20,2 % auffällig und grenzwertig ( Risikogruppe ); Barkmann & Schulte-Markwort (2010) (17, 6 %) KMK-Statistik (KMK 2010; 2016) Förderquoten 1999 > 2014 Förderschulbesuchsquoten 1999 > 2014 FSP e-s E 0.36 % > 1.12 % 0.27 % > 0.53 % alle FSP 5.2 % > 6.96 % 4.6 % > 4.58 %
6 die Aufspaltung in getrennte Sonderpädagogiken cross-kategorial ; Dekategorisierung? Auffälligkeiten des Verhaltens und Erlebens (als Beispiel) betreffen alle PädagogInnen in der Breite erfordern zugleich Professionalität für Beratung und Förderung in der Tiefe bedürfen der Kooperationsstrukturen und der selbstbewussten Multiprofessionalität
7 die Integrationsbewegung die Entwicklung der Institutionen die gefährdete Qualität das wissenschaftstheoretische Dilemma Inklusion normative Diskussion empirische Untersuchung konzeptionelle Ansätze
8 Inklusion als normative Frage ein vager und umstrittener Begriff (Speck 2010, 60) includere Inklusion versus Exklusion - Inklusion versus Integration? Hinz (2014): (alle Aspekte der) Vielfalt als etwas Positives Ahrbeck 2011, 43: bis alle Unterschiede eingeebnet sind? (auch: Ahrbeck 2014) Luhmanns Theorie sozialer Systeme (1987) Stichweh (2009; 2013): inkludierende Exklusion und exkludierende Inklusion 8
9 Inklusion und die UN-Konvention Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention) Art. 24, Bildung : (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen (2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (5) ohne Diskriminierung und gleichberechtigt Zugang zu Berufsausbildung 9
10 die Entwicklung der Institutionen? die gefährdete Qualität? auch zu beachten : Artikel 5, Abs. 4: Besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens. Art. 7, Abs. 7: Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Die UN-BRK gilt es in ihrem Gesamtbild und in ihrer weltweiten Relevanz zu sehen. 10
11 Inclusive education / mainstreaming has been promoted on two bases: the rights of children to be included in mainstream education and the proposition that inclusive education is more effective. This review focuses on the latter issue (Lindsay 2007, 1). Wissenschaftliche Projektstelle Inklusion (WPI) am LS SP V der Universität Würzburg Konzept des Instituts für Sonderpädagogik der Universität Würzburg: Inklusion 2.0
12 das wissenschaftstheoretische Dilemma: Inklusion als wissenschaftlich-empirische Fragestellung Inklusionsquoten und die (Ohn-) Macht der Zahlen
13 Probleme und Funktionen spezieller (schulischer) Institutionen? Probleme Stigmatisierung Problemkumulation Entlastungsfunktion Schonraum Separierung Einbahnstraße Funktionen Professionalität Bezugspädagogensystem Vernetzungen (z.b. Jugendhilfe) besondere räuml. Möglichkeiten individualisierte Konzepte Schonraum (Milieu) kein klarer Vorteil bestimmter Organisationsformen (z.b. Zigmond 2003; Lindsay 2007; Stein & Ellinger 2015; Hillenbrand 2013) Blick auf die proximalen Bedingungen (BiLieF-Projektteam 2014, 9) Heterogenität ist bedingt hilfreich (etwa: Bleidick 1999) zu bedenken sind problematische Gruppenprozesse (Huber 2006; 2009) Wissenschaftliche versus öffentliche Diskussion (Kocaj, Kuhl, Kroth, Pant & Stanat 2014; BiLieF-Projektteam 2014; 2017) 13
14 (Stein & Ellinger 2015) Aspekt Befundlage für inklusive Beschulung im FSP ese a) Sozialverhalten positive Effekte b) emotionale Entwicklung wenige und unterschiedliche Befunde c) Selbstkonzept eher negative Wirkung d) kognitive und schulische Leistungen eher negative Effekte e) Leistungsmotivation negatives Bild f) soziale Akzeptanz und soziale Integration komplexe, sehr kritische Befunde g) Gruppenklima kritischer Befund Roland Stein, Würzburg h) Einflüsse auf andere Schüler differenzierter Befund 14
15 Stein (& Ellinger 2015) Aspekt schul(system)bezogene Schlussfolgerungen a) Sozialverhalten Potenzial gemeinsamer Beschulung nutzen; unterstützende Settings b) emotionale Entwicklung Blick auf internalisierende Probleme; spezifische Konzepte voranbringen c) Selbstkonzept bei inklusiver Beschulung SK von SmFb gezielter fördern d) kognitive und schulische Leistungen differenzierte Zuweisung inklusivexklusiv bei FSP ese e) Leistungsmotivation Anregungen ; Beteiligung; Doppelbesetzung; Chancen geben f) soziale Akzeptanz und soziale Integration Fokus Aggressivität und ADHS; bei Inklusion sensibel auf tatsächliche Integration achten g) Gruppenklima Fokus Aggressivität; Cliquenbildungen verhindern; Stärkung Gruppenklima h) Einflüsse auf andere Schüler Fokus ADHS und Aggressivität; Labilität anderer Schüler beachten 15 Roland Stein, Würzburg
16 die unklare fachliche Effektivität die heilpädagogischen Methoden wait-to-fail versus response-to-intervention? (Huber & Grosche 2012, 313) Auch: Rügener Inklusionsmodell (RIM) (Voß u.a. 2016)
17 (Huber & Grosche 2012, 314) die drei Stufen innerhalb des RTI-Paradigmas Problemstellungen: (Breiten-) Diagnostik und Förderkonzepte ( Evidenzbasierung ) Roland Stein, Würzburg 17
18 Kritik: z.b. Hinz 2013; Link, Müller & Stein 2017 Derivate psychologischer und psychotherap. Trainings ersetzen nicht (intensive) Erziehung unverzichtbar: Einbettung in pädagogische Konzepte Autonomie (Speck 1996), Beziehung (Kobi 2004) Erziehung (Herz u.a. 2015; Zimmermann u.a. 2016; Müller & Stein 2013; 2015a; 2015b; in Vorber.) Erziehung zu moralischem Bewusstsein und Handeln (Zierer 2013) Vertrauen (Müller 2015) 18
19 die gefährdete Qualität (durch Deprofessionalisierung und Techniken) und die Anforderungen an Heil- und Sonderpädagogen im Bereich Erziehungshilfe Beziehungen stiften und halten (Halt und Bindungen) kommunikative Kompetenz für schwierige soziale Situationen erzieherische Kompetenz und psychotherapeutisches Wissen Sicherheit, personale Integration, Belastbarkeit ertragen können und Frustrationstoleranz (und: Humor!) Ambiguitätstoleranz (mit Widersprüchen umgehen können) Konsequenz und Verlässlichkeit Echtheit Vertrauen kooperieren wollen und können 19
20 die Loslösung vom Medizinisierungsansatz und die neue Notwendigkeit der Emanzipation von Psychologie und Psychotherapie
21 die Verselbstständigung als Sonderschulpädagogik Beispiel Berufliche Bildung Reha-Schiene BBW; auch: 66 BBiG auch: BvB Auch: VamB, TrialNet WfBM IFD SGB III, Arbeitsförderung Behinderungen (auch: 66 BBiG) SGB IX, Berufliche Rehabilitation Duales System regulärer Ausbildung Betrieb BS Agenturen Benachteiligungen auch: JoA, BVJ u.a. JaS Sozialpäd. orientierte Berufsausbildung Berufliche Integrationsförderung BvB abh, BaE Informationen für Jugendhilfe Schulen, 1. Schwelle << Zeitachse >> 2. Schwelle; Nachsorge, Nachqualifizierung
22 die Abgrenzung des Personenkreises z.b. Bleher & Gingelmaier 2017 z.b. Projekt WaeBi, Universität Würzburg Kunstpädagogik und Lehrstuhl für Sonderpädagogik V 22
23 die Bezeichnung von Berufsfeld und Disziplin die gesellschaftliche Dimension (in einer Zeit des Umbruchs) gemeinsam kritisch-konstruktiv gegenüber Messbarkeit und Leistung für Wahrheit und Wissenschaft für einen eigenen Beitrag der HSP zur Stabilisierung einer demokratischen, offen, wertgeleiteten Gesellschaft
24 Der Fachakademie für Heilpädagogik Würzburg im SkF zum 50jährigen Jubiläum herzliche Glückwünsche und alles Gute für die nächsten 50 Jahre! Literatur, Forschungsprojekte, Lehre: 24
25 Eigene Literatur des Lehrstuhls für Sonderpädagogik V der Universität Würzburg Abelein, P. & Stein, R. (2017): Förderung bei Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen. Stuttgart: Kohlhammer. Hofmann, T. (2016): Experienzielle Kommunikation. Wie kann soziales Miteinander in komplexen Situationen gelingen? Weitramsdorf: ZKS. Myschker, N. & Stein, R. (2014, 7. Aufl.): Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Kohlhammer. Müller, T. (2017): Ich kann Niemandem mehr vertrauen. Konzepte von Vertrauen und ihre Relevanz für die Pädagogik bei Verhaltensstörungen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Orthmann Bless, D. & Stein, R. (Hrsg.) (2009): Basiswissen Sonderpädagogik. Bd Baltmannsweiler: Schneider. Stein, R. (2012): Förderung bei Ängstlichkeit und Angststörungen. Stuttgart: Kohlhammer. Stein, R. (2017, 5. Aufl.): Grundwissen Verhaltensstörungen. Baltmannsweiler: Schneider. Stein, R. & Stein, A. (2014, 2. Aufl.): Unterricht bei Verhaltensstörungen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Stein, R. & Müller, T. (2014): Inklusion im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Stuttgart: Kohlhammer. Stein, R. & Müller, T. (2016): Wissenschaftstheorie für Sonderpädagogen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. (Weitere Literatur siehe Lehrstuhlhomepage.)
26 Ausgewählte weiterführende Literatur Ahrbeck, B. (2011): Der Umgang mit Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer. Ahrbeck. B. (2014): Inklusion. Eine Kritik. Stuttgart: Kohlhammer. BiLieF Projektteam (2014). Dritter Zwischenbericht. Befunde der Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements (BiLieF) der Universität Bielefeld. Abgerufen von URL: Bleher, W. & Gingelmaier, S. (Hrsg.) (2017): Kinder und Jugendliche nach der Flucht. Notwendige Bildungs- und Bewältigungsangebote. Weinheim: Beltz. Fingerle, M. & Ellinger, S. (Hrsg.) (2008): Sonderpädagogische Förderprogramme im Vergleich. Stuttgart: Kohlhammer. Hinz, A. (2013): Inklusion von der Unkenntnis zur Unkenntlichkeit!? - Kritische Anmerkungen zu einem Jahrzehnt Diskurs über schulische Inklusion in Deutschland. Abgerufen von URL: Huber, C. & Grosche, M. (2012): Das response-to-intervention-modell als Grundlage für einen inklusiven Paradigmenwechsel in der Sonderpädagogik. In: Zeitschrift für Heilpädagogik 63 (8), Kocaj, A.; Kuhl, P.; Kroth, A.J.; Pant, H.A. & Stanat, P. (2014): Wo lernen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besser? Ein Vergleich schulischer Kompetenzen zwischen Regel- und Förderschulen in der Primarstufe. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie 66, Lindsay, G. (2007): Educational psychology and the effectiveness of inclusive education/mainstreaming. In: British Journal of Educational Psychology Speck, O. (2010): Schulische Inklusion aus heilpädagogischer Sicht. München. Stichweh, R. (2013):Inklusion und Exklusion in der Weltgesellschaft am Beispiel der Schule und des Erziehungssystems. Abgerufen von URL: Voß, S.; Blumenthal, Y.; Mahlau, K.; Marten, K.; Diehl, K.; Sikora; S. & Hartke, B. (2016): Der Response-to-Intervention- Ansatz in der Praxis. Evaluationsergebnisse zum Rügener Inklusionsmodell. Münster: Waxmann. Zierer, K. ( ): Können Kinder Moral lernen? Studien zur Werte- und Moralerziehung. Baltmannsweiler: Schneider.
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