Auswirkungen der Sozialpolitik auf die Gemeinden
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- Max Voss
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1 Auswirkungen der Sozialpolitik auf die Gemeinden Prof. Dr. h.c. Jürg Krummenacher Hochschule Luzern vszgb, verband schwyzer gemeinden und bezirke Treffen vom 13. Juni 2013 in Küssnacht
2 Überblick 1. Was ist Sozialpolitik? 2. Sozialsystem in der Schweiz 3. Sozialhilfe 4. Herausforderungen und Folgen für die Gemeinden 5. Schlussfolgerungen
3 1. Was ist Sozialpolitik?
4 Sozialpolitik Der Begriff Sozialpolitik umschreibt die Bestrebungen und Massnahmen, die darauf angelegt sind, die Nöte und Schwierigkeiten von Einzelnen oder Gruppen zu verhüten, zu mildern oder zu beheben oder gezielt sozial benachteiligte Personengruppen zu unterstützen. Bundesamt für Sozialversicherungen
5 Sozialpolitik im engeren Sinne Im engeren Sinne wird der Begriff Sozialpolitik für jene Massnahmen verwendet, die der direkten Armutsbekämpfung oder verhinderung dienen. Zur Sozialpolitik im weiteren Sinne gehören auch Politikbereiche wie Arbeitsmarktpolitik, Beschäftigungspolitik, Bildungspolitik, Wohnpolitik, Gesundheitspolitik und Steuerpolitik
6 6, 17. Juni 2013
7 Sozialpolitik als Querschnittaufgabe - Soziale Sicherung (Sozialversicherungen/ Sozialhilfe) - Gesundheitspolitik -Familienpolitik - Arbeitsmarktpolitik - Wohnpolitik - Finanz- und Steuerpolitik - Bildungspolitik - Preis- und Konsumentenpolitik
8 Die Ziele der Sozialpolitik Soziale Sicherheit Soziale Gerechtigkeit Sozialer Friede
9 Spannungsfelder der Sozialpolitik: Gerechtigkeit Gleichheit Freiheit
10 Die drei Pfeiler der sozialen Sicherheit Sozialstaat Arbeit Familie
11 2. Das Sozialsystem in der Schweiz
12 Sozialziele in der Bundesverfassung Art. 41 / 1 1 Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass: a. jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat; b. jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält; c. Familien als Gemeinschaften von Erwachsenen und Kindern geschützt und gefördert werden; d. Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können; e. Wohnungssuchende für sich und ihre Familien eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können; f. Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können; g. Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbständigen und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden.
13 Sozialziele in der Bundesverfassung Art. 41 / 2 2 Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist. 3 Sie streben die Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und verfügbaren Mittel an. 4 Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden.
14 Sozialsystem Das Sozialsystem in der Schweiz besteht aus zwei grundlegenden Bereichen: 1. Sozialversicherungen 2.Bedarfsabhängige Leistungen (Kantonale Bedarfsleistungen; kommunale Sozialhilfe)
15 Das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz Nationale Versicherungen AHV (1948) Erwerbsersatzordnung, EO (1953; 2005) Invalidenversicherung,IV (1960) Ergänzungsleistungen, EL (1966) Arbeitslosenversicherung, ALV (1983) Kantonale Bedarfsleistungen Individuelle Prämienverbilligung Stipendien Alimentenbevorschussung Unterhaltszuschüssefür Familien mit Kindern Kleinkinder-oder Mutterschaftsbeiträge Unfallversicherung, UV (1984) Arbeitslosenhilfe Kommunale Sozialhilfe Richtlinien der SKOS Kantonale Sozialhilfegesetze BeruflicheVorsorge, BVG (1985) Wohnkostenzuschüsse Krankenversicherung (1996) Beihilfen häusliche Pflege Familienzulagen, FZ (2009)
16 Ausgaben der öffentlichen Hand nach Funktionen, 2010, in Prozent Bundesamt für Statistik 2013
17 Soziallast-und Sozialleistungsquote, , in Prozent des BIP Bundesamt für Statistik 2013
18 Sozialleistungen nach Funktionen 2010, in Prozent der Sozialleistungen Bundesamt für Statistik, 2013
19 Anteil der Sozialversicherungszweige am Total 2010 Taschenstatistik 2012
20 Ausgaben der Gemeinden, 2010 Finanzstatistik der Schweiz 2010, 2012
21 Ausgaben für die soziale Sicherheit 2010 im europäischen Vergleich, in % des BIP Bundesamt für Statistik, 2013
22 Einnahmen für die soziale Sicherheit, 2010 Bundesamt für Statistik 2013
23 3. Sozialhilfe
24 Grundsätze der Sozialhilfe heute - Solidarität - Eigenverantwortung. Der Schlüssel dazu ist Erwerbsarbeit. - Bedarfsprinzip setzt individuelle Bedarfsabklärung voraus. -Subsidiaritätsprinzip. Sozialhilfe kommt ganz am Schluss und ist das letzte soziale Netz - Wahrung der Menschenwürde -Leistung und Gegenleistung: Auskunfts-und Mitwirkungspflicht, Schadenminderungspflicht, Rückerstattungspflicht. Ziele der Sozialhilfe: Prävention, Existenzsicherung sowie berufliche und soziale Integration.
25 Nettoausgaben bedarfsabhängige Leistungen, 2011 Bundesamt für Statistik 2013
26 Armutsgrenze Grundbedarf + effektive Wohnkosten Franken pro Monat und Haushaltsmitglied ab 16 Jahren
27 Beträge für den Grundbedarf gemäss SKOS-Richtlinien
28 Sozialhilfequoten -Im Jahr 2011 bezogen in der Schweiz rund Personen oder 3.0 % Sozialhilfe. -Am höchsten ist die Quote bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alleinerziehende und Erwerbslose sind überproportional auf Sozialhilfe angewiesen. -Die Sozialhilfequote im Kanton Schwyz liegt deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. -Der Anteil der Ausländer/innen beträgt 45 %. Gründe: Tiefere Löhne; ungünstige Erwerbssituation; geringe Qualifikation. -Die Sozialhilfequote der Angehörigen aus EU27/ EFTA-Staaten liegt nur wenig über der Quote der Schweizer/innen.
29 Sozialhilfequote Schweiz,
30 Sozialhilfe nach Kantonen 2011
31 Sozialhilfeempfänger/innen nach Fallstruktur 2010
32 Sozialhilfeempfänger/innen ab 18 Jahren nach abgeschlossener Ausbildung
33 Sozialhilfequote nach Nationalität,
34 Sozialhilfe nach Ländergruppen, 2009/ 2010
35 4. Herausforderungen und Folgen für die Gemeinden
36 1. Armut -In der Schweiz waren im Jahr % der Bevölkerung oder Personen von Armut betroffen. -Erwerbsarbeit bietet einen wirksamen Schutz vor Armut. Aber: 3.5 % der erwerbstätigen Personen oder Personen sind von Armut betroffen (Working Poor). -Gemäss Schätzungen ist jedes fünfte Kind in der Schweiz von Armut betroffen. -Die Entwicklung der Armut hängt stark von der konjunkturellen Entwicklung ab.
37 Entwicklung der Armutsquote und Armutslücke,
38 Wer ist arm? Die Gleichung arm = alt gilt heute dank AHV und EL nicht mehr. Von Armut sind heute besonders betroffen: Alleinerziehende Kinderreiche Familien Alleinlebende Erwachsene Personen ohne nachobligatorische Bildung Nichterwerbstätige Personen aus Südeuropa (9.4 %) und aus anderen Kontinenten (9.6 %) sind häufiger von Armut betroffen als Schweizer/innen. Gründe: 15% tieferer durchschnittlicher Stundenlohn. 38% haben keine nachobligatorische Bildung.
39 Armuts-und Working Poor Quote nach Haushaltstyp, 2006 Bundesamt für Statistik 2008, S. 13
40 Ursachen der Armut - Finanzielle Folgen einer Scheidung - Erwerbslosigkeit - Fehlende nachobligatorische Bildung - Arbeiten im Tieflohnsegment (Working Poor) - Prekäre Arbeitsverhältnisse - Deckungslücken bei Krankheit und Unfall - Familiäre Situation - Verschuldung und Konsum
41
42 2. Familienpolitik Familien sind heute besonders stark von Armut betroffen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele Familien ein grosses Problem. Familienergänzende Kinderbetreuung: In der Schweiz fehlten im Jahr 2008 Betreuungsangebote für Kinder. Die Schweiz wendet lediglich 0.2 % des BIP für Kinderbetreuungseinrichtungen auf. Österreich: 3 mal soviel; Dänemark 10 mal soviel.
43 Erwerbsbeteiligung der Frauen -Die Erwerbsquote der Frauen ist in der Schweiz im europäischen Vergleich hoch. -In der Schweiz arbeiten aber überdurchschnittlich viele Frauen Teilzeit. -Die Hälfte aller Mütter in Paarhaushalten ist nicht erwerbstätig oder arbeitet in einem Pensum von weniger als 50 %. -Ein Grund dafür sind die hohen Betreuungskosten für Familien, die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch sind.
44 Erwerbsquote der Mütter und Väter in der Schweiz und EU, 2006
45
46 Kosten für familienergänzende Kinderbetreuung, 2008
47 Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist prioritär In der Schweiz werden heute noch halb so viele Kinder geboren wie Mitte der 60er Jahre. Der Kinderwunsch ist deutlich grösser als Zahl der geborenen Kinder. Vor allem gut ausgebildete Frauen verzichten oft auf Kinder. Hauptproblem: Fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Skandinavische Länder, aber auch Frankreich, weisen eine höhere Geburtenrate auf.
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49 3. Vorschulische Bildung als wirksame Armutsprävention -Im Zuge der internationalen Arbeitsteilung wurden viele einfache Tätigkeiten in Länder mit tieferen Lohnkosten verlagert. -Das hat zur Folge, dass Personen mit geringer Qualifikation in den Industrieländern wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. -Aus diesem Grund empfehlen Ökonomen einen Ausbau von vorschulischen Betreuungseinrichtungen, insbesondere für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. -Das wäre auch ein grundlegender Wechsel in der Sozialpolitik -von einer reparierenden zu einer präventiven Sozialpolitik.
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51 4. Integration -Die Integration von Personen mit Migrationshintergrund funktioniert in der Schweiz im Grossen und Ganzen relativ gut. -Auf dem Arbeitsmarkt ist die Lage der zugewanderten Bevölkerung bedeutend besser als in anderen Ländern. Handlungsbedarf besteht bei: - der Förderung der Integration von eingewanderten Frauen; -Integrationsprogrammen für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene; - der Vereinfachung des Zugangs zum Schweizer Bürgerrecht; -beim Ausbau der vorschulischen Erziehung, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen.
52 5. Demografische Entwicklung -In den nächsten Jahren wird der Anteil der älteren Menschen stark ansteigen. -Im Kanton Schwyz werden die Zahl der über 65-Jährigen bis im Jahr 2035 um 78 % und der über 80-Jährigen um 148 % zunehmen. -Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich bis ins Jahr 2035 praktisch verdoppeln. -Der Kanton plant demgegenüber eine Reduktion der Bettendichte von 29 % im Jahr 2000 auf 19 % im Jahr Diese Vorgabe ist nur realistisch, wenn die ambulante Pflege und Betreuung massiv ausgebaut werden.
53 Entwicklung der Altersgruppen, 1991 bis 2060 Bundesamt für Statistik, 2012
54 Altersaufbau Bevölkerung 1900/ 2010 Bundesamt für Statistik 2012
55 Quelle: BFS, eigene Darstellung
56 Eigene Berechnungen gemäss Aktualisiertem Mittlerem Szenario (AR /2012) BFS (2012) und Pflegebedürftigkeitsquoten (Höpflinger et al., 2011)
57 Pflegeheimplanung Amt für Gesundheit Finanzkontrolle Kanton Schwyz 2012
58 Pflegefinanzierung Beiträge Gemeinden Beiträge Gemeinden Spitex Beiträge Gemeinden Restfinanzierung Pflegeheime (ohne EL) BeiträgeGemeinden und Kanton EL-Beiträge an Pflegeheime Jahr Total (in Mio. SFr.) Pro Einwohner (in SFr.) Total (in Mio. SFr.) Pro Einwohner (in SFr.) Total (in Mio. SFr.) Pro Einwohner (in SFr.) mind. 8.3 mind ~11.3 ~76.77
59 Senioren als Chance
60 5. Schlussfolgerungen
61 Für eine präventive Sozialpolitik Wir müssen viel mehr in die Prävention investieren. Konkrete Massnahmen: - Vorschulische Bildung -Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung - Nachholbildung für junge Erwachsene ohne Berufsausbildung - Bundesrahmengesetz zur Existenzsicherung - Massnahmen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Integration -Ausbau der ambulanten Pflege und Betreuung sowie neuer Wohnformen im Alter
62 Investitionen in die Zukunft -Ausgaben für Bildungs-, Familien-und Sozialpolitik sind nicht einfach Kosten, sondern Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft. - Damit können Kosten für teure «Reparaturen» gespart werden. -Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. -Wir müssen die Präambel in der Bundesverfassung als Richtschnur nehmen: Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.
63 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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