Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch
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- Friedrich Koenig
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1 Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
2 Übersicht Häufigkeit Bindungsentwicklung Traumatische Erfahrungen Folgen von Trauma Kinderschutz in der Kinderkinik Prävention Videobeispiele
3 Vernachlässigung, Missbrauch, im Jahr 2012 in Deutschland Gewalterfahrungen Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls (16 %): akute Kindeswohlgefährdung (20%): latente Kindeswohlgefährdung 25 % unter 3 Jahren 66 % Anzeichen für Vernachlässigung 25 %: psychische Misshandlung Inobhutnahme von Kindern Kinder 24 % körperliche Misshandlung 5 % sexuelle Gewalt Quelle: statistisches Bundesamt
4 Vernachlässigung, Missbrauch, im Jahr 2013 in Deutschland Gewalterfahrungen Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls (15 %): akute Kindeswohlgefährdung (18,5%): latente Kindeswohlgefährdung (33 %): keine Kindeswohlgefährdung, aber Hilfebedarf (34 %): keine Kindeswohlgefährdung und kein weiterer Hilfebedarf Einschätzungen (25 %) bei Kindern zwischen 0-3 Jahren Bei Fällen akuter oder latenter Kindeswohlgefährdung (Mehrfachnennungen möglich): 65 % Anzeichen für Vernachlässigung 26 %: psychische Misshandlung 23 % körperliche Misshandlung - Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen. 5 % sexuelle Gewalt Im Vergleich zum Vorjahr mehr Überprüfungen, aber gleichbleibende Zahl von Fällen akuter oder latenter Gefährdung Quelle: statistisches Bundesamt
5 Missbrauchs- und Gewaltdelikte Auszug aus der polizeilichen Kriminalstatistik Fälle von sexuellen Missbrauchs von Kindern Fälle von sexuellen Missbrauch von Jugendlichen Fälle von Misshandlung von Kindern Dunkelziffer weit höher! Quelle: polizeiliche Kriminalstatistik, 2012
6 Bindung zwischen den Generationen Zusammenhang zwischen Bindung der Eltern und des Kindes sichere Eltern mit sicheren Kindern Mutter-Kind ca. 75% Vater-Kind ca. 65% unsichere Eltern mit unsicheren Kindern traumatisierte Eltern mit desorganisierten und bindungsgestörten Kindern
7 Ursachen von Bindungsstörungen Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen Sexuelle Gewalt Körperliche Gewalt Massive Vernachlässigung Häufig wechselnde Bezugssysteme Multiple Verluste Miterlebte Gewalt in allen Formen (Augenzeuge) Verletzung von Bindungspersonen durch Gewalt
8 Entstehung von Bindungsstörungen als Psychopathologie I wiederholte Traumatisierung des Kindes in der frühen Kindheit häufig in der Bindungsbeziehung nicht vorhersehbar willkürlich Vernachlässigung, Trennungen, Gewalt Todesbedrohung
9 Unverarbeitetes Trauma der Mutter/des Vaters Störung der Interaktion und der affektiven Kommunikation mit dem Säugling Pränatal und postnatal ängstliches Verhalten der Mutter ängstigendes Verhalten der Mutter hilfloses Pflegeverhalten der Mutter
10 Auslöser ( Trigger ) für Trauma-Erinnerung Trigger im Verhalten des Säuglings, Kindes, Jugendlichen Bindungswünsche, Nähe Weinen, Kummer, Schmerz, Bedürftigkeit Ablösung, Abgrenzung Trigger in der affektiven Erregung unbewußte Vorgänge!!!
11 Re-Inszenierung des Traumas In der Interaktion mit dem Säugling Zurückweisung der Nähewünsche -Vermeidung Gewalt Abrupte Handlungsabbrüche Überstimulation (sexuell-sensorisch) In der affektiven Kommunikation Übertragung der Trauma-Affekte Angst, Wut, Scham, Erregung
12 Folgen Bindungs-Desorganisation als beginnende Psychopathologie Kein Aufbau von integriertem sicheren inneren Arbeitsmodell beim Säugling Desorganisiertes Bindungsverhalten Desorganisierte Narrative Erhöhte Stressbelastung in Interaktion Bindungsstörung als schwere Psychopathologie
13 Von der Bindungssicherheit zur Psychopathologie Sicherheit Un-Sicherheit Desorganisation Übergang zur Psychopathologie Bindungsstörung Psychopathologie
14 Pathologische Bindung des Kindes an einen Täter Bedrohung durch Täter Angst und Panik Abhängigkeit Kein Kampf und keine Flucht möglich Extreme Suche nach Bindungsperson Einzige verfügbare Bindungsperson ist Täter Täter wird zur angstbesetzten pathologischen Bindungsperson" Verspricht "Sicherheit" für Unterwerfung Besondere Schwierigkeit, wenn Täter Pflegeperson ist Erstarrung und Dissoziation von Gefühlen Unterwerfung Kooperation und "Liebe"
15 Förderung der Bindungsstörung durch die Eltern II Drohung mit Entzug der elterlichen Liebe Drohung mit Entzug der elterlichen Nähe Drohung mit elterlichem Suizid Tabuisierung und Verschweigen von traumatischer Erfahrung
16 Folgen von Bindungsstörungen I Zerstörung der sicheren emotionalen Basis Verlust von emotionaler Sicherheit und Vertrauen mangelnde Beziehungsfähigkeit Hochgradige Verhaltensstörung in bindungsrelevanten Situationen
17 Folgen von Bindungsstörungen IV Angst und Panikstörung Depression Somatoforme Störungen Desorganisation Derealisation Depersonalisation Dissoziation
18 Warum Deprivationssymptome? Frühe emotionale und soziale Mangelversorgung ist ein großer Stress für die Gehirnentwicklung (sequentielle Traumatisierung) Stress durch "Bindungs-Mangel" Großer Stress hemmt neuronale Wachstumshormone Stresshormon Cortisol zerstört Nervenzellen Studien Frühdeprivation
19 Symptome bei Deprivation Entwicklungsverzögerung in allen Bereichen Kleinwuchs Kleiner Kopfumfang Stereotypien und Selbststimulation Autismus ähnliche Symptome Bindungsstörungen Fremd- und Selbstaggressivität
20 Veränderungen des Gehirns nach Traumatisierungen in der Kindheit I Untersuchungen zur Spezifität von Art der Gewalterfahrungen Alter der Opfer Geschlechtsabhängige Effekte Quelle: Teicher, M. H., S. L. Andersen, A. Polcari, C. M. Anderson & C. P. Navalta (2002): Developmental neurobiology of childhood stress and trauma. Psychiatric Clinics of North America, 25, Teicher, M. H. (2000): Wounds that time won't heal: The neurobiology of child abuse. Cerebrum, 4,
21 Veränderungen des Gehirns nach Traumatisierungen in der Kindheit II Geschlechtsspezifische Effekte auf das Gehirn Jungen: Vernachlässigung und körperliche Gewalt Mädchen: sexueller Missbrauch Effekte steigen mit Dosis der Gewalterfahrung
22 Alter des Kindes bei Traumatisierung I Besonders sensible Phasen im Alter vor 3-4,5 Jahre und Alter Jahre Schädigung des Hippocampus Gedächtnis Schädigung des Corpus Callosum Zusammenarbeit der Gehirnhälften
23 Alter des Kindes bei Traumatisierung II Besonders sensible Phasen im Alter 9-10 Jahre Schädigung des Frontalhirns Aufmerksamkeit exekutive Funktion Affektsteuerung Motivation Primärer und sekundärer visueller Kortex Erkennen von Gesichtern
24 Alter des Kindes bei Traumatisierung III Je länger die DAUER der Traumatisierung VOR dem 12 Lebensjahr, desto größer die Schädigung Abnahme der Dicke der Grauen Substanz in Abhängigkeit von der Dosis Orbito-Frontaler-Kortex Sensitivität für Belohnung und Bestrafung Area Precuneus Persönliche Identität Selbst und Nicht-Selbst-Erkennung Moralische Urteilsfähigkeit Wahrnehmung von Selbsteffektivität Empathiefähigkeit Erkennen von sozialen Zusammenhängen in Gruppen
25 VERBALE Misshandlung des Kindes durch Pflegepersonen Verminderung der Verbindungen (26%!) zwischen limbischen System und Cortex Verminderung der Verbindungen zwischen motorischem Sprachzentrum (Brocca) und Zentrum für Spracherkennung und Verständnis (Wernicke) Verminderte Serotonin-Konzentration (23%!) im Hippocamus Verminderte Werte für verbalen IQ und Sprachverständnis
26 Zeugenschaft von häuslicher Gewalt Verminderung der Verbindung zwischen visuellem Cortex und Temporallappen Verminderung der Verbindung zwischen visuellem Cortex und limbischem System Soziales Lernen Emotionales Lernen Depression, Angststörungen, Somatisierung
27 Körperliche Gewalt und Bestrafung Verminderung im Frontalhirn Präfrontaler Cortex Anteriorer Cingulus (16%) Risikofaktoren für Drogen und Alkoholabusus
28 Warum Deprivationssymptome? Frühe emotionale und soziale Mangelversorgung ist ein großer Stress für die Gehirnentwicklung (sequentielle Traumatisierung) Stress durch "Bindungs-Mangel" Großer Stress hemmt neuronale Wachstumshormone Stresshormon Cortisol zerstört Nervenzellen Studien Frühdeprivation
29 Symptome bei Deprivation Entwicklungsverzögerung in allen Bereichen Kleinwuchs Kleiner Kopfumfang Stereotypien und Selbststimulation Autismus ähnliche Symptome Bindungsstörungen Fremd- und Selbstaggressivität
30 Adverse Childhood Experience Studien von Vincent Felitti et al. Retrospektive Untersuchung von Versicherten im Erwachsenenalter im Auftrag der Krankenkassen in USA Dosis-Wirkungs-Beziehung der Häufigkeit von Erkrankungen im Erwachsenenalter bei traumatischen Kindheitserfahrungen vor 50 Jahren Sexueller Missbrauch Körperlicher Missbrauch Emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung Zeugenschaft von Gewalt Verluste von Bezugspersonen Quelle: Felitti, V. J. (2002): The relationship of adverse childhood experiences to adult health: Turning gold into lead. Z Psychosom Med Psychotherapeuth, 48,
31 Langfristige Effekte von Gewalterfahrungen in der Kindheit I Gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit im Erwachsenenalter Dosisabhängigkeit der Auswirkungen Je mehr Gewalterfahrungen in der Kindheit, desto mehr psychische und somatische Erkrankungen im Erwachsenenalter
32 Einsparpotential durch frühzeitige Behandlung von Traumatisierungen in der Kindheit Möglichkeiten der Reduktion der Erkrankungen im Erwachsenenalter Möglichkeiten der Kosteneinsparungen durch Behandlung der Traumatisierung in der Kindheit 50% weniger Medikamentenabhängigkeit 54% weniger Depression 65% weniger Alkoholabhängigkeit 67% weniger Suizide 78% weniger i.v. Drogenabhängigkeit
33 Diagnostik I Bindungs-Trauma-Anamnese Suche nach Auslösern für Aktivierung des Bindungssystems durch Traumaerfahrungen
34 Diagnostik II Trennungs-Test für Vorschulkinder (2-6 J.) Puppenspiel (3-12 J.) - Geschichtenergänzung Kinder-Bindungsinterview (CAI)
35 Diagnostik III Erwachsenen-Bindungs-Interview Adult-Attachment-Interview von Mary Main Erwachsenen-Bindungs-Projektionstest Adult-Attachment-Projective Test von Carol George
36 Ursachen von Bindungsstörungen Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen Sexuelle Gewalt Körperliche Gewalt Massive Vernachlässigung Häufig wechselnde Bezugssysteme Multiple Verluste Miterlebte Gewalt in allen Formen (Augenzeuge) Verletzung von Bindungspersonen durch Gewalt
37 Pathologische Bindung des Kindes an einen Täter Bedrohung durch Täter Angst und Panik Abhängigkeit Kein Kampf und keine Flucht möglich Extreme Suche nach Bindungsperson Einzige verfügbare Bindungsperson ist Täter Täter wird zur angstbesetzten pathologischen Bindungsperson" Verspricht "Sicherheit" für Unterwerfung Besondere Schwierigkeit, wenn Täter Pflegeperson ist Erstarrung und Dissoziation von Gefühlen Unterwerfung Kooperation und "Liebe"
38 Diagnostische Klassifikation von Bindungsstörungen ICD 10 (vgl. auch DSM III / IV) F 94.1 reaktive Bindungsstörung mit Hemmung des Bindungsverhaltens F 94.2 Enthemmung des Bindungsverhaltens Ursache: ausgeprägte Vernachlässigung und ständig wechselnde Betreuungssysteme
39 Bindungsstörungen ohne Bindung Promiskuität Übererregung Hemmung Aggression Unfall-Risiko Rollenwechsel Sucht Psychosomatik
40 Kinderschutz früher I Jeder arbeitete eher alleine Wenig Vernetzung Hierarchische Entscheidungsstruktur Manchmal einsame Entscheidungen Wenig Kooperation mit der Kripo Copyright KH Brisch, LMU München 2008
41 Intensiv-Psychotherapie von Elias 10 Monate stationäre Intensiv-Behandlung Intensive Arbeit mit Adoptiveltern Kinderkrankenschwester wird Bindungsperson Bindungsbasierte Milieutherapie: z. B. Time-Intensive statt Time-out bei Schreiattacken und Aggressivität KEINE Medikation Schulbesuch in Klinikschule am Anfang nur für Minuten
42 Follow-up Unmittelbar nach Entlassung Besuch der Schule in der Diagnose-Förder-Klasse mit Schulbegleiter Follow-up 14 Monaten nach Entlassung: Besuch der Regelschule mit Schulbegleiter, 1-2 Tage in der Woche ohne Schulbegleiter, Busfahrt zur Schule Soziale Integration in Familie, Schulklasse und Peergroup
43 Zusammenfassung Behandlung von frühen Störungen sollte möglichst früh beginnen Intensiv-Psychotherapie Bindungsfähigkeit Affekt- und Impulskontrolle Stressregulation Soziale Integration Bio-psycho-soziale gesunde Entwicklung
44 Prävention von Bindungsstörungen Förderung der elterlichen Feinfühligkeit Schulung über Bedeutung der sicheren Bindung Verhinderung von unvorbereiteten Trennungen Vermeidung von Traumatisierung Behandlung nach Traumaerfahrung
45 SAFE SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN Ein Präventionsprogramm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
46 Ziele der primären Prävention Förderung der psychischen Gesundheit von Eltern und Kindern Entwicklung von sicherem Bindungsverhalten Sensibilisierung der Eltern für die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder Einübung von feinfühligem Interaktionsverhalten Verarbeitung von elterlichen Traumatisierungen Durchbrechung von Teufelskreisen
47 Zielgruppen Werdende Väter und Mütter Erstgebärende Mehrgebärende Paare und Alleinerziehende Motivation für emotionale Entwicklung ihres Kindes
48 SAFE - Mentor- Multiplikatoren Weiterbildung in SAFE für Hebammen Schwangerschaftsberaterinnen Krankenschwestern Geburtshelfer Kinderärzte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Psychologen u. a.
49 SAFE-Spezial Fremdbetreuung SICHERE AUSBILDUNG FÜR ErzieherInnen und ELTERN Ein Programm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind in Fremdbetreuung Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
50
51
52 B.A.S.E. Babywatching Baby-Beobachtung im Kindergarten und in der Schule Vorbeugung von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen
53 Frühe Hilfen rund um Schwangerschaft, Geburt und erstes Lebensjahr Universitätslehrgang Early-Life-Care Akademie
54 Copyright K.H. Brisch München Alle Rechte vorbehalten.
55 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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