Was ist Reflexion? Eine Einführung von Anna Katharina Wolf
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- Arthur Keller
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1 Was ist Reflexion? Eine Einführung von Anna Katharina Wolf Reflexion kann als Versuch beschrieben werden eine Erfahrung, ein Problem oder existierendes Wissen oder Einsichten zu (re)strukturieren. Diese Reflexion kann nach einer Handlung (Reflexion über die Handlung) oder während der Handlung (Reflexion in der Handlung) stattfinden (Korthagen et al. 2002, S. 73). Dabei ist zu bedenken, dass auch eine Handlung im Kontext von Lernprozessen Handlung genannt werden kann. Der Bedeutung der Reflexion für das Lernen (Hilzensauer 2008, S. 1) wird im Zuge der Forderungen nach einer Förderung von Selbstbestimmung im Lernprozess (ebd., S. 2) größere Bedeutung beigemessen. Reflexion bedeutet [s]ich der eigenen Lernprozesse bewusst zu sein, diese im persönlichen Wissenskontext einzuordnen und dies kontinuierlich zu dokumentieren [ ], die Verantwortung für das Lernen in die Hände der Lernenden selbst zu legen (ebd., S. 1). Reflexion kann ebenso als Grundprinzip für die Entwicklung von Kompetenzen (ebd., S. 2) gesehen werden. Der Bezug zwischen (auch beruflicher) Entwicklung und Reflexion wird hier deutlich. Reflexion kann jedoch Verschiedenes in den Blick nehmen. Um Reflexionen systematisch anzugehen, kann an Modelle, die Reflexion hinsichtlich des Ziels ihrer Betrachtung aufschlüsseln, angeknüpft werden. Hilzensauer beschreibt Reflexion aufgegliedert in drei wesentlichen Ebenen : Lerngegenstand Lernhandlung Lernvermögen. Dabei geht es ihm bei der Reflexion über den Lerngegenstand (ebd, S. 9) darum, dass sich Lernende [ ] darüber im Klaren werden [sollen], was sie bereits gelernt haben und wie diese Lernschritte in Bezug auf das Lernziel erweitert werden müssen, um es zu erreichen (ebd.). Bei der Reflexion über die Lernhandlung (ebd.) hingegen stehen für ihn die organisationalen und situativen Elemente des Lernprozesses (ebd.) im Vordergrund, [d]ie Lernhandlung beinhaltet dabei die folgenden Bereiche: Lernplanung und Organisation, Lernmethoden und Strategien, Lernsetting, Vorwissen und soziale Eingebundenheit (ebd.). Die dritte Ebene beschreibt er als Reflexion über das Lernvermögen, unter welcher er die Fähigkeit fasst, sich seiner eigenen Lernprozesse bewusst zu sein und diese durch Reflexion positiv beeinflussen zu können (ebd., S. 10). Eine weitere Systematik betont die Verschiedenartigkeit der Verknüpfung von Reflexion mit Handlung: Heppekausen verweist auf die Systematisierung nach Donald Schön in drei Reflexionhandlungen: Wissen-in-der Handlung ( tacit knowing in action ), Reflexion-inder-Handlung ( reflection-in-action, affirmativ) und Reflexion-über-die-Handlung ( reflection-on-action ), bei dem das handlungssteuernde Wissen analysierbar, rekonstruierbar und mitteilbar wird (Heppekausen 2013, S. 112). Wie hängen Reflexion und pädagogische Professionalität zusammen?
2 Wenn [t]heoretisches Wissen [ ] potentielles Deutungswissen (Klika/Schubert 2013, S. 14) ist, ist eine eigene Berufsethik und die Fähigkeit, die eigenen fachlichen Perspektiven gegenüber anderen Perspektiven zur Geltung bringen zu können (ebd.) für die pädagogische [ ] Professionalität (ebd.) wichtig. Für Pädagoginnen und Pädagogen beschreiben Klika und Schubert die Herausforderung wie folgt: Er oder sie muss seine pädagogische Verantwortung erkennen und selbständig wahrnehmen können. Dazu ist Wissen notwendig und eben jene selbständige Urteilskraft, die mit der wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung entwickelt und gestärkt werden soll (Klika/Schubert 2013, S. 15). Prettenhofer verknüpft Selbstreflexion im Handlungsprozess (Prettenhofer 2014, S. 199) mit Funktionen der Verlangsamung, der Analyse, der Planung und der Kontrolle (ebd.). Auch weitere Autorinnen und Autoren betonen die besondere Verknüpfung von (Selbst- )Reflexion für die Entwicklung pädagogisch professioneller Handlungskompetenz (vgl. u.a. Schiek 1982, S. 34). Trager sieht dies darin begründet, dass das berufliche Handeln pädagogischer Professionals [ ] in hohem Maße unter komplexen Bedingungen stattfindet (Trager 2012, S. 59). Klika und Schubert zufolge gehört [z]ur Professionalität [ ] eine möglichst klare Vorstellung von der eigenen Disziplin, ihren Möglichkeiten, ihren Besonderheiten, ihren Grenzen. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass die eigenen fachlichen Perspektiven überzeugend zur Geltung gebracht werden können, aber ebenso für selbstbewusstes pädagogisches Handeln und für selbstkritische, fachlich begründete Reflexion (Klika/Schubert 2013, S. 16). So kann Reflexion letztlich als bedeutsam für den Prozess der Entwicklung pädagogischer Professionalität beschrieben werden, wie gleichzeitig auch Professionalität als Voraussetzung [ ] für fachlich begründete Reflexion (ebd.) benannt werden kann. Wie hängen Reflexion und pädagogisches Studium zusammen? Was hat das Vorangegangene mit der universitären Professionalisierung von Pädagoginnen und Pädagogen zu tun, gar mit einer selbstreflexiven Professionalisierung? (Hierdeis 2009, S. 2). Hierdeis beantwortet seine eigene Frage mit dem Verweis auf eine Aussage von Johann Friedrich Herbart, der schon 1802 in seinen Ersten Vorlesungen über Pädagogik meinte, angehende Pädagogen sollten, bevor sie sich mit Theorien befassten, erst einmal ihre eigene Erziehungsgeschichte in Augenschein nehmen (ebd., S. 1). Die Notwendigkeit von Reflexion für die Entwicklung von Professionalität bei Studierenden der Pädagogik betonen ebenfalls Klika und Schubert in ihrer Einführung in die Allgemeine Pädagogik: Als Wissenschaft hat Pädagogik oder Erziehungswissenschaft die Aufgabe, den professionellen Blick der Studierenden zu schulen, ihre Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern, erziehungswissenschaftliches Wissen zu vermitteln und die Entwicklung von Kompetenzen zu unterstützen, die benötigt werden, um fachlich fundiert über pädagogische Probleme der Praxis reflektieren zu können (Klika/Schubert 2013, S. 12). Reflexion ist für Studierende, insbesondere der Pädagogik/Erziehungswissenschaft, von Relevanz. Dazu passt auch, dass Prettenhofer vorschlägt, dass Bildungseinrichtungen [ ] für die Verstärkung von Selbstreflexion Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
3 schaffen [können], indem sie Selbstreflexion und deren Nutzen zum Thema machen, Ressourcen zur Selbstreflexion schaffen (Zeit, Abläufe), Methoden zur Selbstreflexion anbieten sowie Anreize zur Selbstreflexion geben (Prettenhofer 2014, S. 200). Ressourcen für Reflexion sind neben Situationen in Lehrveranstaltungen und Beratungen in den Studienpartnerschaften im Bachelorstudiengang bzw. in der Studien- und Berufswerkstatt im Masterstudiengang berücksichtigt, Reflexionen werden zudem durch das Koblenzer Studienportfolio zum Thema gemacht. Zudem sind durch die Festlegung von Prüfungsportfolios als Modulabschlüsse Reflexionsanlässe in den Studiengängen etabliert. Diese Anlässe bieten einen Rahmen für die Entwicklung einer reflexiven Haltung bezogen auf pädagogisches Handeln als ersten Schritt zur Professionalität im pädagogischen Kontext (vgl. Heppekausen 2013, S. 112), welche auch die Selbstdisziplin für stetige Reflexionen im Studium befördern können. Prettenhofer weist auf die Schwierigkeiten hin, die mit Selbstreflexion verbunden sind, da diese grundsätzlich [ ] Selbstdisziplin erforderten, um den Fokus der Aufmerksamkeit auf [ ] eigenes Tun, Handeln, Fühlen und Denken zu richten, sich selbst infrage zu stellen und selbstkritisch mit seiner eigenen Person umzugehen (Prettenhofer 2014, S. 199). Als Vorteile der Arbeit mit einem Portfolio kann die Anregung von Reflexion über erworbene Muster einerseits und neu erworbenes Wissen bzw. neu gemachte Erfahrungen andererseits beschrieben werden, zudem bieten Portfolios die [ ] Gelegenheit, über die eigenen Lernziele nachzudenken, sich Ziele festzulegen und deren Erreichung zu dokumentieren und zu reflektieren. Es wird dadurch ein Prozess in Gang gesetzt, der losgelöst von der üblichen Arbeit in Lehrveranstaltungen das Individuum selbst im Zentrum hat und ihm erlaubt, unabhängig von äußeren Zwängen den eigenen Weg zu gehen und zu beobachten (Brouër 2007, S. 240). Aspekte für die Verschriftlichung von Reflexion Wie für das wissenschaftliche Schreiben grundsätzlich können auch für das Verfassen einer Reflexion als schriftlicher Text grundlegende Regeln benannt werden. So gehört es dazu Aspekte des Argumentierens zu berücksichtigen, die auch sonst im Rahmen einer schriftlichen Abhandlung (Stickel-Wolf/Wolf 2011, S. 209) eingehalten werden sollten; dies beschreiben Stickel-Wolf und Wolf als ein überschaubares, nachvollziehbares, einleuchtendes, überzeugendes, Gründe suchendes sowie zu einem stimmigen Denkgebäude führendes Formulieren von Gedanken (ebd.). Auch für die Reflexion ist der Tipp von Stickel-Wolf und Wolf zu beachten: Gehen Sie mit fremden Gedanken genauso kritisch um wie mit Ihren eigenen (und umgekehrt) und diskutieren Sie die Inhalte fremder und eigener Gedanken stets kontrovers (ebd., S. 217), denn auch Reflexion fügt sich aus rezeptiven und kreativen Teilen zusammen (ebd., S. 228). Brouër benennt als Inhalte der Selbstreflexionen der Lernende[n] (Brouër 2007, S. 238) in Portfolios Aussagen dazu, warum ein bestimmtes Dokument ausgewählt wurde, was dieses Dokument zeigen soll, wie sie beim Lernen vorgegangen sind und weiter vorgehen wollen, wie sie ihren Lernerfolg einschätzen u. ä. m. [ ] Dadurch werden sie in die Lage versetzt, ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren und gegebenenfalls zu erkennen, wo sie weiteren Lern- und Handlungsbedarf haben (ebd.). Brouër schlägt ebenfalls für Portfolios vor, dass für Reflexionen Kriterien festgelegt werden sollten. Reflexionskriterien könnten sich an den Zielsetzungen des Lehr-Lern- Arrangement (ebd.) orientieren, welche wiederum zwischen Lernenden und Lehrenden
4 zum Thema gemacht werden könnten (vgl. ebd.). Im Lichte der Verantwortungsübernahme der Lernenden [i]n der reflexiven Auseinandersetzung mit [ ] [ihren] individuellen Lernprozessen (Hilzensauer 2008, S. 14) ist hier an eine selbstverantwortliche fachlich begründete Festlegung von Kriterien für Ziele des eigenen Lernprozesses zu denken (vgl. ebd.). Insbesondere für die Reflexionsanforderung in (bewerteten) Portfolios sind zwei wesentliche Elemente zu berücksichtigen: Portfolios beschreiben (im Idealfall) nicht nur die Lernartefakte sondern dokumentieren auf einer Metaebene den Lernprozess und die damit einhergehenden Schritte im Kompetenzaufbau (ebd., S ). Insbesondere die Dokumentation der Lernprozesse sollte in reflexiven Texten im Portfolio erkennbar werden, nichtsdestotrotz verbleibt die Auseinandersetzung mit der eigenen Person doch in der Verantwortung der Person selbst (Prettenhofer 2014, S. 199). Literaturverzeichnis: Brouër, B. (2007): Portfolios zur Unterstützung der Selbstreflexion Eine Untersuchung zur Arbeit mit Portfolios in der Hochschullehre. In: Gläser-Zikuda, M./ Hascher, T. (Hrsg.): Lernprozesse dokumentieren, reflektieren und beurteilen. Lerntagebuch und Portfolio in Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S Heppekausen, J. (2013): Beobachtung, Selbstbeobachtung und Reflexion in der Lernbegleitung. In: Coelen, H./Müller-Naendrup, B. (Hrsg.): Studieren in Lernwerkstätten. Potentiale und Herausforderungen für die Lehrerbildung. Wiesbaden: Springer VS, S Hierdeis, H. (2009): Selbstreflexion als Element pädagogischer Professionalität. Abgerufen am 17. August 2016: Hilzensauer, W. (2008): Theoretische Zugänge und Methoden zur Reflexion des Lernens. Ein Diskussionsbeitrag. In: bildungsforschung. Jg. 5, Ausgabe 2, Schwerpunkt Reflexives Lernen. Abgerufen am 19. August 2016: Klika, D./Schubert, V. (2013): Einführung in die Allgemeine Erziehungswissenschaft. Erziehung und Bildung in einer globalisierten Welt. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. Korthagen, F. A. J./Kessels, J./Koster, B./Lagerwerf, B./Wubbels, T. (2002): Schulwirklichkeit und Lehrerbildung. Reflexion der Lehrertätigkeit. Übersetzt von Wolfgang Meyer. Hamburg: EB-Verlag. Prettenhofer, A. (2014): Den Blick auf sich selbst richten Instrumente zur Selbstreflexion für Studierende. In: Egger, R./ Kiendl-Wendner, D./Pöllinger, M. (Hrsg.): Hochschuldidaktische Weiterbildung an Fachhochschulen. Durchführung Ergebnisse Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS, S
5 Schiek, G. (1982): Rückeroberung der Subjektivität. Der selbstreflexive Ansatz in der Ausbildung von Sozialwissenschaftlern. Frankfurt am Main, New York: Campus. Stickel-Wolf, C./Wolf, J. (2011): Wissenschaftliches Arbeiten und Lerntechniken. Erfolgreich studieren gewusst wie! 6. Auflage, Wiesbaden: Springer VS. Trager, B. (2012): Förderung von Selbstreflexion bei pädagogischen Professionals mit Hilfe von E-Portfolios. Nürnberg. Angerufen am 24. August 2016:
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