185. Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch eine Rechtsverordnung (Aktenzeichen: /05)
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- Joachim Pfeiffer
- vor 6 Jahren
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1 DGGG e.v. Hausvogteiplatz Berlin Referat 323 Gesundheitssicherstellung, Infektionsschutzrecht Bundesministerium für Gesundheit Friedrichstr Berlin Präsident Prof. Dr. med. Thomas Dimpfl Klinikum Kassel GmbH Frauenklinik Mönchebergstraße D Kassel Telefon: +49 (0) Telefax: +49 (0) Kassel, den Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch eine Rechtsverordnung (Aktenzeichen: /05) Sehr geehrte Damen und Herren, eine Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch eine Rechtsverordnung erscheint aufgrund der veränderten epidemiologischen Lage durchaus sinnvoll. Für die geplanten Änderungen gibt es von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) es einige Hinweise bzw. Kommentare: 1. Namentliche Arztmeldepflicht in Bezug auf MRSA-Infektionen der Haut und des Weichgewebes: Eine zunehmende MRSA-Infektionsrate wird sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich beobachtet. Die derzeit geltende Labormeldepflicht zu MRSA bezieht sich auf den Nachweis aus Blut oder Liquor. Aus diesem Grund erscheint eine Meldepflicht bei MRSA-Infektionen von Haupt- und Weichgewebe durchaus sinnvoll. Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang einige Aspekte, die unbedingt beachtet werden sollten: Postoperative Haut- oder Weichgewebe-Infektionen sind von dieser Meldepflicht ausgenommen. Dabei sollte genau definiert werden, was als postoperativ gilt. Vor allem der Zeitpunkt zwischen Operation und Infektion erscheint diesbezüglich sehr fließend. In der Praxis tritt eine Infektion klinisch erst Tage nach Entlassung aus dem operativen Bereich auf. In einigen Fällen sogar erst einige Wochen. Diese Situation wird zu zahlreichen Unklarheiten führen: was ist nun meldepflichtig und was nicht. Demzufolge wäre folgende Vorgehensweise zu diskutieren: Definition der postoperativen Wundinfektion (bis 14 Tage nach Operation) und Meldepflicht für alle MRSA-Fälle. Dabei sollten die postoperativen Infektionen (bis 14 Tage nach Operation) separat erfasst werden. 1
2 Aus klinischer Sicht kann es ebenfalls zu einiger Verwirrung mit den tiefgehenden Haut- oder Weichgewebe-Infektionen kommen. Diese sollten gegebenenfalls auch definiert werden. Die Arztmeldepflicht wird, entsprechend der Begründung, notwendig, da nur der behandelnde Arzt beurteilen kann, ob es um eine tiefgehende Haut- oder Weichgewebe-Infektion handelt oder ob Risikofaktoren als Ursache der MRSA Infektion vorliegen. Auch dieser Tatbestand wird in der Anwendung zu einiger Verwirrung führen. Eine vorhandene Infektion mit MRSA (zum Beispiel ein Abszess der gespalten wurde und aus dem gewonnenen Material MRSA nachgewiesen wurde) stellt somit eine Meldepflicht dar. Ob der Patient nun Risikofaktoren hat, die eine MRSA-Infektion begünstigen (zum Beispiel Diabetes, asymptomatische Kolonisation der Nasenschleimhäute usw.) erscheint einerseits nicht zielführend und andererseits auch impraktikabel für die Anwendung im Alltag. 2. Namentliche Arztmeldepflicht in Bezug auf Clostridium difficile- Infektionen: Eine namentliche Arztmeldepflicht bei positivem Nachweis im Labor erscheint aus den angeführten Begründungen sinnvoll. Allerdings sollten folgende Aspekte geklärt werden: Während alle anderen Erreger einer Enteritis infectiosa nur der namentlichen Labormeldepflicht unterliegen (Ausnahme im Land Sachsen, wo die namentliche Arztmeldepflicht bei Ausscheider gilt). Aus diesem Grund sollte eine genaue Erklärung des Nutzens einer Arztmeldepflicht überdacht werden. Es wird nur der Toxinnachweis A und B durchgeführt. Daraus ist folgende Aussage kritisch zu bewerten, da aus der Meldepflicht (Arzt- und Labor) keine Aussage über hoch virulente Typen getroffen werden kann: Epidemiologische Zusammenhänge können oft nur erkannt werden, wenn der Öffentliche Gesundheitsdienst auch Kenntnis über leichtere Verläufe hat. Zudem hat sich gezeigt, dass sich rasch ausbreitende hochvirulente Clostridium difficile -Typen auch leichte Krankheitsverläufe verursachen können. In Fachkreisen werden im ambulanten Bereich erworbene Infektionen als mögliche Ursache der Zunahme von Clostridium difficile-infektionen diskutiert. Mit der Einführung der Meldepflicht wären Aussagen hierzu möglich. info@dggg.de 2
3 Aus diesem Grund sollte eine genaue Erklärung des Nutzens einer Arztmeldepflicht überdacht werden. 3. Namentliche Labormeldepflicht in Bezug auf Enterobacteriaceae- Infektionen mit Carbapenem-Nichtempfindlichkeit oder Nachweis einer Carbapenemase-Determinante: Die namentliche Labormeldepflicht für diese hochresistenten Erreger erscheint sinnvoll. 4. Namentliche Labormeldepflicht in Bezug auf Acinetobacter spp. Infektionen mit Carbapenem-Nichtempfindlichkeit oder Nachweis einer Carbapenemase-Determinante: Die namentliche Labormeldepflicht für diese hochresistenten Erreger erscheint sinnvoll. 5. Namentliche Labormeldepflicht in Bezug auf vierfach resistente Pseudomonas aeruginosa-infektionen Isolate aus Blut und Liquor: Aus Kostengründen/Kapazitätsgründen sollte die Labormeldepflicht nur bei Nachweis aus dem Blut oder Liquor erfolgen (Aussage 1). Ein Nachweis von Pseudomonas aeruginosa im Blut würde das Krankheitsbild einer Sepsis bedeuten. In diesem lebensbedrohlichen Stadium ist das Ziel eine Verhinderung der Ausbreitung von gramnegativen Carbapenem-resistenten Erregern (Aussage 2) sicher nicht mehr für die Gemeinschaft gewährleistet. Um dieses Ziel auch wirklich zu erreichen, müsste eine generelle Meldepflicht beim Nachweis von solchen Erregern (zum Beispiel Vaginalabstriche, Wundinfektionen, Hautinfektionen usw.) erfolgen. Aussage 1: Da nur ein kleiner Teil der gemeldeten Fälle auf das Vorliegen einer Carbapenemase zurückzuführen ist, wäre es gerechtfertigt, die Meldepflicht für Pseudomonas aeruginosa auf den direkten Nachweis aus Blut und Liquor zu beschränken, um die Ressourcen und Kapazitäten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes auf diese Fälle zu konzentrieren. Erfahrungen, die in Hessen nach Einführung einer Meldepflicht für den Nachweis von gramnegativen Erregern mit erworbener Carbapenem-Resistenz gemacht wurden, zeigen, dass 70% der Meldungen auf Pseudomonas aeruginosa- Nachweise zurückzuführen sind und einen entsprechend hohen Arbeitsaufwand für den öffentlichen Gesundheitsdienst bedeuten. 3
4 Aussage 2: Ein wichtiges Ziel der Meldepflicht für Pseudomonas aeruginosa-nachweise mit Carbapenem-Resistenz ist die Verhinderung der Ausbreitung von gramnegativen Carbapenem-resistenten Erregern. 6. Namentliche Labormeldepflicht in Bezug auf Enterokokken-Infektionen mit Vancomycin-Resistenz: Die Labormeldepflicht soll nur bei Nachweis aus dem Blut erfolgen. Da der Erreger zahlreiche andere Infektionen verursachen kann (Aussage 1), erscheint es doch schwierig durch einen Nachweis aus dem Blut die Aussage 2 zu verwirklichen. Aussage 1: Die grampositiven Enterokokken gehören zur normalen Darmflora von Mensch und Tier, sie können aber auch Wund- und Harnwegsinfektionen, Peritonitiden, intraabdominale Abszesse oder schwere Infektionen wie Bakteriämien/ Septikämien und Endokarditiden hervorrufen. Diese Infektionen treten insbesondere bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten auf. Aussage 2: Mit einer Meldepflicht können Erkenntnisse zur Epidemiologie von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) gewonnen und fallbezogene Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung verstärkt werden. 7. Namentliche Labormeldepflicht in Bezug auf Clostridium difficile- Infektionen: Siehe vorangegangener Kommentar. 8. Nichtnamentliche Labormeldepflicht in Bezug auf den Nachweis von Gonokokken und deren Resistenzen. Die Meldepflicht bei Nachweis von Gonokokken erscheint äußerst sinnvoll und wurde schon seit Jahren von etlichen Verbänden gefordert. Vor allem die Zunahme von Resistenzen weltweit untermauert diese Labormeldepflicht. Natürlich wäre in diesem Zusammenhang die nichtnamentliche Meldepflicht zu besprechen, da daraus keine Konsequenzen von den jeweiligen Gesundheitsämtern gezogen werden können. Natürlich ist die Problematik einer namentlichen Nennung bei sexuell übertragenen Erkrankungen bekannt, aber sollte in diesem Fall gegebenenfalls nochmals neu überdacht werden. info@dggg.de 4
5 9. Fehlende Meldepflicht für Chlamydia trachomatis: Eine nichtnamentliche Labormeldepflicht für den Nachweis von Chlamydia trachomatis erscheint äußerst sinnvoll um eine epidemiologische Grundlage in Deutschland zu erhalten. Ältere Schätzungen des RKI berichten von Neuerkrankungen pro Jahr. Vor allem nach Einführung des Chlamydien- Screenings im Jahre 2007 sollte eine solche Meldepflicht in Erwägung gezogen werden. Bei einer geplanten Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch eine Rechtsverordnung wäre eine solche Ergänzung dringend zu empfehlen. Insgesamt betrachtet, erscheint eine Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch eine Rechtsverordnung aufgrund der veränderten epidemiologischen Lage durchaus sinnvoll. Obwohl es in den meisten Fällen eine Mehrdokumentation im bereits schon sehr stark ausgeprägten Bürokratisierten ärztlichen Alltag bedeutet, ist dieser Mehraufwand zum allgemeinen Nutzen für die Gesellschaft zu vertreten. Allerdings sollten die eingereichten Vorschläge auf Plausibilität und Praktikabilität noch einmal durchdacht werden. Von Seiten der DGGG begrüßen wir eine zusätzliche Meldepflicht für Gonorrhoe, vermissen aber eine schon seit Jahren geforderte nichtnamentliche Labormeldepflicht für Chlamydia trachomatis. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. med. Thomas Dimpfl Präsident der DGGG Prof. Dr. med. I. Mylonas Vorsitzender der AGII 5
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