Unterseen, 10. Dezember Referat von Herrn Regierungsrat Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Bern
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- Helga Inge Möller
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1 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 1 INTERESSENGEMEINSCHAFT BÖDELI; Unterseen, 10. Dezember 2008 Referat von Herrn Regierungsrat Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Bern DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG EINES ZUSAMMENSCHLUSSES DER DREI BÖDELIGEMEINDEN Sehr geehrte Damen und Herren Ich habe mich sehr gefreut, heute in Ihre wunderschöne Region zwischen den beiden großen Berner Oberländer Seen zu kommen. Der IG Bödeli danke ich herzlich für die Einladung zu diesem Anlass. Ich bin überzeugt: Es ist kein Zufall, dass Ihre Region weltbekannt ist und zu den wichtigsten touristischen Destinationen unseres Landes gehört. Die Jungfrauregion ist für die meisten Touristinnen und Touristen ein Höhepunkt ihrer Schweizer Reise. Führt man sich die Landschaft mit dem prächtigen Alpenpanorama vor Augen und die farbliche Pracht der beiden Seen, zwischen denen Sie wohnen, versteht man gut, warum das so ist.
2 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 2 Dennoch gibt es ein Thema, das Ihre Region seit langer Zeit stark beschäftig und über das wir heute sprechen werden: Der Zusammenschluss der drei Bödeligemeinden Interlaken, Matten und Unterseen. Einmal mehr werden Sie am 17. Mai des nächsten Jahres darüber abstimmen, ob die drei Gemeindebehörden diese politische Vision umsetzen sollen. Meine Ausführungen gliedere ich wie folgt: Ich werde zunächst einen kurzen Rückblick auf die Fusionsgeschichte werfen. Dann werde ich die Gründe für eine Fusion erläutern, die wirtschaftlichen Vorteile einer Fusion abwägen und prominente Vorbilder für eine Fusion der Bödeligemeinden aufzeigen. Zum Schluss werde ich ein Fazit ziehen. 1. Ein kurzer Rückblick Das Thema der Fusion hat, wie gesagt, Tradition: Ein erster Vorstoß für eine Fusion der Bödeligemeinden wurde bereits im Jahr 1914 durch das erste Fusionsgespräch vorgenommen. Seither sind vier Anläufe unternommen worden, die meist an Geld, an steuertechnischen Fragen scheiterten. Dazu kamen sicher auch emotionale Aspekte. Das muss man auch verstehen: Eine Gemeindefusion führt bei vielen Menschen zu Ängsten vor Identitätsverlust, dem Verlust wichtiger Traditionen und dem Verschwinden so manch lieb gewordener Eigenheiten. Diese Ängste muss man ernst nehmen, wenn man eine Fusion anstrebt. Man muss dafür sorgen, dass die Traditionen und die Identität auch nach einer Fusion weiterleben. Im Jahr 2004 hat der damals dafür zuständige Regierungsrat und heutige Ständerat Werner Luginbühl mit dem GESETZ ZUR FÖRDERUNG VON
3 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 3 GEMEINDEZUSAMMENSCHLÜSSEN (Gemeindefusionsgesetz) eine wichtige, rechtliche Grundlage für kantonale Finanzhilfen zur Förderung von Gemeindefusionen geschaffen. Der Zweck dieses Gesetzes liegt in der Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse von Einwohnergemeinden und Gemischten Gemeinden durch die Gewährung einer Finanzhilfe. Dieses Gesetz wurde geschaffen, um Anreize für Gemeindefusionen zu setzen. Warum? 2. Gründe für eine Fusion Dank größeren Gemeindeeinheiten können gemeinsame Aufgaben oftmals effizienter und kostengünstiger erbracht werden. Zudem sind auch zahlreiche, gemeindeübergreifende Aufgaben wie Raumplanung, regionale Wirtschaftsförderung oder touristische Vermarktung einfacher und unkomplizierter umzusetzen. In diesem Zusammenhang möchte ich in Form einer Klammerbemerkung auf mein Engagement im Bereich der Verdichtung der touristischen Destinationen hinweisen: Auch da wollen wir lieber weniger, aber dafür größere, touristische Einheiten, um diese im Inund Ausland bei den potentiellen Touristinnen und Touristen besser und einfacher bekannt machen zu können. Eine Fusion der Bödeligemeinden würde nicht nur die Wirtschaftskraft der Region stärken, sie würde auch die Bedeutung der Gemeinde gegenüber dem Kanton steigern. Denn eines ist klar: Größere Gemeinden haben gegenüber dem Kanton auch ein größeres Gewicht. Aus diesem Grund haben die Befürworterinnen und Befürworter den Slogan kreiert: Drei Alpendörfer wollen eine richtige Stadt werden! Zu Recht, finde ich. Denn durch den Zusammenschluss entstünde hier auf dem Bödeli die neuntgrößte Gemeinde im Kanton Bern. Damit würde das Gewicht Ihrer Gemeinde in der Region, gegenüber dem Kanton und auch gegenüber dem Bund ganz klar größer. Zusätzlich würde der Einfluss auf regionale, kantonale und nationale Vorhaben und Entwicklungen bedeutender. Von Außen werden die drei Gemeinden bereits heute als Einheit wahrgenommen. Dies dokumentiert zum Beispiel die gemeinsame Postleitzahl Die drei Gemeinden sind bereits ein funktionaler Raum. Die öffentlichen Infrastrukturen, welche es zum Funktionieren der Gesellschaft braucht, sind bereits heute auf die drei Gemeinden verteilt: Die Bahn in Interlaken, die Autobahnanschlüsse primär in Matten, das Spital und die ARA in Unterseen um nur einige Beispiele zu nennen. 3. Für die Wirtschaft wäre eine Fusion besonders wichtig Als Volkswirtschaftsdirektor denke ich natürlich vor allem auch an die Vorteile einer Fusion für die Wirtschaft. In diesem Bereich wäre eine Fusion besonders wünschenswert, denn ein gemeinsamer Auftritt würde die Position Ihrer drei Gemeinden gegenüber Konkurrenzstandorten stärken.
4 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 4 Bereits heute bilden die Bödeligemeinden einen Wirtschaftsraum. Heute arbeitet jede Gemeinde aber ihre eigene Ortsplanung aus und bietet das gesamte Spektrum von Dienstleistungen an. Mit einer Fusion könnte aufgrund einer zentralen Verwaltung und einer entsprechenden Professionalisierung des Personals die Effizienz gesteigert werden. Eine einheitliche Ortsplanung hätte den Vorteil, dass nicht mehr jede Gemeinde ihr Gebiet in kleine Wohn-, Industrie- und Landwirtschaftszonen zerstückeln müsste. Im Gegenteil: Größere, zusammenhängende Gebiete sogenannte Arbeitszonen könnten geschaffen werden. Durch diese würde es auch einfacher, bestehende Firmen zu sichern oder Raum für deren Erweiterung zu schaffen sowie neue Firmen anzusiedeln. Zudem hat Interlaken bereits heute eine gewisse Zentrumsfunktion, welche durch den Zusammenschluss noch verstärkt würde. Alle drei Gemeinden würden große Vorzüge in die neu entstehende Fusionsgemeinde einbringen: Interlaken den guten Namen, das international bekannte Label; Unterseen das noch vorhandene Bauland und Matten die wirtschaftlich spannende Arbeitszone rund um den Flugplatz. Touristisch sind Matten, Interlaken und Unterseen bereits heute fusioniert. Weil dies politisch noch nicht der Fall ist, entstehen in der Region, die von den meisten als ein einheitlicher, urbaner Raum wahrgenommen wird, zum Teil schwer nachvollziehbare Situationen: Unternehmen treffen in den drei Gemeinden auf unterschiedliche Rahmenbedingungen. Zudem verlängern die vielen verschiedenen Entscheidungswege unnötigerweise einzelne wirtschaftliche Projekte, die alle drei Gemeinden gleichzeitig betreffen.
5 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 5 Und es gibt kein gemeinsames Erscheinungsbild für diesen von Fremden und Auswärtigen bereits heute als Einheit wahrgenommenen Ort was für den Tourismus sehr wichtig wäre. 4. Die Bödelifusion hat prominente Vorbilder Der Entscheid für eine Fusion hier auf dem Bödeli entspräche dem, was derzeit vielerorts geschieht, und wäre sicher keine isolierte Einzelgeschichte. Zwei prominente Beispiele: Im Jahr 2002 entschieden sich insgesamt acht Gemeinden, gemeinsam ein Neues Lugano zu bilden. Mit diesem Entscheid ist Lugano nun von 28'000 auf gut 46'000 Einwohnerinnen und Einwohner gewachsen und in die Top-Ten der Schweizer Städte gemäß Einwohnerzahl vorgestoßen. Es ist kaum nötig, hier zu erwähnen, dass damit die Bedeutung der Stadt im Kanton Tessin und auch gegenüber dem Bund noch weiter gewachsen ist. Im Jahr 2007 haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Luzern und Littau ebenfalls eine Fusion beschlossen. Luzern wird deshalb ab dem Jahr 2010 nicht mehr 57'000 sondern 73'000 Einwohnerinnen und Einwohner zählen. Eine Studie der Universität Bern brachte an den Tag, dass die Fusion von Littau und Luzern zu einer neuen Stadtgemeinde Luzern mehr Vor- als Nachteile bringen würde. Das Motto dieser Fusion lautete: Ein starkes Zentrum für einen starken Kanton. Bis zur Fusion endeten die Interessen der Gemeindepolitik bisweilen an den Gemeindegrenzen. Dies hemmte die Entwicklung der Region. Mit der erfolgreichen Auslagerung beispielsweise des Littauer Steueramts nach Luzern wurde der Beweis bereits erbracht, dass Kosten sparende Vereinfachungen möglich sind. Weitere Synergien will man nun zum Beispiel in den Bereichen Informatik, Rechnungswesen, Öffentlichkeitsarbeit, Werksdienst, aber auch durch Vereinfachung der Führungsorganisation erreichen. Zu Luzern und Lugano gesellen sich viele andere, kleinerer und mittlere Gemeinden in der Schweiz, die in den letzten Jahren erfolgreich eine Fusion eingegangen sind. In den allermeisten Fällen sind die Betroffenen mit den Folgen ihres Entscheids nachträglich sehr zufrieden. Die meisten dieser Fusionen sind Erfolgsgeschichten auch wirtschaftlich. Warum? Weil die größeren Gemeinden oder Städte als Wirtschaftsstandorte bessere Rahmenbedingungen bieten können und dadurch stärker wahrgenommen werden. 5. Fazit und Ausblick Fusionen sind natürlich kein Selbstzweck und sollten nur dann vollzogen werden, wenn alle Fusionspartner auch einen Nutzen ziehen können. In Ihrem Fall ist diese Voraussetzung meines Erachtens klar erfüllt: Die drei Bödeligemeinden gehören
6 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 6 schon heute wirtschaftlich, geographisch und hinsichtlich der Besiedelung zusammen und bilden eine Einheit. Wer von einem der nahen Bergspitzen, aus einem Heißluftballon oder aus einem Flugzeug auf das Bödeli hinunterblickt, hat schon heute den Eindruck, da befinde sich nur eine einzige Gemeinde. Ängste vor einem möglichen Identitätsverlust kann ich verstehen. Aber eine Gemeindefusion bedeutet noch längst nicht den Verlust aller Traditionen. Wie bei vielen anderen Gemeindefusionen ist es zum Beispiel gut möglich, dass alle drei Ortschaften ihren ursprünglichen Namen behalten. Angesichts der sich anbahnenden, wirtschaftlichen Krise wird künftig der Druck auf unsere Wirtschaft, auf die Standorte und auch auf die Gemeinden wachsen. In diesen unsicheren Zeiten macht es mehr denn je Sinn, zusammenzustehen und gemeinsame Lösungen zu suchen. Denn: Gemeinsam sind wir stärker! Der Föderalismus in der Schweiz hat viele Vorteile. Er hat uns zu einem vielseitigen und vielfältigen Land gemacht. Und er ermöglicht den Wettbewerb von Ideen unter den Gemeinden und Kantonen. Das ist sehr wertvoll. Aber wir dürfen in den rauen Stürmen der Globalisierung den Föderalismus nicht überbewerten. Wir müssen bereit sein für Reformen, und viele Gebietskörperschaften werden sich als zu klein erweisen, um den gewachsenen Ansprüchen und den gestiegenen Erwartungen langfristig zu genügen. Ich bin überzeugt davon, dass es besser ist, Reformen und dazu zähle ich auch eine Gemeindefusion aus der Position der ärke St und nicht aus einer Position der Schwäche zu vollziehen. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Sie hier auf dem Bödeli am 17. Mai 2009 ein deutliches Signal für einen Zusammenschluss setzen und
7 IG BÖDELI/10. Dezember 2008 Seite 7 damit eine neue politische Kraft schaffen würden. Eine Alpenstadt mit einer kräftigen Stimme, die auch in der Kantons- und Bundesstadt noch besser vernommen würde, als dies bisher der Fall ist. Dieses deutliche Signal würde auf Grund der großen Bekanntheit von Interlaken ähnlich wie in den Fällen von Luzern und Lugano in die ganze Schweiz ausstrahlen und auch in unserem Kanton von anderen Gemeinden wahrgenommen, die in einer ähnlichen Situation stecken. Ich erhoffe mir von Ihrer Abstimmung im nächsten Mai eine günstige Wirkung auf andere Gemeinden in unserem Kanton. Ich finde, diese Vorbildfunktion würde den drei Bödeligemeinden gut anstehen. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihr Interesse und freue mich jetzt auf Ihre Fragen und die anschließende Diskussion!
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