Psychiatrische Komorbidität. Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2017
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1 Psychiatrische Komorbidität Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2017
2 Psychiatrische Komorbidität von Opioidabhängigen F0 organische Störungen 1-6% F2 Schizophrenien 7-25% F3 affektive Störungen 7-74% F4 Angststörungen 5-46% F5 Essstörungen 2,7-10% F6 Persönlichkeitsstörungen 25-90%
3 Behandlungsrelevanz Kompliziertere Behandlungsverläufe Erhöhte Rehospitalisierungsraten Erhöhte Aggressivität Gesteigerte Suizidalität Verringerte Adhärenz Schlechteres Ansprechen auf Psychopharmaka Psychosoziale Probleme Schnellere Rückfälle Häufigere Krankheitsepisoden Schwierigere Diagnostik Teufelskreise
4 Angststörung - Depression Angststörung und Suchtmittelkonsum tragen kausal zur Entwicklung der jeweils anderen Störung bei Feed-forward-cycle = Teufelskreis Depression bei allen Substanzabhängigkeiten, durch längerfristigen Alkoholkonsum verstärkt Schilddrüsendiagnostik nicht vergessen Bipolare Erkrankung nicht übersehen - Phasenprophylaxe
5 Depression und Suizidalität bis zu 15 % ca. 25 % ca. 70 % mit schwerer Depression versterben durch Suizid weisen einen Suizidversuch auf haben Suizidgedanken 90 % der Suizidenten litten unter psychiatrischen Erkrankungen, am häufigsten Depression (40-70 %)
6 Antidepressiva Einteilung Trizyklische AD (NSMRI = Non Selective Monoamino Reuptake Inhibitors) Amitriptylin Typ: beruhigend, dämpfend Amitriptylin (Saroten, Tryptizol ) Opipramol (Insidon ) Desipramin Typ: antriebssteigernd Clomipramin (Anafranil ) Tetrazyklische AD Mianserin (Tolvon, Generika) Maprotilin (Ludiomil ) MAO-Hemmer Reversible Moclobemid (Aurorix )
7 Antidepressiva Einteilung NaSSA (Noradrenaline and specific serotonergic agent) Mirtazapin (Remeron, Generika) SSRI (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors) Fluoxetin (Fluctine, Generika) 20-80mg Fluvoxamin (Floxyfral ) mg Paroxetin (Seroxat, Generika) 20-40mg Citalopram (Seropram, Generika) 20-40mg Sertralin (Tresleen, Gladem, Generika) mg Escitalopram (Cipralex,Generika) 10-20mg
8 Antidepressiva Einteilung SNRI (Serotonin and Norepinephrine Reuptake Inhibitor) Venlafaxin (Efectin ) mg Milnacipran (Ixel ) mg Duloxetin (Cymbalta ) mg SARI (Serotonin 2 Antagonist / Reuptake Inhibitor) Trazodon (Trittico ) 300mg als AD NRI (Norepinephrine Reuptake Inhibitor) Reboxetin (Edronax ) 4-8mg
9 Antidepressiva Einteilung SRE (Serotonin Reuptake Enhancer) Tianeptin (Stablon ) 25-50mg NDRI (Norepinephrine Dopamine Reuptake Inhibitor) Bupropion (Wellbutrin, früher Zyban ) mg Andere AD Johanniskraut (Jarsin, weitere) Tryptophan (Kalma ) Agomelatin (Valdoxan ) Keine Kostenübernahme durch GKK Vortioxetin (Brintellix ) Keine Kostenübernahme durch GKK
10 Nebenwirkungen Häufigkeit bei SSRI
11 Prinzipien der AD - Behandlung Go slow but go Medikation täglich einnehmen Wirkungseintritt nach 3-6 Wochen Behandlungsdauer mindestens 6 Monate, 1 Jahr bei rez. Depressionen Phasenprophylaxe mit reduzierter Dosis bei rez. Depressionen
12 Krankheit Gesundheit Drei kritische Zeitpunkte für Therapieabbrüche Einsetzen der Medikation Remission Remission Rückfall Wiedererkrankung 2 3 Ansprechen Wochen Akuttherapie unbehandelt 4-6 Monate Erhaltungstherapie Monate Jahre Langzeittherapie Genaue Aufklärung des Patienten über die Medikation und die einzelnen Therapiephasen ist Voraussetzung für erfolgreiche Behandlung!
13 Betroffene Personen in Deutschland: 4 Mio Diagnostisches und therapeutisches Defizit In hausärzt. Behandlung 2,4-2,8 Mio. Korrekt diagnostiziert 1,2-1,4 Mio. Adäquate Therapie % 30-35% 10%
14 OÖGKK Statistik
15 Empirische Daten der Schizophrenie Prognose: Ca 20 % Remission, ca. 50% rezidivierend ohne massive Beeinträchtigung, ca. 30 % schwere chronische Beeinträchtigung Zahl und Schwere der Krankheitsepisoden kann durch antipsychotische Medikation nachweislich reduziert werden Rückfallrate in den ersten 24 Monaten nach Entlassung ohne Medikation 90%, mit Medikation ca 30%, bei Kombination von Medikation und psychoedukativer Familientherapie 10% Depotmedikation erwägen
16 Typische Neuroleptika Hochpotente Fluphenazin (Dapotum ) Zuclopenthixol (Cisordinol ) Flupentixol (Fluanxol ) Deanxit Haloperidol (Haldol ) Penfluridol (Semap ) Niedrigpotente Levomepromazin (Nozinan ) Chlorprothixen (Truxal ) Prothipendyl (Dominal )
17 Atypische Neuroleptika Clozapin (Leponex) mg nicht zusammen mit BZD, Carbamazepin Olanzapin (Zyprexa) 10-20mg Risperidon (Risperdal) 2-8mg Amisulpirid (Solian) mg Quetiapin (Seroquel) mg als Schlafmedikation mg Ziprasidon (Zeldox) mg Zotepin (Nipolept ) mg Sertindol (Serdolect ) 4-24mg Aripiprazol (Abilify) 10-30mg evtl. Add-on bei Depression und PTSD Palliperidon (Xeplion) mg Asenapin (Sycrest) 5-20mg
18 Bipolare affektive Störung Beginn zu 70% mit einer depressiven Episode Ersterkrankungsalter ab18. Lebensjahr Häufig psychotische Symptome (Größenwahn) Manische Episode dauert im Schnitt 4 Monate Depressive Phase dauert im Schnitt 6-8 Monate Mittlere Episodenzahl bis 65 Lj. beträgt 10
19 Phasenprophylaktika Antiepileptika: Valproinsäure (Depakine ) Carbamazepin (Neurotop Tegretol ) Oxcarbazepin (Trileptal ) Lamotrigin (Lamictal ) Lithium
20 Persönlichkeitsstörungen allgemeine diagnostische Leitlinien Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Impulskontrolle, Wahrnehmung, Denken, Beziehungen. Das abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden psychischer Krankheiten beschränkt. Das abnorme Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen Situationen eindeutig unpassend. Die Störung beginnt in der Jugend und manifestiert sich auf Dauer im Erwachsenenalter. Die Störung führt zu deutlichem subjektivem Leid. Die Störung ist meist mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.
21 Diagnostische Kriterien der Borderline - Störung intensive aber instabile Beziehungen (Idealisierung Abwertung) Impulsivität bei mind. 2 potenziell selbstschädigendenden Aktivitäten (unleistbare Ausgaben, impulsive Sexualität, Substanzmissbrauch, gefährliches Autofahren, etc..) übermäßige Wutausbrüche massive Stimmungsschwankungen innerhalb von Stunden wiederholte Suizidandrohungen, -versuche oder Selbstverletzungen ausgeprägte Identitätsstörung: Unsicherheit in mind. zwei Lebensbereichen (Selbstbild, sexuelle Orientierung, langfristige Ziele, Art der Freunde, persönliche Wertvorstellungen) chronisches Gefühl der Leere oder Langeweile verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern
22 ADHS und Sucht Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Suchtstörung bei Personen mit unbehandelter ADHS ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung um etwa das Doppelte erhöht: Prävalenzraten ca. 50 % vs %. Bei Suchtkranken ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ADHS gegenüber der allgemeinen Prävalenz sehr viel höher % versus 4-9 % Jugendliche mit ADHS zeigen einen vergleichsweise früheren Beginn mit Probierkonsum von Nikotin, Alkohol und Cannabis. Frühzeitiger Konsum wiederum erhöht das Risiko, eine substanzbezogene Störung zu entwickeln.
23 Pharmakodynamische Interaktionen Übersedierung: Mehrere zentral dämpfende Wirkstoffe gleichzeitig verabreicht Serotoninsyndrom: Bei Kombination von SSRI mit MAO-Hemmern. Kann auch durch Kombination anderer serotonerger Arzneistoffe wie Tramadol, Codein, Opiate, Trizyklika, Triptane, L-Tryptophan, Lithium ausgelöst werden Delir: Durch anticholinerg wirksame Substanzen ausgelöst QT-Zeit-Verlängerung/Torsades de pointes: Methadon (Dosisabhängig), Kombination mit einer Vielzahl an Medikamenten (Antibiotika, Antipsychotika, Antidepressiva )
24 Interaktionen CAVE! Beispiel: Quetiapin + Carbamazepin via CYP3A4 Anstieg Quetiapinclearance um ca. 80%, Hemmung des Carbamazepinabbaus ---> Wirkverlust von Quetiapin Kombination unbedingt vermeiden!
25 INTERAKTIONEN PRÜFEN!
26 Fall1 Frau M., 28 Jahre, kommt freiwillig auf Drängen einer ehemaligen Arbeitskollegin in die Drogenberatungstelle. Sie konsumiert regelmäßig Alkohol und Kokain, leidet unter Depressionen, Ängsten und schweren Panikattacken, die sie mit Benzodiazepinen bekämpft. Speziell der Kontakt mit Gruppen anderer Menschen (z.b. in öffentlichen Verkehrsmitteln) ist für sie fast unerträglich. Aufgrund ihrer psychischen Belastung kann sie auch ihre Arbeit als Kassiererin in einem großen Betrieb nicht mehr ausüben, derzeit ist sie arbeitslos. Ihre erwachsene Tochter lebt seit der Scheidung vor einigen Jahren beim Vater. Frau M. hat als Kind und Jugendliche jahrelang schwersten sexuellen Missbrauch durch den Vater erlebt. Mit der Mutter, die sie zeitweilig finanziell unterstützt, besteht punktuell Kontakt, allerdings führt dies in der Folge jedes Mal zu heftigen Panikattacken. In der Beratungsstelle spricht sie offen über ihre Ängste und dass sie ihr Leben verändern will.
27 Fall 2 Frau D., 28 Jahre, stammt aus Bulgarien, war mit einem Österreicher verheiratet und hat aus dieser Ehe hohe Schulden. Sie arbeitet als Prostituierte in einem Laufhaus und konsumiert täglich Alkohol und zeitweise Amphetamine. Seit einiger Zeit fühlt sie sich ständig beobachtet und verfolgt von einer Gruppe unbekannter Männer, von denen sie glaubt, dass sie sie entführen wollen. Vor einigen Jahren hatte sie einen gewalttätigen Ausbruch im Alkoholrausch und bekam eine bedingte Vorstrafe. Derzeit wohnt sie bei einem Bekannten, mit dem es aber immer wieder Konflikte gibt, weil er nicht möchte, dass sie so viel trinkt und sich prostituiert. Frau D. hat sehr viel Angst und weiß nicht, ob sie schon ganz verrückt ist oder sie wirklich bedroht wird. Auch der Alkoholkonsum wird ihr langsam zu viel. Sie kommt auf Drängen ihres Bekannten, der möchte, dass sie weniger trinkt und ihren Lebenswandel ändert.
28 Fall 3 Herr L., 40 Jahre, stammt aus Serbien, als junger Mann wurde er als Soldat im Bosnien und Kosovokrieg eingesetzt. Danach flüchtete er nach Wien, wo er eine Familie gründete und sich eine Existenz als Kältetechniker aufbauen konnte. Aufgrund seines Alkohol-, Heroin-, Kokainkonsums hat er seine Arbeit verloren, seine Ehe wurde geschieden, das gemeinsame Kind (10) lebt bei seiner Exfrau. Seit dem Krieg leidet er unter Alpträumen, kann enge Räume und den Geruch von Erde nicht aushalten, der ihn an den Schützengraben und die vielen Toten erinnert. Er leidet unter Panikattacken und konsumiert Benzodiazepine. Herr L. ist obdachlos und sehr verzweifelt. In die Drogenberatungsstelle kommt er wegen eines Bettes in der Notschlafstelle, er möchte aber auch jemanden zum Reden, da er so nicht mehr weiterleben kann und sich manchmal am liebsten umbringen möchte
29 Fall4 Der 29-jährige Patient befindet sich seit 3 Jahren wegen seiner Opiatund Kokainabhängigkeit in Ihrer Betreuung. Vor 2 Jahren verlor er seinen Job als Lagerarbeiter, seither ist er arbeitslos. Bis vor 2 Monaten hatte der Pat. eine Beziehung zu einer ebenfalls substanzabhängigen Frau, auf sein Betreiben kam es zur Trennung. Er gibt an, nicht damit fertig geworden sei, dass seine Lebensgefährtin berufstätig gewesen sei. Auch einen geplanten stationären Aufenthalt zur Entzugstherapie habe er nicht in Anspruch genommen, da er nicht sicher gewesen sei, ob seine Lebensgefährtin während er weg sei nicht mit anderen Männern Affären habe. Seit der Trennung von Freunden seiner Ex-Lebensgefährtin wird er in ihrem Auftrag überwacht, dazu würden die neuesten geheimdienstlichen Technologien genützt, sie habe ihre gesamten Ersparnisse dafür ausgegeben und auch Schulden gemacht.
30 Fall 4 Es würde auch in seine Wohnung eingedrungen, um ihn zu quälen, er verlasse die Wohnung kaum noch, gerade einmal täglich, um seine Substitutionstherapie (Buprenorphin) in der Apotheke einzunehmen. Mehrfaches Austauschen des Türschlosses habe keinen Effekt gehabt, es sei weiterhin in seine Wohnung eingebrochen worden, man habe Hinweise hinterlassen um ihn dies bemerken zu lassen. So sei die Küchenuhr um eine Stunde nach vor verstellt worden, seine Sonnenbrillen seien versteckt worden, die Waschmaschine sei eingeschaltet worden und man habe den High-Score bei seinem Lieblingsspiel auf der Playstation verändert.
31 Fall 4 Der Pat gibt an, eine Kamera aufgestellt zu haben um die Einbrecher zu filmen, diese würden jedoch sehr geschickt sein. Dennoch habe er zumindest Schatten aufnehmen können, er habe die Beweise sofort zur Polizei gebracht. Dort habe man ihm nicht geglaubt und seine Befürchtungen als Hirngespinste abgetan. Psychopathologisch findet sich weiters eine subdepressive Stimmungslage und Einschlafstörungen. Stimmenhören wie auch optische Halluzinationen werden verneint.
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