KAPITEL 16: MOTIVATIONSPSYCHOLOGIE
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- Herbert Knopp
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1 35 KAPITEL 16: MOTIVATIONSPSYCHOLOGIE Erlebte Umwelt ist für verschiedene Personen verschieden strukturiert und somit mehr oder weniger motivierend Einzelne Situationen gewinnen im Lauf der Zeit Anregungswert: Erlebte Wahrscheinlichkeiten der möglichen Handlungsausgänge und die Erwartung der daran geknüpften weiteren Folgen motivieren zu einem situationsangemessenen Verhalten -> es werden solche Handlungen ausgewählt, die zu möglichst positiven (= erwünschten) oder möglichst geringen negativen (= unerwünschten) Folgen führen (HECKHAUSEN) Reaktion der Menschen auf gleiche Situationen ist unterschiedlich -> es gibt charakteristische Handlungsbevorzugungen = Motive Motive sind überdauernde Voreingenommenheiten kognitiver Prozesse im Sinn hochgeneralisierter Wertungsdispositionen für einzelne Grundsituationen. Motive stellen wiederkehrende Anliegen dar). Motivation = energetischer Teil eines Motivationsprozesses Man unterscheidet verschiedene Motivsysteme: Anschlußmotiv: gekennzeichnet durch die Bedeutung, die der sozialen Kontaktaufnahme beigemessen wird Machtmotiv: wird in Situationen wachgerufen, in denen es um Herrschaftsausübung geht Leistungsmotiv: ist z.b. in der Schule von besonderer Bedeutung 1. ZUR ENTWICKLUNG LEISTUNGSMOTIVIERTEN VERHALTENS: Bedingungen für leistungsmotiviertes Verhalten (nach HECKHAUSEN): a) Ein objektivierbares (= eindeutig feststellbares) Handlungsresultat ist erzielt worden. b) Handlungsergebnis muß auf einen objektiven Schwierigkeitsmaßstab beziehbar sein c) Aufgaben dürfen weder zu leicht noch zu schwer sein, sie müssen gelingen oder mißlingen können d) Ein verbindlicher subjektiver Gütemaßstab im Sinne des angestrebten Leistungsziels muß vorliegen
2 36 e) Handelnde müssen den Effekt der Tätigkeit auf sich selbst als Urheber zurückführen können Für das Leistungsmotiv notwendige Entwicklungsschritte sind mit ca. 6 Jahren vollzogen; Vorstufen dazu gibt es aber schon früher: Einjähriger hat Spaß am Selbermachen (= spontane Motivation) Mit 1 ½ entwickelt Kind bereits gewisse Handlungspläne (z.b. legt 2 Würfel aufeinander und freut sich, wenn das gelingt) -> Leistungsmotiviertes Handeln hängt mit der Fähigkeit zur Selbstbekräftigung zusammen, d.h. Freude kann dazu führen, daß Kind sich mit ähnlichen Aufgaben weiterbeschäftigt Mit ca. 3 Jahren kommt ein weiteres wichtiges Stück des leistungsmotivierenden Handelns dazu = Wettbewerbseifer Versuch von HECKHAUSEN dazu: Kinder mußten Turm bauen -> VL baute schneller: - vor 3. Lebensjahr Freude über den Turm; - ab 3. Lebensjahr Freude, wenn früher fertig als der VL und Frustration, wenn langsamer -> Zuerst-fertig-sein-wollen = einfacher Gütemaßstab!) Mit ca. 6 Jahren Erfolgszuversicht oder Mißerfolgsängstlichkeit (= negative Einstellung zur eigenen Leistungsfähigkeit) Definition des Leistungsmotivs nach HECKHAUSEN: Leistungsmotiv = das Bestreben, die persönliche Tüchtigkeit in allen jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb gelingen oder mißlingen kann. Untersuchung von WINTERBOTTOM (in den USA): Mütter hoch motivierter Söhne lassen Kind früher Freiheit für selbständige Entscheidungen Mütter wenig motivierter Söhne lassen Kind später Freiheit für selbständige Entscheidungen Frühe Erziehung zur Selbständigkeit führt zu hoher Leistungsmotivation Untersuchung von HAYASHI (in Japan):
3 37 Mütter erwarten schon von Dreijährigen, sich außerhalb der Wohnung zurechtzufinden und allein einkaufen zu gehen Frühe Selbständigkeitserziehung führt hier zu weniger leistungsmotivierten Kindern; Grund: Überforderung! Erfolgszuversicht kann sich nur entwickeln, wenn Selbständigkeitserwartungen dem Entwicklungsstand des Kindes angepaßt sind. CSIKSZENTMIHALYI: hohes Können führt in Leistungssitautionen zu intensiven Glücksgefühlen (= flow ). Flowerlebnisse führen zu optimalen Ergebnissen -> bekräftigen und stützen damit die Beschäftigung mit dem Leistungsbereich, in dem sie aufgetreten sind. ROLLETT: Negative Rückmeldungen, Überforderung, Monotonie führen zu intensiven Unlustgefühlen = Antiflow ; sind sie besonders stark, so kommt es zur Anstrengungsvermeidung! 2. KAUSALATTRIBUIERUNG: = Ursachenerklärung für das Zustandekommen von Erfolg oder Mißerfolg. Dabei spielt persönliches Anspruchsniveau eine wichtige Rolle (z.b. ein Schüler freut sich über einen Zweier, sein Nachbar heult bei einem Zweier) Ursachenerklärungen von Leistungen können sein stabil (= nicht beeinflußbar) labil (= beeinflußbar) und laut ROTTER (Theorie des locus of control) zusätzlich: intern (= von sich selbst bedingt) extern (= von der Umwelt bedingt) Das ergibt folgendes Schema der Kausalattribuierung: a) extern / stabil: Aufgabenschwierigkeit b) intern / stabil: Begabung, Fähigkeit c) extern / labil: Glück oder Pech, Zufall d) intern / labil: Anstrengung Erfolgszuversichtliche Menschen: erklären sich ihre Erfolge durch stabile, interne Ursachen (Fähigkeit, Begabung) und ihre Mißerfolge durch labile, interne Ursachen (zu wenig Anstrengung)
4 38 Mißerfolgsängstliche Menschen: erklären sich Mißerfolge durch stabile, interne Ursachen (mangelnde Begabung, mangelnde Fähigkeit) und ihre Erfolge durch externe Ursachen (Glück, Zufall; Aufgabe zu leicht); dadurch kommt es bei Erfolgen zu einer Entwertung und bei Mißerfolgen quasi zum Beweis der eigenen Unfähigkeit; Fazit: Teufelskreis, self-fullfilling-prohecy, die den Mißerfolg erst recht herbeiführt! (Kinder können schon in der Volksschule ein solches ungünstiges Attribuierungssystem ausgebildet haben) 3) PÄDAGOGISCHE KONSEQUENZEN: Lehrer darf durch seine Kommentare den Kindern nicht ein ungünstiges Attribuierungssystem antrainieren [gilt aber meiner Erfahrung nach besonders aber auch für die ELTERN!!!]; Richtig: bei guter Leistung eines sonst schlechten Schülers LOBEN, bei schlechter Leistung Hinweis auf mehr Anstrengung, die beim nächsten Mal nötig sein wird, UND Bereitstellung der nötigen Lernhilfen, damit das auch klappt Leistungsrückmeldung der Umgebung ist sehr wichtig für den Aufbau zweckmäßiger Attribuierungsmuster: Nachweis durch Untersuchungen von ROSEN & D ANDRADE: Eltern hochmotivierter Kinder stellten höhere Leistungsanforderungen, die von Kindern aber auch erreicht wurden. Solche Eltern gingen mehr auf Kind ein, zeigten Wärme, Freude, Anerkennung und Lob Eltern niedrigmotivierter Kinder stellten geringere Leistungsanforderungen, zeigten wenig Wärme und Anteilnahme; bei Mißerfolg war Mutter distanziert, Vater verärgert und antreibend Ungünstige Attribuierungsmuster können durch gezielte Motivänderungsprogramme verändert werden (Gespräche, Rollenspiele, Einüben von günstigeren Formen der Selbstbekräftigunng und der Kausalattribuierung; bei besonders schweren Fällen günstig = Autogenes Training zur Kontrolle der negativen Kognitionen)
5 39 Was ist leistungsmotivationsfördernd? a) Aufgaben, die weder zu leicht, noch zu schwer sind: zu leichte Aufgaben werden rasch fad zu schwere Aufgaben fördern die Mißerfolgsmotivation b) richtiges Feed-back der Umgebung 4. REGELN FÜR MOTIVFÖRDERNDES FEED-BACK-GEBEN: Wie reagiert man als Lehrer richtig auf Schülerleistungen? a) bei Erfolg: differenziertes Lob geben (d.h. dem Kind sagen, WAS an seiner Leistung gut war); Vorteil: Lob ist glaubwürdig; Kind bekommt wichtige Information b) bei Mißerfolg: dem Kind ohne Tadel den Fehler zeigen und gemeinsam erarbeiten, wie man ihn ausbessern kann; alles in freundlich-interessiertem Tonfall! Kind den Fehler sofort ausbessern lassen nach der Korrektur loben (einfaches Lob, z.b. super, brav genügt); das bekräftigt das richtige Verhalten Auf diese Weise lernt Kind, seine Leistung realistisch einzuschätzen und sich über den Erfolg zu freuen; es lernt aber auch, daß Fehler keine Katastrophe sind und daß man aus ihnen lernen kann In manchen Schulklassen ist es üblich, einander bei Fehlern auszulachen eine solche aggressive Reaktion muß Lehrer sofort unterbinden (am besten durch ein Gruppengespräch ausgehend von der Frage, ob Schule für Leute da ist, die schon alles können, oder für solche, die noch etwas lernen wollen). Merke: Es ist keine Schande etwas nicht zu können, wenn man sich bemüht!
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