Sekundäre Immundefekte: erworbene Schwäche des Immunsystems. OA Dr. med. T. Winterberg



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Transkript:

Sekundäre Immundefekte: erworbene Schwäche des Immunsystems OA Dr. med. T. Winterberg

Themenübersicht Immunsystem: Aufgaben und Organisation Primäre, sekundäre und iatrogene Immundefekte Fallbeispiel Opportunistische Infektionen Typische Erreger Therapiestrategien

Immunsystem Aufgaben: Unterscheidung körpereigen/körperfremd Abwehr von körperfremden Substanzen Erkennen und Neutralisieren von Antigenen Erkennen und Abtöten von mutierten Zellen Etablierung eines immunologischen Gedächtnisses Probleme: Fehlfunktion: Immundefektsyndrome Überreaktion: Autoimmunität

Immunsystem Angeborene oder unspezifische Immunabwehr anatomische und physiologische Barrieren zellvermittelte Gegenwehr entzündliche Reaktionen und das Komplementsystem Schnell und ungerichtet, genetisch festgelegt Adaptive oder spezifische Immunabwehr Antigen-spezifische Zellen: T- und B-Lymphozyten Antigen-präsentierende Zellen Kooperation von T- und B-Lymphozyten bei der Immunantwort Bildung von Antigen-spezifischen Antikörpern Langsam, gezielt und lernfähig

Angeborene / unspezifische Immunabwehr Humorale Komponente: Komplementfaktoren Zytokine Interferone Akut-Phase-Proteine (CRP) Zelluläre Komponente: Monozyten-Makrophagen- System Dendritische Zellen (DC) Natürliche Killerzellen (NK) Neutrophile Granulozyten

Adaptive / spezifische Immunabwehr Humorale Komponente: Immunglobuline (IgG, IgA, IgM) Zelluläre Komponente: B-Lymphozyten T-Lymphozyten

Immunsystem Unspezifisches (angeborenes) und spezifisches (erworbenes) Immunsystem arbeiten bei der Infektabwehr zusammen keines der beiden Systeme alleine funktionsfähig Angeborenes IS: immer gleich starke Immunantwort Erworbenes IS: lernfähig ( Memory-Funktion ) Fehler führen zu Immunschwäche = erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen oder Tumoren oder Autoimmunreaktionen Beispiele: angeborene (z. B. CVID) oder erworbene (z.b. AIDS) Fehler des Immunsystems oder Autoimmunerkrankungen

Einteilung der Immundefekte 1. Primäre Immundefekte (angeboren) Selten, angeboren, vielgestaltig, gut zu definieren Manifestation meist im Kindesalter (Ausnahme: Antikörpermangelsyndrome, speziell das variable Immundefektsyndrom (CVID)) 2. Sekundäre Immundefekte (erworben) Häufig Erworbene unspezifische Immundefekte Immundefekte als Begleiterkrankung Iatrogener Immundefekte Erworbene spezifische Immundefekte z.b. HIV 3. Physiologische Immundefekte Schwangerschaft, Alter

Sekundäre Immundefekte I erworbene unspezifische Immundefekte chronisch-bakterielle Infekten Autoimmunopathien (z. B. Lupus erythematodes) Proteinverlustsyndrome Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus) Malnutrition Psychischer oder körperlicher Stress Unterernährung Unterernährung ist die weltweit häufigste Ursache

Sekundäre Immundefekte II erworbene unspezifische Immundefekte Iatrogene Immundefekte Medikamente Immunsuppressive Therapie (Steroide, Biologica, DMARDs) Monoklonale Antikörper: Alemtuzumab CD52, Rituximab CD20, TNF-α Blocker Radiatio Chemo-/Immuntherapie Klassisches Beispiel: R-F oder R-FC Rituximab, Anti-CD 20-AK verursacht B-Zell-Defekt Fludarabin, bedingt T-Zell-Defekt

Sekundäre Immundefekte III erworbene spezifische Immundefekte Immundefekte bei hämato-/onkologischen Erkrankungen Leukämien, Lymphome, Karzinome (v.a. CLL, MM) Virusinfekten mit lymphotropen Viren z. B. EBV; HIV; CMV

Fallbeispiel Pat. W.R., geb. 15.1.1956 Erstdiagnose einer B-CLL 2/2003 - Binet C, Lymphozytose, ubiquiäre LKS - 3/2006 Chemotherapie mit Melphalan und Prednisolon - 5/2006 Chemotherapie mit Chlorambucil und Prednisolon - 6-8/2006 zervikaler Radiatio mit 30 Gy fraktioniert - 11/2007-4/2008 6 Zyklen Fludarabin bis 1/2009 2 Zyklen Rituximab+Bendamustin seit 2/2009 Rituximab mono 8-12/2011 4 Zyklen Chemotherapie mit Rituximab+Bendamustin 4-7/2012 Bendamustin mono 50% Begleitend: Debilität (seit Geburt), DM Typ II

Infektiöse Probleme: Fallbeispiel - 9/2006 generalisierter Herpes Zoster - 2008 Pneumocystis carinii Pneumonie - Seit 2011 rez. Pneumonie mit SIRS - Exitus letalis 2/2013 im Rahmen einer Sepsis

Fallbeispiel Probleme: - Rezidivierende Neutropenien (iatrogen) - Sekundärer Antikörpermangel - Z.n. T-Zell toxischer Therapie (Fludarabin) Kombinierter Immundefekt (zelluläres und humorales Abwehrsystem betroffen) Gabe von Immunglobulinen, rez. antibiotisch/antivirale/antimykotische Therapien

Opportunistische Infektionen Durch diverse Erreger (Bakterien, Viren, Pilze) ausgelöste Erkrankungen bei Immunschwäche des Patienten Von lat. opportunitas (Gelegenheit) - PcP, Legionellen Pneumonie - Toxoplasmose - Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) (JC Virus) - Tuberkulose - Kandidose, Aspergillose - CMV, HSV Infektionen

Infektionen bei Neutropenie (< 500/mm 3 oder Funktionsstörung) - Hämatologische Systemerkrankungen (AML, ALL, NHL, HL, MM, AA) - Onkologische Erkrankungen (KM-Karzinose bei SCLC) - Iatrogen nach Zytostatikatherapie - Iatrogen bei autologer / allogener Transplantation - Z.n. Strahlen(therapie) Staphylococcus aureus Staphylococcus epidermidis Streptokokken Pneumokokken Pseudomonas aeruginosa Enterobakterien Candida spp. Aspergillus spp. 5 Tage geringes Risiko Neutropeniedauer 6-9 Tage Standardrisiko 10 Tage hohes Risiko

Infektionen bei T-Zell-Defekt - Transplantation (Organe oder KM) - Hämatoloische Systemerkrankungen (V.a. CLL, HL) - Zytostatikatherapie (Fludarabin) - Kortisontherapie - HIV-Infektion Salmonella spp. Mycobacterium tuberculosis Listeria monozytogenes Legionella pneumophila MOTT Nocardia spp. Cryptococcus neoformans Toxoplasma gondii Pneumocystis jiroveci CMV, EBV, VZV, HSV-1, -2, -6, -8 Adenoviren Papovaviren (JC-, BK-Virus)

Infektionen bei Antikörpermangel (quantitativ oder funktionell) - MM, CLL - Iatrogen nach CD20-Ak Therapie - Iatrogen nach Chemotherapie - Hypogammaglobulinämie - HIV-Infektion Pneumokokken Salmonella spp. Mycobacterium tuberculosis Listeria monozytogenes Legionella pneumophila MOTT Nocardia spp. Haemophilus influenzae Candida spp. Cryptococcus neoformans Toxoplasma gondii Pneumocystis jiroveci CMV, EBV, VZV, HSV-1, -2, -6, -8 Adenoviren Papovaviren (JC-, BK-Virus)

Immundefekte: Therapiestrategien - Therapie der Grundkrankheit - Infektprophylaxe - Erregersicherung / Antibiogramm - Konsequente antibiotische Therapie, antivirale Therapie, antimykotische Therapie - Immunglobulinsubstitution - Allogene KMT (bei primären Immundefekten)

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