Neue HOAI. Projektmanagement Vertragsrecht Teil II



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Transkript:

Neue HOAI Projektmanagement Vertragsrecht Teil II

Inhaltsverzeichnis 1. Vertragliche Beziehungen... 3 2. Stufenweise Beauftragung/Abrufvertrag... 4 3. Grundleistungen der Leistungsphase 6 Termine/ Kosten... 5 4. Leistungsphase 7 Vergabe- und Vertragsunterlagen (Exkurs)... 7 5. Wie viel rechtliche Beratung schuldet der Architekt im Rahmen der Leistungsphasen 6 und 7?.. 8 6. Unterschied: Öffentlicher/ privater Auftraggeber... 10 7. Vollmacht des Architekten... 12 8. Anwesenheit im Rahmen der Bauüberwachung... 15 9. Bautagebuch... 17 10. Abnahme der Architektenleistungen... 18 11. Der Architekt als Projektmanager... 20 2

Die HOAI 2013 ist auf alle Architekten- und Ingenieurverträge anwendbar, die ab dem 17.07.2013 geschlossen werden. 1. Vertragliche Beziehungen Die vertraglichen Beziehungen beschränken sich zumeist nur auf zwei Vertragspartner beispielsweise Bauherr Architekt. Doch nach HOAI 2013 gewinnt die Koordinationspflicht des Architekten noch mehr Bedeutung. Abbildung 1 Auch wenn in Einzelplanervergaben keine vertragliche Verknüpfung zwischen Fachplanern und Architekt besteht, so ist dieser schon frühzeitig verpflichtet die Fachplaner zu koordinieren. In der Leistungsphase 7 (LPH 7) zeigt sich das in der Novellierung schon mit der Grundleistung unter a) Koordinieren der Vergaben der Fachplaner (HOAI 2013, Anlage 10 zu 34) Anders verhält es sich natürlich in den Fällen, in denen der Bauherr einen Generalplaner oder Generalübernehmer beauftragt. Doch auch hier sollten einige Verträge in der Hand des Bauherrn bleiben. Beispielsweise die Vergabe von Sachverständigenprüfungen von technischen Anlagen sollte nicht durch den Architekten oder auch nicht durch den bauausführenden Unternehmer erfolgen, da so die Unabhängigkeit in Frage gestellt werden kann. 3

2. Stufenweise Beauftragung/Abrufvertrag Es ist gerade bei Verträgen mit der öffentlichen Hand nicht unüblich, dass nicht sofort bei Vertragsabschluss die Vollarchitektur oder auch nur die Leistungsphasen 1 bis 8 beauftragt werden. Dies resultiert aus dem Wunsch des Auftraggebers, ggf. noch von dem Projekt Abstand nehmen zu können, ohne dem Architekten aufgrund der Kündigung des Architektenvertrages den Werklohn für die nicht erbrachten Leistungen unter Abzug der ersparten Aufwendungen zahlen zu müssen ( 649 S. 2 und 3 BGB). Durch die Neufassungen der HOAI in den Jahren 2009 und 2013 ist die Frage akut geworden, welche Auswirkungen daraus folgen, dass vor Abruf bzw. Beauftragung der nächsten Stufe eine neue HOAI in Kraft tritt. Dies soll ein Beispiel einer vertraglichen Regelung aus Mai 2009 verdeutlichen: Für die neue Errichtung der Gebäude ist die komplette Planung entsprechend den Leistungsphasen 1 bis 8 des 33 HOAI in Verbindung mit Anlage 11 zu erbringen. Es ist vorgesehen, im ersten Schritt die Leistungsphasen 1 bis 4 (Phase I) zu beauftragen. Die Beauftragung der Leistungsphasen 5 bis 8 (Phase II) erfolgt optional nach erfolgter Genehmigung des Bauvorhabens durch die vorgesetzte Dienststelle. Ein Anspruch auf Beauftragung der weiteren Leistungen besteht nicht. Was geschieht, wenn die Leistungsphasen 1 bis 4 am 26.05.2009 beauftragt werden, der Abruf der Leistungsphasen 5 bis 8 aber erst nach dem 17.08.2009 erfolgt? In solchen Fällen ist fraglich, ob generell die HOAI 2002 anwendbar ist, da im Vertrag vom 26.05.2009 die Option enthalten ist, auch weitere Leistungsphasen in Zukunft zu beauftragen oder ob auf den Zeitpunkt des Abrufs abzustellen ist mit der Folge, dass für die Beauftragung der Leistungsphasen 5 bis 8 im Beispielsfalle die HOAI 2009 Anwendung findet. Der BGH mit Urteil vom 18.12.2014 zu 55 HOAI 2009, die wie folgt lautet Die Verordnung gilt nicht für Leistungen, die vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar. 4

folgendes entschieden: - Für die Leistungsphasen 5 bis 8 (Phase II) liegt ein befristet bindendes Angebot des Auftragnehmers vor, dessen Annahme zu einem späteren Zeitpunkt sich der Auftraggeber nach seiner freien Entscheidung vorbehalten hat. - Eine feste Bindung des Auftraggebers mit den Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 sei gerade nicht gewollt gewesen; vielmehr habe der Auftraggeber lediglich beabsichtigt, dem Auftragnehmer die weiteren Leistungen zu übertragen. Ein Anspruch auf Übertragung weiterer Leistungen ist explizit ausgeschlossen worden. - FOLGE: Der Vertrag über die Leistungsphasen 5 bis 8 (Phase II) ist nicht bereits mit Vertrag vom 26.05.2009, sondern erst mit der Aufforderung zur Erbringung der Leistungen im November 2009 zu Stande gekommen, so dass auf den Vertrag zur Phase II die HOAI in der Fassung vom 11.08.2009 anwendbar ist. Zwar fehlt noch eine Gerichtsentscheidung zur Übergangsvorschrift des 57 HOAI 2013, die lautet: Diese Verordnung ist nicht auf Grundleistungen anzuwenden, die vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar. Allerdings wird hier nichts anderes gelten, da die beiden Übergangsregelungen bis auf redaktionelle Unterschiede die HOAI 2009 kannte keine Grundleistungen identisch sind. 3. Grundleistungen der Leistungsphase 6 Termine/ Kosten Die Grundleistungen der LPH 6 gewinnen vor allem in den Faktoren Termine und Kosten eine viel höhere Gewichtung. Schon mit Beginn der Leistungsphase 6 ist ein Vergabeterminplan aufzustellen. Dieses Instrument spielt in der öffentlichen Hand eine große Rolle, da sich auf Grund von EU-weiten, nationalen und beschränkten Vergaben nach VOB/ A die Vorlaufzeiten für Verfahren von der Bekanntmachung bis zur Vergabe oftmals über Monate hinweg erstrecken. Generell soll das Aufstellen von Leistungsbeschreibungen auf der Grundlage der Ausführungsplanung erfolgen. Hier sollte der Architekt auf sein Recht bestehen, nicht mehr auf Entwurfsplanungen ausschreiben zu müssen. 5

Meistens erweist sich diese Arbeitswiese mit abgeschlossenen Leistungsphasen jedoch nicht als praxisorientiert. Den Vorwand einer Wirtschaftlichkeit auf Grund der Projektlaufzeit sollte doch entschieden widersprochen werden, denn um erschöpfende und vollumfängliche Leistungsbeschreibungen aufstellen zu können, ist eine abgeschlossene Ausführungsplanung notwendig. Das Kostenrisiko, welches hieraus entstehen kann, sollte dem Bauherrn offen kommuniziert werden. Eine weitere Neuerung stellt die Ermittlung der Kosten anhand eines bepreisten Leistungsverzeichnisses dar. Diese Grundleistung soll künftig ermöglichen, dass Kostenabweichungen schon im Rahmen der Ausschreibung festgestellt werden können und so einem überraschenden Submissionsergebnis vorbeugen zu können. Spätestens hier sollten Qualitäten überdacht oder angepasst werden. Sollte abweichend zum o. g. Absatz doch auf einer nicht abgeschlossenen LPH 5 ausgeschrieben werden, kann man sich der sogenannten 20/ 80 Regel bedienen. Diese besagt, dass 20% der Positionen 80% des Preises ausmachen. So kann anhand von Schwerpunktpositionen gesteuert werden, in welchen Leistungen starke Kostenabweichungen zu erwarten wären. Beispiel aus der Praxis: Ein Treppengeländer als Vollwandstahlwange mit Handlauf erweist sich über abgewickelte Projekte, den BKI oder vorab eingeholten Angeboten als deutlich teurer als in der Kostenberechnung veranschlagt. Hier ist der Architekt angehalten die Planung an die Kosten anzupassen. Kostengünstigere Alternativen wie ein Harfengeländer aus vertikalen Flachstählen oder Rundstabfüllungen müssen aufgezeigt und mit dem Bauherrn abgestimmt werden. Eine Sinnkopplung des Vergabeterminplanes zu den zu erwartenden Kosten aus der Bepreisung des Leistungsverzeichnisses erfolgt dann, wenn in der öffentlichen Vergabe Vorgaben zu den Anteilen der jeweiligen Vergabearten vorherrschen. Denn auch eine wirtschaftlichere Kostenerwartung kann zu Verschiebungen in den Vergabeterminen führen. So kann es passieren, dass geplante beschränkte oder nationale Verfahren plötzlich der Pflicht der EU-weiten Vergabe unterliegen und damit verlängern sich die Vergabezeiträume massiv. 6

4. Leistungsphase 7 Vergabe- und Vertragsunterlagen (Exkurs) Die Leistung der Leistungsphase 7 gemäß Anlage 11 HOAI 2009 lit. a), welche lautete: Zusammenstellen der Vergabe- und Vertragsunterlagen für alle Leistungsbereiche wurde in der HOAI 2013 beibehalten, aber insofern aufgesplittet, als dass das Zusammenstellen der Vergabeunterlagen nunmehr Grundleistung der Leistungsphase 6 (Anlage 10 HOAI 2013 lit. f)) ist, während das Zusammenstellen der Vertragsunterlagen nach wie vor als Grundleistung der Leistungsphase 7 (Anlage 10 HOAI 2013 lit. f)) ist. Eine inhaltliche Änderung ist mit dieser Aufspaltung nicht verbunden. Der Passus für alle Leistungsbereiche bedeutet, dass es Aufgabe des Architekten ist, seine eigenen Vergabe- bzw. Vertragsunterlagen und diejenigen der beteiligten Sonderfachleute zu bündeln und gemeinsam im Rahmen einer Ausschreibung zu versenden. Sinn und Zweck ist, dass Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe auch bei Einschaltung mehrerer Sonderfachleute in einer Hand zusammen laufen, um den Bauherrn zu entlasten. Ob und inwiefern einige öffentliche Auftraggeber in Zukunft dazu übergehen werden, die Vergabe- und Vertragsunterlagen der Sonderfachleute eigenverantwortlich an potentielle Auftragnehmer im Rahmen eines Vergabeverfahrens zu versenden und anschließend unter Zuhilfenahme der Bewertungstabellen Abzüge vom Architektenhonorar vorzunehmen, wird die Zukunft zeigen. Denkbar ist dies, wobei Prognosen schwierig sind. Auf jeden Fall führen die genannten Grundleistungen zu einer weiteren Schnittstelle, bei denen es dem Architekten obliegt, die erbrachten Leistungen der Fachplaner/Sonderfachleute zu koordinieren und mit seinen eigenen Leistungen zusammen zu führen. 7

5. Wie viel rechtliche Beratung schuldet der Architekt im Rahmen der Leistungsphasen 6 und 7? Grundsätzlich gilt, dass der Architekt ist im Rahmen seines vertraglich geschützten Leistungsprofils (= unmittelbare Leistungspflichten) vom RDG ausgenommen ist. Dies beinhaltet jedoch keinen Freibrief zu sämtlichen denkbaren Arten der Rechtsberatung. Nicht erlaubt ist nach wie vor die Vertretung des Bauherrn in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, die Androhung von Klagen oder die Mitwirkung bei der Aufteilung von Wohnungseigentum. Aus haftungsrechtlichen Gründen sollte ein Architekt überhaupt sehr genau überlegen, ob er rechtliche Ausführungen tätigt, da dies zum einen nicht zu seinen originären Tätigkeiten zählt, es ihm an einer diesbezüglichen Ausbildung mangelt und entsprechende Auskünfte nicht seiner Berufshaftpflichtversicherung unterfallen. Die Frage, ob und inwiefern der Bauherr von seinem Architekten im Rahmen der Leistungsphasen 6 und 7 rechtliche Auskünfte verlangt, variiert danach, ob es sich um einen privaten oder öffentlichen Auftraggeber handelt. Da öffentliche Auftraggeber zumeist über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, werden einzelne Grundleistungen der Leistungsphasen 6 und 7 oftmals aus der Beauftragung des Architekten herausgenommen. Dies betrifft insb. die Zusammenstellung der Vergabe- und Vertragsunterlagen, sowie die Mitwirkung bei der Auftragsvergabe. Der öffentliche Bauherr verfügt über eigenes Knowhow, welches er nutzt, während der private Bauherr in diesen Bereichen unsicher und hilflos ist und infolgedessen die Anforderungen an den Architekten überspannt. Gerade bei privaten Auftraggebern wird die Reichweite folgender Grundleistungen missverstanden und überdehnt: a) Leistungsphase 6 lit. f): Zusammenstellen der Vergabeunterlagen für alle Leistungsbereiche b) Leistungsphase 7 lit. f): Zusammenstellen der Vertragsunterlagen für alle Leistungsbereiche c) Leistungsphase 7 lit. h): Mitwirken bei der Auftragsvergabe 8

Das Zusammenstellen von Vergabe- und Vertragsunterlagen bedeutet nicht: - Erstellen/Ausformulieren von rechtsgeschäftlichen Vergabeunterlagen, wie z.b. allgemeiner Geschäftsbedigungen (Besondere Vertragsbedingungen) das Erstellen der Leistungsverzeichnisse fällt nicht hierunter - Vergabevorschlag bezüglich bestimmter ausführender Unternehmer - Prüfung der Bonität und Leistungsfähigkeit der ausführenden Unternehmen ABER: bekannte Umstände (bspw. aus anderen Bauvorhaben) müssen offengelegt werden - Entwerfen der Vertragsbedingungen oder Verträge Die Mitwirkung bei der Auftragserteilung umfasst nicht: - die Beratung zu konkreten Rechtsfragen, wobei aber generelle Hinweise zu erteilen sind - den Abschluss von Verträgen - die Prüfung der einzelnen Klauseln eines Vertrags/der Vorbedingungen auf Übereinstimmung mit dem Gesetz (d.h. keine AGB-Kontrolle im Sinne der 305 ff BGB) Umfasst wird jedoch die Vorbereitung der Verträge, worunter u.a. folgendes zu verstehen ist. - Anregung an den Bauherrn einen (schriftlichen) Bauvertrag zu schließen - Vorschlag Zusätzlicher oder Besonderer Vertragsbedingungen NICHT ABER das Aufsetzen entsprechender Regelwerke - Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag (auch wenn diese einzelne für den Bauherrn nachteilige Regelungen enthält) - Vorlage von im Buchhandel gängigen aktuellen Vertragsformularen, die auf die Position des Bauherrn abgestimmt sind - Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularverträgen ACHTUNG: nach dem BGH ist es bei gelichzeitigem Vorliegen eines Kästchens zum Ankreuzen und einer dahintergelegenen Leerstelle zur Eingabe eines Prozentsatzes bzw. eines Eurobetrages zwingend erforderlich nicht nur die Leerstelle auszufüllen, sondern auch die Ankreuzoption auszuüben Generell sind für Architekten Kenntnisse im Bereich der VOB und auch des BGB unerlässlich. Hierzu zählt insb. das Wissen, dass es sich bei der VOB/B um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, deren Privilegierung nur dann eintritt, wenn die als Ganzes 9

vereinbart wurde. Deshalb sollten Regelungen der VOB/B mit Ausnahme der Gewährleistungsfrist niemals abgeändert werden. Eine Beratung zu den Themenkreisen Fristen, Vertragsstrafe, Zahlungsmodalitäten (Skonti), Gewährleistungsfristen und Sicherheitseinbehalte kann durch den Architekten erfolgen. Diese dürfte zumeist von einem privaten Auftraggeber auch gefordert werden. Es gilt jedoch, dass diese Beratungstätigkeit Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und deren Umsetzung voraussetzt. Wer dies nicht berücksichtigt, dem droht die eigene Haftung aufgrund von Beratungsfehlern, die üblicherweise nicht versichert ist. Es wurde bspw. eine Haftung des Architekten bejaht, weil dieser die von den Architektenkammern veröffentlichte BGH-Rechtsprechung zu Vertragsstrafen-regelungen und deren Obergrenzen nicht berücksichtigt hatte. Allgemein kann nur der Rat erteilt werden, haftungsträchtige Tätigkeiten zu vermeiden. Hierzu gehören u.a. das Aufsetzen von Vertragsklauseln und das Erstellen von Vertragsbedingungen. Bei beiden handelt es sich üblicherweise um AGB, so dass die Rechtsprechung zu 305 ff BGB nicht nur zu beachten, sondern vor allen Dingen auch umzusetzen ist. Bei unklaren oder unwirksamen Klauseln droht dem Architekten die volle Haftung! Deshalb ist es sinnvoll, die Hinweispflichten gegenüber dem Bauherrn ernst zu nehmen und diesen darauf hinzuweisen, dass eine vertiefte Rechtsberatung durch einen Architekten nicht möglich ist. Der Bauherr kann und sollte auf die Beratung durch einen Rechtsanwalt verwiesen werden. Dies wird insb. beim privaten Auftraggeber auf wenig Gegenliebe stoßen, da dieser die Kosten für die anwaltliche Beratung einsparen möchte, weil die Rechtschutzversicherungen den gesamten Baubereich nicht abdecken. 6. Unterschied: Öffentlicher/ privater Auftraggeber Die vorgenannten Punkte kommen bei einer Großzahl der öffentlichen Auftraggeber nicht zum Tragen, da diese in den meisten Fällen über einen eigenen Justiziar in ihren Reihen verfügen. Darüber hinaus setzen immer mehr öffentliche Auftraggeber neben der eigenen Rechtsabteilung einen Projektsteuerer ein, der Teilleistungen aus der LPH 7 übernimmt. Eine solche Konstellation führt dazu, dass Honorare gemindert werden, jedoch rechtlich relevante Leistungen beim Architekten entfallen. 10

Abbildung 3 Die Abbildung 3 zeigt die vertraglichen Beziehungen eines öffentlichen Auftraggebers unter Hinzunahme eines Projektsteuerers. Da der Projektsteuerer keine vertragliche Bindung zum Architekten besitzt, jedoch die Koordinationspflicht des Architekten weiter geschuldet bleibt, führt eine solche Konstellation zu Honorarminderungen gem. Abbildung 2. Im Fallbeispiel reduziert sich das Honorar um 3 Prozentpunkte (75%). Abbildung 2 11

7. Vollmacht des Architekten Es wird häufig von der originären Architektenvollmacht gesprochen, ohne dass dieser Begriff irgendwo definiert wird. Üblicherweise ist damit gemeint, dass der Architekt alle Handlungen vornehmen darf, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind, nicht jedoch berechtigt ist, rechtsgeschäftliche Erklärungen für den Bauherrn abzugeben. Es gilt der Satz: Die Vollmacht des Architekten endet da, wo der Geldbeutel des Bauherrn anfängt. Die Erteilung einer Vollmacht ist erforderlich, um wirksam für einen Dritten Rechtshandlungen vornehmen zu können. Hierbei muss der Bevollmächtigte jedoch offenlegen, in fremden Namen zu handeln, sog. Offenkundigkeitsprinzip. Es kann zwar genügen, wenn sich das Handeln in fremden Namen aus den Umständen ergibt, jedoch gehen Unklarheiten zu Lasten des vermeintlichen Vertreters, so dass dieser im eigenen Interesse seine Vertreterstellung stets offenbaren sollte. Es gibt folgende Arten von Vollmachten: a) Schriftliche, ausdrückliche Vollmacht (mit genauer Festlegung des Umfangs) b) Konkludent erteilte Vollmacht Bspw. wenn sich der erteilte Auftrag ohne Vertretungsbefugnis nicht sachgerecht durchführen lässt (Verhandlungen mit Behörden/Nachbarn, Entsendung des Architekten zum Abnahmetermin) c) Rechtsscheinsvollmachten Duldungsvollmacht Sie liegt vor, wenn der Architekt ohne Vollmacht als Vertreter des Bauherrn auftritt und letzterer dieses Verhalten kennt und duldet Anscheinsvollmacht Sie liegt vor, wenn der Bauherr das Handeln des Architekten nicht kennt, es aber hätte erkennen und verhindern können. Zum Umfang der Vollmacht im Rahmen der technischen Bauabwicklung gehören keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die den Bauherrn binden (Vertragsänderungen, Zusatzaufträge). 12

Vollmacht JA - Gemeinsames Aufmaß mit den ausführenden Unternehmen - Abzeichnung von Stundenlohnzetteln (, wobei diese den Bauherrn nur hinsichtlich der Anzahl der Stunden und der verwendeten Materialien binden und nicht in Bezug auf die Frage, ob überhaupt im Stundenlohn abgerechnet werden darf) - Technische Abnahme (= Überprüfung des Werks auf Übereinstimmung mit der Planung und auf vorhandene Mängel) Vollmacht NEIN - Rechtsgeschäftliche Eingriffe in den Bauvertrag Planungsänderungen im Sinne des 1 Abs. 3 VOB/B Änderungsanordnung im Sinne des 1 Abs. 4 VOB/B Änderung von Einheitspreis- in Stundenlohnvertrag oder anders herum - Abgabe eines Anerkenntnisses oder Abschluss eines Vergleichs mit den ausführenden Unternehmern bezüglich des Werklohnanspruchs - Rechtsgeschäftliche Abnahme Eine Vollmacht zur Erteilung von Aufträgen besteht auch bei Kleinstaufträgen grundsätzlich nicht. Dies gilt auch für die Beauftragung von Sonderfachleuten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Architektenvertrag Rückschlüsse auf bestimmte rechtsgeschäftliche Befugnisse zulässt. Deshalb ist es stets der sicherste Weg, alle Verträge insb. Nachträge oder Zusatzaufträge vom Bauherrn unterzeichnen zu lassen. Eine nachträgliche Genehmigung von vollmachtlos vorgenommenen Handlungen durch den Bauherrn ist zwar möglich; jedoch ist dieser hierzu nicht verpflichtet. Bei unwirksamer oder fehlender Vollmacht wird der Architekt selbst Partei des von ihm abgeschlossenen Vertrags. Damit haftet der Architekt als sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht dem Vertragspartner gemäß 179 BGB auf Erfüllung, d.h. beim ausführenden Unternehmer auf Werklohnzahlung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vertragspartner entweder positive Kenntnis vom Fehlen der Vollmacht hatte oder im Bauvertrag mit dem ausführenden Unternehmer festgehalten ist, dass Zusatzaufträge ausschließlich vom Bauherrn erteilt werden. 13

Das Handeln auf der Baustelle sollte gerade im Schriftverkehr bedacht werden, denn der Architekt kann bzw. darf nicht alle Inhalte an Schreiben an bauausführende Firmen verfassen. So gilt prinzipiell auch hier, dort wo der Geldbeutel des Bauherrn anfängt, endet die Vollmacht des Architekten. So dürfen Themen wie Termine und Kosten nur explizit über den Bauherrn geregelt werden, solange keine rechtsgeschäftliche Vollmacht vorliegt. Fallbeispiel: Zusätzliche Leistungen Zusätzliche Leistungen müssen zwar durch den Architekten auf Notwendigkeit bzw. Abweichung zur vertraglich geschuldeten Leistung und auf Wirtschaftlichkeit Abgleich mit bereits beauftragten Leistungen oder Abgleich mit dem EFB-Blatt geprüft werden, doch den Auftrag kann nur der Vertragspartner erteilen. Dies gilt ebenso für Stundenlohnarbeiten. Den bauausführenden Firmen muss klar gemacht werden, dass Stundenlohnarbeiten zwar dem Grunde nach und der Höhe nach durch den Architekten anerkannt werden müssen, doch die ordinäre Beauftragung obliegt nach wie vor dem Vertragspartner. Um diese Handlungen im turbulenten Baustellenbetrieb sauber zu regeln, stellen immer mehr Bauherren eine Kompetenzregelung auf, die detailliert betrachtet mehr Klarheit, aber auch mehr Bürokratismus, auf die Baustelle bringt. Fallbeispiel: Inverzugsetzung Jedem objektüberwachendem Architekten sollte klar sein, dass Vertragstermine nur durch den Vertragspartner angepasst oder gerügt werden dürfen. So ist es jedem frei gestellt Abhilfeverlangen gem. VOB/ B 5 Abs. 3 zu formulieren und diese auch an das bauausführende Unternehmen zu versenden, doch spätestens wenn Termine angepasst oder die Leistung in Verzug gesetzt werden muss, so sollte die rechtliche Schriftform gewahrt werden, indem entweder der Bauherr mit auf dem Briefpapier des Architekten unterschreibt oder aber das vorbereitete Schreiben gänzlich auf dem Briefpapier des Bauherren verschickt wird. Bauausführende Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung legen diese rechtsverbindliche Form oftmals zu ihren Gunsten aus, indem sie feststellen, dass Schreiben, die nicht von ihrem Vertragspartner verfasst oder unterschrieben sind, vertraglich nicht bindend sind. 14

8. Anwesenheit im Rahmen der Bauüberwachung Die Objektüberwachung, insbesondere die Bauüberwachung vor Ort, gehört zu den haftungsträchtigsten Aufgaben eines Architekten. Hierbei wird jedoch oft übersehen, dass sich die Haftung des Architekten wegen mangelhafter Objektüberwachung nach dem im Einzelfall mit dem Bauherrn getroffenen Vereinbarungen richtet und nicht nach der Höhe des Honorars. Die Objektüberwachung umfasst vor allem das Überwachen der Ausführung des Objektes auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen mit den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst/Technik und den einschlägigen Vorschriften, sowie das Koordinieren der am Baugeschehen fachlich Beteiligten. Deshalb muss der bauleitende Architekt die ihm zur Verfügung gestellten Planungs- und Ausschreibungsunterlagen auf Fehler und Widersprüche überprüfen. Er hat sich ferner zu vergewissern, ob bei Erstellung der Unterlagen von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen wurde. Der Architekt als Bauüberwacher muss die Baustelle im Griff haben. Er hat Arbeiten gezielt zu überwachen und zu koordinieren, damit das Bauwerk frei von Mängeln und wie geplant durchgeführt wird. Besondere Aufmerksamkeit ist solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei dem sich im Verlauf der Bauausführung bereits Anhaltspunkte für Mängel ergeben haben. Deshalb muss ein Architekt geäußerten Bedenken gegen die Bauausführung nachgehen. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Architekt sich nicht auf gelegentliche Baustellenbesuche beschränken darf, sondern die Überwachung der Bauleistungen regelmäßig und in angemessener, jedoch auch zumutbarer Weise durchzuführen hat. Durch häufige Kontrollen hat er sicherzustellen, dass seinen Anweisungen sachgerecht gefolgt wird. Dies führt zu einem Spannungsverhältnis: Wie intensiv hat die Bauüberwachung zu sein? Auf diese Frage gibt es keine abschließende Antwort. Die Rechtsprechung verweist darauf, dass der Umfang der Bauaufsichtspflicht, also insbesondere die Häufigkeit der Baustellenbesuche, weder sachlich noch zeitlich generell bestimmt werden kann, sondern sich stets nach den Umständen des Einzelfalles richtet. Grundsätzlich gilt, dass bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen, gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, stichprobenartige Kontrollen genügen. 15

Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen: Die Überwachungsintensität steigt, wenn bspw. ein Bauunternehmer bereits Anordnungen des Architekten missachtet hat oder aber es sich erkennbar um einen unzuverlässigen, wenig sachkundigen oder unsicheren Bauunternehmer handelt. Die wichtigen Bauabschnitte, zu denen auch die Schnittstellengewerke gehören, von denen das Gelingen des gesamten Werks abhängt, hat ein Architekt persönlich oder durch einen erprobten Erfüllungsgehilfen unmittelbar zu überwachen, wobei der Architekt für Fehler seines Erfüllungsgehilfen wiederum haftet. Schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten, typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte sind stets besonders intensiv zu überwachen und zu überprüfen. Als Faustregel gilt: Je höher die Qualitätsanforderungen an das Baumaterial und an die Bauausführung sind, desto größer ist auch das Maß an Überwachung, das ein Architekt aufbringen muss. Oft übersehen wird, dass zur Bauüberwachung auch die Überprüfung gehört, ob vom Unternehmer eingesetzte Baustoffe die notwendige Qualität für eine ordnungsgemäße Erfüllung der zu erbringenden Bauleistungen aufweisen oder aber, ob die vereinbarten, im Leistungsverzeichnis exakt benannten Baustoffe tatsächlich zur Ausführung gelangt sind. Ebenso hat ein Architekt zu untersuchen, ob erbrachte Bauleistungen geeignet sind, die nachfolgenden Gewerke aufzunehmen. Die Prüfungspflicht bezieht sich auf ein Betrachten, Nachmessen, Befühlen und das Durchführen einer normalen Belastungsprobe. Labortechnische Untersuchungen können insofern nicht verlangt werden. Die Überwachungspflicht eines Architekten wird dort beschränkt, wo ein Spezialist (Sonderfachmann oder Fachunternehmen) die Ausführung von Leistungen übernommen hat. Gänzlich frei von der Überwachungspflicht ist der Architekt auch hier nicht. Für ihn offensichtliche Mängel oder Ausführungsarten, die in seinen Wissensbereich fallen und für deren Überprüfung keine besonderen Kenntnisse erforderlich sind, hat der Architekt im Rahmen der Bauüberwachung festzustellen. Ebenso sind Eigenleistungen des Bauherrn bau zu überwachen. FAZIT: Der Objektüberwacher schuldet nach Werkvertragsrecht den Werkerfolg nicht jedoch eine Präsenz auf der Baustelle a la 24/ 7. 16

9. Bautagebuch Die entsprechende Grundleistung gemäß Anlage 10 lit. e) zu 34 HOAI 2013 wird nicht mehr mit Führen des Bautagebuchs, sondern mit Dokumentation des Bauablaufs bezeichnet. Inhaltlich hat sich jedoch keine Änderung ergeben. Die Formulierung soll lediglich aussagen, dass für die Dokumentation keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Sie muss allerdings in einer für den Bauherrn verständlichen Form erfolgen. Legen die Parteien das Leistungsbild des 34 HOAI zugrunde, wird regelmäßig das Führen eines Bautagebuchs geschuldet sein. Das Bautagebuch kann ein erhebliches Haftungsrisiko für den Architekten mit sich bringen, obgleich es seine Aufsichtspflichten nicht erweitert. Eine tägliche Anwesenheit auf der Baustelle ist nicht erforderlich. Das Bautagebuch ist nur insofern zu führen, als überhaupt eine Überwachungstätigkeit geschuldet ist. Kein Architekt sollte sich dazu verleiten lassen, dass von ihm geschuldete Bautagebuch von dritten Personen erstellen zu lassen. Vom Inhalt her muss das Bautagebuch den Bauablauf (Störungen), Auseinander-setzungen mit anderen Beteiligten und Abweichungen beim Bestand (Nachträge) erfassen. Sinnvollerweise sollte es die Leistungen der Baubeteiligten, die Lieferungen, die Witterungsbedingungen und ggf. auch die Anwesenheit der Baubeteiligten festhalten. Der Bauherr hat ein Recht auf Information über die Eintragungen im Bautagebuch. Gegen Erstattung der damit einhergehenden Kosten steht dem Bauherrn ein Anspruch auf Übergabe von Kopien zu. Dieser Herausgabeanspruch in Bezug auf Kopie betrifft auch den weiteren Schriftverkehr, den der Architekt mit den am Bau Beteiligten für den Bauherrn führt. Schriftform ist zwar nach der HOAI nicht vorgeschrieben, sollte aber aus Beweis-gründen gewählt werden. Ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung ist die Verwendung bestimmter Muster nicht geschuldet. Wird das Bautagebuch nicht geführt, muss sich der Architekt eine Honorarminderung gefallen lassen. Der Bauherr ist nicht verpflichtet, dem Architekten eine Nachfrist zur Erstellung eines fehlenden Bautagebuchs zu setzen. 17

10. Abnahme der Architektenleistungen Die Abnahme der Architektenleistung ist Fälligkeitsvoraussetzung gemäß 15 Abs. 1 HOAI 2013 für das Architektenhonorar. Weiterhin markiert sie nach wie vor den Zeitpunkt, in dem die Gewährleistungsfristen zu laufen beginnen. Zwar räumt 15 Abs. 1 letzter Halbsatz HOAI 2013 den Vertragsparteien die Möglichkeit ein, die Fälligkeitsregelung durch schriftliche Vereinbarung abzuändern, allerdings ist die Wirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung insb. in einem Formularvertrag fraglich, da es sich um eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des 641 BGB handelt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Architekt die Abnahme seiner Leistungen herbeiführen kann: Erstens kann die Abnahme vom Auftraggeber ausdrücklich erklärt werden ( Ihre Leistungen sind super ). Zweitens gibt es bestimmt Indizien, wie bspw. die Begleichung der Schlussrechnung des Architekten, die auf eine Billigung der Leistung durch den Auftraggeber hindeuten (sog. konkludente Abnahme). Drittens eröffnet 640 Abs. 3 BGB die viel zu selten genutzte Möglichkeit, dem Auftraggeber eine Frist zur Abnahme zu setzen. Verstreicht die Frist ohne weitere Reaktion, gilt die Abnahme als erteilt. Wichtig für Architekten, die mit einer Vollarchitektur beauftragt sind, ist es, mit dem Auftraggeber Teilabnahmen nach Abschluss bestimmter Leistungsphasen zu vereinbaren. Eine explizite Vereinbarung ist erforderlich, weil es kein Recht des Auftragnehmers auf Teilabnahmen gibt. Diese Teilabnahmen sind einerseits erforderlich, wenn keine vertragliche Berechtigung besteht, Abschlagszahlungen fordern zu dürfen, um die Fälligkeit des Honorars zu erlangen und andererseits dienen sie der Auslösung des Laufs der Gewährleistungsfristen. Die Abnahme setzt die vertragsgemäße Erbringung der vertraglich übernommenen Leistungen voraus. Dies bedeutet, dass nur vollständig und mangelfrei erbrachte Leistungen abnahmefähig sind. 18

a) Vollständigkeit Da nur vollständig erbrachte Leistungen abnahmefähig sind, bestehen Bedenken gegen Vertragsklauseln, die die Abnahme vom Leistungsstand Dritter abhängig machen. aa) Bsp. 1: Die Abnahme der Leistungsphase 8 der Architektenleistungen tritt ein, wenn die Bauleistungen der ausführenden Unternehmen abgenommen werden. - Bestandteil der Leistungsphase 8 ist u.a. die Rechnungsprüfung - Üblicherweise werden Rechnungen vom Unternehmer erst nach der Abnahme gelegt - FAZIT: Die Abnahme der Leistungen der Werkunternehmer ist kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Abnahme der Leistungsphase 8. bb) Bsp. 2: Die Abnahme der Leistungsphasen 1 bis 4 soll erfolgen, wenn die Baugenehmigung erteilt wird. Diese Formulierung ist nur dann unproblematisch, wenn die Baugenehmigung ohne Auflagen erteilt wird, was jedoch im Vorfeld nicht absehbar sein dürfte. b) Mangelfreiheit Gemeint ist hiermit die Mangelfreiheit der Architektenleistung, d.h. es dürfen keine Planungs- und/oder Überwachungsfehler vorliegen. Mängel der Architektenleistung stehen der Abnahme nur entgegen, wenn sie sich noch nicht im Bauwerk realisiert haben (Fehler in der Planung, die vor Bauausführung entdeckt werden). Hat sich ein Mangel im Bauwerk realisiert, haftet der Architekt ausschließlich auf Schadensersatz, wobei ein Schadensersatzanspruch den Bauherrn nicht zur Abnahmeverweigerung berechtigt. Hiervon zu unterscheiden sind Mängel der ausführenden Unternehmer. Liegen solche vor, ergibt sich die Tätigkeitspflicht des Architekten aus den Grundleistungen der Leistungsphase 8 mit der Folge, dass die Architektenleistungen noch nicht vollständig erbracht sind, so dass aus diesem Grund keine Abnahmereife vorliegt. 19

Zur Tätigkeit des Architekten bei Mängeln der Unternehmerleistung gehören: - die Aufforderung zur Mangelbeseitigung (ggf. auch mehrfach), - die Mitteilung an den Auftraggeber, dass die Aufforderung zur Mangelbeseitigung erfolglos geblieben ist (ACHTUNG: Fristsetzung und Kündigungsandrohungen auszusprechen, obliegt dem Auftraggeber!) und - die Überwachung der Mangelbeseitigungsarbeiten vor Ort, wobei diese Tätigkeit nicht über 10 HOAI zusätzlich abgerechnet werden kann. 11. Der Architekt als Projektmanager Abschließend kann festgestellt werden, dass neben den vertraglichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Architekt immer mehr zum Projektmanager/ -steuerer avanciert. Neben dem Fortschreiben des Terminplanes als künftige Grundleistung stellt die HOAI 2013 verstärkt auf die Kostenverfolgung ab. So ist eine lückenlose Nachtragsverfolgung unabdingbar, um künftig seiner Pflicht der Rechnungsprüfung nach zu kommen. Ein ständiger Abgleich zu den Auftragssummen inkl. der Nachträge wird fester Bestandteil der Objektüberwachung, damit reagiert die HOAI auch auf die Kostenexplosionen und massiven Terminverzögerungen, die vor allem bei pressebekannten Großbauprojekten immer wieder für Schlagzeilen sorgten. Dieser Umstand macht es für kleinere Architekturbüros immer schwieriger am Markt wirtschaftlich agieren zu können und dabei den eigenen ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden. Fazit: Da die HOAI dem Anspruch genügen soll für jedes Bauvorhaben Preisrecht darstellen zu wollen, sollte mit dem Bauherrn im Rahmen der Vertragsgestaltung abgestimmt und vereinbart werden, welche Teilleistung zu dem jeweiligen Projekt passt. 20