Einführung in das Privatrecht. Kaufvertrag

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Transkript:

Universität Konstanz Fachbereich Rechtswissenschaft Richter am LG Marcus Percic Universitätsstraße 10 D-78457 Konstanz Telefon: (07531) 88-3658 E-mail: Marcus.Percic@uni-konstanz.de Einführung in das Privatrecht Kaufvertrag I. Pflichten aus dem Kaufvertrag 1. Allgemeines Die vertraglichen Pflichten der Parteien eines Kaufvertrags ergeben sich aus 433 I BGB und 433 II BGB. Der Verkäufer ist gemäß 433 I 1 BGB verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Darüber hinaus hat er dem Käufer gemäß 433 I 2 BGB die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Der Käufer ist gemäß 433 II BGB verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Es handelt sich beim Kaufvertrag um das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Das bedeutet, dass die genannten Pflichten zunächst vertraglich geschuldet sind, diese Verpflichtungen aber erst noch erfüllt werden müssen. Der Käufer wird also nicht automatisch mit Abschluss des Kaufvertrags Eigentümer der Sache, diese muss vielmehr im Fall des Verkaufs einer beweglichen Sache noch nach 929 ff. BGB übereignet werden (Erfüllungsgeschäft). Entsprechendes gilt hinsichtlich des zu zahlenden Kaufpreises. Auch hier muss der Käufer das Geld im Fall der Barzahlung erst noch gemäß

2 929 ff. BGB (Einigung und Übergabe) an den Verkäufer übereignen. Beim Verkauf eines Grundstücks erfolgt die Übereignung gemäß 873, 925 BGB (Einigung/Auflassung und Eintragung im Grundbuch). Beim Verkauf einer Forderung (vgl. dazu nachfolgend 2.) erfolgt die Erfüllung durch Abtretung der Forderung gemäß 398 ff. BGB (Abschluss eines Abtretungsvertrags). All das ist Folge des Trennungsprinzips. 2. Forderungskauf/Factoring Der Gegenstand des Kaufvertrags muss nicht unbedingt eine bewegliche Sache sein. Es können vielmehr auch Rechte und sonstige Gegenstände verkauft werden (vgl. 453 BGB), insbesondere kann auch eine Forderung verkauft werden. So kann ein Gewerbetreibender, der seinen Kunden Waren verkauft oder ihnen gegenüber Dienstleistungen erbringt, wofür ihm die Kunden eine Vergütung schulden, aus mehreren Gründen ein Interesse am Verkauf dieser Vergütungsforderung (z.b. aus 433 II BGB oder aus 611 BGB oder aus 631 I BGB) an einen Dritten haben. Er kann zum Beispiel die Mühe scheuen, die Forderung dort erst einzutreiben oder er hat den Kunden ein Zahlungsziel eingeräumt und möchte aber bereits jetzt eine Vergütung erhalten. In solchen Fällen kaufen andere Unternehmen im Rahmen des sogenannten Factoring die Forderung des Gewerbetreibenden auf, wobei sie regelmäßig nicht den vollen Wert der Forderung an ihn bezahlen, sondern Abschläge vornehmen, da sie den Aufwand haben und abhängig von der konkreten Vertragsgestaltung das Insolvenzrisiko des Kunden des Gewerbetreibenden tragen. Auch beim Forderungskauf ist zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem dinglichen Verfügungsgeschäft zu unterscheiden. Hinsichtlich des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts gelten wegen 453 I BGB ohne weiteres die Vorschriften des 433 I BGB und 433 II BGB. Insoweit gibt es also keine Besonderheiten. Wegen des Trennungsprinzips bedarf es (nicht anders als beim Kauf beweglicher Sachen) der Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtungen. Der Verkäufer tritt hier die Forderung gegen seinen Kunden gemäß 398 ff. BGB durch (dinglichen) Vertrag an den Factor ab. Bei dieser Abtretung, die durch Vertrag erfolgt, handelt es sich um das Erfüllungsgeschäft. Weil es sich bei der Abtretung um einen Vertrag handelt, sind auch hier zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich. Die Vorschriften über Willenserklärungen (z.b. aus dem Regelungsbereich der 107 ff., 119 ff., 164 ff. BGB) finden auch hier (nicht anders als beim Abschluss von schuldrechtlichen Verträgen) Anwendung.

3 Merke: Die schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag werden beim Kauf beweglicher Sachen durch Übereignung gemäß 929 ff. BGB, beim Verkauf von Grundstücken durch Übereignung gemäß 873, 925 BGB, beim Verkauf von Forderungen durch Forderungsabtretung gemäß 398 ff. BGB erfüllt. 3. zur Abnahmepflicht des Käufers a) Haupt- oder Nebenpflicht? Regelmäßig handelt es sich bei der Pflicht des Käufers, die gekaufte Sache abzunehmen ( 433 II BGB) nicht um eine Hauptpflicht, sondern um eine Nebenpflicht. Der Verkäufer verkauft die Sache, um als Gegenleistung den Kaufpreis zu erhalten, nicht in erster Linie, damit ihm die Sache abgenommen wird. Im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) steht daher normalerweise nur die Zahlungspflicht, nicht dagegen die Pflicht zur Abnahme. b) Rechtsfolgen einer Verletzung der Annahmepflicht Für die Rechtsfolgen einer Verletzung der Abnahmepflicht ist die Einordnung als Hauptoder als Nebenpflicht allerdings unerheblich. Nimmt der Käufer die Sache entgegen 433 II BGB nicht ab, kann der Verkäufer unter den Voraussetzungen des 323 I BGB vom Vertrag zurücktreten. Der Käufer kann hinsichtlich seiner Abnahmepflicht in Schuldnerverzug geraten. Weil er aber auch einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung hat, kann er zugleich gemäß 293 ff. BGB in Gläubigerverzug geraten. II. Gewährleistung des Verkäufers für Mängel 1. Überblick Ausgangspunkt ist 433 I 2 BGB, wonach der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat. Hierbei handelt es sich also um eine Vertragspflicht. Kommt der Verkäufer dieser Pflicht nicht ordnungsgemäß nach, z.b. weil er zu spät oder überhaupt nicht liefert oder weil die gelieferte Sache mangelhaft im Sinne von 434 BGB ist (allein um den zuletzt genannten Punkt wird es bei der nun folgenden Darstellung der Sachmängelhaftung gehen), liegt eine Pflichtverletzung des Verkäufers vor. Gleichwohl kommen die im Falle einer Pflichtverletzung geltenden Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ( 280 ff., 323 ff. BGB) nicht uneingeschränkt zur Anwendung. Sie werden vielmehr durch besondere Vorschriften aus dem Kaufrecht ergänzt bzw. modifiziert. Zentrale Vorschrift, in der die Rechte des Käufers

4 zusammenfassend dargestellt sind, ist dabei 437 BGB. Dort findet sich zunächst eine Verweisung auf die bereits im Rahmen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts besprochenen Vorschriften zum Rücktritt ( 323, 326 V BGB), zum Schadensersatz ( 280, 281, 283, 311a BGB) und zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen ( 284 BGB). Diese Vorschriften sind über die Verweisung in 437 BGB anwendbar. Sie werden im Kaufrecht allerdings auf mehrfache Weise modifiziert. Zunächst findet sich in 440 BGB eine Sonderregelung zum Rücktritt. Vor allem aber gibt es im Kaufrecht Sonderregelungen zur Minderung ( 437 Nr.2, 441 BGB) und zur Nacherfüllung ( 437 Nr.1, 439 BGB). Zusammenfassend stehen dem Käufer folgende fünf Möglichkeiten zur Verfügung (zum Vorrang der Nacherfüllung siehe nachfolgend 2.): Nacherfüllung ( 437 Nr.1, 439 BGB) Rücktritt ( 437 Nr.2, 323 BGB) Minderung ( 437 Nr.2, 441 BGB) Schadensersatz ( 437 Nr.2, 280, 281, 283, 311a BGB) Aufwendungsersatz ( 437 Nr.3, 284 BGB). Zum Aufwendungsersatz wird auf die Ausführungen zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht verwiesen. Gesondert eingegangen wird auf den Anspruch auf Nacherfüllung (vgl. 4), den Rücktritt (vgl. 5) und die Minderung (vgl. 6.). 2. Vorrang der Nacherfüllung a) Grundsatz Auch wenn im Gesetz nirgends explizit vom Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung die Rede ist, liegt der gesetzlichen Regelung der Grundgedanke zugrunde, dass sich der Käufer im Regelfall bei einer Pflichtverletzung, die insbesondere auch in der Lieferung einer mangelhaften Sache liegen kann, nicht sofort vom Vertrag lösen können soll, sondern der Verkäufer vielmehr eine zweite Chance bekommen soll, sich den Kaufpreis zu verdienen. Anders ausgedrückt: es besteht ein Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs gegenüber den anderen Gewährleistungsrechten. Dieser Vorrang ergibt sich aus Folgendem: 323 I (Rücktritt), 280 I, III, 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung), 441 (Minderung) und 284 BGB (Aufwendungsersatz), setzen jeweils voraus, dass der Verkäufer dem Käufer zunächst eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat. Das Fristsetzungserfordernis ist in 323 I, 280 I, III,

5 281 BGB für den Rücktritt / den Schadensersatz statt der Leistung ausdrücklich erwähnt. In 441 BGB und 284 BGB ist es zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber daraus, dass es in 441 BGB heißt statt zurückzutreten und in 284 BGB anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung. Damit wird klargestellt, dass die Minderung nur geltend gemacht werden kann, wenn auch ein Rücktritt möglich wäre; dieser setzt aber wiederum den erfolglosen Ablauf einer Frist voraus. Entsprechendes gilt für 284 BGB, da auch die in Bezug genommenen Vorschriften der 280 I, III, 281 BGB eine Fristsetzung voraussetzen. b) Ausnahmen In einigen Fällen ist allerdings eine Fristsetzung entbehrlich, weil sie unmöglich oder jedenfalls sinnlos wäre, vgl. 323 II, 440, 326 V BGB (zum Rücktritt), vgl. 281 II, 440 BGB (zum Schadensersatz statt der Leistung). Das ändert jedoch nichts am grundsätzlich bestehenden Vorrang der Nacherfüllung. 3. Vorliegen eines Sachmangels a) Sachmangel Wann ein Sachmangel vorliegt, ergibt sich aus 434 BGB. Vorrangig ist nach 434 I 1 BGB die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt des Gefahrübergangs (siehe dazu unten). Merke: Ein Mangel im Sinne von 434 I 1 BGB liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit negativ abweicht. Erst wenn sich im Wege der Auslegung ( 133, 157 BGB) eine wenigstens konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von 434 I 1 BGB nicht feststellen lässt, kommen 434 I 2 Nr.1 und Nr.2 BGB zur Anwendung. Ein Sachmangel liegt weiter in den Fällen der 434 II 1 BGB, 434 II 2 BGB, 434 III Alt.1 BGB, 434 III Alt.2 BGB vor. b) Begriff des Gefahrübergangs (1) Grundsatz In 434 I 1 BGB wird auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abgestellt. Das gibt Anlass, den Begriff der Gefahr im Zivilrecht zu erläutern. Mit Gefahr ist das Risiko des

6 zufälligen Untergangs des Gegenstands gemeint, wobei zufällig bedeutet, dass der Untergang weder vom Gläubiger noch zum Schuldner zu vertreten ist. Außerdem ist zwischen der Leistungsgefahr und der Gegenleistungsgefahr (= Preisgefahr ) zu unterscheiden. Die Leistungsgefahr trifft den Gläubiger, was sich aus 275 I BGB ergibt. Die Gegenleistungsgefahr trifft grundsätzlich den Schuldner, was sich aus der Grundregel des 326 I 1 BGB ergibt. Beispiel: V verkauft an K sein Auto. Sie vereinbaren die Übergabe in zwei Wochen. Noch vor Übergabe brennt das Auto ohne Verschulden des V oder des K ab. Folge: der Anspruch des K aus 433 I 1 BGB auf Übergabe und Übereignung ist gemäß 275 I BGB entfallen. Gläubiger dieses Anspruchs aus 433 I 1 BGB war K als Käufer. Er trägt das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache, weil er gemäß 275 I BGB keinen Anspruch auf Erfüllung des Anspruchs aus 433 I 1 BGB mehr hat und ihm auch kein Schadensersatzanspruch aus 280 I, III, 283 BGB zusteht, weil V kein Verschulden trifft. Damit trägt K die Leistungsgefahr. Die Gegenleistungsgefahr ( Preisgefahr ) trägt dagegen V als Schuldner des Anspruchs aus 433 I 1 BGB: denn er kann gemäß 326 I 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises gemäß 433 II BGB nicht mehr verlangen. (2) Sonderregelung im Kaufrecht: 446 BGB Nach 446 S.1 BGB geht mit der Übergabe der verkauften Sache die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Nach 446 S.3 BGB steht es der Übergabe gleich, wenn der Käufer in Verzug der Annahme ist ( 293 ff. BGB; dem entspricht die Regelung des 326 II 1 Alt.2 BGB). 446 BGB trifft aber nicht etwa eine Regelung hinsichtlich der Leistungsgefahr; insoweit bleibt es bei 275 I BGB (siehe oben). 446 BGB regelt vielmehr die Gegenleistungsgefahr ( Preisgefahr ) abweichend von der Grundregel des 326 I 1 BGB. Beispiel zu 446 S.3, 326 II 1 Alt.2 BGB: V verkauft an K ein Auto für 5.000 Euro, wobei K das Auto am 10.5. abholen soll. K erscheint am 10.5. nicht bei V. Am 11.5. wird das Auto bei V ohne dessen Verschulden von einem Unbekannten gestohlen. K hat hier gegen V keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus 433 I 1 BGB, dieser Anspruch ist wegen 275 I BGB erloschen. Schadensersatzansprüche aus 280 I, III, 283 BGB stehen K gegen V mangels Verschulden des V nicht zu. Fraglich ist aber, ob V trotz des Diebstahls gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus 433

7 II BGB hat. Dieser Anspruch könnte nach 326 I 1 BGB entfallen sein. Diese Vorschrift ist aber nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich aus 446 S.3, 326 II 1 Alt.2 BGB, dass K den Kaufpreis zahlen muss, weil K gemäß 293 ff. BGB in Annahmeverzug war (von einer näheren Darstellung der Voraussetzungen der 293 ff. wird hier abgesehen). V hat also gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 5.000 Euro aus 433 II BGB. c) unerhebliche Pflichtverletzung Liegt eine unerhebliche Pflichtverletzung vor, ist gemäß 323 V 2 BGB der Rücktritt ausgeschlossen. Beispiel: K kauft bei V ein Auto für 100.000 Euro. Das Auto hat einen Kratzer, der für 100 Euro zu beseitigen ist. Hier kann V nach 323 V 2 BGB nicht vom Vertrag zurücktreten. Er kann aber mindern, weil nach 441 I 2 BGB die Vorschrift des 323 V 2 BGB hier nicht gilt. 4. Nacherfüllung a) Allgemeines Der Anspruch auf Nacherfüllung ist im Einzelnen in 439 BGB geregelt. Nach 439 I BGB hat der Käufer ein Wahlrecht, ob er die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Ersatzlieferung) verlangt. Wie bereits dargelegt, ist der Anspruch auf Nacherfüllung gegenüber den anderen Gewährleistungsrechten vorrangig. Denn diese setzen allesamt im Grundsatz eine Fristsetzung voraus, die sich wiederum auf die Nacherfüllung bezieht. Auf diese Weise erhält der Verkäufer die Chance, den regelmäßig unerwünschten Rücktritt des Käufers zu vermeiden. b) Gattungsschuld und Stückschuld Es ist zu unterscheiden, ob es sich bei der Verpflichtung des Verkäufers um eine Gattungsschuld oder um eine Stückschuld handelt. Bei einer Gattungsschuld ist der Leistungsgegenstand nur der Gattung nach bestimmt (z.b. 10 Liter Rotwein einer bestimmten Marke; 10 Pfund Äpfel, 10 kg Mehl). Bei der Stückschuld ist der Leistungsgegenstand individuell bestimmt (z.b. beim Verkauf eines bestimmten Gebrauchtwagens). (1) Gattungsschuld Handelt es sich um eine Gattungsschuld (vgl. 243 I BGB), bereitet der Nacherfüllungsanspruch keine Probleme. Beispiel: K kauft bei V 10 Pfund Äpfel. Nach der Liefe-

8 rung stellt sich heraus, dass diese verfault sind. K hat einen Anspruch auf Nacherfüllung. Im Grundsatz kann er gemäß 439 I BGB zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung wählen. Die Nachbesserung ist hier aber gemäß 275 I BGB unmöglich, weil die gelieferten Äpfel verfault sind und das nicht geändert werden kann. Deshalb beschränkt sich der Anspruch des Käufers auf die Ersatzlieferung. Er kann von V gemäß 437 Nr.1, 439 I Alt.2 BGB die Lieferung weiterer (nicht verfaulter) 10 Pfund Äpfel verlangen (die gemäß 243 I BGB von mittlerer Art und Güte sein müssen). b) Stückschuld Problematisch ist, ob der Käufer bei einer Stückschuld einen Nacherfüllungsanspruch in Form der Ersatzlieferung gemäß 439 I Alt.2 BGB hat. Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: K kauft beim Händler V einen gebrauchten PKW (Laufleistung 120.000 km) nach eingehender Besichtigung und Durchführung einer Probefahrt zum Preis von 7.000 Euro. Es handelt sich bei dem Fahrzeug um ein Unfallfahrzeug, was beide Parteien nicht wussten und was sich erst im Nachhinein herausgestellt hat. K erklärt deshalb den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt den Kaufpreis zurück. V akzeptiert den Rücktritt nicht, sondern ist der Auffassung, K müsse sich darauf einlassen, anstelle des Unfallfahrzeugs ein vergleichbares Fahrzeug aus seinem Bestand als Nacherfüllung zu akzeptieren. Zu prüfen sind Ansprüche des K auf Rückzahlung des Kaufpreises aus 437 Nr.2, 346 I BGB. Voraussetzung ist, dass K wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Ein Rücktritt gemäß 323 I BGB kommt nicht in Betracht, weil K dem V die danach erforderliche Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt hat (K will gerade eine Nacherfüllung, sondern er will sein Geld zurück ). Es kommt aber ein Rücktritt gemäß 326 V BGB in Betracht, wonach der Gläubiger ohne Fristsetzung zurücktreten kann, wenn der Schuldner nach 275 I III BGB nicht zu leisten braucht. Das ist nur dann der Fall, wenn beide Arten des Nacherfüllungsanspruchs (Nachbesserung und Ersatzlieferung) unmöglich sind. Hinsichtlich der Nachbesserung ( 439 I Alt.1 BGB) ist das ohne weiteres der Fall: die Eigenschaft eines Fahrzeugs als Unfallwagen lässt sich durch Nachbesserung nicht korrigieren ( Unfallwagen bleibt Unfallwagen ; entsprechendes gilt bei Tierkauf im Fall einer unheilbaren Krankheit). Problematisch ist aber, ob bei einem hier vorliegenden Stückkauf eine Ersatzlieferung überhaupt in Betracht kommt oder ob auch diese gemäß 275 I BGB unmöglich ist. Nach Ansicht des BGH verhält es sich wie folgt: beim Stückkauf ist die Ersatzlieferung nicht generell und in jedem Fall per se ausgeschlossen, sie ist vielmehr grundsätzlich denkbar. Es bleibt deshalb auch bei

9 Stückschulden beim grundsätzlichen Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs. Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, richtet sich aber nach dem Parteiwillen, der im Wege der Auslegung ( 133, 157 BGB) zu ermitteln ist. Es kommt darauf an, ob nach den Vorstellungen der Parteien die mangelhafte Kaufsache durch eine gleichwertige und gleichartige ersetzt werden kann, wobei es beim Kauf eines Gebrauchtwagens in der Regel naheliegt, das zu verneinen, wenn dem Kaufentschluss eine persönliche Besichtigung des Fahrzeugs vorangegangen ist. Geht man davon aus, wäre im vorliegenden Fall auch eine Ersatzlieferung unmöglich. Weil damit beide Arten der Nacherfüllung gemäß 275 I BGB unmöglich sind, konnte K vom Vertrag gemäß 326 V BGB zurücktreten. Er hat deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus 437 Nr.2, 346 I, 326 V BGB. c) Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs Wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich wird, kann der Nacherfüllungsanspruch gemäß 275 I BGB unmöglich sein, wobei jede Art der Nacherfüllung gesondert zu betrachten ist. Auch unter den Voraussetzungen des 275 II, III BGB kann der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern. Außerdem kann er sich unter den Voraussetzungen des 439 IV BGB darauf berufen, dass die Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde; auch insoweit ist jede Art der Nacherfüllung gesondert zu betrachten. d) Kostentragungspflicht gemäß 439 II BGB In 439 II BGB ist geregelt, dass der Verkäufer die dort im Einzelnen genannten Kosten zu tragen hat. e) Rückgewähr der mangelhaften Sache gemäß 439 V BGB Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, kann er gemäß 439 V BGB vom Käufer die Rückgewähr der mangelhaften Sache verlangen. Herauszugeben ist nach 346 I BGB zunächst die Kaufsache selbst. Unter den Voraussetzungen des 346 II BGB schuldet der Käufer auch Wertersatz. Für den Fall des Autokaufs bedeutet das, dass der Käufer für die gefahrenen Kilometer dem Verkäufer nach 346 II Nr.1 BGB Nutzungsersatz schuldet.