Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte Empfehlungen für die Neugestaltung der Spitalarztvergütung klinglerconsultants.ch
Publikation Januar 2018 Hinweis klingler consultants ag übernimmt keine Haftung für die Folgen von Handlungen auf der Grundlage der hier zur Verfügung gestellten Informationen. klingler consultants ag
INHALTSVERZEICHNIS DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE 4 Motivation Prinzipien des Vergütungsmodells DAS GESUNDHEITSWESEN IM WANDEL 5 Ausgangslage Aktuelle Entwicklungen VERGÜTUNGSPRAXIS VON SPITALÄRZTEN 6 Hintergrund Allgemeine Marktpraxis bei Spitalärzten NACHHALTIGE SPITALARZTVERGÜTUNG 7 Struktur des Vergütungsmodells Das Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte: Detailkonzept DIE AUTOREN 9 klingler consultants ag Redaktion
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE MOTIVATION Die Schweiz braucht ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das Rücksicht auf die demographischen Veränderungen und die vorhandenen medizinischen Möglichkeiten nimmt. Die Honorierung der Leistungsträger, insbesondere der Spitalärzte 1, ist in diesem Zusammenhang von herausragender Bedeutung. Um jedoch Anreizen, die zu Fehlentwicklungen bei der Wahl der Behandlung oder Medikation führen, entgegenwirken zu können, gilt es Standards zu entwickeln, die die Transparenz im Gesundheitssystem stärken und negativen Entwicklungen im Gesundheitssystem einen Riegel schieben. Das vorliegende White Paper wurde von Urs Klingler, CEO von klingler consultants ag erarbeitet, dies auf Intervention von verschiedenen Führungspersönlichkeiten im Spitalumfeld. Mit dem vorliegenden White Paper will die klingler consultants ag einen Beitrag zu einer faktenbasierten Diskussion über vergütungsrelevante Themen im Schweizer Gesundheitswesen leisten. PRINZIPIEN DES VERGÜTUNGSMODELLS Für die Neugestaltung der Spitalarztvergütung hat klingler consultants ag Empfehlungen erarbeitet, die im «Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte» zusammengefasst sind. Dieses Vergütungsmodell basiert auf den folgenden Prinzipien: Solide und nachvollziehbare Vergütung Die Vergütung beruht auf einem marktgerechten Grundgehalt (dem sog. Funktionslohn), bezahlbaren Sozial- und Vorsorgeleistungen und einer variablen Vergütung, die zwingend qualitative Elemente berücksichtigt. Das Grundgehalt und die Sozialleistungen stellen mindestens 70 bis 80 % der Gesamtvergütung dar. Leistungsanreize und variable Vergütung Klare, nachvollziehbare und funktionsbezogene Zielvereinbarungen stellen die Basis einer jeden variablen Vergütung dar. Die variable Vergütung ist nach oben begrenzt und honoriert die gesamtmedizinische Gesamtleistung des Kaderarztes nach qualitativen Aspekten wie beispielsweise die Patientenzufriedenheit oder den Behandlungserfolg. Auf leistungsmengenmässige Vorgaben als Grundlage variabler Vergütungen wird verzichtet. Verantwortung Die Ausgestaltung der Vergütungssysteme liegt beim Eigner. Er ist verantwortlich für die Ausgestaltung der Vergütungsgrundsätze als auch deren Einhaltung. Der Eigner hat seine Aufsicht aktiv wahrzunehmen und darf sie nicht an andere Gremien wie beispielsweise die Generalversammlung delegieren. 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Funktions- und Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
DAS GESUNDHEITSWESEN IM WANDEL AUSGANGSLAGE Eine optimale, wirkungsorientierte und fair empfundene Vergütung gehört heute zu den zentralen Anliegen des Gesundheitswesens, das sich marktgerecht positionieren sowie seinen Spitalwert und die Reputation als bevorzugter Arbeitgeber nachhaltig steigern möchte. Gleichzeitig ist die Realisierung einer solchen Zielsetzung in der Praxis eine anspruchsvolle Herausforderung, die idealerweise mit viel Erfahrungswissen und einer Bereitschaft zur Transparenz anzugehen ist. Moderne Spitäler und Gesundheitsversorger stehen vor der Herausforderung, ein für alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrer Position, optimales Anreizsystem zu gestalten. Dabei stehen der Mensch sowie seine individuellen Bedürfnisse und Absichten im Zentrum des Interesses. Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass der Mensch nicht immer nur ökonomisch rational handelt, sondern häufig seine kurzfristigen Bedürfnisse und Interessen vor übergeordnete, langfristige Ziele stellt. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass die Anreizwirkung des Geldes das Verhalten der Menschen stark beeinflusst und persönliche vor übergeordnete Interessen gestellt werden. Im Klartext wird bei medizinischen Leistungen auch die Tarifposition in die Behandlung einfliessen, was ein grundsätzlicher Fehlanreiz ist und systematisch zu Mengenausweitungen und unnötigen Behandlungen führen kann. AKTUELLE ENTWICKLUNGEN Seit einigen Jahren kann im Bereich der Spitalarztvergütung ein starker Trend hin zum kommissionsbasierten (tarifgebundenen) Ansatz beobachtet werden. Der behandelnde Spitalarzt wird neben dem Grundgehalt und anderen Leistungen so indirekt an den Einnahmen beteiligt, die aufgrund seiner eigenen Diagnose mittels Behandlungen wie beispielsweise Operationen im Spital generiert werden. Aus der Sicht der Autoren führt die Möglichkeit des Arztes, durch die Wahl des jeweiligen Behandlungsansatzes die eigene Vergütung zu optimieren und zu erhöhen, zu massiven Mengenerweiterungen und zur Erbringung von medizinisch nur teilweise notwendigen Leistungen. Es werden persönliche finanzielle Interessen (Kenntnisse über Tarife oder Kosten der Behandlungsmethoden) über das Ziel der medizinischen Behandlung gestellt. Dies zeigt, dass Anreizsysteme das Verhalten von Menschen nachhaltig steuern. Dafür können jedoch nicht die Ärzte alleine verantwortlich gemacht werden, sondern es basiert auf langjährigen Praktiken und Vereinbarungen, die dem heutigen Zeitgeist nicht mehr entsprechen. Vielmehr ist eine fundamentale Neuausgestaltung der Spitalarztvergütung notwendig, die primär auf Leistungsvereinbarungen mit qualitativen Messkriterien (Behandlungserfolg und Patientenzufriedenheit) basiert, die Zukunft.
VERGÜTUNGSPRAXIS VON SPITALÄRZTEN HINTERGRUND Zu den wichtigsten Komponenten einer leistungsfördernden und nachhaltigen Vergütung gehören eine auf die Kompetenz ausgerichtete Grundvergütung, leistungsorientierte variable monetäre Anreize, positionsspezifische Nebenleistungen sowie nichtmonetäre Motivatoren. Vor diesem Hintergrund haben immer mehr Spitäler erkannt, dass funktionsbezogene Vergütungspakete die Differenzierung am Arbeitsmarkt, das Reputationsmanagement des Spitals, als auch die Qualität der medizinischen Leistung massgeblich beeinflusst. Dennoch werden die verwendeten Vergütungskonzeptionen zu wenig im Personalführungsprozess (Zielvereinbarung, Fortschrittskontrollen, Leistungsbeurteilung als Abgleich zum Stand der Zielerreichung, Leistungslohn, Förderung und der Bezahlbarkeit) eingebettet. Auch verfügen viele Spitäler über keine genügend dokumentierte und verständliche Vergütungsstrategie. Dies zeigt, dass in vielerlei Hinsicht das Potential, mittels einer smarten und verständlichen Vergütungskonzeption die medizinischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen des Spitals zu erreichen und das gewünschte Verhalten von Leistungsträgern zu fördern, im Gesundheitswesen nicht ausgeschöpft wird. ALLGEME MARKTPRAXIS BEI SPITALÄRZTEN Honorarregelungen, separat abrechenbare Leistungen für Privatpatienten sowie zusätzliche Belegarzt-Tätigkeiten stellen für Spitalärzte eine äusserst lukrative Einkommensquelle dar. Wie bereits erläutert, führt diese Form der variablen Vergütung jedoch zwangsläufig zu Mengenausweitungen der Behandlungen, die zum Teil bedenkliche Ausmasse angenommen haben. In Verbindung mit immer teureren Behandlungsmethoden hat diese Entwicklung zur Folge, dass die Gesundheitskosten in der Schweiz in den vergangenen Jahren nahezu exponentiell angestiegen sind. Diesen Trend gilt es aufzuhalten und nach Möglichkeit umzukehren. Spitäler müssen qualitätsstatt quantitätsorientiert agieren und Anreize setzen, die die Vereinbarung von Behandlungserfolg und Bezahlbarkeit anstreben. Daher dürfen patronal verwaltete Honorarpools und von Chefärzten dominierte Vergütungssysteme, die auf die Mengenausweitung von medizinischen Behandlungen abzielen, nicht weiter zur Anwendung kommen und auch die Möglichkeit, privatärztliche Tätigkeiten ohne Kontrolle des Arbeitgebers separat abzurechnen, muss eingeschränkt werden Schliesslich ist mit klar dokumentierten Vergütungssystemen den individuell ausgestalteten Arbeitsverträgen von Spitalärzten entgegenzuwirken und die Transparenz zu erhöhen.
NACHHALTIGE SPITALARZTVERGÜTUNG GRUNDSTRUKTUR DES VERGÜTUNGSMODELS Um Anreizen für Spitalärzte, die zu Fehlentwicklungen bei der Wahl der Behandlung oder Medikation führen, entgegenzuwirken, ist die Neugestaltung der Spitalarztvergütung notwendig. Hierzu hat die acbe das «Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte» erarbeitet, um die Transparenz im Gesundheitssystem zu erhöhen und negative Entwicklungen im Gesundheitssystem zu verhindern. Das «Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte» beruht auf vier Komponenten: Vergütung Anforderungen an die Funktion (fixe Vergütung) Effektive, relative Leistung (variable Vergütung) Komponenten K1: Funktionslohn K2: Sozial- und Nebenleistungen (inkl. Vorsorge) K3: Variable kurzfristige Vergütung (Honorare) und Leistung K4: Beteiligung am nachhaltigen Spital- oder Klinikerfolg
Vergütungskonzepte sind komplexe Systeme, die aus einer Vielzahl von miteinander verbundenen sowie interagierenden Teilen bestehen. Um stimmig zu sein, müssen sie gleichzeitig nicht nur die einzelnen Menschen überzeugen, sondern haben sowohl der betriebswirtschaftlichen Logik, aber auch volkswirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Regeln und Erwartungen zu genügen. Hierfür braucht es einen ganzheitlichen Bezugsrahmen, der diese mehrstufige Vielfalt integriert und berücksichtigt. Es sind deshalb Werte und Prinzipien zu pflegen, die sowohl dem Individuum, als auch dem Spital selbst Orientierung geben und Grenzen setzen. Das «Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte» basiert auf den folgenden Prinzipien: Solide und nachvollziehbare Vergütung Die Vergütung beruht auf einem marktgerechten Grundgehalt (Funktionslohn), bezahlbaren Sozial- und Vorsorgeleistungen und einer variablen Vergütung, die zwingend qualitative Elemente berücksichtigt. Das Grundgehalt und die Sozialleistungen stellen mindestens 70 bis 80 % der Gesamtvergütung dar. Verantwortung Die Ausgestaltung der Vergütungssysteme liegt beim Eigner. Er ist verantwortlich für die Ausgestaltung der Vergütungsgrundsätze als auch deren Einhaltung. Der Eigner hat seine Aufsicht aktiv wahrzunehmen und darf sie nicht an andere Gremien wie beispielsweise die Generalversammlung delegieren. Aufsicht Da das Gesundheitswesen einen starken Bezug zur öffentlichen Hand hat, die sich wesentlich finanziell an den Kosten beteiligt und damit letztlich auch Steuergelder für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellt, muss eine effektive Überwachung und Steuerung aller Beteiligten sichergestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Spitäler, deren Aufsicht, die Krankenversicherer, die Ärzte und die Patienten. Die Eckwerte des «Schweizer Vergütungsmodells für Spitalärzte» ist auf der folgenden Seite kurz beschrieben. Leistungsanreize und variable Vergütung Klare, nachvollziehbare und funktionsbezogene Zielvereinbarungen stellen die Basis einer jeden variablen Vergütung dar. Die variable Vergütung ist nach oben begrenzt und honoriert die gesamtmedizinische Gesamtleistung des Kaderarztes nach qualitativen Aspekten wie beispielsweise die Patientenzufriedenheit oder der Behandlungserfolg. Auf leistungsmengenmässige Vorgaben als Grundlage variabler Vergütungen wird verzichtet.
DAS SCHWEIZER VERGÜTUNGSMODELL FÜR SPITALÄRZTE: DETAILKONZEPT Komponentenbeschreibung K1: Funktionslohn (fixe Vergütung) wird bestimmt durch: Funktionsanforderungen: Ausbildung, Berufserfahrung, Kompetenz, Führungsspanne, Komplexität, Verantwortungsrahmen, etc. Markt / Wettbewerber: Fachgebiet, Standort, Spitalgrösse Regionale Gegebenheiten: regional, national, international Interne Vergleichbarkeit der Funktionsinhaber (Vergleichslohn) K2: Sozial- und Nebenleistungen (inkl. Vorsorge) durch: Fixe Vergütung der Gehaltsnebenleistungen (Pauschalen statt Einzelbelege für Spesen/Auto, Reka-Checks, etc.) Sozialwerke (AHV, IV, EO, ALV) und Altersvorsorge: Basisdeckung gemäss den gesetzlichen Voraussetzungen K3: Variable Vergütung nach: Objektiven, quantitativen und nicht manipulierbaren Leistungsindikatoren. Diese lassen mit vernünftigem Aufwand den Erfolg messen. Leistungsindikatoren, die von allen Beteiligten verstanden und akzeptiert werden. Sie werden gemeinsam mit dem Vorgesetzten vereinbart. Operationalisierten Verhaltenszielen wie beispielsweise qualitativer Fachbeitrag, Projektarbeiten, Business Development, Mitarbeiterförderung. Dem medizinischen Erfolg wie beispielsweise Dauer, Kosten, Qualität, Mitteleinsatz, Behandlungserfolg und Patientenzufriedenheit. K4: Beteiligung und Unternehmensleistung gemäss: Wirtschaftlichem Erfolg der Klinik oder des Departements Prospektiver Ausrichtung; maximal 5 Jahre (techn. Begriff: «long term incentive») Unternehmensweiten Leistungsindikatoren Marktsituation Anwendungshinweise Alter- und Dienstalter sind für die Bestimmung des Funktionslohns nicht relevant Ist diskriminierungsfrei bezüglich Geschlecht, Religion, Alter und Nationalität, etc. Bei Funktionswechsel gibt es eine Neubestimmung des Funktionslohnes Abkehr vom Leistungsprimat, Fokus auf Beitragsprimat Pauschalisierung der Nebenleistungen, wie Essenspesen, Autospesen, Autoleasing. Keine speziellen Einkäufe in die Pensionskasse für Spitzenverdiener Maximal 7 Leistungsindikatoren Subjektiv geprägte und intransparente Vereinbarungen sind zu vermeiden Voraussetzung für die Festlegung der Leistungsindikatoren: Klärung der umzusetzenden Strategien, Initiativen und Prioritäten Anreize, die Loyalität und kostenbewusstes Handeln fördern, sind zu bevorzugen Die variable Vergütung muss erlauben, dass keine oder tiefere Auszahlungen in ertragsschwachen Jahren möglich sind. Relative Performancevergütung Verzicht auf komplizierte Pläne Garantierte Anreize konsequent vermeiden Simulationen der Systemauswirkungen sind zwingend
ÜBER DEN AUTOR URS KLINGLER Das vorliegende White Paper wurde von Urs Klingler, CEO von klingler consultants ag, erarbeitet. Urs Klingler engagiert sich für marktgerechte, vergleichbare und transparente Vergütungssysteme und strebt den Dialog zwischen Schweizer Vergütungsexperten an. Darüber hinaus misst er im Sinne der Förderung von Qualität und Fachkompetenz im Bereich «Compensation & Benefits» der Weiterbildung einen grossen Wert bei und kümmert sich um die Fachausbildung der Compensation & Benefits Experts in der Schweiz. Aus diesem Grund entwickelte Urs Klingler ein Lehrgang in deutscher und französischer Sprache. Mit dem im White Paper niedergelegten «Schweizer Vergütungsmodell für Spitalärzte» will Urs Klingler einen Beitrag zu einer faktenbasierten Diskussion über vergütungsrelevante Themen im Schweizer Gesundheitswesen leisten. Kontakt Urs Klingler klingler consultants ag A1 M.O.V.E Bändliweg 20, CH-8048 Zürich Urs Klingler, CEO / Managing Partner +41 44 542 26 44 urs.klingler@klinglerconsultants.ch