Räumliche Dimensionen der Windenergie und Auswirkungen aus naturschutzfachlicher Sicht am Beispiel der Vögel und Fledermäuse eine Literaturstudie



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Transkript:

Räumliche Dimensionen der Windenergie und Auswirkungen aus naturschutzfachlicher Sicht am Beispiel der Vögel und Fledermäuse eine Literaturstudie Dr. Hermann Hötker, Heike Jeromin, Kai-Michael Thomsen Michael-Otto-Institut im NABU Goosstroot 1 24861 Bergenhusen 1 Einleitung Der weitere Ausbau regenerativer Energiegewinnung zum Klimaschutz ist erklärtes Ziel der Regierung der Bundesrepublik Deutschland (BMU 2004). Deutschland nimmt hinsichtlich der Nutzung der Windkraft eine Spitzenstellung ein, gefolgt von den USA. Vor allem dort, aber auch in Europa, wurden jedoch bereits frühzeitig Befürchtungen laut, die Windkraftanlagen (WKA) könnten sich schädlich auf die Tierwelt auswirken. In den USA wurden diese Vermutungen vor allem im ersten großen Windpark, mit ca. 5.000 WKA, am Altamont Pass in Kalifornien bestätigt, in dem jährlich Hunderte von Greifvögeln zu Tode kommen (ORLOFF & FLANNERY 1992, SMALLWOOD & THELANDER 2004). Im Gegensatz zu den USA standen in Europa eher die indirekten Auswirkungen von WKA auf Vögel in der Diskussion: Scheuchwirkung, Habitatverlust zur Brut- und Zugzeit, Barrierewirkung für ziehende Vögel (CROCKFORD 1992, WINKELMAN 1992, AG EINGRIFFSREGELUNG 1996, PERCIVAL 2000, SCHREIBER 2000, LANGSTON & PIULLAN 2003, REICHENBACH 2003). Kollisionen von Vögeln mit WKA spielten allerdings auch in Spanien eine große Rolle, wo vor allem Gänsegeier in erheblichem Maße betroffen waren (SEO 1995, LEKUONA 2001). Mittlerweile werden auch in Deutschland Greifvogelverluste an WKA stärker beachtet (DÜRR 2004). Auch Fledermäuse können betroffen sein (KEELEY et al. 2001, DÜRR & BACH 2004). Trotz zahlreicher Studien ist jedoch das Ausmaß der ökologischen Auswirkungen von WKA umstritten. In einer vom BfN finanzierten und vom Michael-Otto-Institut im NABU durchgeführten Studie wurden die bisher verfügbaren Ergebnisse zusammengestellt ausgewertet. Damit sollte versucht werden, die große Fülle der Beobachtungen und Daten zum Thema zu nutzen um Fragen zu beantworten, die mit Einzeluntersuchungen kaum zu klären waren. Diese Publikation fasst die wichtigsten Ergebnisse der als BfN-Skript (HÖTKER et al. 2005) und auf der Homepage des NABU (www.nabu.de) veröffentlichten Studie zusammen.

2 Material und Methode Für die Studie wurden über 450 Literaturstellen ausgewertet, die auf 127 verschiedenen Untersuchungen basierten, vor allem aus Deutschland (75 Studien), gefolgt von den USA (27), Spanien (10), Großbritannien (6), Niederlande (5), Belgien (4) und Australien, Dänemark, Frankreich sowie Österreich (je 2). Die Studien unterschieden sich erheblich hinsichtlich des Untersuchungsansatzes und -umfangs. In nur acht Fällen sah der Untersuchungsplan Datenaufnahmen vor der Errichtung der WKA und auf unbeeinflussten Kontrollflächen vor die Vorraussetzung zum wissenschaftlichen Nachweis von Auswirkungen der Windkraft. Die meisten Studien waren kurz und enthielten keine Kontrollen. Da sich viele Publikationen auf jeweils mehre Vogel- bzw. Fledermausarten bezogen, und mehrere Parameter zur Beurteilung herangezogen wurden, ergaben sich insgesamt 1789 Datensätze, die unabhängig vom Umfang der zugrundeliegenden Untersuchungen verwendet wurden. Damit konnte erreicht werden, dass die Zahl der verwendbaren Fälle groß war und die Ergebnisse deshalb nicht von den Daten einzelner, vielleicht nicht typischer, aber gut untersuchter Windparks abhingen. 3 Ergebnisse 3.1 Störungen und Verdrängungen von Vögeln durch WKA 3.1.1 Bestandsveränderungen durch WKA Für die Frage, ob WKA die Bestände von Vögeln beeinflussen, standen nur wenige Studien mit Vorher - Nachher - Vergleich zur Verfügung. Deshalb wurden auch die Untersuchungen herangezogen, die die Vogelbestände auf einem im Betrieb befindlichen Windpark mit den Beständen gleichartiger Flächen in der näheren Umgebung verglichen. Für die Auswertung wurde lediglich berücksichtigt, ob die WKA einen positiven oder negativen Effekt ausübten. Als negativer Effekte wurden gewertet: Bestandsrückgänge nach dem Bau der WKA, verminderte Bestände im Windpark oder dessen unmittelbarer Umgebung im Vergleich zu Kontrollflächen. Als positive Effekte galten Bestandszunahmen nach dem Bau der WKA bzw. erhöhte Bestände im Bereich der WKA. Waren keine Bestandsunterschiede erkennbar, wurde der Effekt als positiv gewertet. Es sollte so verhindert werden, fälschlicherweise negative Effekte aufzuzeigen. Für 40 Arten lagen ausreichend viele Daten zur Anwendung von Vorzeichentests vor (Tab. 1). Zur Brutzeit konnte für keine Vogelart eine signifikante, negative Auswirkung von WKA auf die Bestände nachgewiesen werden. Lediglich die untersuchten Wat- und Hühnervögel zeigten überwiegend geringere Bestände in Zusammenhang mit WKA. Zwei im Schilf brütende Vogelarten zeigten sogar signifikant häufiger positive bzw. neutrale Reaktionen gegenüber WKA als negative.

Tabelle 1: Effekte von WKA auf Vögel Art Positive Effekte Negative Effekte Stat. Sign. Brutzeit Stockente Anas platyrhynchos 6 5 ns Mäusebussard Buteo buteo 3 3 ns Rebhuhn Perdix perdix 4 5 ns Wachtel Coturnix coturnix 1 5 ns Uferschnepfe Limosa limosa 5 6 ns Rotschenkel Tringa totanus 2 9 ns Austernfischer Haematopus ostralegus 6 7 ns Kiebitz Vanellus vanellus 11 18 ns Feldlerche Alauda arvensis 15 15 ns Wiesenpiper Anthus pratensis 15 7 ns Schafstelze Motacilla flava 7 3 ns Bachstelze Motacilla alba 4 4 ns Braunkehlchen Saxicola rubetra 2 6 ns Schwarzkehlchen Saxicola torquata 5 1 ns Amsel Turdus merula 5 4 ns Zaunkönig Troglodytes troglodytes 5 1 ns Fitis Phylloscopus trochilus 4 2 ns Zilpzalp Phylloscopus collybita 4 2 ns Schilfrohrsänger Acrocephalus schoenobaenus 8 0 0,05 Teichrohrsänger Acrocephalus scirpaceus 6 1 ns Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris 6 4 ns Dorngrasmücke Sylvia communis 8 4 ns Blaumeise Parus caeruleus 4 3 ns Goldammer Emberiza citrinella 4 5 ns Rohrammer Emberiza schoeniclus 10 2 0,05 Hänfling Carduelis cannabina 2 6 ns Aaskrähe Corvus corone 6 2 ns Amsel Turdus merula 5 4 ns Außerhalb der Brutzeit Graureiher Ardea cinerea 5 1 ns Pfeifente Anas penelope 0 9 0,01 Stockente Anas platyrhynchos 3 7 ns Reiherente Aythya fuligula 2 6 ns Rotmilan Milvus milvus 3 4 ns Mäusebussard Buteo buteo 10 10 ns Turmfalke Falco tinnunculus 13 7 ns Großer Brachvogel Numenius arquata 11 19 ns Austernfischer Haematopus ostralegus 4 3 ns Kiebitz Vanellus vanellus 12 29 0,05 Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria 8 21 0,05 Sturmmöwe Larus canus 3 5 ns Silbermöwe Larus argentatus 2 4 ns Lachmöwe Larus ridibundus 14 5 ns Ringeltaube Columba palumbus 1 6 ns Feldlerche Alauda arvensis 4 2 ns Wachholderdrossel Turdus pilaris 1 5 ns Star Sturnus vulgaris 17 5 0,05 Aaskrähe Corvus corone 12 7 ns Gänse 1 12 0,01

Außerhalb der Brutzeit dominierten die negativen Auswirkungen der WKA (grau hinterlegt). Für Gänse (Bless-, Saat, Grau- und Nonnengänse), Pfeifenten, Kiebitze und Goldregenpfeifer ergaben sich, jeweils statistisch gesichert, mehr negative als positive Effekte. Eine Ausnahme war der Star, für den das Umgekehrte galt. Für insgesamt 28 Arten konnten in Tab. 2 Mediane und Mittelwerte der Minimalentfernungen dargestellt werden, die die Vögel zu Windkraftanlagen einhielten bzw. bis zu denen Störungen messbar waren. Tendenziell herrschten während der Brutzeit geringere Meidungsabstände vor als außerhalb der Brutzeit. Lediglich einige Watvogelarten mieden offensichtlich zu allen Zeiten die Nähe von Windkraftanlagen. Vögel der offenen Landschaft, also Gänse, Enten und Watvögel hielten im Allgemeinen Abstände von mehreren Hundert Metern zu WKA ein (Abb. 1). Tabelle 2: Minimalentfernungen, die Vögel zu WKA einhielten bzw. bis zu denen Störungen messbar waren Art Anzahl Studien Median Mittelwert SD Brutzeit Stockente Anas platyrhynchos 8 113 103 56 Uferschnepfe Limosa limosa 5 300 436 357 Austernfischer Haematopus ostralegus 8 25 85 113 Kiebitz Vanellus vanellus 13 100 108 110 Rotschenkel Tringa totanus 6 188 183 111 Feldlerche Alauda arvensis 20 100 93 71 Wiesenpieper Anthus pratensis 9 0 41 53 Schafstelze Motacilla flava 7 50 89 107 Amsel Turdus merula 5 100 82 76 Fitis Phylloscopus trochilus 5 50 42 40 Zilpzalp Phylloscopus collybita 5 50 42 40 Schilfrohrsänger Acrocephalus schoenobaenus 7 0 14 24 Teichrohrsänger Acrocephalus scirpaceus 11 25 56 70 Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris 9 25 56 68 Dorngrasmücke Sylvia communis 9 100 79 65 Rohrammer Emberiza schoeniclus 13 25 56 70 Hänfling Carduelis cannabina 5 125 135 29 Außerhalb der Brutzeit Graureiher Ardea cinerea 6 30 65 97 Pfeifente Anas penelope 9 300 311 163 Schwäne 8 125 150 139 Gänse 13 300 373 226 Stockente Anas platyrhynchos 9 200 161 139 Tauchenten 12 213 219 122 Mäusebussard Buteo buteo 15 25 50 53 Turmfalke Falco tinnunculus 14 0 26 45 Großer Brachvogel Numenius arquata 24 190 212 176 Austernfischer Haematopus ostralegus 6 15 55 81 Kiebitz Vanellus vanellus 32 135 260 410 Bekassine Gallinago gallinago 5 300 403 221 Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria 22 135 175 167 Ringeltaube Columba palumbus 5 100 160 195

Sturmmöwe Larus canus 6 50 113 151 Lachmöwe Larus ridibundus 15 0 97 211 Feldlerche Alauda arvensis 6 0 38 59 Star Sturnus vulgaris 16 0 30 54 Aaskrähe Corvus corone 16 0 53 103 Gänse, Nicht-Brutzeit 4 Anzahl der Studien 3 2 1 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Mäusebussard, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m)

Turmfalke, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 14 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Großer Brachvogel, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Kiebitz, Brutzeit Anzahl der Studien 7 6 5 4 3 2 1 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m)

Kiebitz, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Goldregenpfeifer, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Großer Brachvogel, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m)

Lachmöwe, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 14 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Rohrammer, Brutzeit Anzahl der Studien 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Feldlerche, Brutzeit Anzahl der Studien 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m)

Star, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 14 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Aaskrähe, Nicht-Brutzeit Anzahl der Studien 14 12 10 8 6 4 2 0 50 150 250 350 450 550 650 750 850 Entfernung (m) Abbildung 1-12: eingehaltene Abstände von Vögeln zu WKA in der offenen Landschaft. 3.1.2 Gewöhnung von Vögeln an WKA Um der Frage nach einer möglichen Gewöhnung (im umgangssprachlichen Sinne) von Vögeln an WKA nachzugehen, wurden die 11 Studien, die Daten aus mindestens zwei Jahren nach der Errichtung der WKA enthielten, ausgewertet. Da pro Studie oft mehrere Arten betrachtet wurden, ergaben sich daraus 122 Datensätze. Es wurden die Fälle gezählt, die auf eine Gewöhnung hindeuteten (Annäherung an die WKA nach einigen Jahren; Bestandserhöhung im Bereich von WKA einige Jahre nach deren Bau) und der Zahl der Fälle gegenübergestellt, die nicht auf eine Gewöhnung hindeuten. Bezüglich der Brutvögel überwogen die Fälle fehlender Gewöhnung (46 gegenüber 38), bezüglich der Rastvögel war es umgekehrt (13 gegenüber 25). Keines der Ergebnisse weicht jedoch statistisch signifikant von einer Gleichverteilung ab, so dass die Gewöhnung an WKA jedenfalls kein weitverbreitetes Phänomen ist.

3.1.3 Mindestabstände und Größe der WKA Für einige Vogelarten konnten die Beziehungen zwischen der Größe der WKA (hier ausgedrückt als Nabenhöhe) und den Minimalabständen berechnet werden (Tab. 3). Bis auf den Kiebitz außerhalb der Brutzeit (Abb. 13) ließ sich keines der Ergebnisse statistisch absichern. Kiebitze außerhalb der Brutzeit reagieren offensichtlich sehr empfindlich auf besonders große WKA. Die in Tab. 3 dargestellten Ergebnisse zeigen in ihrer Gesamtheit ein klares Ergebnis. Für viele Brutvögel, wirkten höhere WKA weniger abschreckend als kleinere. Lediglich für Kiebitze und Uferschnepfen zeigte sich eine stärkere Meidung größerer Anlagen. Für die Rastvögel hingegen stiegen mit wenigen Ausnahmen die Minimalabstände mit der Anlagenhöhe. Minimalabstand zur WKA (m) 1000 800 600 400 200 0 0 20 40 60 80 Nabenhöhe (m) Abbildung 13: Beziehung zwischen der Größe der WKA (Nabenhöhe) und dem Minimalabstand zur WKA am Beispiel des Kiebitz

Tabelle 3: Beziehungen zwischen der Größe der WKA (hier ausgedrückt als Nabenhöhe) und den Minimalabständen Art n Achsensteigung Brutzeit Stockente Anas platyrhynchos 7 0,09 Uferschnepfe Limosa limosa 5 3,67 Austernfischer Haematopus ostralegus 8-2,64 Kiebitz Vanellus vanellus 12 1,78 Rotschenkel Tringa totanus 6-2,64 Feldlerche Alauda arvensis 19-1,60 Wiesenpieper Anthus pratensis 9-1,17 Schafstelze Motacilla flava 6-0,02 Amsel Turdus merula 4-1,07 Fitis Phylloscopus trochilus 5-0,32 Zilpzalp Phylloscopus collybita 5-0,32 Schilfrohrsänger Acrocephalus schoenobaenus 6-0,95 Teichrohrsänger Acrocephalus scirpaceus 9-0,51 Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris 6-1,67 Dorngrasmücke Sylvia communis 8-1,47 Rohrammer Emberiza schoeniclus 12-3,41 Hänfling Carduelis cannabina 4 0,66 Außerhalb der Brutzeit Graureiher Ardea cinerea 6-1,64 Pfeifente Anas penelope 7 0,41 Gänse Gänse 6 6,22 Stockente Anas platyrhynchos 7 0,95 Tauchenten 10-1,64 Mäusebussard Buteo buteo 12 1,29 Turmfalke Falco tinnunculus 10 0,88 Großer Brachvogel Numenius arquata 19 1,95 Austernfischer Haematopus ostralegus 6-2,79 Kiebitz Vanellus vanellus 25 9,59 Bekassine Gallinago gallinago 5-4,55 Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria 15 3,12 Ringeltaube Columba palumbus 4 1,20 Lachmöwe Larus ridibundus 12 1,33 Star Sturnus vulgaris 9 1,54 Rabenkrähe Corvus corone 12 1,61

3.2 Kollisionen mit WKA Nur relativ wenige Untersuchungen wurden so dauerhaft und systematisch (z.b. unter Beachtung des in den USA üblichen Untersuchungsprotokolls mit u.a. Berücksichtigung der Aktivität von Aasfressern (ANDERSON et al. 1999, MORRISON 2002)) durchgeführt, dass sich eine Kollisionsrate (getötete Vogelindividuen pro Jahr und Turbine) errechnen lies (Tab. 4). Die Kollisionsraten unterscheiden sich erheblich zwischen den Windparks. Vielerorts gab es kaum Opfer; in anderen Windparks traten Kollisionen mit einer Häufigkeit von mehr als 30 pro Jahr und Turbine auf. Massenkollisionen an einzelnen Turbinen wie sie von Leuchttürmen oder ähnlichen Bauwerken bekannt sind (MANVILLE 2001, UGORETZ 2001), wurden an WKA nicht festgestellt. In knapp der Hälfte der Untersuchungen lagen die Opferraten unter einem Vogel pro Turbine pro Jahr, der Median betrug 1,7 Opfer und im Mittel waren es 8,1 Opfer pro Turbine und Jahr. Tabelle 4: Kollisionsrate (getötete Vogelindividuen pro Jahr und Turbine) Land Windpark Habitat Vögel Greifvögel Belgien Oostdam te Zeebrugge Feuchtgebiet 24 Belgien Boudewijnkanaal te Brugge Feuchtgebiet 35 Belgien Elektriciteitscentrale te Schelle Feuchtgebiet 18 Dänemark Tjaereborg Feuchtgebiet 3 Deutschland Bremerhaven-Fischereihafen Feuchtgebiet 9 Niederlande Kreekraak sluice Feuchtgebiet 3,7 Niederlande Oosterbierum Grünland 1,8 Niederlande Urk Küste 1,7 Schweden Näsudden Grünland 0,7 Spanien PESUR, Parque Eólico del Sur und Gebirgsrücken 0,36 0,36 Parque und Parque Eólico de Levantera Spanien E3, Energia Eólica del Estrecho Gebirgsrücken 0,03 0,03 Spanien Salajones Gebirgsrücken 21,69 8,33 Spanien Izco-Albar Gebirgsrücken 22,63 0,93 Spanien Alaiz-Echague Gebirgsrücken 3,56 0,62 Spanien Guennda Gebirgsrücken 8,47 0,2 Spanien El Perdón Gebirgsrücken 64,26 0,36 Spanien Tarifa 0,03 0,03 UK Bryn Tytli Moor, Grünland 0 UK Burgar Hill, Orkney Moor, Grünland 0,15 UK Haverigg, Cumbria Moor, Grünland 0 0 UK Blyth Feuchtgebiet 1,34 UK Ovenden Moor Moor, Grünland 0,04 0 UK Cemmaes Moor, Grünland 0,04 0 USA Buffalo Ridge Grünland 0,98 0,012 USA Foote Creek Rim Prärie 1,75 0,036 USA Vansycle Acker, Grünland 0,63 0 USA Altamont Gebirgsrücken 0,87 0,24 USA Nine Canyon Wind Project Pärie 3,59 USA Green Mt, Searsburg Gebirgsrücken 0 0 USA IDWGP, Algona Gebirgsrücken 0 0 USA Somerset County Gebirgsrücken 0 0 USA San Gorgino Gebirgsrücken 2,31 USA Solano County Gebirgsrücken 54 Australien Tasmania Küste 1,86 0

Für die Vogelschlagrate war die Lage der WKA bedeutsam. In den USA und Spanien kam es zu vielen Opfern an WKA auf kahlen Gebirgsrücken bzw. an Geländekanten. In Mitteleuropa waren eindeutig WKA an Feuchtgebieten mit besonders hohen Vogelschlagzahlen belastet. Opferraten von mehr als zwei Individuen pro WKA und Jahr traten nur an Feuchtgebieten oder Gebirgsrücken auf. Der Einfluss des Lebensraumes (Kategorien: Feuchtgebiet, Gebirgsrücken, Sonstiges) auf die Kollisionsraten war statistisch signifikant (Kruskal-Wallis-Test; Chi 2 =7,27; df=2; p<0,05). Die Größe der WKA übte einen schwachen, statistisch nicht signifikanter Einfluss auf die Kollisionsrate aus (y=0,29x; R 2 =0,08). Die Artenzusammensetzung der Kollisionsopfer hing vom Vorkommen der Arten in der Umgebung ab. In den USA dominieren in den Windparks auf den Gebirgsrücken vor allem Greifvögel. Dies gilt auch für viele spanische Windparks, in denen vor allem viele Gänsegeier verunglückten. Im mittleren und nördlichen Europa waren viele verschiedene Arten betroffen (DÜRR 2004). In Deutschland sind besonders die Funde von 41 Rotmilanen und 13 Seeadlern (Stand 1.11.2004) bemerkenswert. Die jährliche Kollisionsraten der Fledermäuse (Anzahl pro Turbine und Jahr) streuen etwa über die gleiche Bandbreite wie die der Vögel (Tab. 5). Der Median der Opferrate betrug 1,7 und im Mittel waren es 6,3 Opfer pro Turbine und Jahr. Tabelle 5: Kollisionsraten der Fledermäuse (Anzahl pro Turbine und Jahr) Land Windpark Habitat Kollisionsrate Spanien Salajones Gebirgsrücken 13,36 Spanien Izco-Albar Gebirgsrücken 3,09 Spanien Alaiz-Echague Gebirgsrücken 0 Spanien Guennda Gebirgsrücken 0 Spanien El Perdón Gebirgsrücken 0 USA Buffalo Ridge Grünland 2,3 USA Foote Creek Rim Prairie 1,34 USA Vansycle Acker, Grünland 0,4 USA Altamont Gebirgsrücken 0,0035 USA Mautaineer Wind Energy Facility Blackwater Wald 50 Falls USA Nine Canyon Wind Project Pairie 3,21 Australien Tasmania Küste 1,86 Für die Fledermäuse bestand ein schwacher, statistisch nicht signifikanter Zusammenhang zwischen der Kollisionsrate und der Größe der WKA. Offensichtlich waren Fledermäuse an Waldstandorten besonders stark gefährdet. Ein statistischer Nachweis gelang wohl auch wegen des geringen Datenmaterials jedoch nicht (Kruskal-Wallis-Test, Chi 2 =2,57; df=1; nicht signifikant). Es gibt jedoch weitere deutliche Hinweise darauf, dass Fledermäuse durch WKA in der Nähe von Gehölzen stärker gefährdet sind als an freistehenden WKA (BACH 2002, DÜRR 2003). Alle Untersuchungen zu Fledermauskollisionen, die über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg durchgeführt worden sind, zeigen, dass Fledermäuse ganz überwiegend im Spätsommer und Herbst verunglücken, also während ihrer Streif- und Zugphase (KEELEY et al. 2001, DÜRR 2003). Es handelt sich bei den betreffenden Arten zumeist um schnell fliegende und ziehende Arten (DÜRR 2003,

JOHNSON et al. 2003). Auch bei den Fledermäusen sind mittlerweile zahlreiche verschiedene Arten als Kollisionsopfer nachgewiesen worden (DÜRR & BACH 2004). 3.3 Repowering In nächster Zeit werden zahlreiche ältere durch größere, neuere WKA ersetzt werden (Repowering). Um die Auswirkungen dieses Vorgangs auf Vögel und Fledermäuse abzuschätzen, wurden einfache Modellrechnungen anhand von vier verschiedenen Szenarien durchgeführt. Für die Betrachtung der Scheuchwirkung von WKA auf Vögel wurden die Beziehungen zwischen Nabenhöhe der WKA und Minimalabständen (Tab. 3) sowie eine aus allen WKA-Fabrikaten, die in der Studie vorkamen, berechnete Beziehung zwischen Leistung der WKA und Nabenhöhe verwendet. Es konnten so die Bereiche ermittelt und verglichen werden, die von Vögeln um unterschiedlich leistungsstarke WKA herum nicht mehr genutzt werden konnten. Analog wurden die jährlichen Kollisionszahlen unterschiedlich leistungsstarker WKA (Tab. 4 und 5) behandelt. Ein Repowering wurde positiv bewertet, wenn die durch die WKA gestörte Fläche bzw. die Anzahlen verunglückter Vögel und Fledermäuse zurückgingen. Tab. 6 und 7 zeigen, dass ein reines Ersetzen kleiner durch großer WKA ohne Steigerung der Leistung des Windparks überwiegend positive Effekte hatte. Wurde die Leistung des Windparks um mehr als das 1,5-fache gesteigert, überwogen die negativen Effekte. Bei diesen Modellrechnungen ist unbedingt zu bedenken, dass sie auf nur sehr wenigen untersuchten Fällen beruhen und dass die zugrundeliegenden mathematischen Beziehungen statistisch nicht gesichert sind. Tabelle 6: Auswirkungen eines Repowering auf Vögel Szenario Kapazitätserhöhung des Windparks Austausch von Turbinen 1 2 3 4 0,15 MW durch 1,5 MW nein nein 1,5 x 2,0 x 0,5 MW durch 1,5 MW 0,5 MW durch 1,5 MW 0,5 MW durch 1,5 MW Brutzeit Stockente Art Anas platyrhynchos positiv positiv positiv positiv Austernfischer Haematopus ostralegus positiv positiv positiv positiv Kiebitz Vanellus vanellus positiv positiv negativ negativ Uferschnepfe Limosa limosa positiv positiv positiv negativ Rotschenkel Tringa totanus positiv positiv positiv positiv Feldlerche Alauda arvensis positiv positiv positiv positiv Wiesenpieper Anthus pratensis positiv positiv positiv positiv Schafstelze Motacilla flava positiv positiv positiv positiv Amsel Turdus merula positiv positiv positiv positiv

Fitis Phylloscopus trochilus positiv positiv positiv positiv Zilpzalp Phylloscopus collybita positiv positiv positiv positiv Schilfrohrsänger Acroc. schoenobaenus positiv positiv positiv positiv Teichrohrsänger Acrocephalus scirpaceus positiv positiv positiv positiv Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris positiv positiv positiv positiv Dorngrasmücke Sylvia communis positiv positiv positiv positiv Rohrammer Emberiza schoeniclus positiv positiv positiv positiv Hänfling Carduelis cannabina positiv positiv positiv positiv Graureiher Ardea cinerea positiv positiv positiv positiv Pfeifente Anas penelope positiv positiv positiv positiv Gänse Gänse positiv positiv negativ negativ Stockente Anas platyrhynchos positiv positiv positiv positiv Tauchenten positiv positiv positiv positiv Mäusebussard Buteo buteo negativ negativ negativ negativ Turmfalke Falco tinnunculus negativ negativ negativ negativ Großer Brachvogel Numenius arquata positiv positiv positiv negativ Austernfischer Haematopus ostralegus positiv positiv positiv positiv Kiebitz Vanellus vanellus negativ negativ negativ negativ Bekassine Gallinago gallinago positiv positiv positiv positiv Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria positiv positiv negativ negativ Ringeltaube Columba palumbus positiv positiv negativ negativ Lachmöwe Larus ridibundus negativ negativ negativ negativ Star Sturnus vulgaris negativ negativ negativ negativ Rabenkrähe Corvus corone negativ negativ negativ negativ Tabelle 7: Auswirkungen eines Repowering auf Vögel und Fledermäuse 1 2 3 4 Szenario Kapazitätserhöhung des Windparks Austausch von Turbinen 0,15 MW durch 1,5 MW nein nein 1,5 x 2,0 x 0,5 MW durch 1,5 MW 0,5 MW durch 1,5 MW 0,5 MW durch 1,5 MW Vögel positiv positiv positiv negativ Fledermäuse positiv negativ negativ negativ

4 Diskussion Die Studie zeigt, dass Windkraftanlagen an vielen Stellen relativ geringe Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse haben, dass aber bestimmte Standorte sehr problematisch sind. Dazu zählen wegen der hohen Kollisionsgefahr die Umgebung von Gewässern und kahle Bergrücken mit hohem Greifvogelaufkommen (in Deutschland nicht existent) sowie Waldstandorte (Fledermäuse). Hinzu kommen die Rastgebiete empfindlicher Vogelarten, insbesondere Gänse, Pfeifenten und Watvögel. Für diese Arten(-gruppen) konnten signifikante Rückgänge lokaler Populationen nachgewiesen werden. Die hier aufgeführten Ergebnisse decken sich damit weitgehend mit den Resultaten der umfangreicheren Einzelstudien zum Thema (SCHREIBER 1993, KRUCKENBERG & JAENE 1999, SCHREIBER 1999, REICHENBACH 2003). Für die empfindlichen Arten lässt sich aus Tab. 3 ein Mindestabstand von etwa 500m ableiten, den WKA zu Rastplätzen einhalten sollten. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass sie an älteren WKA und nicht an den viel größeren Anlagen der neusten Generation gewonnen wurden. Zudem sind viele Arten bisher nicht oder kaum untersucht worden. Dies gilt besonders für solche, die in der öffentlichen Diskussion stehen (Störche, Greifvögel, Kranich). Die Liste der gegenüber WKA störempfindlichen Arten ist also keinesfalls abgeschlossen. Neben der Verdrängung rastender Vögel können WKA auch eine Behinderung für fliegende Vögel bedeuten. Solch eine Barrierewirkung konnte mittlerweile für 81 Vogelarten nachgewiesen werden (HÖTKER et al. 2005). Besonders betroffen waren Gänse, Kraniche, Watvögel und kleine Singvögel. In welchem Maße die betroffenen Arten geschädigt werden (Störung des Zugablaufs, Beeinträchtigung des Energiehaushalts) ist allerdings nicht bekannt. Vergleicht man die Opferzahlen der einzelnen Arten (DÜRR 2004) mit deren Reaktion auf Windkraftanlagen, lässt sich feststellen, dass die Arten bzw. Artengruppen, die eine geringe Scheu vor den WKA zeigten, eher zu den Opfern zählten als die Arten, die WKA weiträumig mieden bzw. umflogen. So verunglückten Greifvögel, Möwen und Stare relativ häufig, während Gänse und Watvögel vergleichsweise selten unter den Opfern zu finden waren. Eine Ausnahme scheinen die Krähenvögel zu sein, die kaum Scheu vor Windkraftanlagen zeigten, aber nur selten verunglückten. Trotz vieler Untersuchungen bleiben noch deutliche Wissenslücken und dementsprechend ein hoher Forschungsbedarf. Dringend ist es erforderlich zu verstehen, weshalb so viele Rotmilane und Seeadler an WKA verunglücken und welche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Über die Reaktion vieler seltener Vogelarten (z. B. Schwarzstorch, Wiesenweihe, Kranich, Wachtelkönig) auf WKA ist zu wenig bekannt, um mit der Standortplanung von Windkraftanlagen angemessen reagieren zu können. Schließlich lassen sich bisher keine Voraussagen darüber machen, wie die sehr großen, und damit aus Gründen der Flugsicherheit zu beleuchtenden WKA in den nächtlichen Vogelzug eingreifen.

Wirksame Maßnahmen zur Minimierung negativer Auswirkungen von bereits bestehenden WKA auf Vögel und Fledermäuse existieren bisher nicht (SMALLWOOD & THELANDER 2004, HÖTKER et al. 2005). Allenfalls lässt sich die Barrierewirkung von Windparks dadurch verringern, dass die einzelnen WKA parallel und nicht quer zur Hauptflugrichtung der Vögel aufgestellt werden (ISSELBÄCHER & ISSELBÄCHER 2001). Letztlich ist nur die Standortwahl geeignet, Schäden zu minimieren. In diesem Zusammenhang könnte das Repowering eine Chance bieten, ungeeignete Standorte aufzugeben und neue Anlagen an weniger problematischen Standorten zu errichten. Durch eine solche Flurbereinigung der Windkraftnutzung dürfte es möglich sein, eine Reihe von Konflikten zwischen Naturschutz und Windkraftnutzung aus der Welt zu schaffen. 5 Zusammenfassung Eine Auswertung von 127 Studien mit sehr unterschiedlichem Untersuchungsumfang aus zehn Ländern erbrachte folgende Ergebnisse: Die Nutzung von Windkraft kann sich auf Vögel und Fledermäuse durch Störungen und durch Erhöhung der Mortalität auswirken. Es konnte kein statistisch signifikanter Nachweis von erheblichen negativen Auswirkungen von Windkraftanlagen (WKA) auf die Bestände von Brutvögeln erbracht werden. Mit Ausnahme von Kiebitz, Uferschnepfe und Rotschenkel nutzten die meisten Vögel zur Brutzeit auch die unmittelbare Umgebung von WKA. Viele potentiell empfindliche Arten sind jedoch bisher nicht untersucht worden. WKA übten signifikante, negative Einflüsse auf die lokalen Rastbestände von Gänsen, Pfeifenten, Goldregenpfeifern und Kiebitzen aus. Diese und andere Arten der offenen Landschaft hielten Minimalabstände von mehreren Hundert Metern zu WKA ein. Diese Abstände nahmen in den meisten Fällen mit der Größe der WKA zu. Für den Kiebitz war dieser Zusammenhang statistisch signifikant. Eine generelle Tendenz der Gewöhnung von Vögeln an Windkraftanlagen in den Jahren nach ihrer Errichtung bestand nicht. Die Kollisionsraten (Zahl der jährlichen Opfer pro Turbine) variierten sowohl bei Vögeln als auch bei Fledermäusen zwischen den Windparks von 0 bis über 30. Besonders kollisisionsträchtig für Vögel waren Windparks an Feuchtgebieten und auf kahlen Gebirgsrücken, wo insbesondere in den USA und in Spanien viele Greifvögel verunglückten. Als besonders problematisch erscheinen in Deutschland die seit Erhebungsbeginn 1989 hohen Fundzahlen von Seeadlern (13) und Rotmilanen (41, Stand 1.11.2004). Waldstandorte von WKA waren besonders risikoreich für Fledermäuse. Nach gegenwärtigem Wissensstand dürften sich durch ein Repowering die negativen Auswirkungen von WKA auf Vögel und Fledermäuse (Störwirkung und Mortalitätsrate) dann eher verringern als verstärken, wenn die Gesamtleistung des Windparks nicht gesteigert wird. Erhöht sich die Leistung eines Windparks aber um mehr als das 1,5-fache, beginnen die negativen Auswirkungen zu überwiegen. Auf die Chance, im Rahmen des Repowering risikoreiche Standorte aufzugeben und durch weniger problematische zu ersetzen, wird hingewiesen. Die richtige Standortwahl ist zur Zeit die

einzige nachweislich wirksame Maßnahme zur Reduktion negativer Auswirkungen von WKA auf Vögel und Fledermäuse. Es wird dringender Forschungsbedarf zu folgenden Themen gesehen: Kollisionen von Rotmilanen und Seeadlern mit WKA, Reaktionen bedrohter und seltener Vogelarten auf WKA, nächtlicher Vogelzug und beleuchtete WKA. 6 Summary An evaluation of 127 studies of wind farms in ten countries, mostly in Germany, revealed following results: The main potential hazards to birds and bats from wind farms are disturbance leading to displacement or exclusion and collision mortality. Although there is agreement among experts that wind farms may have negative impacts on bird populations no statistically significant evidence of negative impacts on populations of breeding birds could be found. With the exceptions of Lapwings, Black-tailed Godwits and Redshanks most bird species used the space close to wind plants during the breeding season. Many potentially sensible species, however, have not yet been studied. During the non-breeding season, wind farms had significantly negative effects on local populations of geese, Wigeons, Golden Plovers and Lapwings. These and other species of open landscapes avoided approaching wind parks closer than a few hundred metres. During the non-breeding season, the distances in which disturbance could be noted increased with the size of the wind plants in most species. In Lapwings this relationship was statistically significant. There was no evidence that birds generally habituated to wind farms in the years after their construction. Collision rates (annual number of killed individuals per turbine) varied between 0 and more than 30 for both birds and bats. Birds were in high risks at wind farms close to wetlands and in wind farms on mountain ridges (USA, Spain) where many raptors were killed. In Germany the relatively high numbers of killed White-tailed Eagles (13) and Red Kites (41) (state on 1 Nov. 2004) give reason for concern. Wind farms in or close to forests posed high collision risks on bats. According to present knowledge, repowering (substitution of old, small turbines by new turbines with higher capacity) will reduce negative impacts on birds and bats (disturbance and mortality) if the total capacity of a wind farm is not changed (many small turbines are replaced by few big turbines). If the capacity of a wind farm is increased 1,5 fold, negative impacts start to dominate. Repowering offers the chance to remove wind farms from sites that are associated with high impacts or risks for birds and bats. New turbines could be constructed on sites that are likely to be less problematic in respect to birds and bats. The choice of the right site for windmills is the only known measure to evidently reduce the negative impacts of windfarms on birds and bats.

There is an urgend demand for further research in following fields: collisions of Red Kites and Whitetailed Eagles; responses of rare and threatened species to wind turbines; nocturnal bird migration and illuminated, tall windmills. Danksagungen Für die Unterstützung unserer Arbeit danken wir K. Ammermann, Y. André, L. Bach, T. Dürr, K.-M. Exo, B. Hälterlein, F. Igel, H. Illner, C. Mayr, F. Musiol, H.-U. Rösner, M. Schreiber, A. Ziese und allen Mitgliedern der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe zu diesem Projekt. Literatur AG Eingriffsregelung (1996): Empfehlungen zur Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Ausbau der Windenergienutzung. - Natur und Landschaft 71: 381-385. Anderson, R.; Morrison, M.; Sinclair, K. & Strickland, D. (1999): Studying Wind Energy/Bird Interactions: A Guidance Document. Avian Subcommittee and the National Wind Coordinating Committee, Washington, DC, Bach, L. (2002): Auswirkungen von Windenergieanlagen auf das Verhalten von Fledermäusen am Beispiel des Windparks "Hohe Geest", Midlum. Bericht der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung angewandter biologischer Forschung im Auftrag der KW Midlum GmbH & Co. KG, Freiburg, Niederelbe, BMU (2004): Themenpapier Windenergie. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Art 2122, März 2004. Crockford, N. J. (1992): A review of the possible impacts of wind farms on birds and other wildlife. Peterborough, 60 S. Dürr, T. (2004): Vögel als Anflugopfer an Windenergieanlagen - ein Einblick in die bundesweite Fundkartei. - Bremer Beiträge für Naturkunde und Naturschutz 7: 221-228. Dürr, T. & Bach, L. (2004): Fledermäuse als Schlagopfer von Windenergieanlagen - Stand der Erfahrungen mit Einblick in die bundesweite Fundkartei. - Bremer Beiträge für Naturkunde und Naturschutz 7: 253-263.

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Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 1 Nationale und internationale methodische Anforderungen an die Erfassung von Vögeln für Windparkplanungen Erfahrungen und Empfehlungen Beitrag zur Tagung Windenergie neue Entwicklungen, Repowering und Naturschutz, 31.03.2006, Münster Marc Reichenbach 1 & Klaus Handke 2 Inhalt 0. Zusammenfassung 2 1. Einleitung 2 2. Internationale Ansätze 3 2.1 Auswirkungen 3 2.2 Methodische Empfehlungen 5 3. Der Diskussionsstand in Deutschland 6 3.1. Auswirkungen 6 3.2 Methodische Empfehlungen in Deutschland 8 4. Erfahrungen mit methodischen Vorgaben in Schottland bezüglich Erfassung und Auswertung 8 4.1 Vantage-Point-Watches 9 4.2 Survey 12 4.3 Auswertung 12 5. Erfahrungen aus Frankreich 13 6. Methodische Konsequenzen 13 6.1 Fokussierung auf relevante Arten 14 6.2 Methodenkombination 15 6.3 Konventionsvorschlag 16 7. Ausblick 17 8. Literatur 18 1 Dr. Marc Reichenbach, ARSU GmbH, Escherweg 1, 26127 Oldenburg, reichenbach@arsu.de 2 Dr. Klaus Handke, Ökologische Gutachten, Riedenweg 19, 27777 Ganderkesee, K.Handke@oekologische- Gutachten.de

Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 2 0. Zusammenfassung Dargestellt wird der internationale und bundesdeutsche Diskussionsstand zum Thema Windenergie und Vögel (Auswirkungen, methodische Anforderungen). Aufgrund aktueller Erfahrungen der Autoren mit methodischen Anforderungen in Schottland in einem konkreten Projekt wird die dort praktizierte Erfassung vorgestellt. Der Schwerpunkt der Kartierungen liegt auf der Erfassung von target species von festen Beobachtungspunkten aus im Umkreis von 2 km. Dabei werden insbesondere die Flugbewegungen sehr detailliert protokolliert, wodurch eine Kalkulation des Kollisionsrisikos der target species möglich wird. Anhand dieser Erfahrungen und einer Sichtung der bisher vorliegenden Untersuchungen zum Thema Vögel und Windkraft in Deutschland wird auch für Mitteleuropa eine Fokussierung auf relevante Arten mittels Beobachtungen von festen Punkten in Ergänzung zu den Brutvogelkartierungen empfohlen. Die methodischen Anforderungen sollten flexibel in Abhängigkeit von Artenspektrum und Geländegegebenheiten von den Naturschutzbehörden festgelegt werden. 1. Einleitung Die Nutzung der Windenergie nimmt europa- und weltweit einen immer größeren Aufschwung. Während in Deutschland die Aufstellungszahlen von Windenergieanlagen (WEA) stetig zurückgehen, sind in Ländern wie Spanien, USA, Indien, Portugal und China stark steigende Zuwachsraten zu verzeichnen (www.ewea.org). Eine Reihe von deutschen Anlagenherstellen erzielt den größten Teil ihres Umsatzes mittlerweile im Ausland (www.iwr.de). Analog zu dieser Entwicklung spielt das Thema möglicher Auswirkungen von WEA auf Vögel auf internationaler Ebene eine immer größere Rolle. Während in den USA hierzu bereits eine größere Zahl von Studien vorliegt (Übersicht in REICHENBACH 2004), werden in Europa hierzu erst in jüngster Zeit entsprechende Untersuchungen durchgeführt und publiziert (z.b. LANGSTON & PULLAN 2003, PERCIVAL 2005). Deutschland ist nach wie vor das Windenergieland Nr. 1 (mit einer installierten Leistung von ca. 18.400 Megawatt, Stand Ende 2005). Entsprechend liegt hierzulande bereits ein Fülle von Literatur zum Thema Windenergie und Vögel vor (Übersichten in HÖTKER et al. 2004, REICHENBACH et al. 2004). Es zeigt sich jedoch, dass das deutsche Schrifttum im Ausland nicht oder kaum wahrgenommen und berücksichtigt wird, was in erster Linie mit der Sprachbarriere zu begründen ist. So finden sich in englischsprachigen Übersichtsarbeiten kaum Zitate deutscher Publikationen (z.b. KINGSLEY & WITTAM 2003, LANGSTON & PULLAN 2003, PERCIVAL 2005). Umgekehrt fanden internationale Arbeiten bislang nur wenig Eingang in die deutschsprachige Literatur und Planungspraxis (z.b. WINKELBRANDT et al. 2000, BREUER & SÜDBECK 2002, NLT 2005). Erst in jüngster Zeit sind ausländische Studien durch Überblicksarbeiten leichter zugänglich gemacht worden (HÖTKER et al. 2004, REICHENBACH 2004, HORCH & KELLER 2005). Im Vergleich des internationalen mit dem deutschen Schrifttum wird deutlich, dass im Ausland dem Kollisionsrisiko ein wesentlich größerer Stellenwert eingeräumt wird als den Scheuch- und Vertreibungswirkungen. Hieraus folgt zwangsläufig, dass in anderen Ländern die methodischen Anforderungen an die Erfassung von Vogelbeständen im Zuge der Planung von Windenergiestandorten wesentlich stärker auf die Beurteilung des Kollisionsrisikos fokussiert sind als in Deutschland. Da jedoch in Deutschland, Österreich und der Schweiz in jüngster Zeit die Gefährdung von Vögeln durch Kollisionen mit WEA zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses rückt (z.b. DÜRR 2004, HÖTKER et al. 2004, TRAXLER et al. al 2004, GRÜNKORN et al. 2005, HORCH & KELLER 2005), erscheint es sinnvoll, die methodischen Ansätze und Erfahrungen anderer Lände daraufhin zu sichten und auf ihre Anwendbarkeit in Deutschland zu überprüfen.

Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 3 Die Autoren dieses Beitrags haben in jüngster Zeit bei einer Windparkplanung in Schottland die dortigen methodischen Anforderungen kennen gelernt und im Gelände angewendet. Nachfolgend sollen die dabei gewonnenen Erfahrungen geschildert und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit in Deutschland beurteilt werden. Als Grundlage hierfür werden zunächst der internationale und der deutsche Diskussionsstand zum Thema Windenergie und Vögel im Überblick und die jeweiligen methodischen Anforderungen charakterisiert. Als Ergebnis werden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Methode zur Erfassung von Vögeln im Zuge der Planung von Windenergiestandorten abgeleitet. Ziel sollte es sein, die methodischen Anforderungen an die Studien für Windparkplanungen möglichst europaweit zu standardisieren. 2. Internationale Ansätze 2.1 Auswirkungen Im Auftrag von BirdLife International sowie der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) haben LANGSTON & PULLAN (2003) eine Literaturauswertung zu den Auswirkungen von Windparks auf Vögel vorgenommen und daraus Empfehlungen zur Standortwahl sowie zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsuntersuchungen abgeleitet. Darin betonen sie unter anderem, dass der Störungseinfluss von Windparks art-, saison- und standortspezifisch, d.h. von Windpark zu Windpark unterschiedlich ist. Bezüglich des Kollisionsrisikos führen sie aus, dass auch geringe Kollisionsraten einen Effekt auf die Population haben können, insbesondere wenn Großvögel mit geringer Reproduktionsrate betroffen sind. Sie fordern den Einsatz standardisierter Erfassungsmethoden vor, während und nach dem Bau von Windparks und zwar nicht nur für die Windparkfläche, sondern auch für ein parallel zu untersuchendes Referenzgebiet (BACI-Design: Before-After-Control-Impact, vgl. ANDERSON et al. 1999). Im Zentrum ihrer Empfehlungen steht eine Zusammenstellung von Arten bzw. Artengruppen, die als besonders empfindlich gegenüber den Einflüssen von WEA gelten und daher im Focus von Umweltverträglichkeitsuntersuchungen und Forschung stehen müssen (Tab. 1).

Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 4 Tab. 1: Mögliche oder nachgewiesene Betroffenheit von Vogelarten gegenüber den Auswirkungen von WEA (nach LANGSTON & PULLAN 2003, verändert). Arten/Artengruppen Scheuchwirkung Barrierewirkung Kollision Habitatverlust Seetaucher X X X Lappentaucher X Störche X X Schwäne und Gänse X X X Enten X X X Greifvögel X Watvögel X X X Eulen X Rauhfußhühner X X Wachtel, Wachtelkönig X Singvögel X Zu erwähnen ist weiterhin noch PERCIVAL (2005), der einen Überblick über eine Reihe internationaler Studien über den Einfluss von Vertreibungen und Kollisionen durch Windparks gibt. Hierbei kommt er zu folgenden Schlussfolgerungen: Windparks können potenziell erhebliche Probleme für Vogelpopulationen hervorrufen. Jeder Windparkstandort ist ein spezifischer Einzelfall. Echte Probleme sind jedoch bisher nur an wenigen Standorten aufgetreten und sind ausgesprochen standort- und artspezifisch. Zur Vermeidung von Konflikten sollten Windparks an folgenden Standorten möglichst nicht errichtet werden: a. Flächen mit hoher Dichte bestimmter Greifvogelarten, d.h. mit erheblichem Kollisionsrisiko, b. Flächen mit hoher Dichte anderer Arten mit erhöhtem Kollisionsrisiko und niedriger Reproduktionsrate, c. Flächen, in denen Störungen Vögel von wichtigen Brut- und Rastgebieten vertreiben können.

Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 5 2.2 Methodische Empfehlungen In ihren methodischen Empfehlungen betonen LANGSTON & PULLAN (2003), dass sich die Wahl der Dauer und Methode der Felduntersuchungen nach dem Standort, dem vorkommenden Artenspektrum, dessen Empfindlichkeit und naturschutzfachlicher Bedeutung sowie nach der Größe des geplanten Windparks richten muss. Beispielsweise muss in den Fällen, in denen bestimmte Greifvogelarten im Zentrum der Konfliktanalyse stehen, das Untersuchungsgebiet wesentlich über den engeren Windparkbereich hinausgehen, um ein vergleichendes Bild über die Raumnutzung der betreffenden Arten zu erlangen. Hieraus ergeben sich in der Regel Untersuchungsgebiete, die in Zonen unterschiedlicher Untersuchungsintensität aufgeteilt sind. Das Minimum stellt eine einjährige Untersuchung über den gesamten Jahreslauf mit allen tageszeitlichen, saisonalen und witterungsbedingten Variationen dar; zwei- bis dreijährige Studien sind jedoch zu bevorzugen. Es sind sowohl Standardmethoden zur Bestandserfassung (räumliche Verteilung, Dichte) als auch Verhaltensstudien in Form von Fixpunkt-Beobachtungen (Vantage- Point Watches, VP Watches) durchzuführen. Hierbei sollen von einer bestimmten Zahl von festen Beobachtungspunkten Flugbeobachtungen protokolliert werden, um so die Raum-Zeit-Nutzung von Greifvögeln und anderen bestimmten Arten zu erfassen und hieraus Aussagen zum Kollisionsrisiko abzuleiten. Das Monitoring nach dem Bau der Anlagen soll mit denselben Methoden über einen Zeitraum von ca. 5-10 Jahren durchgeführt werden und zusätzlich eine Suche nach Kollisionsopfern umfassen. Darin ist auch die Ermittlung von Korrekturfaktoren bezüglich der Such-Effizienz sowie der Verluste durch Beutegreifer einzuschließen. Besonders detaillierte methodische Vorgaben zur Bearbeitung des Themas Windkraft und Vögel werden vom Scottish Natural Heritage (SNH 2005) gegeben, die hier nur in einem kurzen Überblick wiedergegeben werden können. Details werden anhand von Beispielen in Kapitel 4 dargestellt. Es wird zwischen zwei sich ergänzenden Erfassungsmethoden unterschieden: der eigentlichen Bestandserfassung (survey) sowie den Fixpunkt-Beobachtungen (VP-Watches). Für beide Methoden werden detaillierte Aussagen zur Vorgehensweise, Dauer, Größe des Untersuchungsgebietes sowie erforderlichem Minimum-Aufwand getroffen. Dabei wird im Einzelnen zwischen verschiedenen Vogelarten bzw. Artengruppen differenziert: Watvögel, Greifvögel, Wasservögel, Waldbewohner, Eulen und andere nachaktive Arten, Arten der Agrarlandschaft, überwinternde bzw. durchziehende Wasservögel sowie Küstenvögel. Auffällig ist dabei, dass für die eigentliche Brutvogelbestandserfassung nur ein relativ geringer Aufwand vorgegeben ist. Beispielweise werden Watvögel nur in einem Umkreis von 500 m um den geplanten Windpark mittels drei Begehungen erhoben. Zur Erfassung der Greifvogelbestände werden Nestsuchen in einem Umkreis von 1 km (Habicht (Accipter gentilis)), 2 km (Wanderfalke (Falco peregrinus), Kornweihe (Circus cyaneus), Sumpfohreule (Asio flammeus), Merlin (Falco columbarius), Rotmilan (Milvus milvus), Fischadler (Pandion haliaetus)) oder 6 km (Stein- (Aquila chrysaetos) und Seeadler (Haliaeetus albicilla) durchgeführt. Die zentrale Säule der Untersuchung stellen jedoch die VP-Watches dar. Ziel ist die Quantifizierung der Flugaktivitäten relevanter Arten im Bereich eines geplanten Windparks. Mittels mehrerer möglichst günstig im Gelände verteilter Beobachtungspunkte soll der gesamte Windparkbereich einschließlich eines Umkreises von ca. 2 km mind. 36 Stunden während einer Brutzeit beobachtet werden. Diese Zeitdauer bezieht sich auf jede einzelne Fläche innerhalb des Beobachtungsgebietes, d.h. für jeden einzelnen Beobachtungspunkt muss eine Mindest- Beobachtungsdauer von 36 Stunden vorliegen. Für Arten, die sich ganzjährig im Gebiet aufhalten können, z.b. Wanderfalke oder Steinadler, sollen mind. weitere 36 Stunden für die Nichtbrutzeit aufgewendet werden. Es wird betont, dass in Gebieten mit zu erwartendem erhöhten Konfliktpotenzial (Vorkommen besonders sensibler Arten, Nähe zu geschützten Gebieten) der Untersuchungsaufwand je nach spezifischer Situation deutlich erhöht werden muss. Für wenig

Reichenbach & Handke Methodische Empfehlungen zum Thema Windkraft und Vögel 6 brutplatztreue Arten, z.b. Kornweihe, Sumpfohreule und Merlin, sind mind. zwei Untersuchungsjahre vorzusehen, während für die übrigen 1 Jahr als Minimum ausreicht. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass eine 2-3-jährige Untersuchung die Beurteilungsgrundlage wesentlich verbessert. Die Fixpunkt-Beobachtungen sollen Daten zu folgenden Aspekten liefern: Dauer der Flugbewegungen über dem Untersuchungsgebiet, Relative Raumnutzung in den verschiedenen Teilen des Untersuchungsgebietes, Anteil der Flugdauer in Rotorhöhe. Hierfür wird (vereinfacht ausgedrückt) bei jedem Erscheinen eines Vogels der relevanten Arten im jeweiligen Beobachtungssektor die Zeitdauer gestoppt, die sich das Tier in zuvor definierten Höhenklassen aufhält. Neben den Angaben in standardisierten Aufnahmebögen wird jede Flugbeobachtung in eine Karte eingetragen. Im Ergebnis lassen sich hieraus Aktivitätsindices für einzelne Sektoren des Beobachtungsgebietes ermitteln. Weiterhin kann das Kollisionsrisiko berechnet werden. Hierzu gibt SNH in einer separaten Anlage (http://www.snh.org.uk/pdfs/strategy/renewable/collis.pdf ) genaue Anleitungen für die zu verwendenden Formeln, für die auch standardisierte Excel-Tabellen angefordert werden können. Ingesamt legt SNH (2005) damit die wahrscheinlich derzeit ausführlichste methodische Anleitung zum Thema Windkraft und Vögel vor, die auf über 50 Seiten eine Fülle von Details regelt bis hin zur Dauer vorgesehener Pausen zwischen zwei max. dreistündigen Beobachtungseinheiten oder bis zur Nummerierung von Flugpfeilen in den Karteneintragungen. Ziel dabei ist eine möglichst große Standardisierung und Nachvollziehbarkeit der einzureichenden Unterlagen für das Genehmigungsverfahren, um den zu beteiligenden Behörden eine möglichst gute Beurteilungsgrundlage an die Hand zu geben. Diese Vorgaben werden regelmäßig aktualisiert. 3. Der Diskussionsstand in Deutschland 3.1. Auswirkungen HÖTKER et al. (2004) vom Michael-Otto-Institut des NABU (Naturschutzbund Deutschland e.v.) stellten in einer Literaturstudie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz fest, dass in einer Auswertung von 127 Einzelstudien kein statistisch signifikanter Nachweis von erheblichen negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung auf die Bestände von Brutvögeln erbracht werden konnte. Sie schränken zwar ein, dass die meisten Studien aufgrund methodischer Mängel nur eine eingeschränkte Aussagekraft aufweisen. Die von HÖTKER et al. (2004) verwendete Vorgehensweise erlaubt es nach Ansicht der Autoren dennoch, die getroffenen Aussagen auf eine breite Basis zu stellen. Danach werden die Brutbestände von Watvögeln der offenen Landschaft tendenziell negativ beeinflusst, auf bestimmte brütende Singvogelarten übten Windkraftanlagen positive Wirkungen aus (aufgrund von sekundären Effekten wie Habitatveränderungen bzw. landwirtschaftlicher Nutzungsaufgabe in der unmittelbaren Umgebung von Anlagen). Für eine Reihe von Gastvogelarten ist im Vergleich zu den Brutvögeln eine deutlich höhere Empfindlichkeit gegenüber WEA vielfach nachgewiesen. Insbesondere Gänse, Enten und Watvögel halten im Allgemeinen Abstände von bis zu mehreren Hundert Metern ein. Für die besonders empfindlichen Gänse lässt sich nach HÖTKER et al. (2004) ein Mindestabstand von 400-500 m ableiten. Windparks an Feuchtgebieten und auf Gebirgsrücken sind besonders kollisionsträchtig für Vögel. Unter den Kollisionsopfern befinden sich überproportional häufig Greifvögel und Möwen. Artengruppen mit hoher Meidung von Windparks (Gänse, Watvögel) verunglücken hingegen nur selten. Auch geringe Erhöhungen der Mortalität können zu erheblichen Populationsrückgängen