Mathematisches Modellieren. snowdrift game. Lukas Grossar Alexander Jesner

Ähnliche Dokumente
Eine kleine Reise durch die Welt der zellulären Automaten

III. Integralrechnung 7. Übungen für die Klausur Teil 1 - Integralrechnung

Exakte Differentialgleichungen

Auswirkungen von Summanden und Faktoren auf den Verlauf einer Funktion

Zelluläre Automaten SoSe 2011

Diplom Mathematiker Wolfgang Kinzner. 17. Oktober Technische Universität München. Die abc-formel. W. Kinzner. Problemstellung.

Zelluläre Automaten im interdisplinären Kontext

Projekt Bakterienkultur

Mathematik für Biologen mathematische Ergänzungen und Beispiele Teil I

Lösung zur Klausur zur Analysis II

Diskrete Populationsmodelle für Einzelspezies

PROBEPRÜFUNG MATHEMATIK I UND II

Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik. Aufgabensammlung zur. Systemtheorie

Stabilität des Golfstroms

1 Grundprinzipien statistischer Schlußweisen

Musterlösung. Aufgabe 1 a) Die Aussage ist falsch. Ein Gegenbeispiel ist die Funktion f : [0, 1] R, die folgendermaßen definiert ist:

Mathematik für Naturwissenschaftler II SS 2010

Mathematik für Sicherheitsingenieure I B

Teil II Optimierung. Modellgestützte Analyse und Optimierung Kap. 5 Einführung Optimierung. Peter Buchholz 2006

(1 + z 2j ) = 1 z2n+2. 1 z. (1 + z)(1 z) 1 z. 1 z. (1 + z 2j ) = 1 z. 1 z 1 z

Kapitel 8 Einführung der Integralrechnung über Flächenmaße

Informatik I: Einführung in die Programmierung

Informatik I: Einführung in die Programmierung

Prüfung zur Vorlesung Mathematik I/II

Beispielseite (Band 1) 2. Ganzrationale Funktionen 2.4 Nullstellen bei Funktionen 3. Grades

Wettbewerbs- und Symbiose-Modelle Von Jakob Foss

Basisprüfung, Gruppe A Analysis I/II

Selektions-Mutations-Modelle

Musterlösung Klausur zu Analysis II. Verständnisteil

Sozialwissenschaftliche Modelle und Daten SoSe 2010

Prüfung zur Vorlesung Mathematik I/II

Optimierung. Vorlesung 13

Inhalt der Lösungen zur Prüfung 2012:

Abiturvorbereitung Wachstum S. 1 von 11. Wachstum

Programmierpraktikum Verkehrssimulation

I.1.3 b. (I.7a) I.1 Grundbegriffe der Newton schen Mechanik 9

Zusatzmaterial zu Kapitel 6

23. DIFFERENTIALRECHNUNG VON FUNKTIONEN VON MEHREREN VARIABLEN

x(t) := 1 k definierte Funktion. (a) Berechnen Sie ẋ(t) und ẍ(t). (b) Zeigen Sie, daß die Funktion x = x(t) eine Lösung der Differentialgleichung

Höhere Mathematik III. Variante A

Projektionen und Produkte von Fraktalen

Lösungen zu Mathematik I/II

Theorie 3: Graphische Veranschaulichung der Fallunterscheidung

VWL Grundzüge Mikroökonomie

Zelluläre Automaten. 1. Einleitung: Definitionen und Geschichte

Nachklausur Analysis 2

Technische Universität Berlin Fakultät II Institut für Mathematik SS 2013 Doz.: Gündel-vom Hofe, Hömberg, Ortgiese Ass.

1. Aufgabe 8 Punkte. f (x) = (x 2 + 1) e x2. Es gilt. f (x) = 2xe x2 + ( x ) e x2 ( 2x) = 2x 3 e x2.

Spieltheorie mit. sozialwissenschaftlichen Anwendungen

Geben Sie an, wie die Anzahl der Nullstellen einer quadratischen Funktion von den Parametern a und b der Funktion abhängt!

Lösungen zu Mathematik I/II

Heinrich-Hertz-Oberschule, Berlin

Geben Sie an, welche dieser vier Funktionen im gesamten Definitionsbereich monoton steigend sind, und begründen Sie Ihre Entscheidung!

H. Schmidli Mathematik für Physiker WS 10/11. Lösung der Klausur

Höhere Mathematik I für die Fachrichtungen Elektroingenieurwesen, Physik und Geodäsie Lösungsvorschläge zum 13. Übungsblatt

Nichtlineare Phänomene und Selbstorganisation

Mathematik I Prüfung Frühlingssemester 2014

Finanzkrise Spieltheoretisches Modell Vortrag im Rahmen des Seminars Quantitative Finance Universität des Saarlandes Prof.

Poincaré-Schnitte. Ein Vortrag im Rahmen des Proseminars Theoretische Physik von Kai Hühn und Robin Mevert

Analytische Geometrie

3. Prozesse mit kontinuierlicher Zeit

Mathematik B Prüfung Frühjahrssemester 2017

Prüfung zur Vorlesung Mathematik I/II

Klausur: Höhere Mathematik IV

e x e x x e x + e x (falls die Grenzwerte existieren), e x e x 1 e 2x = lim x 1

8. Der Fundamentalsatz der Algebra

3. Berechnen Sie auch die Beschleunigung a als Funktion der Zeit t. 4. Erstellen Sie ein SIMULINK Modell, das x(t) numerisch berechnet.

Nichtlineare Gleichungssysteme

Aufgabe 2 Berechne zur gegebenen Funktion die erste und zweite Ableitung. Wie groß ist die Steigung in den Punkten x = { 1,0,50}?

Lineare Differentialgleichungen

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Gemischte Aufgaben zur Differentialund Integralrechnung

Mathematik Semester 3 / Arbeitsblatt f (x) = x x 3 4 x. 5 x 3 20 x. x 2 1

1 Die logistische Gleichung X t+1 = λx t (1 X t )

Tutorium Mathematik II M WM

Übung Kapitel

Mathematik - Antwortblatt Klausur

ADS: Algorithmen und Datenstrukturen 2

Zusatzmaterial zu Kapitel 4

Kommentierte Musterlösung zur Klausur HM II für Naturwissenschaftler

(a), für i = 1,..., n.

Aufgaben für die 14. Übung zur Vorlesung Mathematik 2 für Informatiker: Analysis Sommersemester 2010

Analysis und Lineare Algebra mit MuPAD

Abitur 2017 Mathematik Infinitesimalrechnung I

8. Evolution (Teil II): Koevolution

Lineare Gleichungssysteme: direkte Verfahren

Übungsaufgaben Analysis hilfsmittelfrei

Prüfung zur Vorlesung Mathematik I/II

Hinweise vor Beginn der Bearbeitung

Mathematik-Vorkurs. Übungsaufgaben. im Sommersemester 2012

Klausur. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg! Klausur Mathematik für Informatiker und Softwaretechniker

Mathematik. Juni 2015 AHS. Kompensationsprüfung Angabe für Kandidatinnen/Kandidaten

Algebraische Gleichungen. Martin Brehm February 2, 2007

Mathematik II Sammlung von Klausuraufgaben

Transkript:

Mathematisches Modellieren snowdrift game Lukas Grossar Alexander Jesner 26. Juli 2009

1 Einführung Die Spieltheorie hat breite Verwendung in der Modellbildung gefunden und wird auch für quantitative Studien zur Emergenz von Kooperation in Konkurrenzsituationen. Sie wird sowohl von Mathematikern, Physikern, Biologen wie auch von Ökonomen angewandt. Bisher war immer das Gefangenendilemma das Steckenpferd der Spieltheorie, aber da Kooperation im snowdrift game viel stabiler existiert hat es sich mittlerweile als Alternative zum Gefangenendilemma etabliert. Die Grundidee des Spiels lässt sich folgendermassen umschreiben: Zwei Autofahrer sind auf dem Weg nachhause und werden von einem Schneesturm überrascht. Sie kommen auf unterschiedlichen Seiten einer Schneeverwehung zum Stehen. Sie haben nun jeweils die Wahl ob sie aussteigen und den Schnee wegschaufeln, oder ob sie im Auto sitzen bleiben. Sollten beide schaufeln kommen beide nachhause und teilen sich die Schaufelarbeit. Sollte aber nur einer schaufeln, kommt der andere trotzdem nachhause, spart sich aber die Schaufelarbeit. Sollten aber beide auf die Idee kommen nicht zu schaufeln, müssen sie eben warten bis der Frühling kommt. Die Payoff-Matrix sieht gleich aus wie für das Gefangenendilema, aber die Reihenfolge der Werte ist unterschiedlich. Im snowdrift game gilt T > R > S > P, wohingegen im Gefangenendilemma T > R > P > S gilt. C D C R/R S/T D T/S P/P Payoff Matrix 1.1 Ziele Ziel ist es das Verhalten des snowdrift games mit unterschiedlichen Parametern zu studieren und daraus Erkenntnisse für reele Probleme ableiten zu können. 2

Wir haben 2 Wege in der Implementierung gewählt: zellulärer Automat in NetLogo Differentialgleichungen in MATLAB/Mathematica Da diese beiden Implementierungen von Grund auf verschieden sind möchte ich mich mit jeder einzeln auseinandersetzen. 2.1 zellulärer Automat Ein zellulärer Automat ist definiert durch einen Zellularraum, meist 1- oder 2-dimensionale diskrete Gitter, eine Nachbarschaft, auf die wir später noch genauer eingehen werden, eine Zustandsmenge Q in der alle möglichen Zustände der Zellen enthalten sind, und eine Funktion die den Übergang zwischen den Zuständen definiert. In unserem Fall ist der Zellularraum die von NetLogo zur Verfügung gestellten Patches, die Zustandsmenge ist {C, D}, also kooperieren und ablehnen, und die Funktion ist in unserem Fall eine Selektionsfunktion die den Patch mit der höchsten Fitness aus der Von-Neumann-Nachbarschaft (neighbors4 ), beziehungsweise Moore-Nachbarschaft (neighbors) wählt und die Werte von diesem übernimmt. Von-Neumann-Nachbarschaft Moore-Nachbarschaft 3

2.1.1 Ergebnisse Wie von einem zellulären Automaten zu erwarteten kam es zu einer Bildung von Strukturen die sich selbst begünstigen. Je nach Wahl der Nachbarschaft hatten diese Strukturen unterschiedliche Formen, allgemein kann man sagen, dass bei Wahl der Moore- Nachbarschaft die Strukturen größere Flächen einnahmen, und bei Wahl der Von-Neumann- Nachbarschaft die Strukturen der ablehnenden Patches kleiner wurden, die kooperierenden Patches aber großflächigere Strukturen bildeten. Da wir aus den Daten einige Phänomene erkennen konnten die wir zu diesem Zeitpunkt nicht erklären konnten machten wir uns nun an die Implementierung der Differentialgleichungen. 2.2 Differentialgleichungen Der wichtige Unterschied zu den zellulären Automaten ist, dass durch die Differentialgleichung jede Struktur aus dem System genommen wird, und davon ausgegangen wird, dass eine Normalverteilung der Agenten vorliegt. Für die Implementierung durch Differentialgleichungen haben wir die replicator equation verwendet, da diese für unsere Zwecke am besten geeignet erschien. x i = x i [P i P], P = n x i P i (x) Mit i sind in diesem Fall die Elemente der Zustandsmenge gekennzeichnet, x i gibt den Anteil von i an der Gesamtpopulation an, P i gibt den Payoff von i an und P gibt den durchschnittlichen Payoff der Gesamtpopulation an. Diese Formel lässt sich in unserem Fall stark vereinfachen, indem wir den Anteil der Kooperatoren mit x definieren, und die Ablehner mit y = 1 x. Man kommt dann auf die Form dx dt = x(1 x)(p c P d ) i=1 P c = xr + (1 x)s P d = xt + (1 x)p Wie man auf den ersten Blick erkennen kann hat diese Gleichung genau 3 Nullstellen, 2 triviale mit x 1 = 0 und x 2 = 1, sowie eine nicht-triviale, wenn P c = P d, dies ist erfüllt, wenn xr + (1 x)s = xt + (1 x)p und führt somit zur Nullstelle x 3 = (S P )/(T + S R P ). Unter der Vorraussetzung, dass T > R > S > P gelten muss ist nur die 3. Nullstelle stabil, die Minima in der Potentialfunktion bestätigen dies. 4

frequency 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 e Verlauf der Populationsverteilung für T = 1.6, R = 1.0, S = 0.6, P = 0.0 x = 0.4, y = 1 x = 0.6 0.015 0.010 0.005 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.005 Potential ṗ(x) = f(x) für T = 1.6, R = 1.0, S = 0.6, P = 0.0 x = 0.4, y = 1 x = 0.6 5

2.3 Vergleich der Ergebnisse Da die beiden Implementierungen ja von Grund auf verschieden sind waren wir vor allem an den Unterschieden interessiert. Aus der Lektüre ging die Aussage, dass die Struktur von zellulären Automaten die Kooperation hemmt klar hervor, wir waren also interessiert wie es sich bei unserer Implementierung auswirkt. Um unsere Daten vergleichbar zu machen gingen wir für den Vergleich wieder zurück auf das klassische snowdrift game mit den Parametern b als Belohnung für die Ankunft im trauten Heim und c als Verlust durch die Schaufelarbeit, dadurch ergibt sich folgende payoff matrix C D C b c/b c b c/b 2 2 D b/b c 0/0 Payoff Matrix aus den Werten b und c kann man sich nun den Kosten-Nutzen Faktor r = c 2b c berechnen. Das Gleichgewicht liegt der replicator equation liegt beix = 1 r. Wie sie aus der Grafik unten entnehmen können trifft die Hemmung der Kooperation in unserem Fall nicht zu, im Falle der Von-Neumann Nachbarschaft kommt es sogar zu einer Erhöhung der Kooperation, dieser Effekt blieb auch nach einer Erweiterung der Selektionsfunktion um die Abfrage der eigenen Fitness bestehen. 2.4 Strukturen Die gebildeten Strukturen sind stark vom Wert r sowie der gewählten Nachbarschaft abhängig, man kann aber aus den nachfolgender Grafiken deutlich Stufen erkennen, in einigen dieser Stufen treten gewisse Strukturen gehäuft auf. Bei Verwendung der Von- Neumann Nachbarschaft zeigen sich im Bereich von 0.26 < r < 0.33 feine verästelte Strukturen bei den Ablehnern, diese sind aber zumeist statisch. Bei r = 0.33 passiert ein Phasenübergang, die statischen Strukturen werden dynamischer und bilden größere Flächen, diese bleiben bis etwa r = 0.64 bestehen. Im Bereich von 0.65 < r < 0.75 bilden die Kooperatoren feine Netze, diese sind aber zumeist sehr großflächig. Für r > 0.75 entstehen dann stärkere Netzstrukturen, diese existieren aber nur lokal und breiten sich nur selten auf das ganze Gitter aus. Typisch für alle statischen Strukturen ist aber eine Verästelung unterschiedlichen Länge. 6

1 0.9 0.8 N4 N4 N8 N8 ode45 frequency of cooperation 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 cost to benefit ratio r 1 N4 0.9 N8 ode45 0.8 frequency of cooperation 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 cost to benefit ratio r Vergleich der Ergebnisse von NetLogo und Differentialgleichungen Die obere Grafik zeigt die erste NetLogo Implementierung, die untere Grafik zeigt die verbesserte Implementierung 7

3 Ausblick Es wäre bei diesem Beispiel sicher interessant noch genauer die auftretenden Strukturen, beeinflusst durch unterschiedliche Selektionsfunktionen zu untersuchen, vermutlich wären auch ähnliche fraktale Strukturen in der realen Welt zu finden. Interessant wäre auch ein Vergleich der verwendeten Selektionsfukntionen in aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten, da es hier vermutlich viele verschiedene Zugangsweisen gibt. Hier würde sich vor allem die Untersuchung anbieten, ob mit anderen Selektionsfunktionen die entdeckten Phänomene noch immer in gleicher Form auftreten. Diese Arbeit hat uns wieder einmal gezeigt, dass man besonders bei zellulären Automaten immer besonders auf Kleinigkeiten achten muss, da man ansonsten Verfälschungen durch emergente Prozesse zu erwarten hat. 8