Inhaltsverzeichnis Statik

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Transkript:

Inhaltsverzeichnis 1 Statik 1 1.1 Kraft........................................... 1 1.2 Zentrales Kräftesystem................................. 3 1.2.1 Zusammenfassung von zentralen Kräften................... 4 1.2.2 Berechnung der Resultierenden eines zentralen Kräftesystems....... 5 1.2.3 Zerlegen einer Kraft in der Ebene....................... 6 1.2.4 Gleichgewicht eines zentralen Kräftesystems................. 9 1.2.5 Gleichgewicht von zwei Kräften........................ 10 1.2.6 Gleichgewicht haltende Kraft eines zentralen Kräftesystems........ 11 1.3 Wechselwirkungsgesetz................................. 13 1.4 Schnittprinzip...................................... 14 1.5 Aufgabenstellung und Abstraktion.......................... 16 1.6 Nichtzentrale Kräftesysteme.............................. 19 1.6.1 Zusammensetzen von ebenen Kräften mit verschiedenen Angriffspunkten. 19 1.6.2 Kräfte mit parallelen oder fast parallelen Wirkungslinien.......... 21 1.6.3 Gleichgewicht von drei Kräften in der Ebene: Dreikräftesatz........ 22 1.6.4 Gleichgewicht von vier Kräften in der Ebene................ 29 1.7 Räumliches Kräftesystem............................... 33 1.7.1 Moment einer Kraft bezüglich eines Punktes................ 33 1.7.2 Das Kräftepaar................................. 35 1.7.3 Parallelverschieben einer Kraft........................ 36 1.7.4 Zusammenfassen von Momenten von Einzelkräften............. 38 1.7.5 Zusammenfassen von Kräften und Momenten................ 41 1.8 Gleichgewicht des starren Körpers.......................... 42 1.8.0.1 Gleichgewichtsbedingungen für starre Körper........... 42 1.8.0.2 Lineare Abhängigkeit von Bilanzgleichungen........... 45 1.9 Ebene Lagerungen................................... 46 1.10 Statische Bestimmtheit von ebenen Lagerungen................... 48 1.11 Lagerungen im dreidimensionalen Raum....................... 49 1.12 Kräftemittelpunkt und Schwerpunkt......................... 51 1.12.1 Definition des Kräftemittelpunktes...................... 51 1.12.2 Berechnung des Schwerpunktes........................ 53 1.13 Reibung......................................... 58 1.13.1 Haftreibung und Gleitreibung......................... 58 1.13.2 Selbsthemmung................................. 63 1.13.2.1 Selbsthemmug am Keil....................... 63 1.13.3 Seilreibung................................... 67 1.14 Schnittlasten...................................... 71 1.14.1 Schnittlasten in ebenen Balken........................ 72 1.14.2 Verallgemeinerung für beliebig verteilte Lasten auf ebenen Balken.... 78 1.14.3 Schnittlasten in ebenen Rahmen....................... 82 1.14.4 Schnittlasten in Wellen............................ 83 1.15 Arbeit.......................................... 85 1.15.1 Arbeit von Kräften............................... 85 1.15.2 Arbeit von Momenten............................. 89 1.15.3 Arbeit der an einem starren Körper angreifenden Kräfte und Momente.. 90 1.15.4 Prinzip der virtuellen Arbeit......................... 91 1.15.5 Gleichgewichtslage und Stabilität....................... 96

2 Festigkeitslehre 100 2.1 Spannungsvektor.................................... 102 2.1.1 Einachsiger Spannungszustand........................ 103 2.1.2 Ebener Spannungszustand........................... 105 2.1.2.1 Anwendung des Mohrschen Spannungskreises........... 108 2.1.3 Hauptspannungen und Hauptspannungsrichtungen............. 110 2.1.4 Räumlicher Spannungszustand........................ 113 2.1.5 Gleichgewichtsbedingungen am Freischnitt, falls am Volumenelement äußere Kräfte angreifen............................... 114 2.2 Deformationzustand und Spannungs-Dehnungs-Beziehung............. 117 2.2.1 Einachsiger Spannungszustand: Dehnung und Querkontraktion...... 117 2.2.1.1 Dehnung............................... 117 2.2.1.2 Querkontraktion........................... 119 2.2.2 Reiner Schub und Scherung.......................... 120 2.2.3 Linearisierung und Superpositionsprinzip.................. 121 2.2.4 Räumlicher Deformationszustand....................... 122 2.2.5 Beziehung zwischen Elastizitäts-, Schubmodul und Querkontraktionszahl 124 2.2.6 Verschiebung.................................. 125 2.2.7 Zusammenhang von Dehnung und Verschiebung eines räumlichen Elementes126 2.2.8 Die Navierschen Gleichungen für Gleichgewicht............... 127 2.2.9 Volumenänderung............................... 129 2.2.10 Gerader Stab.................................. 129 2.3 Wärmedehnung..................................... 135 2.4 Verbundwerkstoffe................................... 137 2.5 Piezoelektrizität.................................... 139 2.6 Fachwerke........................................ 140 2.6.1 Statisch bestimmtes Fachwerk......................... 140 2.6.2 Statisch unbestimmtes Fachwerk....................... 145 2.6.3 Ausnahmefachwerk............................... 149 2.7 Flächentragwerke.................................... 152 2.7.1 Gleichförmig belastete Scheibe........................ 152 2.7.2 Rohr unter Überdruck und zylindrischer Kessel............... 153 2.8 Balkenbiegung..................................... 158 2.8.1 Spannungs-, Dehnungsverteilung und Krümmungsradius.......... 158 2.8.2 Differentialgleichung der elastischen Linie.................. 161 2.8.3 Flächenträgheitsmomente einfacher und zusammengesetzter Querschnittsflächen..................................... 162 2.8.4 Berechnung von Biegelinien.......................... 165 2.8.5 Übertragung bereits bekannter Ergebnisse auf andere Fragestellungen.. 168 2.8.6 Kombinierte Probleme mit Balken und Stäben............... 169 A Anhang: Vektoren, Vektorrechnung, Vektoranalysis i A.1 Symbolische und grafische Darstellung von Vektoren................ i A.2 Darstellung von Vektoren in kartesischen Koordinatensystemen.......... ii A.3 Addition von Vektoren................................. iii A.4 Subtraktion von Vektoren............................... iv A.5 Produkte von Vektoren................................ iv A.5.1 Skalares oder inneres Produkt von Vektoren................. iv A.5.2 Vektor-, Kreuz- oder äußeres Produkt dreidimensionaler Vektoren.... v A.5.3 Spatprodukt.................................. vi A.5.4 Dyadisches oder tensorielles Produkt..................... vi A.5.5 Indexschreibweise und Tensorkalkül in kartesischen Koordinaten..... vii A.6 Analysis und Vektoranalysis.............................. xi

A.6.1 Partielle Ableitung............................... xi A.6.2 Der Gradient.................................. xii A.6.3 Die Divergenz.................................. xiv A.6.4 Die Rotation.................................. xv A.6.5 Vollständiges, exaktes oder totales Differential............... xvi B Literaturempfehlungen xvii B.1 Statik.......................................... xvii B.2 Festigkeitslehre..................................... xvii B.3 Dynamik........................................ xvii

1 Statik 1.1 Kraft Folgende Eigenschaften bestimmen eine Kraft: Größe (engl. magnitude) Richtung (engl. direction) Richtungssinn (engl. sense) Angriffspunkt (engl. application point) Einheit der Kraft: 1 Newton = 1 N = 1 kg m/s 2 Der Kraftvektor ist damit ein gebundener Vektor. Seine symbolische Darstellung lautet: F Lageplan Kraftplan (hier für F > 0) Größe F Richtungssinn Angriffspunkt P F Wirkungslinie (Richtung) Maßstab: 1 N Abb. 1.1.1: Eigenschaften und grafische Darstellung einer Kraft F in Lage- und Kraftplan Dargestellt ist in Abb. 1.1.1 eine Kraft F mit einem Betrag von 2 N, die unter einem bestimmten Winkel nach rechts oben weist (Richtungssinn der Kraft). Im Lageplan oder Freischnittdiagramm (engl. free-body diagram) wird eine maßstäbliche Darstellung der Geometrie mit dem Kraftangriffspunkt P, der Wirkungslinie (Richtung) und dem Richtungssinn der Kraft gegeben. Der Lageplan und auch das Freischnittdiagramm (siehe auch Abschnitt 1.4) sind Voraussetzung jeder Lösung von Aufgaben der Statik, aber auch in der Festigkeitslehre und in der Dynamik in den allermeisten Fällen. Wir wollen deshalb schon an dieser Stelle einführen, auch wenn wir etwas vorgreifen müssen, was in einem Lageplan oder einem Freischnittdiagramm einzutragen ist. Darstellung des Körpers schematisch, für grafische Lösungen unbedingt maßstäblich Eintragung aller bekannten und unbekannten Kräfte und aller bekannten und unbekannten Momente in geometrisch richtiger Anordnung Bei der grafischen Lösung von Aufgaben der Statik tritt dem Lageplan ein Kraftplan zur Seite. Im Kraftplan wird unter Berücksichtigung von Richtung und Richtungssinn der Kraft zusätzlich die Größe des Kraftvektors maßstäblich wiedergegeben. Der Kraftplan nimmt durch Parallelverschiebung der Wirkunglslinien Bezug auf die Richtung der Kräfte, wie sie im Lageplan auftreten. 1

In der Statik werden nur starre Körper betrachtet, das sind solche, die sich unter Belastung überhaupt nicht verformen. Unter der Voraussetzung, dass der Körper starr ist, kann der Kraftangriffspunkt der Kraft entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden, ohne dass sich die Belastung des Körpers ändert. Damit ist in der Statik die Kraft kein streng gebundener Vektor, sondern wird zu einem linienflüchtigen Vektor. 1) Umgekehrt folgt: Zwei Kräfte gleicher Größe und gleichen Richtungssinns auf derselben Wirkungslinie sind statisch äquivalent. Abb. 1.1.2 zeigt ein Beispiel für statisch äquivalente Belastung: Lageplan Wirkungslinie W F2 P 1 P 1 P 2 Wirkungslinie W F1 P 2 Abb. 1.1.2: Statisch äquivalente Belastung eines starren Körpers durch eine Kraft F Die beiden Belastungsfälle sind statisch äquivalent, falls für die Kräfte gilt: = und die Wirkungslinien beider Kräfte gehen durch die Punkte P 1 und P 2. Übungen 1. Nennen Sie Beispiele aus der Alltagserfahrung, in denen eine Kraft nicht entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden kann, ohne dass dies unterschiedliche Auswirkungen auf den belasteten Körper hat. g 2. Betrachten sie die beiden Abbildungen eines gehaltenen Balles. - Welche unterschiedliche Qualität haben die beiden Beispiele? - Was sagen die Beispiele über das Parallelverschieben einer Kraft aus? 1) Das Konzept des starren Körpers hat nur Berechtigung in der klassischen Mechanik. Es ist inkonsistent mit Prinzipien der Relativitätstheorie. Da bei einem starren Körper alle Punkte des Körpers auf eine plötzlich in einem lokalen Angriffspunkt aufgeprägten Kraft gleichzeitig reagieren, impliziert dies, dass sich die Wirkung dieser Kraft innerhalb des Körpers mit unendlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Dies widerspricht aber der Grundannahme der Relativitätstheorie, nach der Wirkungen sich nicht schneller als mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c 0 ausbreiten können. Bei realen Krpern breiten sich wegen ihrer Deformierbarkeit Wirkungen üblicherweise mit der für den Körper spezifischen Schallgeschwindigkeit aus. Die Schallgeschwindigkeit eines starren Körpers ist dementsprechend unendlich groß. 2

1.2 Zentrales Kräftesystem Lageplan Schneiden sich die Wirkungslinien aller Kräfte, die an einem starren Körper angreifen, in einem einzigen Punkt, so bilden die Kräfte ein zentrales Kräftesystem. P 1 W F2 W F3 P P 3 P 2 F 3 W F1 Abb. 1.2.3: Ein zentrales Kräftesystem an einem starren Körper Der Lageplan der Abb. 1.2.3 zeigt ein zentrales Kräftesystem an einem starren Körper aus den drei Kräften, und. Alle Kräfte greifen am Punkt P an. Übungen - Warum ist in Abb. 1.2.3 der Spezialfall enthalten, dass die Kräfte einen gemeinsamen Kraftangriffspunkt besitzen? - Skizzieren Sie für diesen Belastungsfall mindestens einen statisch äquivalenten Lageplan! 3

1.2.1 Zusammenfassung von zentralen Kräften Zentrale Kräftesysteme können statisch äquivalent durch ihre Resultierende ersetzt werden. Die Aussage gilt auch für räumliche Probleme, wird aber hier wegen der im Folgenden grafisch durchgeführten Ermittlung der Resultierenden in einem Kraftplan nur für den zweidimensionalen Fall demonstriert 2). Lageplan 1 W F2 Kraftplan F 3 W Rt W F3 P R R t F 3 W R W F1 Lageplan 2 Lageplan 3 W R P P R t W Rt R Abb. 1.2.4: Zusammenfassung eines zentralen Kräftesystems aus Abb. 1.2.3 zu einer statisch äquivalenten resultierenden Kraft am starren Körper Die Kräfte des zentralen Kraftsystems von Abb. 1.2.3 werden aus dem dazugehörigen Lageplan 1 in den Kraftplan übertragen (Parallelverschiebung), wobei zur Darstellung ihrer Größe ein gemeinsamer Maßstab gewählt wird. Die Vektoraddition kann dann im Kraftplan durch Hintereinanderhängen der parallelverschobenenn Kraftvektoren grafisch durchgeführt werden. Man ermittelt damit die Richtung der Wirkungslinie der Resultierenden, den Richtungssinn und die Größe der Resultierenden. Dieser Zusammenhang kann symbolisch durch die Gleichung (1.2.1) R = F1 + + F 3 formuliert werden. 2) Zur Unterscheidung dreidimensionaler Körpern von zweidimensionalen sollen erstere durch einen Glanzpunkt in der Graufärbung, letztere durch einheitliches Grau dargestellt werden. 4

Im Lageplan 2 werden die Kräfte statisch äquivalent durch die Resultierende ersetzt. Dazu wird die Richtung der Wirkungslinie der Resultierenden aus dem Kraftplan übertragen. Die Wirkungslinie der Resultierende geht außerdem durch den gemeinsamen Schnittpunkt der Wirkungslinien der ursprünglichen Kräfte. Die Anzahl der Kräfte ist dabei nicht beschränkt. Es können auch Teilresultierende gebildet werden. Entsprechend stellt die Situation des Lageplans 3 mit (1.2.2) F1 und Rt = + F 3 auch eine statisch äquivalente Situation dar. 1.2.2 Berechnung der Resultierenden eines zentralen Kräftesystems Symbolisch wird die Resultierende durch folgende Gleichung beschrieben: n (1.2.3) R = F i i=1 Bei der rechnerischen Zusammenfassung von zentralen Kräftesystemen können wir ohne zusätzlichen Aufwand auch den dreidimensionalen Fall betrachten. Für ein kartesischen Koordinatensystems mit den Einheitsvektoren i, j, und k erhalten wir: (1.2.4) Kräfte: Fi = F ix i + F iy j + F iz k, i = 1,..., n Resultierende: R = Rx i + R y j + R z k mit R x = n F ix, i=1 R y = n F iy, i=1 R z = n Dies sieht man auch am Krafteck des Kraftplans unseres vorigen zweidimensionalen Beispiels mit F iz 0, i = 1,..., 3 sofort ein. F iz i=1 Kraftplan y F 3 R x W R Abb. 1.2.5: Grafische Repräsentation einer Resultierenden aus drei Kräften Ferner gilt: (1.2.5) Betrag der Resultierenden: R = Richtungssinn: R 2 x + R 2 y + R 2 z cos α = R x R, cos β = R y R, cos γ = R z R 5

1.2.3 Zerlegen einer Kraft in der Ebene Schneiden sich die Wirkungslinie W F der Kraft F und zwei weitere Wirkungslinien W 1 und W 2 in einem gemeinsamen Punkt P, so lässt sich der Prozess der Zusammensetzung von Kräften zu einer Resultierenden eindeutig umkehren. Die Kraft F übernimmt dabei die Rolle der Resultierenden. Grafische Lösung Lageplan 1 Kraftplan Lageplan 2 W 2 W 2 W 2 W F P F F W 2 P W 1 W 1 W 1 W 1 Abb. 1.2.6: Zerlegung einer Kraft zu einem zentralen Kräftesystem an einem starren Körper Aus dem Krafteck im Kraftplan der Abb. 1.2.6 ergeben sich dabei eindeutig - der Richtungssinn der gesuchten Kräfte und unabhängig von der Reihenfolge in der diese angeordnet sind (Kräfteparallelogramm), - die Größe der gesuchten Kräfte und, so dass diese in den Lageplan 2 anstelle der Kraft F eingetragen werden können. Die beiden Kräfte und belasten den Körper statisch äquivalent verglichen mit der Belastung durch die Kraft F alleine. Zusammenfassung der Lösungsschritte für die grafische Lösung 1. Erstellen eines Lageplans, in dem die gegebene Kraft F (nicht notwendig maßstäblich) und die korrekte Lage ihrer Wirkungslinie eingetragen wird 2. Eintragen der Wirkungslinien W 1 und W 2 der gesuchten Kräfte und in den Lageplan 3. Übertragung der Kraft F in einen maßstäblichen Kraftplan 4. Parallelverschiebung der Wirkungslinien der gesuchten Kräfte in den Kraftplan, so dass alle Wirkungslinien ein Dreieck bilden 5. Konstruktion des Kraftecks Festlegung des Richtungssinns, der Richtung und der Größe der gesuchten Kräfte, so dass die Kraft F als Resultierende der Kräfte und erscheint. 6

Rechnerische Lösung Ausgangspunkt für die Bestimmung der Kräfte ist auf jeden Fall wieder ein Lageplan. * In diesem Lageplan werden die beiden gesuchten Kräfte auf den vorgegebenen Wirkungslinien platziert und zwar mit einem beliebig angenommenem Richtungssinn. Wir wollen Sie deshalb in unserem Beispiel von den grafisch bestimmten Kräften unterscheiden und mit einem Stern kennzeichnen: F 1 und F 2 3). y W F P β 1 * β 2 F α W 2 Im ebenen Fall müssen also die vier unbekannten Koordinaten der Kräfte F 1 und F 2 bestimmt werden. Für die rechnerische Bestimmung stehen nun zunächst folgende Gleichungen zur Verfügung: x W 1 Abb. 1.2.7: Lageplan eines zentralen Kräftesystems an einem starren Körper (1.2.6) F x = F 1x + F 2x F y = F 1y + F 2y Da die Richtungssinne der Kräfte F 1 und F 2 vorgegeben sind, lassen sich wegen der bekannten Richtung der Wirkungslinien zwei weitere Gleichungen formulieren, die die Koordinaten Fix und Fiy ins passende Verhältnis zueinander setzen, so dass die Kräfte in jedem Fall (unabhängig vom Vorzeichen der Komponenten) die Richtung der Wirkungslinien haben. Es gilt zum Beispiel für den Winkel mit der x-achse: tan β i = F iy F ix, i = 1, 2 oder alternativ: (1.2.7) F 1x = F 1 cos β 1, F 1y = F 1 sin β 1 F 2x = F 2 cos β 2, F 2y = F 2 sin β 2 Für die gegebene Kraft F gilt entsprechend: (1.2.8) F x = F cos α, F y = F sin α Man erhält endgültig zwei Gleichungen für die beiden Unbekannten F 1 und F 2 nämlich (1.2.9) +F cos α = F 1 cos β 1 + F 2 cos β 2 F sin α = F 1 sin β 1 + F 2 sin β 2 3) Da wir die grafische Lösung bereits ermittelt haben, wissen wir Folgendes: Der beliebig angenommene Richtungssinn der Kraft F 1 stimmt nicht mit dem grafisch ermittelten Richtungssinn der Kraft überein. Wir erwarten also folgendes Ergebnis: F 1 = Bei der Kraft ist dies genau anders. Hier erwarten wir: F2 = + F 2 7

Man überzeuge sich nun davon, dass sich nach Ausrechnung bei unserem Beispiel folgende Vorzeichen ergeben: (1.2.10) F 1 < 0 und F 2 > 0! Das heißt: die Kraft auf der Wirkungslinie W 1 weist genau den entgegengesetzten Richtungssinn auf, wie im Lageplan zunächst angenommen, die Kraft auf der Wirkungslinie W 2 folgt jedoch dem angenommenen Richtungssinn. Daher folgern wir im Vergleich mit der grafischen Lösung (1.2.11) F 1 = und F 2 =, was mit der grafischen Lösung letztlich übereinstimmt! Zusammenfassung der Lösungssschritte für die rechnerische Lösung: 1. Erstellen eines Lageplans, in dem die gegebene Kraft F (nicht notwendig maßstäblich) und die korrekte Lage ihrer Wirkungslinie eingetragen wird 2. Eintragen der Wirkungslinien W FG1 und W FG2 der gesuchten Kräfte 3. Wahl eines rechtwinkligen x, y-koordinatensystem 4. Eintragung der unbekannten Kräfte in den Lageplan mit der vorgeschriebenen Richtung, aber beliebigem Richtungssinn 5. Auswertung der Gleichung F = +, die die Aufteilung der Kraft F in zwei beliebige Kräfte und beschreibt, für die x- und y-richtung 6. Aufstellen weiterer Gleichungen, die Richtung und Richtungssinn der im Lageplan definierten unbekannten Kräfte und berücksichtigt 7. Lösen des Gleichungssystem für die Koordinaten oder die skalaren Faktoren der unbekannten Kräfte. 8

1.2.4 Gleichgewicht eines zentralen Kräftesystems Ein zentrales Kräftesystem ist dann im Gleichgewicht - so als ob keine Kräfte wirken -, wenn die Resultierende aller Kräfte verschwindet. symbolisch: n (1.2.12) R = F i = 0 rechnerisch: i=1 (1.2.13) n F ix = 0, i=1 n F iy = 0, i=1 n F iz = 0 i=1 Grafisch bedeutet dies, dass das Krafteck des Kraftplans einen geschlossenen Kurvenzug darstellt. Für den zweidimensionalen Fall ist dies in Abb. 1.2.8 veranschaulicht. Lageplan W F2 Kraftplan W F2 P W F3 F 3 F 3 W F1 Abb. 1.2.8: Gleichgewicht eines zentralen Kräftesystems am starren Körper 9

1.2.5 Gleichgewicht von zwei Kräften Wir betrachten nun als Spezialfall ein zentrales Kraftsystem mit nur zwei Kräften an einem starren Körper (Lageplan 1). Einerseits dürfen wir die Kräfte entlang ihrer Wirkungslinie verschieben, so dass wir ein statisch äquivalentes System erhalten wie in Lageplan 2 dargestellt. Es ist klar, dass zwei Kräfte verschiedener Richtungen kein Gleichgewicht bilden können. Für Gleichgewicht müssen die beiden Kräfte entgegengesetzt gleich groß sein, und sie müssen auf einer gemeinsamen Wirkungslinie liegen. Dies ist im Lageplän 3 erfüllt 4). Im Lageplan 4 wird zusätzlich davon Gebrauch gemacht, dass die Form des starren Körpers keine Rolle spielt. Wir können uns deshalb den starren Körper auf das unbedingt Notwendige reduziert vorstellen, nämlich eine einfache starre Verbindung der beiden Kraftangriffspunkte. Die Lagepläne 3 und 4 sind untereinander statisch äquivalent. Wir folgern, dass jedes starre Bauteil, auf das nur zwei Kräfte einwirken, immer dann im Gleichgewicht ist, wenn die Kräfte auf einer gemeinsamen Wirkungslinie durch die Kraftangriffspunkte liegen und entgegengesetzt gleich groß sind. Ein Bauteil mit der Belastung wie im Lageplan 4 der Abb. 1.2.9 wird im Folgenden als Stab bezeichnet. Im Falle des starren Körpers unterscheidet sich demnach der Körper des Lageplans 3 im statischen Sinne nicht von einem Stab. Fluchten Kräfte an einem solchen Bauteil nicht mit der Bauteilachse, so wird das Bauteil Balken genannt. Lageplan 1 Lageplan 2 W F2 P 1 P W F1 P P 2 Lageplan 3 Lageplan 4 F F P 1 W F P 1 Stab P 2 P 2 F F Abb. 1.2.9: Zum Gleichgewicht von zwei Kräften an einem starren Körper 4) Die Lagepläne 3 und 4 sind untereinander, aber natürlich nicht mit den Lageplänen 1 und 2 statisch äquivalent. 10

1.2.6 Gleichgewicht haltende Kraft eines zentralen Kräftesystems In einem vorigen Beispiel haben wir die Resultierende mehrerer Kräfte eines zentralen Käftesystems ermittelt: n (1.2.14) R = F i i=1 Fügen wir eine weitere Kraft hinzu - die Gleichgewicht haltende Kraft -, die genau entgegengesetzt gleich groß zur Resultierenden R ist, dann schließt diese Kraft das Krafteck: (1.2.15) symbolisch: R = n i=1 F i n i=1 F i R = 0. Die Gleichgewicht haltende Kraft ist deshalb gegeben durch F G = R, so dass sich Gleichgewicht einstellt: (1.2.16) n F i + F G = 0. i=1 Für den starren Körper ist dies ununterscheidbar von dem Fall, dass überhaupt keine Kraft an ihm angreift (Lageplan 3). Lageplan 1 W F2 Kraftplan F 3 W F3 P R F 3 FG W R W F1 Lageplan 2 Lageplan 3 F G P P R Abb. 1.2.10: Gleichgewicht haltende Kraft für ein zentrales Kräftesystem am starren Körper 11

Beispiel Ein starrer Körper nach Skizze wird durch zwei Kräfte und belastet. Es sollen durch grafische Lösung zwei Gleichgewicht haltende Kräfte F G1 und F G2 gefunden werden mit horizontaler und vertikaler Richtung. W F2 W F1 P Grafische Lösung Lageplan W F2 W F1 Kraftplan W FG2 P W FG2 F G2 F G1 W FG1 W FG1 Die Größe der Kräfte F G1 und F G2 können im maßstäblichen Kraftplan abgelesen werden. Übung Lösen Sie die Aufgabe des vorstehenden Beispiels auch rechnerisch! 12

1.3 Wechselwirkungsgesetz Drittes Newtonsches Gesetz: actio = reactio (Kraft gleich Gegenkraft) Jeder Körper, der eine Kraft auf einen anderen ausübt, erfährt eine gleich große Kraft mit entgegengesetztem Richtungssinn (Gegenkraft). Pendelversuch mit zwei beliebig positiv (oder negativ) elektrisch geladenen, sich abstoßenden Körpern gleichen Gewichts an gleich langen Fäden: g s 1 s 2 Kraftplan für die abstoßenden Kräfte =F =F G =F =F G Abb. 1.3.11: Pendelversuch mit elektrisch geladenenen, sich abstoßenden Kugeln gleichen Gewichts Die Beobachtung zeigt s 1 = s 2. Es gilt dann in obigem Lageplan (Symmetrieforderung): = Symbolisch: (1.3.17) F1 = = F Die Gültigkeit des Wechselwirkungsgesetzt ist im Hinblick auf das später einzuführende Schnittprinzip von entscheidender Bedeutung. Übungen - Diskutieren Sie folgenden Witz: Junge! Was fällt dir ein, die Katze am Schwanz zu ziehen? Mama, ich halte ganz still, die Katze zieht! - Im abgebildeten Relief sehen Sie den historischen Versuch von Otto von Guericke zum Luftdruck. Welche Anzahl von Pferden belastet mit ihrer gemeinsamen Zugkraft die Verbindungsstelle zwischen den Halbkugeln? - Machen Sie sich Gedanken, ob durch ein mit dem obigen vergleichbares Pendelexperiment mit G 1 G 2 und Messung der Auslenkung der Pendel ebenso die Aussage = = F gefolgert werden kann! 13

1.4 Schnittprinzip Bei Berührung von Körpern untereinander üben diese Kräfte aufeinander aus. Solche Kräfte sind innere Kräfte des Systems. Beispielsweise in Abb. 1.4.12 werden sich die beiden Körper am Kontaktpunkt C im Allgemeinen nicht kräftefrei berühren. C I A Lageplan Körper I II F 3 B Diese inneren Kräfte müssen wegen der Gültigkeit des Wechselwirkungsprinzips entgegengesetzt gleich sein. Die Wechselwirkungskräfte üben also, betrachten wir als System beide Körper, keine resultierende Kraft aus. A I C C Lageplan Körper II F 3 Daraus folgt unmittelbar, dass wir die Kräfte bei Betrachtung des Gesamtsystems nicht berechnen können. Zur Berechnung einer Wechselwirkungskraft zerlegen wir deshalb das System in geeignete Teilsysteme, wie für die Berührung der beiden Körper im Punkt C in der nebenstehenden Darstellung ausgeführt. Abb. 1.4.12: Zerschneiden eines komplexen Systems in Teilsysteme und deren Lagepläne nach dem Schnitt In den so entstehenden Lageplänen der Teilsysteme Körper I und Körper II wird die Wechselwirkungskraft nun als Schnittkraft zur äußeren Kraft C und muss bei der Betrachtung der Belastung jedes Teilkörpers berücksichtigt werden. Denn es ist klar, dass die Größe und der Richtungssinn der Wechselwirkungskraft die Reaktion in den Auflagern an den Gelenken in Zusammenwirken mit den anderen belastenden Kräften bestimmt. Die Kräfte in den Auflagern, das sind die Anschlusspunkte des belasteten Körpers an die Umgebung, wollen wir Auflagerkräfte nennen. In Abb. 1.4 des Beispiels sind diese auch innere Kräfte. Um sie zu definieren und zu berechnen müssen deshalb die Körper vollständig von ihrer Umgebung getrennt werden. Dazu ist erforderlich dass die Schnittkontur eine das Teilsystem vollständig umschließende Oberfläche oder Kontrollfläche ist. Dies führt auf das außerordentlich wichtige und hilfreiche Freischnittdiagram (engl. free-body diagram). A I C Freischnitt Körper I II F 3 II geschlossene Kontrollfläche B B Da in Abb. 1.4.13 unten das untere linke Auflager ebenfalls abgetrennt worden ist, müssen dort die geeigneten Wirkungen der Umgebung auf unser Teilsystem eingetragen werden. Diese sind von der Art des Auflagers abhängig. Hier ist ein Gelenk als Auflager dargestellt. Wir lassen die Bestimmung der Auflagerreaktionen am Gelenk zunächst offen, gekennzeichnet durch ein Fragezeichen, und widmen uns dieser und ähnlicher Fragen später im Abschnitt 1.9.? I C Abb. 1.4.13: Vollständiger Freischnitt des Körpers I Die in den Abb. 1.4.12 und 1.4.13 dargestellten Körper I und II können selbst wieder komplexe Systeme sein, die mehrere Teilkörper und klassische Bauteile der Technischen Mechanik wie Stäbe, Balken, Gelenke usw. enthalten. 14

Diese innere Struktur der Teilkörper kann bei den gezeigten Schnitten jedoch vollkommen unberücksichtigt bleiben. Lediglich an den Rändern, an denen Teilsysteme oder Auflager abgeschnitten wurden, ist die Umgebung durch ihre Wirkung auf den Teilkörper zu ersetzen, hier für Körper I etwa die Kontaktkraft C und die noch nicht spezifizierte Auflagerreaktion bei A. Sind diese Schnittreaktionen und alle am Teilkörper angreifenden äußeren Kräfte mit ihrer geometrischen Anordnung relativ zum Körper, für Körper I also die beiden Kräfte und, im Freischnitt richtig vermerkt, so liefert der Freischnitt eine vollständige Beschreibung des statischen Problems. Ein Freischnitt kann also als eine Black Box aufgefasst werden, über deren innere Struktur weiter nichts bekannt sein muss. Im Abschnitt 2.1.5, S. 114 ff. wird dieser Sachverhalt nochmals aufgegriffen und mathematisch begründet. A I C Freischnitt Körper I? I geschlossene Kontrollfläche C II F 3 Abb. 1.4.14: Freischnitt des Teilsystems I als Black Box dargestellt B Zusammenfassung Wir haben in beiden vorstehenden Abschnitten 1.3 und 1.4 das Dritte Newtonsche Gesetz oder Wechselwirkungsgesetz actio=reactio eingeführt und das komplementäre, außerordentlich wichtige Schnittprinzip kennengelernt. Wir haben zwischen äußeren und inneren Kräften unterschieden und gesehen, dass sich innere Kräfte erst durch Freischnitte offenbaren und erst im Freischnitt als Belastung eines Systems wirksam werden. Im Freischnitt nämlich werden die an der Schnittkontur freigelegten inneren Kräfte des ungeschnittenen Gesamtsystems zu äußeren Kräften am Teilsystem. Das Konzept des Freischnitts ist als Lösungsmethode in Problemen der Statik, der Festigkeitslehre und der Dynamik herausragend. Die inneren Strukturen eines Teilsystems können im Freischnitt vollständig außer Acht gelassen werden. Ein Freischnitt kann als Black Box aufgefasst werden. Für die korrekte Beschreibung des statischen Problems müssen nur alle äußeren Belastungen am System mit ihrer richtigen geometrischen Anordnung eingetragen werden. Zu den äußeren Belastungen gehören alle Schnittreaktionen am System und alle am Gesamtsystem definierten äußeren Belastungen, sofern sie am betrachteten Teilsystem angreifen. 15

1.5 Aufgabenstellung und Abstraktion Wir haben bereits in den vorigen Abschnitten oft nur ebene Probleme betrachtet. Für den Wissenschaftler und Ingenieur ist es wichtig, die komplexe Realität sinnvoll soweit zu vereinfachen, dass sie einer mathematischen und technischen Lösung zugängig wird. Dies erfordert ein notwendiges Maß an Vereinfachung und Abstraktion. Reale Situation in drei Dimensionen Abstraktionsschritte 1. Zweidimensionales Modell anhängendes schweres Gewicht 2. Einführung reibungsfreier Gelenke und masseloser Stäbe W S1 Stab 1 W G W S2 Gelenk Stab 2 G Abb. 1.5.15: Reale Situation und mehrere Abstraktionsstufen zum vereinfachten Modellproblem Die Rechtfertigung solcher Vereinfachungen kann nur im Kontext mit dem Anwendungsfall erfolgen. 16

Beispiel Fachwerk C Ein Fachwerk gegebener Geometrie aus zwei Stäben 1 und 2 wird durch eine bekannte Kraft F belastet. Gesucht sind die Kräfte S 1 und S 2 in den Stäben 1 und 2 durch grafische und rechnerische Lösung. A B 1 2 α β F Grafische Lösung: Die Lösung beginnt mit dem Festlegen und Zeichnen eines geeigneten Freischnitts, hier des Gelenkknotens bei C. Wie wir uns in Abschnitt 1.2.4 klargemacht haben, geben die Stäbe die Richtung der Wirkungslinien der Kräfte vor. Kontrollsystem um C Lageplan des freigeschnittenen Gelenkknotens C A B 1 2 α β C F W S1 C W S2 W F Kraftplan zum Freischnitt W S2 Lageplan (vervollständigt) W S1 C S 1 S 1 F S 2 S 2 WF Die Wirkungslinien können daher im Freischnitt eingetragen und im dazugehörigen Kraftplan zur Zerlegung der belastenden Kraft herangezogen werden. Die Gleichgewichtsforderung, dass das Krafteck geschlossen ist, legt im nächsten Schritt den Richtungssinn und die Größe der Stabkräfte eindeutig fest. Die so ermittelten Stabkräfte können qualitativ in den Freischnitt übertragen werden. Man erkennt, dass der Stab 1 auf Zug ( Zugstab) und der Stab 2 auf Druck ( Druckstab) belastet wird, was auch der Intuition entspricht. 17

Rechnerische Lösung: Die Lösung beginnt ebenfalls mit dem Festlegen und Zeichnen eines geeigneten Freischnitts des Gelenkknotens bei C. Zusätzlich wird ein geeignetes rechtwinkliges Koordinatensystem in den Lageplan eingetragen und es werden unbekannte Kräfte S 1 und S 2 5) eingezeichnet, die den Richtungen der Wirkungslinien folgen. Der Richtungssinn der Kräfte S 1 und S 2 kann beliebig gewählt werden 6). Kontrollsystem um C Lageplan des freigeschnittenen Gelenkknotens C A 1 2 α β C F S 1 * y C x B * S 2 W F Die Gleichgewichtsforderung, S 1 + S 2 + F = 0, wird nun für die beiden Koordinatenrichtungen ausgewertet: Fix = 0 : S1 S 2 cos α F cos β = 0 (1.5.18) Fiy = 0 : S2 sin α F sin β = 0 Dies sind zwei Gleichungen für die beiden Unbekannten S1 und S 2. Ausrechnung liefert: (1.5.19) S 2 = F sin β sin α, S 1 = F cos α sin β sin α cos β sin α = F sin(β α) sin α Jedes Ergebnis sollte auf seine Plausibiliät abgeklopft werden. Dazu eignen sich besonders einfache Spezialfälle, bei denen wir die gefundene Lösung auf Plausibilität abklopfen können. Wählen wir zum Beispiel β = 0 oder β = π (die Kraft F folgt der Richtung der Wirkungslinie des Stabes 1) ergibt sich: S 1 = F oder S 1 = F, S 2 = 0 Entsprechend für β = α oder β = α + π (die Kraft F folgt der Richtung der Wirkungslinie des Stabes 2) ergibt sich: S 1 = 0, S 2 = F oder S 2 = F oder Diskussion und Überprüfung der Vorzeichen der Ausrechnung für verschiedene Winkel β der angreifenden Kraft. Mit sin α > 0 ergibt sich: S 1 > 0 (Zugstab) für β α < π also β < π + α, S 1 < 0 (Druckstab) für β > π + α S 2 < 0 (Druckstab) für 0 < β < π, S 2 > 0 (Zugstab) für π < β < 2π Man prüft die Stimmigkeit leicht, wenn man Kraftecke für die angenommenen Winkel zeichnet. Insbesondere ergibt sich für den Winkel β der Aufgabenstellung, dass immer gilt: S 1 = S 1 und S 2 = S 2 5) Der hochgestellte Index dient lediglich zur Unterscheidung der hier eingeführten Kräfte von denen der grafischen Lösung. Wir erwarten in diesem Fall natürlich, dass S 1 = S 1 und S 2 = S 2 sind. 6) Es ist zweckmäßig als Standard für Stäbe stets Zugkräfte anzunehmen. Der Zweck dieser Vereinbarung ist es, dass in der Festigkeitslehre dann die Vorzeichen von Stabkräften und Stabdehnungen in der Beziehung zwischen Spannungen und Dehnungen sinnvoll miteinander verknüpft sind. 18

A Anhang: Vektoren, Vektorrechnung, Vektoranalysis A.1 Symbolische und grafische Darstellung von Vektoren Vektoren unterscheiden sich von einfachen reellen Zahlen, die in dieser Systematisierung als Skalare bezeichnet werden. Vektoren besitzen eine Länge oder Größe (engl. magnitude), zusätzlich eine Richtung (engl. direction) und einen Richtungssinn (engl. sense). symbolisch: lateinischer Buchstabe mit Vektorpfeil: a grafisch 1) : a Der gezeichnete Pfeil bezeichnet den Richtungssinn und a den skalaren Faktor (nicht Betrag! ) in Bezug zum Richtungssinn. Daraus ergibt sich Folgendes: a > 0 : Richtungssinn des Vektors a wie dargestellt a < 0 : Richtungssinn des Vektors a entgegen der Pfeilrichtung a - a Daraus folgt: Äquivalente grafische Darstellungen ein und desselben Vektors a : Übung a) Stellen Sie einen von Ihnen beliebig gewählten Vektor grafisch dar! Für einen zweiten Vektor gelte in symbolischer Schreibweise =. b) Stellen Sie den so definierten Vektor in drei verschiedenen äquivalenten Versionen grafisch dar! c) Ist die Aussage = richtig? Spielt es dabei eine Rolle, ob > 0 oder < 0 ist? Lösung a) b) - - - c) Die erste Darstellung des Vektors F 2 zeigt, dass die Aussage =, die sich nur auf den skalaren Faktor von F 2 bezieht, richtig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der skalare Faktor ursprünglich größer oder kleiner als Null ist, wie man nach Umkehrung aller Pfeile sofort sieht. 1) Diese Darstellung wird hier in der Mechanik gewählt im Hinblick auf die sehr wichtigen Werkzeuge Lageplänen und Freischnittdiagramm. Hierdurch kann die Aussage des Dritten Newtonschen Axioms actio=reactio grafisch eindeutig umgesetzt werden. Dies wird in den Abschnitten zum Wechselwirkungs- und Schnittprinzip des Umdrucks Mechanik I unmittelbar klar. i

A.2 Darstellung von Vektoren in kartesischen Koordinatensystemen Besonders einfach kann mit einem Vektor gerechnet werden, wenn seine Darstellung auf ein kartesisches Koordinatensystem Bezug nimmt. z z x y x a z a x a a y y Abb. A.2.0.1: Vektordarstellung in kartesischen Koordinaten Ein dreidimensionaler Vektor a kann offensichtlich durch die drei Koordinaten a x, a y und a z definiert werden. Die oben eingeführte symbolische Schreibweise a kann deshalb bedarfsweise auch als Zeile oder Spalte der drei Skalare a x (A.2.1) a := (a x, a y, a z ) bzw. a := a y a z geschrieben werden. Der Betrag des Vektors errechnet sich mit dem Satz des Pythagoras zu (A.2.2) a = a 2 x + a 2 y + a 2 z. Der Richtungssinn eines Vektors kann durch Angabe der Winkel zwischen den Koordinatenachsen und dem Vektor angegeben werden: (A.2.3) cos α = a x a, cos β = a y a, cos γ = a z a Übung Tragen Sie die Winkel α, β und γ in die obige Koordinatenzerlegung des Vektors ein! Es ist ferner hilfreich Einheitsvektoren in die Koordinatenrichtungen zu definieren. Symbolisch als Spaltenvektoren geschrieben sind die Einheitsvektoren durch (A.2.4) i :=, j :=, k := 1 0 0 definiert. Sie unterscheiden sich von einem allgemeinen Vektor a also dadurch, dass jeweils zwei Koordinaten verschwinden und die verbleibende dritte Koordinate den skalaren Faktor 1 hat. 0 1 0 0 0 1 z 1 i 1 x k j 1 y Man gelangt nun offensichtlich vom Fuß des Vektor a zu seinem Endpunkt an der Pfeilspitze, in dem man nacheinander in Richtung der Einheitsvektoren um jeweils eine Strecke, die durch die Koordinaten festgelegt wird, marschiert. Es gilt also in symbolischer Schreibweise: (A.2.5) a = a x i + a y j + a z k ii

Das Produkt aus Koordinaten und Einheitsvektoren stellt wieder Vektoren dar, die als Komponenten des Vektors bezeichnet werden: (A.2.6) a x = a x i, a y = a y i, a z = a z i Für kartesische Koordinaten können wir nun in einfacherweise die Addition und die Multiplikation von verschiedenen Vektoren einführen. A.3 Addition von Vektoren symbolisch: (A.3.1) c = a + b Wir nutzen die Darstellung (A.2.5) und erhalten (A.3.2) c = c x i + c y j + c z k sowie (A.3.3) c = a x i + a y j + a z k + bx i + b y j + b z k bzw. (A.3.4) c = (a x + b x ) i + (a y + b y ) j + (a z + b z ) k und durch Koeffizientenvergleich (A.3.5) c x = a x + b x, c y = a y + b y, c z = a z + b z. Vektoren können demnach addiert werden, indem ihre kartesischen Koordinaten oder ihre Komponenten addiert werden. Es gilt das Kommmutativgesetz. Entsprechend gilt für eine größere Zahl von Vektoren: (A.3.6) c = n a i mit c x = 1 n a ix, c y = 1 n a iy, c z = 1 n a iz. 1 Es gilt außerdem das Kommutativgesetz: (A.3.7) c = a + b = b + a Übung a) Stellen Sie für zwei von Ihnen beliebig gewählte zweidimensionale Vektoren a und b die Summe c = a+ b grafisch dar und zeigen Sie damit, dass das Kommutativgesetz a+ b = b+ a gilt! Erläutern Sie den Begriff Vektorparallelogramm! b) Diskutieren Sie die Erweiterung auf Vektoren höherer Dimensionalität? c) Diskutieren Sie die Erweiterung auf mehr als zwei Vektoren? iii

A.4 Subtraktion von Vektoren symbolisch: (A.4.1) c = a b = a + ( b) Es folgt sofort (A.4.2) c = a + ( b) = b + a = b ( a) = ( b + ( a)) = ( b a) und damit für die Koordinaten durch Koeffizientenvergleich: (A.4.3) c x = a x b x, c y = a y b y, c z = a z b z. Übung Stellen Sie für zwei von Ihnen beliebig gewählte zweidimensionale Vektoren a und b die Differenz c = a b grafisch dar und zeigen Sie damit, dass a b = ( b a) gilt! A.5 Produkte von Vektoren A.5.1 Skalares oder inneres Produkt von Vektoren Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist definiert als das Produkt der Beträge der Vektoren multipliziert mit dem Cosinus des eingeschlossenen Winkels. symbolisch: (A.5.1) s = a b = a b cos( a b), s R Aus der Definition folgt sofort das Kommutativgesetz (A.5.2) s = a b = b a. Übung a) Zeigen Sie, dass a a = ( a ) 2! b) Berechnen Sie die Skalarprodukte der Einheitsvektoren des kartesischen Koordinatensystems (A.2.4)! c) Berechnen Sie das Skalarprodukt s = a b für Vektoren a und b in kartesischer Darstellung! d) Nennen Sie ein Beispiel aus der Mechanik, für das das Skalarprodukt eine Rolle spielt? iv

A.5.2 Vektor-, Kreuz- oder äußeres Produkt dreidimensionaler Vektoren Das Vektorprodukt zweier Vektoren ist nur in drei Dimensionen definiert. Das Vektorprodukt der dreidimensionalen Vektoren a und b ergibt einen Vektor c mit folgenden Eigenschaften: der Vektor c steht senkrecht auf der durch die beiden Vektoren a und b aufgespannten Ebene sein Richtungssinn wird durch die Rechtsschraubenregel bei Drehung des ersten Vektors a auf kürzestem Wege in den Richtungssinn des zweiten Vektors b definiert (Rechte-Hand-Regel) c a b a b A seine Länge c ist durch die Größe der Fläche A des von den Vektoren aufgespannten Parallelogramms bestimmt. symbolisch: (A.5.3) c = a b Mit dem skalaren Wert: Abb. A.5.2.1: Orientierung der Vektoren beim Kreuzprodukt c = a b (A.5.4) c = a b sin( a b) Aus der Definition folgt sofort (A.5.5) c = a b = b a. Übung a) Beweisen Sie: c = a b = b a! b) Zeigen Sie, dass die Länge des Vektors c mit der Fläche A des Parallelogramms identisch ist, welches die Vektoren a und b aufspannen! c) Zeigen Sie, dass für die Einheitsvektoren eines rechtshändigen kartesischen Koordinatensystems (A.2.4) i i = 0, j j = 0, k k = 0, gilt! i j = k, j k = i, k i = j d) Zeigen Sie, dass für die Koordinaten des Vektors c = a b c x = a y b z a z b y, c y = a z b x a x b z, c z = a x b y a y b x gilt, wenn die Zahlen a x, a y, a z bzw. b x, b y, b z die rechtwinkligen kartesischen Koordinaten (A.2.1) der Vektoren a und b sind! d) Nennen Sie ein Beispiel aus der Mechanik, für das das Kreuzprodukt eine Rolle spielt? v

A.5.3 Spatprodukt symbolisch: (A.5.6) s = a ( b c), s R Aus den Definition von Skalar- und Kreuzprodukt folgt sofort (A.5.7) s = ( b c) a d = α β b a b c sinβ = A c A Abb. A.5.3.1: Das Spatprodukt s = a ( b c) und (A.5.8) s = a ( b c) = b ( c a) = c ( a b) = a ( c b) = b ( a c) = c ( b c) Übung Beweisen Sie, dass s = a ( b c) identisch mit dem Volumen V des von den drei Vektoren a, b und c aufgespannten Spates ist! A.5.4 Dyadisches oder tensorielles Produkt Das dyadische Produkt vervollständigt die möglichen Produkte von Vektoren in dem Sinne, dass das Skalrprodukt auf einen Skalar oder Tensor nullter Stufe führt, das Vektorprodukt einen neuen Vektor, eben einen Tensor erster Stufe, erzeugt und jetzt mit dem dyadischen Produkt ein ein Tensor zweiter Stufe definiert wird, dessen Struktur der einer Matrix entspricht. Mit dem dyadischen Produkt zweier Vektoren a R m und b R n wird allgemein der folgende Tensor zweiter Stufe c R m n (A.5.9) c = a b = a b tr = a 1. a m ( b 1 b n ) = a 1 b 1 a 1 b n..... a m b 1 a m b n mit c R m n definiert. Aus den Eigenschaften der Matrizenmultiplikation ergibt sich, dass das dyadische Produkt im Allgemeinen nicht kommutativ ist. Es gilt allerdings (A.5.10) a b = ( b a) tr Die Ausnahme bildet der Fall, dass der entstehende Tensor symmetrisch ist. Dies ist genau dann der Fall, falls m = n und die Vektoren gleichgerichtet sind: a = λ b. Rechenregeln zum dyadischen Produkt: Für das Skalarpodukt des dyadischen Produktes mit einem anderen Vektor c gilt: (A.5.11) c ( a b) = ( c a) b und ( a b) c = a ( b c) Wir werden diese Rechenregel bei der Umrechnung von Beziehungen der kinetischen Energie des starren Körpers verwenden, was es uns erlaubt den Massenträgheitstesor einzuführen. vi

In der Mechanik werden wir typischer Weise bei ebenen Problemen n = m = 2 und bei dreidimensionalen Problemen m = n = 3 vorfinden. In unserer Darstellung der Festigkeitslehre werden erstmals Tensoren zweiter Stufe mit dem Spannungs- und Dehnungstensor sowie dem Flächenträgstensor auftreten. In der Dynamik wird der Massenträgheitstensor bei der Kinetik des starren Körpers zur Formulierung der kietischen Energie und des Drehimpulses sowie des Drehimpulssatzes eine wichtige Rolle spielen. A.5.5 Indexschreibweise und Tensorkalkül in kartesischen Koordinaten Vektoren oder Tensoren können zusätzlich zu den angegebenenn Schreibweisen auch in Indexschreibwiese dargestellt werden. Wir wollen uns hier und im Folgenden auf eine rechtwinklige orthogonale Basis, die durch konstante Einheitsvektoren aufgespannt wird, beschränken 47). Dies ist bei einem kartesischen Koordinatensystem der Fall. Für einen Vektor oder Tensor erster Stufe und einen Tensor zweiter Stufe schreiben wir in der Indexschreibweise im Spezialfall n = 3: (A.5.12) a = a 1 a 2. a i, i = 1,..., n, T = T 11 T 12... T 1n T 21 T 22... T 2n...... T i,j, i, j = 1,..., n. a n T n1 T n2... T nn Vektoren besitzen demnach einen freien Index, Tensoren zweiter Stufe zwei freie Indizes und so weiter. Ein besonderes Beispiel für einen Tensor zweiter Stufe ist der Einheitstensor auch Kronecker- Delta genannt: 1 0 0 (A.5.13) δ ij = 0 1 0 0 0 1 Dies ist ein symmetrischer Tensor δ ij = δ ji. Entsprechend werden Tensoren höherer Stufe definiert. Beispielsweise ist der Levi-Civitasche Tensor ϵ ijk, ein Tensor dritter Stufe, er nützlich ist, das Kreuzprodukt im dreidimensionalen Raum zu formulieren. Setzt man, um die Indexschreibweise zu nutzen, für die kartesischen Basisvektoren (A.5.14) i = e 1, j = e 2, k = e3, 47) Ohne diese Beschränkung müssen die Einheitsvektoren e i zur Darstellung der Vektoren und Tensoren mitgeführt werden: statt einfach a = n a i e i. i=1 a a i, i = 1,..., n vii

so kann man den Levi-Civitaschen Tensor ϵ ijk über die Linearkombination (A.5.15) e j e k = 3 ϵ ijk e i i=1 der drei Basisvektoren ausdrücken, wobei die Entwicklungskoeffizienten durch die Spatprodukte (A.5.16) ϵ ijk = e i ( e j e k ) gegeben sind. Der Levi-Civitasche Tensor ist damit ein vollständig unsymmetrischer Tensor ε ijk = 0 0 0 0 1 0 0 0-1 0 1 0 0-1 0 0-1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 (A.5.17) ϵ ijk = ϵ ikj = ϵ jik, Abb. A.5.5.1: Der Levi-Civitasche Tensor ϵ ijk woraus sich mit der Setzung ϵ 123 = 1 sofort zwingend (A.5.18) ϵ ijk = +1 falls i, j, k gerade Permutation von 1,2,3 1 falls i, j, k ungerade Permutation von 1,2,3 0 sonst ergibt. Die grafische Repräsentation zeigt Abb. A.5.5.1. Der Levi-Civitasche Tensor ist wegen seiner Struktur für die Darstellung und Ausrechnung von Kreuzprodukten beliebiger Vektoren a, b nützlich, siehe S. ix ff. Mit der Indexschreibweise lautet das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoeren a i und b i in der Indexschreibwiese (A.5.19) s = 3 a i b i. i=1 Einstein hat zur weiteren Vereinfachung der Schreibweise eingeführt, dass über doppelte Indizes, die auch stumme oder gebundene Indizes genannt werden, stets zu summieren ist, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vermerkt ist, so dass das Skalarprodukt einfach als (A.5.20) s = a i b i geschrieben wird. Der Index i kann wegen der Summation auch in jeden anderen Index umbenannt werden zum Beispiel (A.5.21) a i b i a k b k. Dies ist nützlich um mehr als zweifaches Auftreten eines bestimmten Indexes während des Rechnens im Tensorkalkül zu vermeiden und die Eindeutigkeit der Schreibweise trotz der Summenkonvention sicher zu stellen. Als Beispiel für die Summenkonvention wollen wir T i,j a j betrachten. Der Ausdruck besitzt einen freien Index i und einen gebundenen Index j. Wir schreiben dies ausnahmsweise vollständig hin T 1,1 a 1 + T 1,2 a 2 + T 1,3 a 3 3 (A.5.22) T i,j a j T i,j a j = T i,1 a 1 + T i,2 a 2 + T i,3 a 3 = T 2,1 a 1 + T 2,2 a 2 + T 2,3 a 3. j=1 T 3,1 a 1 + T 3,2 a 2 + T 3,3 a 3 viii

Das Ergebnis des Produktes stellt einen Tensor erster Stufe oder Vektor dar, dessen Komponenten durch ein Matrizenprodukt gebildet werden. Von besonderem Interesse ist das Produkt zwischen dem Einheitstensor und einem Vektor: δ i,j a j Wir erhalten folgendes Ergebnis δ 1,1 a 1 + δ 1,2 a 2 + δ 1,3 a 3 3 δ i,j a j δ i,j a j = δ i,1 a 1 + δ i,2 a 2 + δ i,3 a 3 = δ 2,1 a 1 + δ 2,2 a 2 + δ 2,3 a 3 j=1 δ (A.5.23) 3,1 a 1 + δ 3,2 a 2 + δ 3,3 a 3 = a 1 a 2 a 3 = a i. Die besondere Struktur des Einheitstensors erlaubt es also den freien Index j eines Vektors a j in einen neuen freien Index i in dem Produkt (A.5.24) δ i,j a j zu wandeln. Solche Rechentricks führen dann oft zu Produkten der Form δ ij δ jk, für die dann gilt (A.5.25) δ ij δ jk = δ ik. Daraus ergibt sich auch sofort (A.5.26) δ ij δ ji = δ ii = 3. Wir wollen uns als besonderes Beispiel Rechenoperationen mit dem Levi-Civitaschen Tensor anschauen. Wir betrachten den Ausdruck ϵ ijk a j b k. Darin sind die Indizes j und k gebundene Indizes, der Index i ist frei. Das Produkt der Vektoren a und b in dieser Kombination mit ϵ ijk liefert also wieder einen Vektor. In der Tat rechnet man wegen der Struktur des Levi-Civitaschen Tensores nach, dass so das Kreuzprodukt dargestellt werden kann: (A.5.27) c = a b c i = ϵ ijk a j b k Als Beispiel soll das doppelte Kreuzprodukt (A.5.28) a ( b c ) in Indexschreibweise dargestellt werden. Zunächst bilden wir den Hilfsvektor h (A.5.29) h = b c hi = ϵ ijk b j c k Der dadurch beschriebene Vektor h wird durch den freien Index i repräsentiert und soll von links mit dem verbleibenden Vektor a multipliziert werden. (A.5.30) a h ϵ ijk a j h k Beim Einsetzen der Ausdrücke ineinander sind wir gezwungen den freien Index in (*) umzubenennen. Da der Index k in Gl. (A.5.29) schon benutzt wurde und der Index j mehr als zweifach auftreten würde, benennen wir diese gebundenen Indizes um (A.5.31) h k = ϵ klm b l c m. ix

Dies dürfen wir dann zusammenfassen zu (A.5.32) a ( b c ) ϵ ijk a j ϵ ilm b l c m. Man überzeuge sich, dass die Reihenfolge der Faktoren beliebig ist, weshalb wir keine Klammer setzen müssen und beliebig umsortieren dürfen: (A.5.33) ϵ ijk a j ϵ klm b l c m = ϵ ijk ϵ klm a j b l c m Produkte der Art ϵ ijk ϵ klm lassen sich nach dem Entwicklungssatz der Tensorrechnung umschreiben (A.5.34) ϵ ijk ϵ klm = δ il δ jm δ im δ jl. Wir erhalten (A.5.35) ϵ ijk ϵ klm a j b l c m = ( δ il δ jm δ im δ jl ) aj b l c m = a m b i c m a l b l c i = b i a m c m c i a l b l. Der gefundene Ausdruck ist in symbolischer Schreibweise gleichzusetzen mit (A.5.36) a ( b c ) = b a c c a b, dem bekannten Entwicklungssatz der Vektorrechnung. Aus der Beziehung (A.5.34) folgt auch weiter (A.5.37) ϵ ijk ϵ klj = δ il δ jj δ ij δ jl = δ il δ jj δ il = 2 δ il und (A.5.38) ϵ ijk ϵ kij = δ ii δ jj δ ij δ ji = δ 2 ii δ ii = 6, wobei die Aussagen (A.5.25) und (A.5.26) benutzt wurde. Übung a) Bestimmen Sie den Zahlenwert für die Spur δ ii! = Spur(δ ij ) des Einheitstensors! b) Zeigen Sie mit der Indexschreibweise, dass das Kreuzprodukt a b nicht kommutativ ist! c) Schreiben Sie das Spatprodukt a ( b c ) in Indexschreibweise auf! d) Beweisen Sie die Lagrangesche Identität: ( a b ) ( c d ) = a c b d a d b c! e) Zeigen sie, dass der Entwicklungssatz ϵ ijk ϵ lmn = det δ il δ im δ in δ jl δ jm δ jn δ kl δ km δ kn und für den Spezialfall l = k ϵ ijk ϵ kmn = det δ im δ jm δ in δ jn gilt! x

A.6 Analysis und Vektoranalysis A.6.1 Partielle Ableitung Partielle Ableitungen sind wie folgt definiert: U sei eine offene Teilmenge des reellen Vektorraums R n und V eine skalare Funktion U R und x ein Element aus U: x = (x 1, x 2,..., x i,..., x n ). Falls für i N mit 1 i n der Grenzwert (A.6.1) V (x 1, x 2,..., x i + h,...x n ) V (x 1, x 2,..., x i,...x n ) lim h 0 h existiert, dann heißt der Grenzwert partielle Ableitung der Funktion V nach der i-ten Variablen im Punkt x. Schreibweise: V (x 1, x 2,..., x i + h,...x n ) V (x 1, x 2,..., x i,...x n ) lim h 0 h! = V x i Also wird nur eine unabhängige Variable variiert (hier die i-te), alle anderen bleiben konstant. Daraus ergeben sich Rechenregeln genau wie bei der gewöhnlichen Ableitung von Funktionen einer Veränderlichen. V V (x 1,x 2 ) V (x 1,x 2 ) V (x 1 +dx 1,x 2 +dx 2 ) V (x 1,x 2 ) V (x 1 +dx 1,x 2 +dx 2 ) dx 2 x 2 V (x 1 +dx 1,x 2 +dx 2 ) dx 1 dx 1 dx 2 x 1 Abb. A.6.1.1: Zum Begriff der partiellen Ableitung am Beispiel einer zweidimensionalen skalaren Funktion V = V (x 1, x 2 ) Wie die Abb. A.6.1.1 anhand eines zweidimensionalen Beispiels zeigt, können die partiellen Ableitungen als Steigungen der Fläche V ( x) in die Koordinatenrichtungen gedeutet werden. Die partiellen Ableitungen sind also die Steigung der Tangenten an die Fläche V, die sich für die Ableitung V in Richtung x 2 = const und entsprechend für die Ableitung V in Richtung x 1 x 2 x 1 = const ergeben. Beim Fortschreiten um eine Strecke dx 1 ergibt sich im ersten Fall eine xi